Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (20. Kammer) - 20 K 7511/17

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Bundesverfassungsgericht wird gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 BVerfGG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz über die jährliche Sonderzahlung und die Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2011/2012 vom 1. November 2011 (HmbGVBl. S. 454),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2013/2014 und zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 3. September 2013 (HmbGVBl. S. 369),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar 2014 bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2013/2014 und zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 3. September 2013 (HmbGVBl. S. 369),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. März 2015 bis zum 29. Februar 2016 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2015/2016 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 22. September 2015 (HmbGVBl. S. 223),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. März 2016 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2015/2016 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 22. September 2015 (HmbGVBl. S. 223),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2017/2018 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2017 (HmbGVBl. S. 191),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2017/2018 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2017 (HmbGVBl. S. 191),

- Anlage VI des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in der vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2019/2020/2021 vom 18. September 2019 (HmbGVBl. S. 285),

soweit sie die Besoldungsgruppe A 11 betreffen,

mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sind.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Nettoeinkommen seit dem Jahr 2011 verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist.

2

Der am ... 1941 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder (geboren 1966 und 1969). Er war seit 1961 als Kriminalbeamter bei der Beklagten tätig. Mit Ende des Monats Januar 2001 trat er als Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) in den Ruhestand.

3

Durch das Hamburgische Gesetz über eine Dezember-Sonderzahlung im Jahr 2011 und zur Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2011/2012 vom 1. November 2011 (Sonderzahlungsgesetz 2011/2012 – HmbDSBVAnpG 2011/2012) wurde für Beamte der Besoldungsgruppe A 11 die vorher bestehende Sonderzahlung in Höhe von 66 % der monatlichen Bezüge im Monat Dezember auf einen Betrag von 500,-- Euro für Versorgungsempfänger bzw. 1.000,-- Euro plus 300,-- Euro pro Kind, für das Familienzuschlag gewährt wird, für aktive Beamte reduziert. Im Dezember 2011 betrug das Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 11 in der höchsten Erfahrungsstufe 3.478,70 Euro.

4

Ab dem Jahr 2012 wurde die Sonderzahlung für Versorgungsempfänger als gesondert ausgewiesener Betrag (500,-- Euro geteilt durch zwölf) auf die monatliche Versorgung aufgeteilt. Die allgemeine Sonderzahlung für aktive Beamte wurde dergestalt in die Besoldungstabelle eingearbeitet, dass das monatliche Grundgehalt um 1/12 von 1.000,-- Euro angehoben wurde.

5

Der Kläger beantragte am 24. Januar 2012, abweichend von dem bisherigen Zahlbetrag amtsangemessene Versorgungsbezüge für das Jahr 2011 und die Folgejahre für ihn festzusetzen und zu zahlen. Zur Begründung führte er aus, dass seine aktuell gezahlten Dienstbezüge nicht amtsangemessen seien und somit das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationsprinzip verletzten. Die Dienstbezüge entsprächen nicht mehr der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und dem allgemeinen Lebensstandard. Dies sei auch für die Versorgungsempfänger maßgeblich, weil gemäß § 80 Abs. 1 HmbBeamtVG bei einer Änderung der Dienstbezüge die Versorgungsbezüge von demselben Zeitpunkt an entsprechend anzupassen seien. Allerdings gebe es keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, der eine solche entsprechende Anpassung verfassungsrechtlich zwingend erfordere. Jedoch sei auch die gesetzliche Rente ausweislich des Rentenwerts deutlich stärker gestiegen als die Beamtenversorgung. Die Versorgungsempfänger hätten in den vergangenen Jahren erhebliche Einsparungen und Kürzungen hinnehmen müssen. Seit 2002 sei das Ruhegehalt von 75 % der letzten Besoldung auf 71,75 % reduziert worden. Seit 2008 sei die Polizeizulage nicht mehr ruhegehaltsfähig. So sei die Sonderzahlung eines monatlichen Bruttoeinkommens zwischen 1994 und 2003 auf dem Niveau von 1993 eingefroren worden. Im Jahre 2004 sei die Sonderzahlung in den Besoldungsgruppen bis A 12 auf 66 % eines monatlichen Bruttogehalts reduziert worden. 2011 seien Sonderzahlungen bis zur Besoldungsgruppe A 16 auf einen Festbetrag von 1.000,-- Euro gekürzt und für die Besoldungsordnung B abgeschafft worden. Ebenso sei das Übergangsgeld bei Vollzugsbeamten mit einer besonderen Altersgrenze bei der Versetzung in den Ruhestand entfallen.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2012, der dem Kläger am 24. April 2012 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Antrag des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass seine Versorgungsbezüge im Einklang mit dem einfachen Recht festgesetzt worden seien. Für die Beamtenversorgung gelte ein Gesetzesvorbehalt, weshalb die Alimentation nur nach Maßgabe und im Rahmen eines Gesetzes zuerkannt werden könne. Es bestünden grundlegende Unterschiede zwischen Versorgungsempfängern einerseits und Empfängern von Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und ergänzender Leistungen aus Betriebsrenten- und Zusatzversorgungssystemen andererseits, so dass eine strikte Parallelität zwischen Versorgungs- und Rentenanpassungen nicht erforderlich sei. Insbesondere stehe gesetzlich Rentenversicherten lediglich eine nach unten grundsätzlich nicht begrenzte Regelsicherung zu. Die Alimentation des Klägers sei auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Bei der Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG resultierenden Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation besitze der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum, der sich sowohl auf die Struktur als auch die Höhe der Versorgung beziehe. Der Verfassung seien keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne bezifferter oder bezifferbarer Beträge zu entnehmen. Art. 33 Abs. 5 GG garantiere weder die unverminderte Höhe der Versorgung noch bestimmte Berechnungsgrundlagen oder Berechnungsverfahren für die Alimentation. Insbesondere gehörten Sonderzahlungen und die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage nicht zum durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich beamtenrechtlicher Alimentation, weshalb der Gesetzgeber weder verpflichtet sei, sie beizubehalten, noch, sie auf einem bestimmten Niveau festzuschreiben oder an allgemeine Besoldungserhöhungen anzupassen. Statistische Aussagen über die Entwicklung der Einkommensverhältnisse belegten eine Verletzung des Alimentationsprinzips nur dann, wenn erhebliche Unterschiede der Statusgruppen im Lebensstandard evident seien, weil Art. 33 Abs. 5 GG weder die Sicherung eines erreichten Lebensstandards noch den Gleichklang des Lebenskomforts von Beamten und Tarifbeschäftigten mit einer ähnlichen Vor- und Ausbildung garantiere. Einen evidenten Unterschied habe der Kläger aber nicht aufgezeigt.

7

Dagegen hat der Kläger am 24. Mai 2012 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er führt ergänzend aus, dass sich die Klage auch auf die Folgejahre bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung beziehe. Sollte sich die Versorgung als nicht mehr verfassungsgemäß erweisen, sei eine Anpassung der Besoldungstabelle, die der Versorgung zugrunde liegt, notwendig. Dies würde sich zwingend auch auf die Folgejahre auswirken. Eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Versorgung in den Jahren 2011/2012 würde durch die in den Folgejahren erfolgten Versorgungsanpassungen im „normalen“ Rahmen nicht geheilt, sondern fortgesetzt. Die Einbeziehung der Folgejahre sei auch zulässig, wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeige. Darüber hinaus sei die Klage begründet. Auf der ersten Prüfungsstufe seien vier der fünf Parameter erfüllt, welche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation begründeten. Obwohl er, der Kläger, Versorgungsempfänger sei, sei für den Parametervergleich auf die Besoldung eines im Dienst befindlichen Polizeivollzugsbeamten der Besoldungsgruppe A 11 abzustellen. Auch das Bundesverfassungsgericht habe die Reduzierung der Versorgung von 75 % auf 71,75 % der letzten Besoldung erst auf der zweiten Prüfungsstufe berücksichtigt. Die ersten drei Parameter (Vergleich mit der Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst, dem Nominallohnindex und dem Verbraucherpreisindex) seien erfüllt. Auszugehen sei für diese Berechnung jeweils vom tatsächlichen Jahresgehalt und nicht von dem mit zwölf multiplizierten Dezembergehalt des Bezugsjahres, da andernfalls die bis 2011 im Dezember geleistete Jahressonderzahlung das Rechenergebnis verzerren würde. Ferner sei für die Ermittlung des maßgeblichen Nettogehalts der im Jahre 2005 eingeführte monatliche Eigenanteil an der bis dahin kostenfreien Heilfürsorge von 1,4 % abzuziehen und das Urlaubsgeld einzubeziehen. Besondere Berücksichtigung verdiene zudem der Umstand, dass die Polizeizulage seit 1991 nicht angehoben und deshalb durch die Inflation entwertet worden sei. Ein Quervergleich innerhalb der Besoldungsgruppe A 11 mit dem Bund, dem Freistaat Bayern und dem Freistaat Sachsen zeige ferner eine erhebliche Differenz zur Besoldung in der Freien und Hansestadt Hamburg (fünfter Parameter). Ein Quervergleich mit der Besoldung aller übrigen Länder sei hingegen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder erforderlich noch aussagekräftig, da nicht auszuschließen sei, dass auch die Besoldung in anderen Länder den Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG nicht gerecht werde. Zwar liege eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter der einzelnen Besoldungsgruppen untereinander (vierter Parameter) nicht vor. Jedoch werde der Mindestabstand der Eingangsbesoldung zum Grundsicherungsniveau nicht eingehalten (ebenfalls vierter Parameter). Die von der Beklagten gegen die Berechnung dieses Mindestabstands geltend gemachten Einwände würden nicht durchgreifen. Vielmehr sei der Berechnungsweise des Bundesverfassungsgerichts zu folgen.

8

Die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation werde auf der zweiten Prüfungsstufe des Bundesverfassungsgerichts dadurch erhärtet, dass die Beklagte das Höchstruhegehalt von 75 % auf 71,75 % reduziert sowie das Übergangsgeld aufgrund der besonderen Pensionsgrenze der Polizeivollzugsbeamten abgeschafft habe und es sich bei Hamburg um einen Stadtstaat mit überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten handle. Ob der Einwand der Beklagten, die Abschaffung des Übergangsgeldes sei erfolgt, weil für Polizeibeamte die Pensionsgrenze nicht angehoben worden sei, zutreffend sei, könne dahinstehen. Denn jedenfalls sei diese Begründung irrelevant. Das Übergangsgeld werde als Ausgleich dafür gewährt, dass Polizeivollzugsbeamte, die wegen der gesonderten Pensionsgrenze von 60 Jahren in den Ruhestand treten würden, Einkommensverluste im Vergleich zu gleichaltrigen Beamten hinnehmen müssten, die bis zur allgemeinen Pensionsgrenze arbeiten könnten. Hinsichtlich dieses Einkommensverlustes wirke sich die Verschiebung der allgemeinen Pensionsaltersgrenze nicht aus. Des Weiteren habe der Gesetzgeber im Rahmen des Sonderzahlungsgesetzes 2011/12 nicht seinen prozedurale Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten genüge getan. Der Gesetzgeber habe dabei eine erforderliche vergleichende Gehaltsstrukturuntersuchung unterlassen und sich stattdessen mit einem unzureichenden Hinweis auf die prekäre Haushaltssituation der Beklagten begnügt. Eine nachgeschobene Begründung dieser Maßnahmen durch die Beklagte genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, weil bereits im Gesetzgebungsprozess hätte überprüft werden müssen, ob die Kürzungen mit dem Alimentationsprinzip vereinbar seien. Er, der Kläger, sei nicht verpflichtet, die von ihm geltend gemachte Unteralimentation im Einzelnen darzulegen und zu beziffern. Vielmehr obliege es der Beklagten, sich ständig zu vergewissern, ob ihre Beamten noch amtsangemessen alimentiert würden.

9

Der Kläger beantragt,

10

festzustellen, dass sein Nettoeinkommen für die Jahre 2011, 2012 und die Folgejahre verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Sie führt ergänzend aus, dass unklar sei, ob die Klage zulässig sei, soweit sie sich auf die Jahre nach 2012 beziehe. Dagegen spreche, dass bei Klageerhebung die Höhe der zukünftigen Versorgung noch nicht festgestanden habe, mögliche wesentliche Veränderungen im Beamtenverhältnis nicht absehbar gewesen seien und bezüglich der Versorgung in den Folgejahren kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei. Sollte es sich bei der Einbeziehung der Folgejahre in die Klage um eine Klageänderung handeln, werde dieser widersprochen. Bezüglich der Versorgung im Jahre 2011 dürfte es an der haushaltsnahen Geltendmachung der Bedenken des Klägers fehlen. Denn dieser habe sich erstmals im Jahre 2012 wegen der zu niedrigen Versorgung an die Beklagte gewandt. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Es bestehe keine Vermutung für die Unteralimentation des Klägers, weil auf der ersten Prüfungsstufe lediglich einer der fünf Parameter aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfüllt sei: Allein die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes übersteige die Besoldungsentwicklung in Fünfzehnjahreszeiträumen bis 2016 um mehr als 5 % (dritter Parameter). Die Differenz sei insoweit im Zeitraum bis 2011 am höchsten gewesen und sei in den Folgejahren aufgrund der günstigen Entwicklung bei den Verbraucherpreisen gesunken, so dass die Werte ab 2016 unter 5 % geblieben seien.

