Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (9. Kammer) - 9 AE 2692/18
Tenor
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (9 A 2691/18) gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Mai 2018 wird abgelehnt.
2. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... wird abgelehnt.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin, 23-jährige iranische Staatsangehörige, wendet sich im Wege vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Androhung ihrer Abschiebung nach Griechenland.
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Der Antragstellerin wurde am 13. Juni 2016 in Griechenland internationaler Schutz zuerkannt. Sie reiste eigenen Angaben zufolge am 19. Oktober 2017 nach Deutschland ein und stellte am 26. Oktober 2017 einen Asylantrag.
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Mit Bescheid vom 4. Mai 2018, als Einschreiben am selben Tag zur Post gegeben, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und entschied, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Zudem forderte sie die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte die Antragstellerin die Ausreisefrist nicht einhalten, werde sie nach Griechenland abgeschoben. Die Antragstellerin könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den sie einreisen dürfe oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Die Antragstellerin dürfe nicht in den Iran abgeschoben werden (Nr. 3). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot im Sinne von § 11 Abs. 1 AufenthG befristete die Antragsgegnerin auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, der Asylantrag sei vor dem Hintergrund der in Griechenland erfolgten Schutzgewährung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig. Die Abschiebungsandrohung sei nach den §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu erlassen. Die Ausreisefrist werde nach § 38 Abs. 1 AsylG auf 30 Tage festgelegt.
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Am 20. Mai 2018 hat die Antragstellerin die unter dem Aktenzeichen 9 A 2691/18 anhängige Klage erhoben und um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Androhung ihrer Abschiebung nach Griechenland nachgesucht.
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Die Antragstellerin beantragt,
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1. die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der ihr angedrohten Abschiebung nach Griechenland anzuordnen,
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2. ihr Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen und Rechtsanwalt ... zur Vertretung beizuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf den Bescheid vom 4. Mai 2018.
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Die Sachakten haben bei der Entscheidung vorgelegen.
II.
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1. Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (9 A 2691/18) gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 4. Mai 2018 gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, über den die Kammer entscheidet, weil der Einzelrichter dieser den Rechtsstreit nach § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen hat, hat keinen Erfolg, weil er nicht statthaft ist.
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Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist das Vorliegen eines sofort vollziehbaren belastenden Verwaltungsakts (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80 Rn. 124). Daran fehlt es, wenn der gegen den belastenden Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf bereits aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 VwGO entfaltet (OVG Münster, Beschl. v. 17.5.2018, 4 B 464/18.A, juris; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 80 Rn. 454). Dies ist hier hinsichtlich der Klage gegen die im Bescheid vom 4. Mai 2018 angedrohte Abschiebung der Antragstellerin nach Ablauf der Ausreisefrist jedoch der Fall.
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Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 4. Mai 2018 ausdrücklich verfügt, dass die Ausreisefrist im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens ende. Damit kommt der gegen den Bescheid vom 4. Mai 2018 erhobenen Klage aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 VwGO zu. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Antragstellerin ist für die Dauer des Rechtsstreits ausgesetzt. Sie entsteht erst wieder, wenn das Asylverfahren für die Antragstellerin unanfechtbar negativ abgeschlossen werden sollte (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.4.2001, 9 C 22/00, juris Rn. 21). Dabei geht die aufschiebende Wirkung in zeitlicher Hinsicht im Falle der Rechtsmitteleinlegung gegen ein klageabweisendes erstinstanzliches Urteil sogar über die Regelungen des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO hinaus.
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Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Androhung der Abschiebung nach Ablauf der Ausreisefrist entfällt auch nicht deshalb, weil die Antragsgegnerin zur Festsetzung einer Ausreisefrist nicht von 30 Tagen nach § 38 Abs. 1 AsylG, sondern von einer Woche nach § 36 Abs. 1 AsylG verpflichtet gewesen wäre mit der Folge, dass eine Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG dann keine aufschiebende Wirkung entfaltet hätte (so auch VG Düsseldorf, Beschl. v. 15.5.2018, 29 L 1025/18.A, juris Rn. 8 ff.; zur a. A. s. nur VG Sigmaringen, Beschl. v. 19.6.2018, A 5 K 1489/18, juris Rn. 19 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 12.6.2018, 23 L 287.18 A, juris Rn. 4 f.; VG Wiesbaden, Beschl. v. 14.5.2018, 7 L 482/18,WI.A, juris Rn. 18).
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Maßgebend für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung ist nicht die Länge der nach den gesetzlichen Vorgaben zu setzenden Ausreisefrist, sondern die von der Antragsgegnerin tatsächlich getroffene Entscheidung zu Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung. Obgleich für Asylverfahren die Dauer der mit der Abschiebungsandrohung zu setzenden Ausreisefrist zwingend vorgegeben ist, ist es Sache der Antragsgegnerin, die Frist im konkreten Einzelfall festzusetzen (BVerwG, Urt. v. 17.8.2010, 10 C 18/09, juris Rn. 18). Auch wenn die Antragsgegnerin contra legem eine Ausreisefrist von 30 Tagen nach § 38 Abs. 1 AsylG und nicht von einer Woche nach § 36 Abs. 1 AsylG setzt und so den Eintritt der in § 37 Abs. 1 AsylG vorgesehenen Rechtsfolgen einer stattgebenden Entscheidung zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO verhindert, vermag dies eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die ihrerseits nicht mit den gesetzlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, nicht zu rechtfertigen. Eine solche wäre nach Auffassung der Kammer mit der Gesetzesbindung auch der rechtsprechenden Gewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 83b AsylG und § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... ist nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbegründet, da die Antragstellerin ihre Bedürftigkeit nicht nachgewiesen hat. Trotz der mit Verfügung vom 24. Mai 2018 erfolgten Aufforderung zur unverzüglichen Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Antragstellerin eine solche nicht eingereicht.
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Referenzen
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- § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 10 C 18/09 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 7x
- §§ 35, 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80b 1x
- VwGO § 154 1x
- § 37 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 1489/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- § 38 Abs. 1 AsylG 3x (nicht zugeordnet)
- § 83b AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 L 482/18 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 464/18 1x (nicht zugeordnet)
- § 76 Abs. 4 Satz 2 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 75 Abs. 1 AsylG 1x (nicht zugeordnet)
- § 36 Abs. 1 AsylG 2x (nicht zugeordnet)
- 29 L 1025/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 166 1x
- § 11 Abs. 1 AufenthG 1x (nicht zugeordnet)
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