14

Da der Kläger Versorgungsempfänger sei, sei im Rahmen des ersten Parameters die Entwicklung seiner Versorgungsbezüge nicht mit dem Tariflohnindex zu vergleichen. Vielmehr sei ein Vergleich mit den Einkommensverhältnissen von Empfängern der gesetzlichen Rentenversicherung anzustellen. Wegen der Bifunktionalität der Beamtenversorgung müsse beim ersten Parameter die betriebliche Zusatzversorgung miteinbezogen werden. Die Versorgung sei mit der gesetzlichen Rente und dem Ruhegeld nach dem Hamburgischen Zusatzversorgungsgesetz zu vergleichen. Bis 2003 sei die Zusatzversorgung an der Beamtenversorgung ausgerichtet gewesen. Je nach Beschäftigungsdauer sei die Gesamtrente in einem Prozentsatz (maximal 75 %) vom letzten Gehalt berechnet worden. Davon sei die gesetzliche Rente abgezogen worden und der Restbetrag als Ruhegehalt ausgezahlt worden. Seit der Zusatzversorgungsreform 2003 bemesse sich das Ruhegeld ausschließlich nach einem Prozentsatz des letzten Entgelts (0,5 % pro Beschäftigungsjahr) und steige jedes Jahr zeitgleich mit der Rentenanpassung um 1 %. Das zuletzt bezogene Ruhegeld bei der Systemumstellung bleibe bestehen und werde seitdem ebenfalls jährlich um 1 % erhöht. Bei einem Vergleich von Versorgungsbezügen und Rentenzahlungen innerhalb der verschiedenen 15-Jahres-Zeiträume zeige sich, dass die 5 %-Grenze jeweils unterschritten werde und der erste Parameter nicht erfüllt sei. Zwar habe sich die Streichung der Sonderzahlung für Beamtenversorgungsempfänger negativ ausgewirkt. Jedoch seien die Altersbezüge ehemaliger Tarifbeschäftigter in den davorliegenden Zeiträumen deutlich hinter der Beamtenversorgungsentwicklung zurückgeblieben. Die Kürzungen der Sonderzahlung bei Versorgungsempfängern hole nur die Kürzungen, die in anderen Alterssicherungssystemen schrittweise vollzogen worden seien, in einem Schritt nach.

15

Auch der zweite Parameter (Vergleich mit dem Nominallohnindex) sei im Fall des Klägers als Versorgungsempfänger nicht ohne weiteres anwendbar. Vielmehr sei die Beamtenversorgungsentwicklung mit der allgemeinen Rentenentwicklung zu vergleichen. Dabei sei es beim zweiten Parameter nicht geboten, betriebliche Altersversicherungssysteme außerhalb des öffentlichen Dienstes heranzuziehen. Ein Großteil der Tarifbeschäftigten habe keinen Zugang zu einer betrieblichen Altersversorgung. Zudem seien die betrieblichen Altersversorgungssysteme sehr vielfältig und nicht alle für eine vergleichende Beurteilung erheblichen Daten seien zugänglich.Im 15-Jahreszeitraum bis 2011 sei die Rente zwar stärker angestiegen als die Beamtenversorgung, jedoch betrage die Differenz weniger als 5 %.

16

Für die Berechnung der Parameter 1 bis 3 sei als Ausgangsbetrag das zwölffache Dezembergehalt zugrunde zu legen, da andernfalls die Steigerung in einem Zeitraum nicht von 15, sondern von 16 Jahren erfasst werde. Dabei sei auf die Endstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe abzustellen. Die Heilfürsorge sei als Sachbezug nicht vom maßgeblichen Nettogehalt abzuziehen, weil sie eine besondere Vergünstigung darstelle. Die Polizeizulage sei nicht in die Berechnung einzubeziehen, weil es sich bei ihr um eine nicht ruhegehaltsfähige Stellenzulage handle. Die Streichung des Urlaubsgeldes sei rechnerisch zu vernachlässigen.

17

Darüber hinaus werde der Abstand zwischen den verschiedenen Besoldungsgruppen nicht dauerhaft eingeebnet (vierter Parameter). Außerdem bestehe ein ausreichender Abstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau (ebenfalls vierter Parameter). Zunächst sei anzumerken, dass die vom Bundesverfassungsgericht verwendete Familienkonstellation (30-jähriger verheirateter Beamter mit zwei Kindern und nicht berufstätigem Ehepartner) immer seltener der gesellschaftlichen Realität entspreche. Vielmehr seien häufig auch die Ehepartner berufstätig mit eigenem Einkommen, zumal in einer Großstadt wie Hamburg, in der einerseits ein großes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und andererseits ein großes Arbeitsplatzangebot vorhanden sei. Des Weiteren sei die der Vergleichsberechnung zugrunde gelegte Einstufung der Beamtin bzw. des Beamten wirklichkeitsfremd. Jemand, der in ein Amt der Laufbahngruppe 1, 1. Einstiegsamt eingestellt werde, müsse das 18. Lebensjahr vollendet haben, über einen Hauptschulabschluss verfügen und einen halbjährigen Vorbereitungsdienst absolviert haben. Ein 30-jähriger Beamter werde regelhaft über berufliche Vorerfahrungen verfügen, die aufgrund der großzügigen Praxis der Anerkennung von Vorerfahrungszeiten zu einem Vorrücken in eine höhere Erfahrungsstufe führen würde. Bei der Berechnung der Nettobesoldung des Vergleichsbeamten der niedrigsten Besoldungsgruppe – in Hamburg A 4,Justizhauptwachtmeisterin, Justizhauptwachtmeister – sei die Amtszulage nach der Anlage IX HmbBesG zu berücksichtigen, da nach der Anlage 1 Besoldungsgruppe A 4 Fußnote 2 HmbBesG alle betroffenen Beamten eine Amtszulage erhalten würden. Zudem könne der Berechnung des Grundsicherungsniveaus durch das Bundesverwaltungsgericht in seinen Vorlagebeschlüssen zum Bundesverfassungsgericht aus dem Oktober 2018 und durch das Bundesverfassungsgericht nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Insbesondere sei nicht auf einen Durchschnittssatz für Kinder vom 1. bis zum 18. Lebensjahr abzustellen. Denn bei lebensnaher Betrachtung sei nicht davon auszugehen, dass die Kinder eines 30jährigen Beamten älter als zehn Jahre seien. Im Bundesdurchschnitt sei eine Mutter bei Geburt ihres ersten Kindes 29,8 Jahre alt und bei der Geburt des zweiten Kindes 31,9 Jahre alt. Der Hamburgische Besoldungsgesetzgeber habe deshalb bei lebensnaher Betrachtung den (geringeren) Bedarf einer Musterfamilie mit zwei Kindern im Alter von drei und fünf Jahren zugrunde gelegt. Auch bei den Unterkunftskosten komme es zu Abweichungen. In der Freien und Hansestadt Hamburg als Stadtstaat bestehe anders als in Flächenstaaten mit sehr unterschiedlichen regionalen Unterkunftskosten kein Bedürfnis dafür, auf die Sätze aus dem Wohngeldrecht abzustellen. Vielmehr könne die Fachanweisung Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II herangezogen werden. Danach würden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit sie die in der Fachanweisung festgelegten Angemessenheitsgrenzen nicht überschreiten würden. Die Heizkosten seien entweder anhand des Betriebskostenspiegels des Deutschen Mieterbundes oder anhand des Heizspiegels bundesweit (weil es einen kommunalen Heizspiegel für Hamburg nicht gebe) zu ermitteln. Bei den Bedarfen für Schule/Bildung und Teilhabe sei auf zwei Kinder zwischen dem 1. und 10. Lebensjahr (und nicht zwischen dem 1. und 18. Lebensjahr) abzustellen. Weitere Bedarfe seien nicht zu berücksichtigen, weil sie nur von einer Minderheit der Leistungsbezieher benötigt würden. Bezüglich des Abstands zum Grundsicherungsniveau sei der vom Bundesverwaltungsgericht in den Vorlagebeschlüssen aus Oktober 2018 geäußerten Auffassung, dass die Unterschreitung dieses Abstands für die niedrigste Besoldungsgruppe die Besoldung auch in höheren Besoldungsgruppen unmittelbar verfassungswidrig mache, nicht zu folgen. Denn angesichts des weiten Ermessensspielraums des Besoldungsgesetzgebers könne dem Abstandsgebot bei einer Anhebung der Besoldung für die niedrigste Besoldungsgruppe auf sehr unterschiedliche Weise Rechnung getragen werden, etwa durch eine Anhebung des Eingangsgehalts einer Besoldungsgruppe mit geringeren prozentualen Steigerungen in den Erfahrungsstufen. Bei dem Quervergleich mit dem Bund und anderen Ländern sei auf den Durchschnitt der Besoldungshöhen des Bundes und aller anderen Länder abzustellen. Dabei liege die Besoldung der Besoldungsgruppe A 11 in Hamburg nur geringfügig unter dem Durchschnitt (fünfter Parameter).

18

Auf der zweiten Prüfungsstufe würden die Einschnitte im Bereich des Versorgungsrechts nicht die Vermutung einer verfassungsgemäßen Alimentation des Klägers widerlegen. Die Einschnitte seien bundesweit erfolgt und vom Bundesverfassungsgericht als unbedenklich angesehen worden. Insbesondere hätten die Einschnitte auch in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bestanden, ohne dass das Bundesverfassungsgericht die Besoldung in diesen Ländern in seinen Entscheidungen vom 5. Mai und 17. November 2015 für verfassungswidrig gehalten habe. Soweit der Kläger die Streichung des Übergangsgeldes in Höhe von 4.091,-- Euro aufgrund der besonderen Pensionsaltersgrenze der Polizeivollzugsbeamten als relevanten Einkommensverlust darstelle, sei dem nicht zu folgen. Diese Kürzung sei erfolgt, weil die besondere Pensionsaltersgrenze der Polizeivollzugsbeamten – anders als die allgemeine Altersgrenze von Beamtinnen und Beamten – nicht um zwei Jahre verlängert worden sei. Außerdem stelle die dem Kläger gewährte Heilfürsorge eine erhebliche Vergünstigung dar. In der Endstufe der Besoldungsgruppe werde sie lediglich mit ca. 90 Euro (1,4 % des Grundgehalts) angerechnet. Dies sei wesentlich weniger als der für eine private Krankenversicherung zu zahlende Beitrag. Die Behauptung des Klägers, das Ruhegehalt sei durch die stärkere Kürzung der Sonderzahlung im Vergleich zu den Aktivbezügen um weitere 500,-- Euro gekürzt worden, sei unzutreffend. Denn die Versorgungsempfänger hätten im Höchstfall nur Anspruch auf 71,75 % der Sonderzahlung von 1.000,-- Euro gehabt, während die Versorgungsbezüge unabhängig vom Ruhegehaltssatz um 500,-- Euro erhöht worden seien. Dadurch entstehe eine maximale Differenz von 217,50 Euro. Der Gesetzgeber habe auch den prozeduralen Anforderungen des Alimentationsprinzips genüge getan.

19

Schließlich sei eine Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus – so sie denn vorliege – durch das in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG mit Verfassungsrang ausgestattete Verbot der Neuverschuldung gerechtfertigt.Die Reduzierung der Sonderzahlung im Jahr 2011 sei Teil eines ausgewogenen Gesamtpakets zur Haushaltskonsolidierung. Der Gesetzgeber habe ein konkretes Einsparziel durch diese Kürzung (ca. 100 Millionen Euro pro Jahr) in der Gesetzesbegründung angegeben. Der Gesetzgeber habe auf die schon damals im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse Bezug genommen und auf die daraus resultierenden Sparzwänge Bezug genommen. Hintergrund seien die außergewöhnlichen Belastungen der öffentlichen Haushalte durch die Finanzkrise 2008/2009. Im Zuge des Haushaltsplanentwurfes 2011/2012 habe der Gesetzgeber ein Gesamtsparziel von 510 Millionen Euro ausgegeben. Davon seien neben der Kürzung der Sonderzahlung 100 Millionen Euro durch eine Verschlankung der öffentlichen Verwaltung, die Senkung der Kosten der Politik und die Stärkung länderübergreifender Kooperationen in Norddeutschland zu erwirtschaften. Weitere 50 Millionen Euro würden die öffentlichen Unternehmen beisteuern. Zusätzliche 260 Millionen würden durch Konsolidierungsvorschläge, die in der Verantwortung der einzelnen Fachbehörden erarbeitet würden, erbracht. Beamte bzw. Versorgungsempfänger hätten keineswegs allein die Last der Einsparmaßnahmen zu schultern.

20

Die Kammer hat das Verfahren mit Beschluss vom 21. März 2013 gemäß § 94 VwGO ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Sache 2 BvL 17/09 abzuwarten. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache mit Urteil vom 5. Mai 2015 entschieden hat, hat die Kammer den Aussetzungsbeschluss mit Beschluss vom 21. August 2017 aufgehoben. Außerdem hat die Kammer Auskünfte des Statistischen Bundesamts zur Entwicklung der Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex, der Bundesagentur für Arbeit zum Grundsicherungsniveau – insbesondere zu den Wohnkosten von Grundsicherungsempfängern –, der Deutschen Rentenversicherung, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zur Entwicklung des Versorgungsniveaus von gesetzlich Rentenversicherten und zu den Möglichkeiten des Vergleichs mit der Entwicklung der beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen sowie des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. zu den durchschnittlichen Beiträgen einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Kranken- und Pflegeversicherung eingeholt und den Beteiligten zur Verfügung gestellt.

21

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sachakten der Beklagten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, sowie die Gerichtsakte verwiesen.

II.

22

Das Verfahren ist gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GG und § 80 BVerfGG auszusetzen und es ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob die im Tenor genannten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes in den Kalenderjahren 2012 bis 2019 mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar sind, soweit sie die Besoldungsgruppe A 11 betreffen.

23

Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) liegen vor. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Gerichtsverfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG gilt dies auch, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes durch ein Landesgesetz handelt. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muss die Begründung des Vorlagebeschlusses angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist.

24

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Vorlage erfolgt an das Bundesverfassungsgericht, weil eine Vorlage an das Hamburgische Verfassungsgericht nicht in Betracht kommt (hierzu unter 1.). Die formalen Voraussetzungen für einen Vorlagebeschluss sind erfüllt (hierzu unter 2.). Außerdem ist die Verfassungsmäßigkeit der im Tenor genannten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes entscheidungserheblich (hierzu unter 3.) und die Kammer ist von der Verfassungswidrigkeit dieser Regelungen überzeugt (hierzu unter 4.).

25

1. Die Vorlage erfolgt an das Bundesverfassungsgericht, weil eine Vorlage an das Hamburgische Verfassungsgericht gemäß Art. 64 Abs. 2 der Hamburgischen Verfassung nicht in Betracht kommt. Die Hamburgische Verfassung enthält über Art. 59 Hamburgische Verfassung hinaus, der keine Regelung zu dem hier streitgegenständlichen Alimentationsgrundsatz trifft, keine Vorschriften für Berufsbeamte. Die Kammer hat den vorliegenden Rechtsstreit daher anhand des Maßstabes des Art. 33 Abs. 5 GG zu entscheiden.

26

2. Die formalen Voraussetzungen für einen Vorlagebeschluss sind gegeben. Die Beteiligten haben im Rahmen der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gehabt, zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht Stellung zu nehmen und haben keine Bedenken geäußert.

27

Die Kammer hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden, so dass der Vorlagebeschluss in einem Verfahrensstadium ergeht, in dem das Gericht eine sachliche Entscheidung zu treffen hat und in dem es daher auch auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.1979, 1 BvL 52/79, BVerfGE 51, 401, juris Rn. 9).

28

Der Vorlagebeschluss ist in der Kammerbesetzung mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern getroffen worden (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO), da auch die Sach-entscheidung im vorliegenden Verfahren in voller Spruchkörperbesetzung zu treffen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.7.2010, 2 BvL 21/08, juris Rn. 4 f.).

29

3. Darüber hinaus ist die Verfassungsmäßigkeit der im Tenor genannten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes entscheidungserheblich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Gericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen, wenn es zuvor die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift sorgfältig geprüft hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.2010, 2 BvL 16/09, juris Rn. 22, m.w.N.). Das vorlegende Gericht muss hierzu mit hinreichender Deutlichkeit darlegen, dass es im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.5.2008, 2 BvL 8/08, BVerfGE 121, 233, 237 f, juris Rn. 18 m.w.N.).

30

Gemessen an diesem Maßstab ist die Verfassungsmäßigkeit der im Tenor genannten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes entscheidungserheblich. Die Entscheidung über die Feststellungsklage des Klägers hängt ausschließlich davon ab, ob die Besoldung der Beamten in der Besoldungsgruppe A 11 in der Freien und Hansestadt Hamburg in den Jahren 2012 bis 2019 verfassungswidrig oder verfassungsgemäß ist.

31

Wenn die im Tenor genannten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes verfassungskonform sind, dann ist die Feststellungsklage abzuweisen, weil kein Feststellungsanspruch des Klägers besteht.

32

Sind die im Tenor genannten gesetzlichen Regelungen hingegen verfassungswidrig, so ist der Feststellungsklage stattzugeben. Denn diese ist im Übrigen – bis auf die Frage der Verfassungskonformität der Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes – zulässig (hierzu unter a) und begründet (hierzu unter b).

33

a) Die Feststellungsklage des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (hierzu unter aa), der Kläger hat für den Zeitraum ab 2012 ein Feststellungsinteresse (hierzu unter bb), er musste für die Jahre ab 2013 keine weiteren Widerspruchsverfahren durchführen (hierzu unter cc) und es ist unerheblich, dass die Beklagte der Einbeziehung der Folgejahre in die Klage widersprochen hat (hierzu unter dd).

34

aa) Der Klagantrag ist als allgemeiner Feststellungsantrag gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Die richtige Klageart für das Begehren, eine höhere Alimentation zu erhalten, ist nicht die Leistungsklage, sondern die Feststellungsklage (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 21.9.2017, 2 C 30/16, juris Rn. 8). Denn der Gesetzgeber genießt im Bereich der Besoldung einen weiten Gestaltungsspielraum. Deswegen und wegen des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes (§ 3 Abs. 1 HmbBesG) können keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind.

35

bb) Der Kläger hat auch ein Feststellungsinteressebezüglich der Höhe seiner Versorgungsbezüge ab dem Jahr 2012. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Nachforderung von Bezügen für bereits vergangene Zeiträume zu beachten, dass der Beamte im Rahmen des gegenseitigen Treueverhältnisses Rücksicht auf berechtigte Belange des Dienstherrn nehmen muss. Da die Alimentation einen gegenwärtigen Bedarf decken soll, kann der Beamte nicht erwarten, Besoldungsleistungen für zurückliegende Haushaltsjahre zu bekommen, solange er sich mit der gesetzlichen Alimentation zufriedengegeben hat. Er muss vielmehr eine zu niedrige Alimentation im Verlauf des jeweiligen Haushaltsjahres rügen und so den Dienstherrn auf haushaltsrelevante Mehrbelastungen aufmerksam machen. Ansprüche können erst ab dem Haushaltsjahr bestehen, in dem der Beamte eine zu niedrige Alimentation gegenüber seinem Dienstherrn geltend gemacht hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.6.2011, 2 C 40/10, juris Rn. 6, m.w.N.). Dies gilt auch für den Fall, dass der Dienstherr eine verfassungswidrige Alimentation für den in Streit stehenden vergangenen Zeitraum festgesetzt und somit seinerseits gegen das Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG verstoßen haben sollte. Ein solcher Verstoß enthebt den Beamten nicht von der Pflicht, die zu geringe Alimentation zeitnah zu rügen (vgl. hierzu auch VG Gera, Urt. v. 19.4.2017, 1 K 1433/14Ge, juris Rn. 19, m.w.N.; VG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2019, 14 K 5111/15, n.v., S. 6 UA). Haushaltsjahr ist in Hamburg gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hamburgischen Landeshaushaltsordnung das Kalenderjahr. Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Höhe seiner Versorgungsbezüge ab dem Jahr 2012. Er hat den Anforderungen des Grundsatzes der haushaltsnahen Geltendmachung erst ab diesem Jahr genügt, weil er die Höhe seiner Alimentation erstmals mit seinem Widerspruch vom 24. Januar 2012 gerügt hat.

36

cc) Des Weiteren steht der Zulässigkeit der Klage für die Jahre ab 2013 nicht entgegen, dass der Kläger nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens im Jahr 2012 für die Folgejahre keine weiteren Widerspruchsverfahren durchgeführt hat (so im Ergebnis auch, allerdings ohne diese Frage explizit zu thematisieren: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 17 ff.; BVerwG, Vorlagebeschl. v. 22.9.2017, 2 C 56/16 u.a., BVerwGE 160, 1, juris Rn. 27). Zwar ist nach § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG als Sachurteilsvoraussetzung vor allen Klagen von Landesbeamten – auch vor Feststellungsklagen – ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen (vgl. Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 54 Rn. 7 m.w.N.). Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens war aber insoweit entbehrlich (vgl. hierzu und zum Folgenden BVerwG, Urt. v. 30.10.2013, 2 C 23.12, juris Rn. 34 ff.; VGH München, Beschl. v. 1.2.2018, 6 ZB 17.1863, juris Rn. 8 ff., m.w.N.), weil es seinen Zweck nicht mehr erreichen konnte.Auch in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dient das Widerspruchsverfahren der Selbstkontrolle der Verwaltung, dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte. Diese Zwecke können etwa dann nicht mehr erreicht werden, wenn feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würde.

37

Vor diesem Hintergrund war die Durchführung weiterer Widerspruchsverfahren entbehrlich, denn die Zwecke eines Widerspruchsverfahrens bezüglich der Amtsangemessenheit der Besoldung des Klägers waren für den Zeitraum ab 2013 durch die Durchführung weiterer Widerspruchsverfahren nicht mehr zu erreichen. Denn der Kläger durfte davon ausgehen, dass weitere Widersprüche unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würden. Die Beklagte hat in ihrem Widerspruchsbescheid vom 23. April 2012 und im laufenden Klagverfahren eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie die gesetzlichen Vorgaben zur Höhe der Versorgungsbezüge als für sich bindend ansieht und die Alimentation des Klägers auch in den Jahren ab 2013 für amtsangemessen hält.

38

dd) Dass die Beklagte einer Einbeziehung der Folgejahre in die Klage widersprochen hat, ist unerheblich. Denn durch die Formulierung seines Antrags „festzustellen, dass sein Nettoeinkommen für die Jahre 2011, 2012 und die Folgejahre verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist“ hat der Kläger bereits mit Klageerhebung die Alimentation in den Folgejahren in die Klage einbezogen. Unabhängig davon wäre die Einbeziehung der Folgejahre selbst dann keine zustimmungspflichtige Klageänderung, wenn sie als Erweiterung des ursprünglichen Klageantrags anzusehen wäre, weil eine solche Erweiterung des Klageantrags in der Hauptsache gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen wäre.

39

b) Die Begründetheit der Klage hängt allein vom Vorlagegegenstand ab. Nur wenn die im Tenor bezeichneten Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden, ist die Feststellungsklage begründet. Insbesondere kommt eine Korrektur der gesetzlich festgelegten Besoldungshöhe durch eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Vorlagebeschl. v. 22.9.2017, 2 C 56/16 u.a., BVerwGE 160, 1, juris Rn. 27).

40

Obwohl der Kläger Versorgungsempfänger ist, kommt es bei der Frage der Amtsangemessenheit seiner Versorgungsbezüge entscheidend auf die Verfassungskonformität der Besoldung in der Besoldungsgruppe, anhand derer die Höhe der Versorgung berechnet wird (hier A 11), – und damit auf den Vorlagegenstand – an. Denn der Gesetzgeber knüpft die Höhe der Versorgungsbezüge unmittelbar an die Besoldungshöhe. Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgisches Beamtenversorgungsgesetz - HmbBeamtVG) vom 26. Januar 2010 (HmbGVBl. S. 72– verkündet als Art. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Hamburgischen Besoldungs- und Beamtenversorgungsrechts vom 26. Januar 2010 – HmbGVBl. 23) wird das Ruhegehalt anhand der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe berechnet, in der der Beamte vor dem Eintritt in den Ruhestand zuletzt beschäftigt war. Dabei ergibt sich nach § 16 Abs. 1 HmbBeamtVG aus der Anzahlruhegehaltfähiger Dienstjahre ein prozentualer Ruhegehaltssatz, mit dem die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge des zuletzt innegehabten Amtes multipliziert werden. Diese Koppelung der Höhe der Versorgungsbezüge an die Höhe der Besoldung wird durch § 80 Abs. 1 HmbBeamtVG verfestigt. Danach sind u.a. die Versorgungsbezüge von demselben Zeitpunkt an durch Gesetz entsprechend zu regeln, wenn die Dienstbezüge der Besoldungsberechtigten allgemein erhöht oder vermindert werden. Die Höhe der Veränderung von Besoldung und Versorgungsbezügen durch die jeweiligen gesetzlichen Anpassungen sind also identisch.So lange die gesetzlichen Regelungen in §§ 5 Abs. 1, 16 Abs. 1 und 80 Abs. 1 HmbBeamtVG bestehen, hat sich der Gesetzgeber selbst gebunden, Änderungen in der Besoldungshöhe unmittelbar auf die Höhe der Versorgungsbezüge zu übertragen.

41

Allerdings ist diese Parallelität der Entwicklung von Besoldung und Versorgungsbezügen kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG, der den Gesetzgeber auch zukünftig verpflichtete, die Regelungen in §§ 5 Abs. 1, 16 Abs. 1 und 80 Abs. 1 HmbBeamtVG unangetastet zu lassen und bei Anpassungen der Bezüge eine strikte Parallelität der Besoldungs- und Versorgungsentwicklung zu gewährleisten (BVerfG, Urt. v. 27.9.2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258, juris Rn. 95, m.w.N.). Der Gesetzgeber könnte also – soweit er dadurch nicht seinerseits gegen das Gebot amtsangemessener Alimentation in Gestalt von amtsangemessenen Versorgungsbezügen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvL 10/11, BVerfGE 145, 249, juris Rn. 78, m.w.N.) verstößt – die Entwicklung der Versorgungsbezüge in gewissem Umfang von der Entwicklung der Besoldung abkoppeln.

42

Dennoch hat die Prüfung der Amtsangemessenheit der Versorgungsbezüge aus drei unabhängig voneinander entscheidungstragenden Gründen durch die Überprüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung, die der Berechnung der Versorgungsbezüge zugrunde liegt, anhand der vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 33 Abs. 5 GG entwickelten Prüfungsmaßstäbe (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 28 ff., m.w.N.) zu erfolgen:

43

Erstens sind die Amtsangemessenheit der Besoldung und der Versorgung an demselben verfassungsrechtlichen Maßstab, nämlich dem aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Alimentationsprinzip, zu messen. Die Beamte müssen sowohl für das Gehalt während der aktiven Dienstzeit als auch für die Phase des Ruhestandes über ein Nettoeinkommen verfügen, das ihre rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und Unabhängigkeit gewährleistet und ihnen und ihren Familien über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus einen dem Amt angemessenen Lebenskomfort ermöglicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, a.a.O., m.w.N.). Liegen hinreichende Indizien für eine Verfassungswidrigkeit der Besoldung vor, ist nicht ersichtlich, wie von einer solchen in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessenen Grundlage (vgl. § 5 HmbBeamtVG) ausgehend, gemäß dem prozentualen Ruhegehaltssatz (vgl. § 16 HmbBeamtVG) eine amtsangemessene Versorgung errechnet werden soll (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25.4.2017, 5 LC 227/15, juris Rn. 66).

44

Zweitens hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Untersuchung der Verfassungskonformität der Alimentation auf der ersten Prüfungsstufe möglichst einfachen und klaren Regeln zu folgen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 30, m.w.N.). Diesem Ziel wird eine einheitliche Prüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung und der Versorgung anhand desselben dreistufigen Prüfsystems in besonderem Maße gerecht.

45

Schließlich fehlt es drittens an einer praktikablen Alternative. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht noch kein speziell auf die Amtsangemessenheit von Versorgungsbezügen zugeschnittenes Prüfsystem entwickelt. Die Kriterien zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Alimentation hat das Bundesverfassungsgericht bisher ausschließlich zur Besoldung entwickelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris; Urt. v. 17.11.2015, 2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240; Urt. v. 5.5.2015, 2 BvL 17/09, BVerfGE 139, 64). Ein solches einfach handhabbares Prüfsystem ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet ein Vergleich der Entwicklungen von Versorgungsbezügen mit dem Versorgungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung aus. Denn zwischen den Systemen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung bestehen wesentliche Unterschiede, die einen Vergleich anhand einfach handhabbarer Parameter – wie bei der Prüfung der Besoldungsentwicklung – ausschließen. Ein wesentlicher Unterschied der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber der beamtenrechtlichen Altersversorgung besteht nämlich darin, dass die Sozialrente als Grundversorgung durch Zusatzleistungen ergänzt wird (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Urt. v. 27.9.2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258, juris Rn. 131 f., m.w.N.). Die Beamtenversorgung umfasst hingegen als Vollversorgung sowohl die Grund- als auch die Zusatzversorgung, wie sie durch die betriebliche Altersvorsorge erfolgt. Diese Doppelfunktion ist einerseits durch die Pflicht des Dienstherrn begründet, dem Beamten einen seinem Amt angemessenen Ruhestand zu ermöglichen. Andererseits ist sie Korrektiv dafür, dass dem Beamten weder individuell noch durch kollektive Maßnahmen eine ergänzende betriebliche Versorgungszusage ermöglicht wird. Dieser Unterschied ist bei einem Vergleich der Versorgungssysteme zu berücksichtigen.

46

Vor diesem Hintergrund müsste ein Vergleich der Entwicklungen der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge und des Versorgungsniveaus von gesetzlich Rentenversicherten zwingend einen Vergleich der Entwicklung des Niveaus der Zusatzversorgung, vor allem der betrieblichen Altersvorsorge, beinhalten. Die von der Kammer eingeholten Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder zur Entwicklung des Versorgungsniveaus von gesetzlich Rentenversicherten und zu den Möglichkeiten des Vergleichs mit der Entwicklung der beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen haben gezeigt, dass dies nicht möglich ist. Insbesondere ist keine handhabbare Möglichkeit erkennbar, um die Entwicklung des Niveaus der Zusatzversorgung, etwa der Betriebsrenten, als zweite Säule der Versorgung von gesetzlich Rentenversicherten in einfach handhabbarer Form (etwa Indexform) abzubilden. Um die Entwicklungen der beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge und des Versorgungsniveaus von gesetzlich Rentenversicherten aussagekräftig vergleichen zu können, käme es lediglich in Betracht, Modellversicherungs- und Modellversorgungsverläufe anhand von Modellerwerbsbiographien (vgl. zu dieser Methode: Walther, Reformen der Beamtenversorgung aus ökonomischer Perspektive, S. 129 ff., im Internet abrufbar unter: https://www.uni-speyer.de/fileadmin/Forschung/Veroeffentlichungen/Dissertationen/ WaltherSteffen.pdf, zuletzt aufgerufen am 26. November 2020) zu erstellen und diese zu vergleichen. Ein solches Vorgehen, das zwingend die Einholung von umfangreichen Gutachten zu den Modellversicherungs- und Modellversorgungsverläufe voraussetzen dürfte, ist im Rahmen der Prüfung der Amtsangemessenheit der Versorgung nicht praktikabel.

47

4. Die Besoldung der Beamten in der Besoldungsgruppe A 11 in der Freien und Hansestadt Hamburg – und damit unmittelbar auch die anhand dieser Besoldungsgruppe berechnete Versorgung des Klägers als Ruhestandsbeamten (s.o. 3. b) – war nach Auffassung der erkennenden Kammer in den Jahren 2012 bis 2019 unter Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG zu niedrig bemessen und deshalb verfassungswidrig. Im Rahmen der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten dreistufigen Prüfung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 28 ff., m.w.N.) ergibt sich, dass die hamburgische A 11-Besoldung in diesem Zeitraum nicht mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar war. Auf der ersten Prüfungsstufe begründet die Untersuchung anhand der vom Bundesverfassungsgericht aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten fünf Parameter für den Zeitraum von 2012 bis 2019 die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation (hierzu unter a). Die Gesamtabwägung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien auf der zweiten Prüfungsstufe bestätigt diese Vermutung (hierzu unter b). Auf der dritten Prüfungsstufe zeigt sich, dass die Unteralimentation verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist (hierzu unter c).

48

a) Der Vergleich der Besoldungsentwicklung mit den vom Bundesverfassungsgericht aus dem Alimentationsprinzip abgeleiteten fünf Parametern begründet auf der ersten Prüfungsstufe für den Zeitraum von 2012 bis 2019 die Vermutung für eine verfassungswidrige Unteralimentation, weil in diesen Jahren die Mehrzahl der Parameter erfüllt ist.

49

Das Bundesverfassungsgericht hat für die Vergleichsbetrachtung auf die der ständigen Alimentationsrechtsprechung zugrundeliegenden Kriterien zurückgegriffen und ein indizielles Prüfsystem anhand volkswirtschaftlich nachvollziehbarer Parameter entwickelt (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 28, 34 ff., m.w.N.). Im Rahmen dieses Systems ist die Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und der Dynamik der Tarifergebnisse der Angestellten im öffentlichen Dienst (1. Parameter), des Nominallohnindex (2. Parameter) und des Verbraucherpreisindex (3. Parameter) zu untersuchen und es sind ein systeminterner Besoldungsvergleich (4. Parameter) und ein Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und/oder anderer Länder (5. Parameter) anzustellen.

50

Ein Parameter ist erfüllt, wenn die Besoldungsentwicklung deutlich hinter dem Vergleichsparameter zurückbleibt. Sind mindestens drei dieser Parameter erfüllt, besteht die Vermutung einer der angemessenen Beteiligung an der allgemeinen Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des Lebensstandards nicht genügenden und damit verfassungswidrigen Unteralimentation (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 85, m.w.N.). Werden umgekehrt bei allen Parametern die Schwellenwerte unterschritten, wird eine angemessene Alimentation vermutet. Sind ein oder zwei Parameter erfüllt, müssen die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- beziehungsweise Unterschreitung der Parameter, zusammen mit den auf der zweiten Stufe ausgewerteten alimentationsrelevanten Kriterien im Rahmen der Gesamtabwägung eingehend gewürdigt werden.

51

Gemessen an diesem Maßstab besteht für den gesamten Zeitraum 2012 bis 2019 eine Vermutung dafür, dass die Besoldung in der Besoldungsgruppe A 11 evident unzureichend war, weil in diesen Jahren auf der ersten Prüfungsstufe die Mehrzahl der Parameter erfüllt ist (vgl. die Gesamtübersicht der Parameterprüfung unter ee). Dies ergibt sich zum einen aus einem Vergleich der Entwicklung der A 11-Besoldung in den streitgegenständlichen 15-Jahreszeiträumen (hierzu unter aa) mit der Dynamik der Tarifergebnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex (hierzu unter bb). Zum anderen ist das Gebot des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau (vierter Parameter) in allen verfahrensgegenständlichen Jahren verletzt (hierzu unter cc).Demgegenüber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der fünfte Parameter (Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und der anderen Länder) erfüllt sein könnte (hierzu unter dd).

52

aa) Für die Vergleichsbetrachtung wird die Entwicklung der A 11-Besoldung in den 15-Jahreszeiträumen, die mit den Jahren 2012 bis 2019 enden, also insgesamt von 1997 bis 2019 [hierzu unter (1)] durch Besoldungsindices in Tabellenform dargestellt [hierzu unter (8)]. Um diese zu erstellen, ist die Veränderung der Grundgehaltssätze in der Besoldungsgruppe A 11 [hierzu unter (2)] zuzüglich der Sonderzulagen [hierzu unter (3)] in diesem Zeitraum zu betrachten und in Indexform zu erfassen [hierzu unter (4)]. Dabei sind unterjährige Besoldungsanpassungen so zu behandeln, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt [hierzu unter (5)]. Die Streichung des Urlaubsgelds und der Umstand, dass die Polizeizulage seit 1991 nicht angehoben und deshalb durch die Inflation entwertet worden ist, sind auf der ersten Prüfungsstufe nicht zu berücksichtigen [hierzu unter (6)].Bei der Berechnung der Besoldungsindices der verfahrensgegenständlichen 15-Jahreszeiträume haben für den Zeitraum 2000-2015 die Besoldungserhöhung zum 1. Januar 2001 und für den Zeitraum 2001-2016 die Erhöhung zum 1. Januar 2002 außer Betracht zu bleiben [hierzu unter (7)].Aufgrund des besonders langen streitgegenständlichen Zeitraums von 23 Jahren, ist eine Staffelprüfung vorliegend nicht erforderlich [hierzu unter (9)].

53

(1) Die Besoldungsentwicklung ist in den 15-Jahreszeiträumen, die mit den Jahren 2012 bis 2019 enden, zu betrachten. Denn der Vergleich dieser Entwicklung mit der Dynamik der Tarifergebnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex hat ausgehend vom verfahrensgegenständlichen Kalenderjahr anhand des Zeitraums der zurückliegenden 15 Jahre zu erfolgen, um einerseits zufällige Ausschläge aufzufangen und andererseits eine methodische Vergleichbarkeit zu gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 36, m.w.N.). Das erste Jahr der Betrachtung ist 1997 als das Anfangsjahr des 15-Jahreszeitraums, der mit dem Kalenderjahr 2012 – dem ersten für das der Kläger ein Feststellungsinteresse hat [s.o. 3. a) bb)], endet. Das letzte zu untersuchende Jahr ist 2019. Zwar erstreckt sich der Antrag des Klägers auch auf das Jahr 2020 als „Folgejahr“. Jedoch kann das Jahr 2020 nicht in den Vorlagebeschluss einbezogen werden, weil noch keine aussagekräftigen Vergleichsdaten für die Parameterprüfung vorhanden sind, so dass eine Prüfung der Amtsangemessenheit der Alimentation (noch) nicht möglich ist.

54

(2) Die Grundgehaltssätze und Amtszulagen haben sich von 1997 bis 2019 wie folgt entwickelt:

55

Zum 1. März 1997 wurden sie um 1,3 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes (BBVAnpG) 96/97 vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 590), zum 1. Januar 1998 um 1,5 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 98 vom 6. August 1998 (BGBl. I S. 2026), zum 1. Juni 1999 um 2,9 % durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 99 vom 19. November 1999 (BGBl. I S. 2198), durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BBVAnpG 2000 vom 19. April 2001 (BGBl. I S. 618) zum 1. Januar 2001 um 1,8 % und zum 1. Januar 2002 um 2,2 % sowie durch Art. 1 bis 3 BBVAnpG 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl. I S. 1798) zum 1. Juli 2003 um 2,4 %, zum 1. April 2004 um 1,0 % und zum 1. August 2004 um 1,0 % erhöht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 102, m.w.N.). In den Jahren 2005 bis 2007 wurden die Grundgehaltssätze nicht angepasst. Zum 1. Januar 2008 wurden sie mit dem Hamburgischen Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2007/2008 vom 11. Juli 2007 (HmbGVBl. S. 213) um 1,9 % erhöht. Das Hamburgische Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2009/2010 vom 16. Juni 2009 (HmbGVBl. S. 177) bewirkte eine Erhöhung um 3 % zuzüglich 20,-- Euro zum 1. März 2009 sowie um weitere 1,2 % zum 1. März 2010. Durch das HmbDSBVAnpG 2011/2012 (HmbGVBl. S. 454 – verkündet als Art. 2 des Gesetzes über die jährliche Sonderzahlung und die Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2011/2012 vom 1. November 2011 – Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2011/2012) wurden die Sätze zum 1. April 2011 um 1,5 % und zum 1. Januar 2012 um 1,9 % angehoben. Das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2013/2014 und zur Änderung besoldungsrechtlicher Vorschriften vom 3. September 2013 (HmbGVBl. S. 369) erhöhte die Grundgehaltssätze um 2,45 % zum 1. Januar 2013 und um 2,75 % zum 1. Januar 2014. Durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2015/2016 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 22. September 2015 (HmbGVBl. S. 223) wurden die Sätze zum 1. März 2015 um 1,9 % und zum 1. März 2016 um 2,1 %, mindestens jedoch um 75,-- Euro, angehoben. Das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2017/2018 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2017 (HmbGVBl. S. 191) bewirkte eine Erhöhung um 1,8 % zum 1. Januar 2017 sowie um 2,15 % zum 1. Januar 2018. Zuletzt wurden die Grundgehaltssätze durch das Hamburgische Gesetz zur Besoldungs- und Beamtenversorgungsanpassung 2019/2020/2021 vom 18. September 2019 (HmbGVBl. S. 285) zum 1. Januar 2019 um 3 % angehoben.

56

(3) Bezüglich der Sonderzahlungen gab es in dem Zeitraum von 1997 bis 2019 zwei Änderungen – im Jahre 2003 [hierzu unter (a)] und im Jahr 2011 [hierzu unter (b)] – die für den Besoldungsvergleich relevant sind [hierzu unter (c)].

57

(a) Nachdem zuletzt im Jahr 2003 auf bundesrechtlicher Grundlage eine Sonderzuwendung in Höhe von 84,29 % der für den Monat Dezember maßgeblichen Bezüge gewährt worden war, senkte der hamburgische Gesetzgeber ab dem Jahr 2004 die Sonderzahlung für Beamte auf 66 % eines monatlichen Bruttogehalts in den Besoldungsgruppen bis A 12 und auf 60 % in den Besoldungsgruppen ab A 13 ab (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Gewährung jährlicher Sonderzahlungen (HmbSZG 2003) vom 18. November 2003 (HmbGVBl. S. 525 – verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung besoldungsrechtlicher Regelungen). Eine Gegenüberstellung mit dem Wert, der sich ohne diese Neuregelung ergeben hätte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 103), zeigt, dass die Bezüge in der Besoldungsgruppe A 11 dadurch um 1,42 % (100 % - 12,66 / 12,8429 x 100) vermindert wurden. Die vorherige schrittweise Absenkung der Sonderzahlung durch ihr Einfrieren auf die Höhe eines im Dezember 1993 gezahlten monatlichen Bruttogehalts gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der ab dem 1. Januar 1995 gültigen Fassung (Sonderzuwendungsgesetz – SoZuwG – 1995) ist auf der 2. Prüfungsstufe als Erhärtung der Vermutung der Verfassungswidrigkeit zu berücksichtigen (s.u. b).

58

(b) Durch § 3 Abs. 1 Satz 1 HmbDSBVAnpG 2011/2012 senkte der hamburgische Gesetzgeber die Sonderzahlung für Beamte ab 2011 auf einheitlich 1.000,-- Euro ab. Zusätzlich erhielten Beamte gemäß § 2 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung (Hamburgisches Sonderzahlungsgesetz – HmbSZG)vom 1. November 2011 (HmbGVBl. S. 454 – verkündet als Art. 1 des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2011/2012) eine Sonderzahlung von 300,-- Euro pro Kind, für das Familienzuschlag gewährt wird. Diese kinderbezogene Sonderzahlung ist nach Ansicht der Kammer bei der Gegenüberstellung des Jahresbruttogehalts mit dem Wert, der sich ohne diese Neuregelung ergeben hätte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 103, m.w.N.), zu berücksichtigen. Denn für die Beurteilung der Angemessenheit der Alimentation kommt es auf deren Gesamthöhe an, zu deren Ermittlung neben dem Grundgehalt auch weitere Besoldungsbestandteile wie Sonderzahlungen oder Stellenzulagen heranzuziehen sind, auch wenn diese für sich betrachtet nicht den verfassungsrechtlichen Schutz eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG genießen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Dies ist auch kein erheblicher Mehraufwand, der dem Ziel zuwiderläuft, die Parameter nach möglichst einfachen und klaren Regeln zu berechnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 30, m.w.N.). Für die Berechnung der Besoldungsentwicklung durch die Kürzung der Sonderzahlung ist nämlich das Jahresbruttogehalt zu berechnen und in diese Berechnung kann die kinderbezogene Sonderzahlung ohne erheblichen Mehraufwand eingestellt werden. Dabei ist wegen der notwendigen Typisierung bei nichtlinearen Besoldungsveränderungen der in die Berechnung des Besoldungsindex einzustellende Prozentwert einheitlich anhand der höchsten Erfahrungsstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe zu ermitteln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 31, m.w.N.). Die Gegenüberstellung des Jahresbruttogehalts in der Endstufe nach der Kürzung (12 x 3.478,70 Euro Grundgehalt A 11 + 1.000,-- Euro Sonderzahlung = 42.744,40 Euro) mit dem Wert, der sich ohne die Neuregelung ergeben hätte (12,6 x 3.478,70 Euro Grundgehalt A 11 = 44.040,34 Euro), zeigt, dass die Bezüge in der Besoldungsgruppe A 11 – im Fall des Klägers ohne kinderbezogene Sonderzahlung – um 2,94 % vermindert wurden.

59

(c) Die sich aus den Kürzungen der Sonderzahlungen ergebenden Besoldungskürzungen von 1,42 % im Jahre 2004 und 2,94 % im Jahre 2011 sind bei der Index-Berechnung zu berücksichtigen, weil sie die Erheblichkeitsschwelle überschreiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 31, 103, m.w.N.). Nach Auffassung der Kammer sind Besoldungskürzungen jedenfalls dann erheblich in diesem Sinne, wenn sie den Wert von 1,2 % erreichen oder übersteigen, weil sie damit einen Umfang haben, der einer jährlichen Besoldungsanpassung (etwa im Jahr 2010 in Hamburg) entspricht.

60

(4) Der Besoldungsindex wird aus der Multiplikation des Indexwertes des Vorjahres mit dem die Besoldungsänderung abbildenden Faktor ermittelt (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 105).

61

Entgegen der Auffassung der Beteiligten ist für die Berechnung der Besoldungssteigerung als Grundlage für die Vergleichsbetrachtung auf der ersten Prüfungsstufe nicht das Jahresgehalt im ersten und im letzten Jahr des 15-Jahreszeitraums miteinander zu vergleichen. Denn eine solche Vergleichsberechnung wird dem Sinn und Zweck der ersten Prüfungsstufe nicht gerecht. Die regelmäßig heranzuziehenden Schwellenwerte, bei deren Überschreitung eine erkennbare Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung oder -höhe und der Vergleichsgröße vorliegt, haben nämlich lediglich Orientierungscharakter (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 30, m.w.N.). Sie sollen vor allem Indizien für eine Unteralimentation identifizieren. Vor diesem Hintergrund haben die Erstellung der Indices und die Berechnung der Parameter möglichst einfachen und klaren Regeln zu folgen. Eine „Spitzausrechnung", bei der alle Veränderungen der Besoldung und der Tariflöhne minutiös abgebildet werden, würde der ersten Prüfungsstufe eine vermeintliche Objektivität zumessen, die ihr gerade nicht zukommt. Die Parameter sind weder dazu bestimmt noch geeignet, aus ihnen mit mathematischer Exaktheit eine Aussage darüber abzuleiten, welcher Betrag für eine verfassungsmäßige Besoldung erforderlich ist. Ein solches Verständnis würde die methodische Zielrichtung der Besoldungsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verkennen. Im Ausgangspunkt genügt es daher, die von den Besoldungsgesetzgebern im Regelfall für alle Besoldungsgruppen gleichermaßen vorgenommenen linearen Anpassungen der Bezüge um einen bestimmten Prozentwert zu erfassen (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 31, m.w.N.).

62

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob der Vergleichsberechnung im Ausgangsjahr das tatsächliche Jahresgehalt (so die Kläger) oder das zwölffache Dezembergehalt (so die Beklagte) zugrunde zu legen ist, nicht weiter an.

63

(5) Bei der Indexerstellung sind unterjährige Besoldungsanpassungen so zu behandeln, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt. Dies stellt die Aussagekraft der Parameter nicht in Frage (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 31, m.w.N.). Zwar wirkt sich der Zeitpunkt der Besoldungsanpassung darauf aus, was den Beamten in einem Besoldungsjahr zur Deckung ihres Lebensbedarfs tatsächlich zur Verfügung steht. Jedoch bedarf es einer ungleich aufwendigeren „Spitzausrechnung" jedenfalls dann nicht, wenn die jeweiligen Schwellenwerte ohnehin überschritten werden. Wenn diese bei einer für die Entscheidung erheblichen Zahl von Parametern knapp unterschritten werden oder Besonderheiten der (Besoldungs-)Entwicklung im Raum stehen, kann jedoch Anlass bestehen, diesen Umständen im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse der ersten Prüfungsstufe Rechnung zu tragen.

64

(6) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Streichung des Urlaubsgeldes ab der Besoldungsgruppe A 9 im Jahre 2003 mit Wirkung ab 2004 (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 a HmbSZG 2003; vgl. zur Streichung des bundesrechtlichen Urlaubsgeldgesetzes: BVerfG, Urt. v. 5.5.2015, 2 BvL 17/09, BVerfGE 139, 64, juris Rn. 5 ff.) und der Umstand, dass die Polizeizulage seit 1991 nicht angehoben und deshalb durch die Inflation entwertet wurde, auf der ersten Prüfungsstufe nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für den im Jahre 2005 eingeführten monatlichen Eigenanteil von 1,4 % an der bis dahin für Polizeibeamten kostenfreien Heilfürsorge. Denn sonstige Besoldungsveränderungen, wie etwa Veränderungen der besonderen Bezügebestandteile (Veränderungen des Niveaus von Sonderzahlungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle [s.o. (3) (c)], Urlaubsgeld) sowie nichtlineare Besoldungserhöhungen durch Sockelbeträge oder Einmalzahlungen, sind für die hier angewandten Parameter nur dann bereits auf der ersten Prüfungsstufe zu berücksichtigen, wenn von vornherein feststeht, dass sie einen erheblichen Einfluss auf die Besoldungsentwicklung haben können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 31, m.w.N.). Dies ist bei den vom Kläger dargelegten Kürzungen nicht der Fall. Sie sind aber im Rahmen der Gesamtabwägung auf der zweiten Prüfungsstufe zu berücksichtigen (s.u. b).

65

(7) Bei der Berechnung der Besoldungsindices der 15-Jahreszeiträume haben für den Zeitraum 2000-2015 die Besoldungserhöhung zum 1. Januar 2001 und für den Zeitraum 2001-2016 die Erhöhung zum 1. Januar 2002 außer Betracht zu bleiben. Denn die Tariflöhne waren bereits zum 1. August 2000 bzw. zum 1. September 2001 angehoben worden. Diese verzögerte Anhebung wirkte sich nachteilig auf das Alimentationsniveau der Betroffenen aus. Dieser Befund darf nicht dadurch in sein Gegenteil verkehrt werden, dass die Verzögerung als vermeintliche Besoldungserhöhung in den Jahren 2001 und 2002 in die Vergleichsberechnung einfließt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 106, m.w.N.).

66

(8) Bei einer Betrachtung anhand dieses Maßstabs ergeben sich für die streitgegenständlichen 15-Jahreszeiträume folgende Werte:

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(9) Aufgrund des besonders langen streitgegenständlichen Zeitraums von 23 Jahren ist eine Staffelprüfung nicht erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat zur Staffelprüfung ausgeführt, dass gegebenenfalls ergänzend für einen weiteren gleichlangen Zeitraum, der auch den Zeitraum der fünf Jahre vor Beginn des oben genannten 15-jährigen Betrachtungszeitraums abdeckt und sich mit diesem Zeitraum überlappt, eine Vergleichsberechnung durchzuführen ist. Durch eine derartige Staffelprüfung wird sichergestellt, dass etwaige statistische Ausreißer bereinigt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 36, m.w.N.). Eine solche Überprüfung zur Verhinderung statistischer Ausreißer ist vorliegend gewährleistet, weil hier ein Zeitraum von 8 Jahren (bzw. 9 Jahren in dem Parallelverfahren 20 K 7506/17) im Streit ist und sich deshalb der Betrachtungszeitraum insgesamt auf 23 bzw. 24 Jahre erstreckt. Zudem hat die Kammer die entsprechenden Parameter in denselben Zeiträumen in den Parallelverfahren betreffend die A 9-, A 10-, A 13- und A 15-Besoldung in Hamburg geprüft (siehe die Parallelverfahren 20 K 7506/17, 20 K 7509/17, 20 K 7510/17 und 20 K 7517/17), so dass ausreichendes Vergleichsmaterial vorliegt, um statistische Ausreißer zu verhindern. Ab den Jahren 2017 ist die Staffelprüfung durch die oben durchgeführte Vergleichsbetrachtung erfolgt, weil die 15-Jahreszeiträume, die 2012 bis 2014 endeten, die Staffelprüfung für die 2017 bis 2019 endenden 15-Jahreszeiträume darstellen. Im Übrigen weist die Kammer darauf hin, dass gegen die Durchführung einer Staffelprüfung mit vor dem Jahre 2011 endenden 15-Jahreszeiträumen auch der Anlass der vorliegenden Klagverfahren und das Rechtsschutzbegehen der Kläger sprechen dürfte. Denn Anlass aller vorliegenden Verfahren war die (weitere) Kürzung der Sonderzahlungen im Jahre 2011 und deren Auswirkung auf das Alimentationsniveau. Diese Kürzung der Sonderzahlung würde in den vor 2011 endenden Staffelzeiträumen nicht erfasst.

68

bb) Der Vergleich der Entwicklung der A 11-Besoldung in den streitgegenständlichen 15-Jahreszeiträumen mit der Dynamik der Tarifergebnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (erster Parameter – vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 34 ff., m.w.N.), des Nominallohnindex (zweiter Parameter – vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 37 f., m.w.N.) und des Verbraucherpreisindex (dritter Parameter – vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 39 ff., m.w.N.), die sich grundsätzlich auf die Entwicklung im jeweils betroffenen Land beziehen [hierzu unter (1)], zeigt, dass gemessen an dem anzuwendenden Vergleichsmaßstab [(hierzu unter (2)] der erste Parameter in fast allen Jahren [(hierzu unter (3)], der zweite Parameter in allen Jahren [(hierzu unter (4)] und der dritte Parameter in keinem Jahr erfüllt ist [(hierzu unter (5)].

69

(1) Die in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehenden Indices beziehen sich grundsätzlich auf die Entwicklung im jeweils betroffenen Land (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 34, 37, 39, m.w.N.), hier also in der Freien und Hansestadt Hamburg. Ist ein Index im betroffenen Land zur Berechnung der 15-Jahreszeiträume nicht vorhanden – wie vorliegend der Verbraucherpreisindex in Hamburg, der erst seit 2015 erstellt wird und deshalb zur Berechnung der 15-Jahreszeiträume nicht in Betracht kommt – ist hilfsweise der Index auf Bundesebene heranzuziehen. Vor diesem Hintergrund beruhen die nachfolgenden Vergleichsbetrachtungen auf den vom Statistischen Bundesamt übermittelten und den Beteiligten zur Verfügung gestellten Daten zur Entwicklung der Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst in Hamburg, des Nominallohnindex in Hamburg und des Verbraucherpreisindex des Bundes.

70

(2) Die ersten drei Parameter sind erfüllt, wenn die Besoldungsentwicklung die Dynamik der Tarifergebnisse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex, deutlich unterschreitet. Eine solche deutliche Unterschreitung der Besoldungsentwicklung von der Dynamik der drei Indices liegt vor, wenn die Differenz bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren bis zu dem verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt in der Regel mindestens 5 % des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt. Dabei wird die Differenz zwischen der Entwicklung der Tarifeinkommen im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindex und des Verbraucherpreisindex (100 + x) einerseits und der Besoldungsentwicklung (100 + y) andererseits in Relation zur Besoldungsentwicklung in Prozent wie folgt ermittelt: [(100 + x) / (100 + y)] x 100 – 100 (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 128, m.w.N.).

71

(3) Vergleicht man die Entwicklung der Einkommen der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst mit der Besoldungsentwicklung, zeigt sich, dass der erste Parameter in fast allen verfahrensgegenständlichen Jahren erfüllt ist [hierzu unter (b)]. Dabei sind etwaige Kürzungen der Sonderzahlung bei der Umstellung vom Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)auf der ersten Prüfungsstufe nicht zu berücksichtigen [hierzu unter (a)].

72

(a) Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auf der ersten Prüfungsstufe die finanziellen Auswirkungen der im Jahre 2006 erfolgten Umstellung vom BAT auf den TV-L, insbesondere die mit der Umstellung verbundene, in den meisten Fällen anspruchsvermindernde Neuregelung des Sonderzahlungsanspruchs (vgl. HmbBü-Drs. 21/9779, S. 27), nicht zu berücksichtigen. Denn wie bei der Ermittlung der Besoldungsentwicklung geht es auch hier nicht um die exakte Berechnung der Tariflohnentwicklung, sondern um Orientierungswerte für die erforderliche Gesamtabwägung (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 33). Einer „genaueren" Berechnung stehen auch praktische Schwierigkeiten entgegen. Um die Veränderungen der Sonderzahlungen beim Übergang vom BAT zum TV-L abzubilden, deren Bemessungsgrundlagen sich seither je nach Entgeltgruppe unterscheiden, müsste der zu prüfenden Besoldungsgruppe eine konkrete Tarifentgeltgruppe als Vergleichsmaßstab zugeordnet werden. Dabei kann für die Besoldungsordnung A nicht ohne Weiteres von einem Gleichlauf der Besoldungs- und Tarifentgeltgruppen ausgegangen werden, unter anderem weil für bestimmte Tarifbeschäftigte gesonderte Entgeltordnungen einschlägig sind (z.B. für Ärzte, Krankenpfleger sowie den Schul- und Erziehungsdienst). Gravierenden Verzerrungen, welche die Aussagekraft eines Vergleichs nachhaltig erschüttern würden, kann im Rahmen der Gesamtbetrachtung auf der zweiten Prüfungsstufe Rechnung getragen werden.

73

(b) Der erste Parameter ist im gesamten Zeitraum 2012 bis 2019 erfüllt, weil die Tariflohnentwicklung die Besoldungsentwicklung in diesem Zeitraum um mehr als 5 % überschritten hat.

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(4) Der Vergleich der Entwicklung des Nominallohnindex für die Freie und Hansestadt Hamburg mit der Besoldungsentwicklung (zweiter Parameter) ergibt, dass der Schwellenwert von 5 % in allen verfahrensgegenständlichen Jahren überschritten worden ist, in den meisten Jahren (2014 bis 2019) sogar im zweistelligen Prozentbereich.

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(5) Die Gegenüberstellung der Entwicklung des Verbraucherpreisindex (dritter Parameter) und der Besoldungsentwicklung zeigt, dass der Schwellenwert von 5 % in keinem Jahr erreicht worden ist. Dabei ist der Index auf Bundesebene heranzuziehen, weil bis zum Jahr 2015 der Verbraucherpreisindex in Hamburg nicht erhoben wurde. Der Einwand des Klägers, dass der Verbraucherpreisindex des Bundes die überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten in der Freien und Hansestadt Hamburg als Stadtstaat nicht ausreichend abbilden kann, ist im Rahmen der Gesamtabwägung auf der zweiten Prüfungsstufe zu berücksichtigen (s.u. b).

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76

cc) Der vierte Parameter ist in der Variante der Unterschreitung des Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau im gesamten Betrachtungszeitraum erfüllt. Dieser Parameter ergibt sich aus einem systeminternen Besoldungsvergleich (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 42 f., m.w.N.), dessen Ergebnis in zweifacher Hinsicht indizielle Bedeutung dafür haben kann, dass die Besoldung hinter den Vorgaben des Alimentationsprinzips zurückbleibt. Im ersten Fall ergibt sich die indizielle Bedeutung aus dem Umstand, dass es infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu einer deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt. Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren verringert wurden (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 45, m.w.N.). Im zweiten Fall folgt die indizielle Bedeutung aus der Missachtung des gebotenen Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau in der untersten Besoldungsgruppe.Dieser Mindestabstand wird unterschritten, wenn die Nettoalimentation (unter Berücksichtigung der familienbezogenen Bezügebestandteile und des Kindergelds) um weniger als 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegt (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 47, m.w.N.).

77

Vor diesem Hintergrund ist der vierte Parameter erfüllt. Zwar bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden. Vielmehr sind die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen im Wesentlichen unverändert geblieben (vgl. HmbBü-Drs. 21/9779, S. 40). Jedoch wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren bei Betrachtung einer vierköpfigen Musterfamilie [hierzu unter (1)] der gebotene Abstand zum Grundsicherungsniveau durchgehend für die jeweils unterste Besoldungsgruppe bei weitem unterschritten. Dies ergibt sich daraus, dass die Jahresnettoalimentation in der niedrigsten Besoldungsgruppe [hierzu unter (3)] den Grundsicherungsbedarf [hierzu unter (2)] in allen verfahrensgegenständlichen Jahren nicht nur nicht um 15 % übersteigt, sondern sogar hinter diesem zurückbleibt [hierzu unter (4)].

78

(1) Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist weiterhin davon auszugehen, dass die Besoldungsgesetzgeber das Grundgehalt von vornherein so bemessen, dass – zusammen mit den Familienzuschlägen für den Ehepartner und die ersten beiden Kinder – eine bis zu vierköpfige Familie amtsangemessen unterhalten werden kann, so dass es einer gesonderten Prüfung der Besoldung mit Blick auf die Kinderzahl erst ab dem dritten Kind bedarf (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 47, m.w.N.).

79

Nichts anderes folgt aus dem Einwand der Beklagten, dass die vom Bundesverfassungsgericht verwendete Familienkonstellation (30-jähriger verheirateter Beamter mit zwei Kindern und nicht berufstätigem Ehepartner) immer seltener der gesellschaftlichen Realität entspreche. Vielmehr seien häufig auch die Ehepartner berufstätig mit eigenem Einkommen, zumal in einer Großstadt wie Hamburg, in der einerseits ein großes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen und andererseits ein großes Arbeitsplatzangebot vorhanden sei. Mit diesem Bezug auf die aus ihrer Sicht fehlende empirische Absicherung der verwendeten Familienkonstellation dringt die Beklagte nicht durch, denn die vierköpfige Alleinverdiener-Familie ist nicht das empirisch untermauerte Leitbild der Beamtenbesoldung, sondern eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete rechnerische Bezugsgröße für den systeminternen Besoldungsvergleich (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 47).

80

(2) Der Grundsicherungsbedarf in den Jahren 2012 bis 2019 und davon abgeleitet auch die Mindestalimentation [hierzu unter (f)] werden berechnet, in dem die Regelsätze für eine vierköpfige Musterfamilie [hierzu unter (a)], die Wohnkosten [hierzu unter (b)], die Heizkosten [hierzu unter (c)] und der Betrag für Bildung und Teilhabe [hierzu unter (d)] addiert werden. Möglichen weiteren Vergünstigungen für Grundsicherungsempfänger muss nicht nachgegangen werden [hierzu unter (e)].

81

(a) Die Regelsätze der Grundsicherung ergeben sich aus § 20 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG) in den jeweils gültigen Fassungen. Für in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Erwachsene gilt gemäß § 20 Abs. 4 SGB II die Bedarfsstufe 2. Für Kinder richtet sich die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe nach dem Lebensalter. Insofern kann auf die im Existenzminimumbericht der Bundesregierung (vgl. BT-Drs. 19/5400, S. 6) etablierte Berechnungsmethode zurückgegriffen werden, bei der die Regelbedarfssätze mit der Anzahl der für die einzelnen Regelbedarfsstufen relevanten Lebensjahre gewichtet werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 54).

82

Demgegenüber ist die Beklagte der Meinung, dass nicht auf einen Durchschnittssatz für Kinder vom 1. bis zum 18. Lebensjahr abzustellen sei. Denn bei lebensnaher Betrachtung sei nicht davon auszugehen, dass die Kinder eines 30-jährigen Musterbeamten älter als zehn Jahre seien. Im Bundesdurchschnitt sei eine Mutter bei Geburt ihres ersten Kindes 29,8 Jahre alt und bei der Geburt des zweiten Kindes 31,9 Jahre alt. Der Hamburgische Besoldungsgesetzgeber habe deshalb bei lebensnaher Betrachtung den (geringeren) Bedarf einer Musterfamilie mit zwei Kindern im Alter von drei und fünf Jahren zugrunde gelegt.

83

Dieser Einwand greift nicht durch. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass auf der ersten Prüfungsstufe keine „Spitzausrechnung“ der einzelnen Parameter zu erfolgen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Vorlagebeschluss vom 22. September 2017 (2 C 56/16 u.a., BVerwGE 160, 1, juris Rn. 164) zur vereinfachten Berechnungen für alle denkbaren Konstellationen einen durchschnittlichen Kinder-Regelsatz zugrunde gelegt. Diesen Ansatz hat das Bundesverfassungsgericht übernommen (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 54). Zwar sind die Berechnungsmodalitäten des Bundesverfassungsgerichts für den Besoldungsgesetzgeber nicht in jeder Einzelheit verbindlich. Dem Gesetzgeber stünde es insbesondere frei, die Höhe des Grundsicherungsniveaus mit Hilfe einer anderen plausiblen und realitätsgerechten Methodik zu bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 53). Jedoch wird der Ansatz des Hamburgischen Gesetzgebers, der Berechnung eine Musterfamilie mit zwei Kindern im Alter von drei und fünf Jahren zu Grunde zu legen, dem Anliegen des Bundesverfassungsgerichts, durch die Berechnungsweise sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wahrt (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 52), nicht gerecht. Denn in der Realität sind zahlreiche Familienkonstellationen denkbar, in denen eines oder beide Kinder einer vierköpfigen Musterfamilie älter als sechs Jahre sind und damit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 RBEG in die Regelbedarfsstufe 5 fallen. Diese Konstellationen, die keine atypischen Sonderfälle darstellen dürften, würden von dem Ansatz des Hamburgischen Gesetzgebers, der für beide Kinder nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 RBEG die Regelbedarfsstufe 6 ansetzt, nicht erfasst.

84

(b) Die Höhe der grundsicherungsrechtlichen Kosten der Unterkunft (§ 22 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. SGB II) wird realitätsgerecht erfasst, wenn die von der Bundesagentur für Arbeit für die Freie und Hansestadt Hamburg erhobenen und in ihrer Auskunft übermittelten Daten über die tatsächlich anerkannten Bedarfe (95 %-Perzentil) zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 54 ff., m.w.N.). Hierbei handelt es sich um den Betrag, mit dem im jeweiligen Jahr bei rund 95 % der Partner-Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern der anerkannte monatliche Bedarf für laufende Kosten der Unterkunft abgedeckt worden ist. Der Anteil der Haushalte, bei denen ein noch höherer monatlicher Bedarf für die laufenden Kosten der Unterkunft anerkannt worden ist, liegt bei unter 5 %. Auf diese Weise werden die tatsächlich als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft erfasst, während zugleich die statistischen Ausreißer, die auf besonderen Ausnahmefällen beruhen mögen, außer Betracht bleiben. Damit wird sichergestellt, dass die auf dieser Basis ermittelte Mindestbesoldung unabhängig vom Wohnort des Beamten ausreicht, um eine angemessene Wohnung bezahlen zu können.

85

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Mietkosten nicht anhand der von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration erlassenen Fachanweisungen Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II zu ermitteln. Denn die Beklagte hat nicht dargelegt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass anhand der in der Fachanweisung festgesetzten Höchstbeträge, die im Vergleich zu den von der Bundesagentur für Arbeit ermittelten Werten (95 %-Perzentil) niedriger sind, das Ziel der Vergleichsbetrachtung, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau wahrt (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 52), erreicht wird.

86

Auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Einwand, dass es bei der Berechnung der gesamten Unterkunftskosten nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts – getrennt nach Wohnkosten, d.h. den Mietkosten zuzüglich der Nebenkosten ohne Heizkosten, und den Heizkosten – zu Fehlern kommen könne, weil bei den der Bundesagentur gemeldeten Wohnkosten zuzüglich Nebenkosten teilweise auch Heizkosten mitgemeldet würden, dringt nicht durch. Dieser Einwand ist unsubstantiiert geblieben. Es fehlen jegliche Angaben zur Häufigkeit und Höhe der ggf. doppelt erfassten Heizkosten. In einer telefonischen Erläuterung der übermittelten Daten hat die Statistikabteilung der Bundesagentur für Arbeit nicht auf eine möglicherweise doppelte Erfassung der Heizkosten hingewiesen (vgl. Telefonvermerk vom 26. August 2020). Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer keine Veranlassung von der nach Kosten der Unterkunft inklusive Nebenkosten einerseits und Heizkosten andererseits differenzierenden Berechnungsweise des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 141) abzuweichen.

87

Für die Jahre 2017 bis 2019 hat die Bundesagentur für Arbeit die zunächst übermittelten Daten korrigiert und die Bedarfsgemeinschaften im Kontext Flucht/Migration aus der 95%-Perzentile herausgerechnet, weil es in diesen Jahren zu erheblichen statistischen Verzerrungen durch überproportional hohe Kosten bei der Unterbringung von Grundsicherungsberechtigten in Flüchtlingsunterkünften gekommen ist. Vor diesem Hintergrund sind in den Jahren 2017 bis 2019 die Daten zur 95 %-Perzentile ohne die Bedarfsgemeinschaften im Kontext Flucht/Migration zu verwenden.

88

(c) Zum grundsicherungsrechtlichen Bedarf zählen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGB II auch die Heizkosten, sofern sie angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 12.6.2013, B 14 AS 60/12 R, juris Rn. 22 m.w.N.) können dem von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderten Heizspiegel, der jährlich nach Energieträger und Größe der Wohnanlage gestaffelte Vergleichswerte ausweist, Richtwerte zur Angemessenheit der Kosten entnommen werden. Nur wenn die Heizkosten das Produkt aus der angemessenen Wohnfläche und dem Höchstwert des Heizspiegels übersteigen, besteht Anlass dazu, die Aufwendungen konkret auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Diese Berechnungsweise kann als realitätsgerechter Ansatz für die vorliegende Vergleichsberechnung übernommen werden (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 62 f.).

89

Da für die Freie und Hansestadt Hamburg kein kommunaler Heizspiegel erstellt wird, ist auf die bundesweiten Heizspiegel abzustellen. Dabei sind die Heizspiegel des jeweiligen Jahres, für das die Amtsangemessenheit der Besoldung bestimmt werden soll, heranzuziehen und nicht die des Vorjahres (so aber allerdings ohne Begründung: BVerwG, Vorlagebeschl. v. 22.9.2017, 2 C 56/16 u.a., BVerwGE 160, 1, juris Rn. 191, 195, 199, 203, 207, 211, 215). Denn die Heizspiegel beruhen bereits auf den Abrechnungsdaten des Vorjahres (vgl. beispielhaft Heizspiegel 2019, S. 4), so dass die Heranziehung des Heizspiegels des Vorjahres zur Berücksichtigung veralteter Werte, nämlich der des vorletzten Jahres, führen würde.

90

Die Kammer legt der Berechnung die im Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts zur Richterbesoldung in Berlin angesetzte angemessene Wohnfläche von 85 m² (BVerwG, Vorlagebeschl. v. 22.9.2017, a.a.O., Rn. 169) zugrunde, weil in der Fachanweisung Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II keine Vorgaben zur angemessenen Wohnfläche enthalten sind, sondern nur ein flächenunabhängiger Höchstbetrag.

91

Aus den Heizspiegeln 2012 bis 2019 ergeben sich die folgenden Höchstwerte für die jährlichen Heizkosten pro m² Wohnfläche: 2012: 19,60 Euro, 2013: 21,90 Euro, 2014: 23,50 Euro, 2015: 22,30 Euro, 2016: 23,-- Euro, 2017: 22,50 Euro, 2018: 22,-- Euro und 2019: 21,10 Euro.

92

(d) Schließlich zählen zum sozialhilferechtlichen Grundbedarf für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 64 ff.). Für die Bestimmung des Grundsicherungsniveaus sind im Ausgangspunkt alle Bedarfe des § 28 SGB II relevant. Nur wenn feststeht, dass bestimmte Bedarfe auf außergewöhnliche Lebenssituationen zugeschnitten sind und deshalb tatsächlich nur in Ausnahmefällen bewilligt werden, können sie außer Ansatz bleiben. Danach sind der persönliche Schulbedarf, Aufwendungen für Schulausflüge, Klassenfahrten und das Mittagessen in Gemeinschaftsverpflegung sowie die Kosten der Teilhabe bei sozialen, sportlichen und kulturellen Aktivitäten dem Grunde nach zu berücksichtigen. Um einen realitätsgerechten Wert zu ermitteln, sind die Ausgaben mit der Zahl derjenigen ins Verhältnis zu setzen, die den jeweiligen Bedarf auch tatsächlich geltend machen. Fallen bestimmte Bedarfe nur in bestimmten Altersstufen an, wie etwa der Schulbedarf oder Klassenfahrten, ist wie bei den Regelsätzen ein gewichteter Durchschnitt zu bilden.

93

Mangels aussagekräftiger Daten zur Häufigkeit der Inanspruchnahme der Leistungen und zur Höhe der anerkannten Bedarfe bezieht die Kammer nur die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in die Berechnung ein, für deren Höhe sich aus dem Gesetz ein Anhaltspunkt ergibt (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 142 f.). Dies sind für den streitgegenständlichen Zeitraum von 2012 bis 2019 der persönliche Schulbedarf von 100,-- Euro je Schuljahr gemäß § 28 Abs. 3 SGB II i.V.m. § 34 Abs. 3 SGB XII (die Erhöhung auf 150,-- Euro durch den „Bildungspakt“ erfolgte erst im Jahre 2020). Auf den Zeitraum von der Geburt bis zur Volljährigkeit umgelegt, ergibt sich ein Monatsbetrag von rund 5,56 Euro je Kind bzw. von rund 11,12 Euro für zwei Kinder. Darüber hinaus wurden Kindern aller Altersstufen nach § 28 Abs. 7 Satz 1 zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft 10,-- Euro monatlich gewährt (die Erhöhung auf monatlich 15,-- Euro erfolgte ebenfalls erst im Jahre 2020). Die Mehraufwendungen für die gemeinschaftliche Mittagsverpflegung wurden zwar in tatsächlicher Höhe übernommen. In § 77 Abs. 11 SGB II hat der Gesetzgeber aber selbst zu erkennen gegeben, dass er bereits anfänglich mit zusätzlichen Leistungen in Höhe von 26,-- Euro monatlich rechnete. Geht man davon aus, dass Kinder im Durchschnitt erst mit drei Jahren an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in Kindergarten und Schule teilnehmen, ergibt sich ein altersgewichteter Betrag von rund 21,67 Euro je Kind. Daraus ergeben sich für die Jahre 2012 bis 2019 aus dem Gesetz abgeleitete Monatsbeträge von rund 37,23 Euro je Kind (5,56 Euro + 10,-- Euro + 21,67 Euro) bzw. rund 74,46 Euro für zwei Kinder.

94

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei der Berechnung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe nicht auf zwei Kinder zwischen dem 1. und 10. Lebensjahr abzustellen. Die Betrachtung des Zeitraums von der Geburt bis zur Volljährigkeit dient dem Bundesverfassungsgericht dazu, im Rahmen der vereinfachten Berechnung für alle denkbaren Konstellationen einen durchschnittlichen Bedarfssatz für Bildung und Teilhabe zu ermitteln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 67). Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass auf der ersten Prüfungsstufe keine „Spitzausrechnung“ der einzelnen Parameter zu erfolgen hat. Unabhängig davon obliegt es dem Besoldungsgesetzgeber, die Erhebung der erforderlichen Daten für eine aussagekräftige Vergleichsrechnung zu veranlassen und hieraus realitätsgerechte Ansätze auch für die Berechnung der Bedarfe von Bildung und Teilhabe abzuleiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 142). Solange der Gesetzgeber dieser Obliegenheit nicht in ausreichendem Maße nachkommt, ist es der Beklagten verwehrt, sich gegen Details einer wegen des Verstoßes gegen diese Obliegenheitspflicht notwendig gewordenen Pauschalisierung und Typisierung zu wenden. Eine weitere Aufklärung zu Gunsten des Klägers ist vorliegend nicht erforderlich, weil auch ohne Berücksichtigung aller Bedarfsposten feststeht, dass das Mindestabstandsgebot deutlich verletzt worden ist [s.u. (4)].

95

(e) Weitere möglicherweise vorhandenen geldwerten Vorteile der Grundsicherungsempfänger, wie das Angebot von Dienstleistungen zu einem vergünstigten „Sozialtarif", etwa im Bereich der weitverstandenen Daseinsvorsorge (öffentlicher Nahverkehr, Museen, Theater, Opernhäuser, Schwimmbäder usw.), müssen vorliegend nicht berücksichtigt werden (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 69 ff., m.w.N.). Weil die gewährten Vorteile überwiegend regional und nach den Lebensumständen der Betroffenen höchst unterschiedlich ausfallen, ist es für die Gerichte kaum möglich, hierzu – zumal rückwirkend – Feststellungen zu treffen. Hinzu kommt, dass noch aufzuklären wäre, inwiefern bei der Ermittlung der Regelsätze diese Vergünstigungen berücksichtigt worden sind. Solange aber – wie vorliegend – auch ohne Berücksichtigung etwaiger geldwerter Vorteile feststeht, dass der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau nicht gewahrt ist, sind Feststellungen zu Art und Umfang der genannten geldwerten Vorteile mangels Entscheidungserheblichkeit entbehrlich.

96

(f) Der grundsicherungsrechtliche Gesamtbedarf und die davon abgeleitete Mindestalimentation in Höhe von 115 % dieses Bedarfs beliefen sich danach mindestens auf die folgenden Beträge:

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97

(3) Mit diesem Grundsicherungsbedarf ist die Jahresnettoalimentation eines in der niedrigsten Besoldungsgruppe in der niedrigsten Erfahrungsstufe besoldeten Beamten, der verheiratet ist und zwei Kinder hat, zu vergleichen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 147). Dies war im Zeitraum 2012 bis 2019 in der Freien und Hansestadt Hamburg die Besoldungsgruppe A 4, Stufe 1.

98

Nichts Anderes folgt aus dem Vortrag der Beklagten, diese Einstufung der Beamtin bzw. des Beamten sei wirklichkeitsfremd. Nach Ansicht der Beklagten müsse jemand, der in ein Amt der Laufbahngruppe 1, 1. Einstiegsamt eingestellt werde, das 18. Lebensjahr vollendet haben, über einen Hauptschulabschluss verfügen und einen halbjährigen Vorbereitungsdienst absolviert haben. Ein 30-jähriger Beamter werde regelhaft über berufliche Vorerfahrungen verfügen, die aufgrund der großzügigen Praxis der Anerkennung von Vorerfahrungszeiten zu einem Vorrücken in eine höhere Erfahrungsstufe führen würden. Dieser Einwand dringt nicht durch, weil angesichts der Vielgestaltigkeit der Erwerbsbiographien und im Hinblick auf die angehobenen Einstellungshöchstaltersgrenzen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern noch in der ersten Erfahrungsstufe eingeordnet ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 75).

99

Die Nettoalimentation in den streitgegenständlichen Jahren [hierzu unter (f)] wird berechnet, in dem vom Jahresbruttogehalt, das sich aus dem Grundgehalt [hierzu unter (a)], den weiteren Bezügebestandteilen [hierzu unter (b)] und dem Kindergeld [hierzu unter (c)] zusammensetzt, die Einkommensteuer [hierzu unter (d)] und die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung [hierzu unter (e)] abgezogen werden.

100

(a) Beamte der Besoldungsgruppe A 4, Stufe 1 erhielten im Zeitraum 2012 bis 2019 die folgenden Bruttojahresgrundgehälter: 2012: 23.294,40 Euro, 2013: 23.865,12 Euro, 2014: 24.521,40 Euro, 2015: 24.987,36 Euro, 2016: 25.837,44 Euro, 2017: 26.684,88 Euro, 2018: 27.258,60 Euro und 2019: 28.076,40 Euro.

101

(b) Neben dem Grundgehalt sind solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 73). Dies sind der Familienzuschlag gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. Anlage VII HmbBesG und die Amtszulage nach der Anlage IX HmbBesG, denn in der Freien und Hansestadt Hamburg werden in der Besoldungsgruppe A 4 nur noch Justizhauptwachtmeisterinnen bzw. Justizhauptwachtmeister eingestellt und diese erhalten nach der Anlage I Besoldungsgruppe A 4 Fußnote 2 HmbBesG alle eine Amtszulage nach der Anlage IX HmbBesG. Darüber hinaus ist in dem gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum die kinderbezogene Sonderzahlung gemäß § 2 Abs. 1 HmbSZG in Höhe von 600,-- Euro für zwei Kinder (300,-- Euro pro Kind) zu berücksichtigen.

102

Im Zeitraum 2012 bis 2019 betrug der jährliche Familienzuschlag für zwei Kinder: 2012: 4.068,60 Euro, 2013: 4.160,64 Euro, 2014: 4.266,72 Euro, 2015: 4.341,96 Euro, 2016: 4.426,68 Euro, 2017: 4.500,72 Euro, 2018: 4.590,84 Euro und 2019: 4.719,36 Euro.

103

Als Amtszulage nach der Anlage IX HmbBesG wurden in diesem Zeitraum die folgenden jährlichen Beträge gezahlt: 2012: 743,76 Euro, 2013: 762,-- Euro, 2014: 783,-- Euro, 2015: 797,88 Euro, 2016: 814,68 Euro, 2017: 829,32 Euro, 2018: 847,20 Euro und 2019: 872,64 Euro.

104

(c) Hinzuzurechnen ist außerdem das Kindergeld, denn in der untersten Besoldungsgruppe wirkt sich der Kinderfreibetrag nicht günstiger aus (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 79). Die jährlichen Kindergeldsätze betrugen für zwei Kinder in den Jahren 2012 bis 2014: 4.416,-- Euro, im Jahr 2015: 4.512,-- Euro, im Jahr 2016: 4.560,-- Euro, im Jahr 2017: 4.608,-- Euro, im Jahr 2018: 4.656,-- Euro und im Jahr 2019: 4.896,-- Euro.

105

(d) Vom Bruttoeinkommen abzuziehen sind die Steuern. Dabei ist auch die Absetzbarkeit der Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu berücksichtigen (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 79). Die Steuer kann mit dem vom Bundesministerium der Finanzen im Internet zur Verfügung gestellten Lohnsteuerrechner berechnet werden (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O. Rn. 148, m.w.N.). Für die Musterbeamtenfamilie, die über keine weiteren steuerpflichtigen Einnahmen verfügt und keine besonderen Aufwendungen geltend machen kann, ergeben sich keine Unterschiede zwischen dem Lohnsteuerabzug und der Einkommensteuerberechnung. In der Steuerklasse III und mit zwei Kinderfreibeträgen fallen weder Solidaritätszuschlag noch Kirchensteuer an. Deshalb kann die Frage, ob weiterhin ein Kirchensteuerabzug zu berücksichtigen ist, auch in diesem Verfahren offenbleiben. Im Übrigen wird der steuerlich absetzbare Anteil der Durchschnittsprämien für eine das Hamburgische Beihilferegime ergänzende private Krankenversicherung und die Pflegepflichtversicherung berücksichtigt, den der Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilt hat.

106

Dieser Betrug im Zeitraum 2012 bis 2019 monatlich für die vierköpfige Familie in Euro:

107

 Jahr 

 2012 

 2013 

 2014 

 2015 

 2016 

 2017 

 2018 

 2019 

 Betrag

 355,84

 363,09

 366,93

 374,01

 385,65

 417,23

 434,12

 460,09

108

(e) Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens sind die Kosten einer die Beihilfeleistungen des Dienstherrn ergänzenden Krankheitskosten- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 76). Dazu werden die vom Verband der Privaten Krankenversicherung mitgeteilten Durchschnittsprämien in Ansatz gebracht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, a.a.O., Rn. 148).

109

Ob in diesem Zusammenhang der Abzug einer Kostendämpfungspauschale von den Beihilfeleistungen zu berücksichtigen ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil im streitgegenständlichen Zeitraum von der Freien und Hansestadt Hamburg eine Kostendämpfungspauschale erst ab der Besoldungsgruppe A 7 erhoben wurde (vgl. § 80 Abs. 10 des Hamburgischen Beamtengesetzes – HmbBG – vom 15. Dezember 2009, HmbGVBl. S. 405 und die nachfolgenden Fassungen).

110

(f) Die Jahresnettoalimentation berechnet sich danach wie folgt:

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111

(4) In allen verfahrensgegenständlichen Jahren wurde das Mindestabstandsgebot verletzt. Die Nettoalimentation blieb in jedem Jahr hinter dem Grundsicherungsniveau und mindestens 14 % hinter der aus dem Grundsicherungsniveau abgeleiteten Mindestalimentation zurück:

Abbildung
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112

dd) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der fünfte Parameter in Gestalt der Unterschreitung des Mittelwerts bzw. Median im Rahmen eines Quervergleichs mit den anderen Ländern und dem Bund um mehr als 10 % (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 80 ff., m.w.N.) erfüllt sein könnte. Die hamburgische Besoldung liegt in einigen Besoldungsgruppen knapp über und in anderen Besoldungsgruppen knapp unter dem Mittelwert der anderen Länder und des Bundes (vgl. HmbBü-Drs. 21/9779, S. 44). Da die Kammer auch ohne den fünften Parameter von der Vermutung der Verfassungswidrigkeit der Alimentation des Klägers ausgeht, muss auf die Einwände des Klägers zum fünften Parameter nicht weiter eingegangen werden. Insbesondere kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, wie bei der Mittelwertermittlung damit umzugehen ist, dass die Besoldung in anderen Länder den Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG nicht genügen könnte.

113

ee) Insgesamt hat die erste Prüfungsstufe für alle verfahrensgegenständlichen Jahre eine Vermutung für die Verfassungswidrigkeit der A 11-Besoldung erbracht, weil die Mehrzahl der Parameter erfüllt ist:

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114

b) Die auf der zweiten Prüfungsstufe erfolgende Gesamtwürdigung des Maßes der Über- bzw. Unterschreitung der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe unter Einbeziehung weiterer alimentationsrechtlicher Determinanten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 84 ff., m.w.N.) bestätigt die auf der ersten Prüfungsstufe gefundene Vermutung, dass die A 11-Besoldung in den Jahren 2012 bis 2018 verfassungswidrig zu niedrig bemessen war.

115

Zu den auf der zweiten Stufe zu untersuchenden alimentationsrelevanten Kriterien zählen neben dem Ansehen des Amtes in der Gesellschaft sowie der vom Amtsinhaber geforderten Ausbildung und Beanspruchung vor allem die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Beamten, die Entwicklung der Qualifikation der eingestellten Bewerber, der Vergleich mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter außerhalb des öffentlichen Dienstes mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung sowie die Entwicklungen im Bereich der Beihilfe und der Versorgung (BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 86, m.w.N.).

116

Vor diesem Hintergrund bestätigt die Gesamtabwägung die auf der ersten Prüfungsstufe gefundene Vermutung, dass die Besoldung in den Jahren 2012 bis 2019 verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist.

117

Zwar ist in die Gesamtabwägung auf der zweiten Prüfungsstufe als gegen die Unteralimentation sprechender Aspekt einzustellen, dass auf der ersten Prüfungsstufe die finanziellen Auswirkungen der im Jahre 2006 erfolgten Umstellung vom BAT auf den TV-L und die damit in den meisten Fällen einhergehende Kürzung der Sonderzahlungen im Tariflohnbereich nicht berücksichtigt werden [s.o. a) bb) (3) (a)]. Dies führt dazu, dass die Steigerung der Tariflöhne bei der Berechnung des ersten Parameters höher erscheint, als es tatsächlich der Fall sein dürfte.

118

Dieser Umstand wird allerdings dadurch ausgeglichen, dass auf der ersten Prüfungsstufe ebenfalls eine Reihe von Besonderheiten bei der Erstellung des Besoldungsindex bestehen, die zu Lasten der Beamten gehen, und deshalb auf der zweiten Prüfungsstufe dafürsprechen, dass eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt. So werden unterjährige Besoldungsanpassungen, wie in den Jahren 1997, 1999, 2003, 2004, 2009, 2010, 2011, 2015 und 2016 so behandelt, als seien sie zu Jahresbeginn erfolgt, obwohl sich der Zeitpunkt der Besoldungsanpassung darauf auswirkt, was den Beamten in einem Besoldungsjahr zur Deckung ihres Lebensbedarfs tatsächlich zur Verfügung steht [s.o. a) aa) (5)]. Ebenfalls zu Gunsten der Beamten ist auf der zweiten Prüfungsstufe zu berücksichtigen, dass auf der ersten Prüfungsstufe beim ersten Parameter nicht berücksichtigt wurde, dass die Besoldungsanpassungen in einigen Jahren (1997, 1999, 2001, 2002, 2003 und 2004) mit teilweise erheblicher Verzögerung im Vergleich zu den Erhöhungen der Tariflöhne im öffentlichen Dienst erfolgten.

119

Weitere Aspekte, die die Vermutung der verfassungswidrigen Unteralimentation durch die Erfüllung der Mehrzahl der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe widerlegen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie hat sich in ihrem Vortrag zur zweiten Prüfungsstufe vielmehr darauf beschränkt, darzulegen, weshalb die Kürzungen im Beihilferecht, insbesondere die Einführung der Kostendämpfungspauschale (vgl. § 80 Abs. 10 HmbBG in der Fassung vom 15. Dezember 2009), aus ihrer Sicht nicht geeignet sind, einen eigenständigen Beitrag zur Erhärtung der Vermutung des Verstoßes gegen das Gebot der amtsangemessenen Alimentation zu leisten.

120

Die Vermutung der Verfassungswidrigkeit im Rahmen der Gesamtabwägung widerlegende Aspekte sind auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere wird diese Vermutung nicht durch die Entwicklung der Qualifikation der eingestellten Bewerber widerlegt. Denn zu dieser Entwicklung haben die Beteiligten nicht substantiiert vorgetragen und sind der Kammer auch sonst keine verlässlichen empirischen Daten bekannt.

121

Da die Vermutung der Verfassungswidrigkeit auf der zweiten Prüfungsstufe nicht widerlegt wird, bedarf es keiner vertieften Gesamtabwägung. Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass auch im vorliegenden Verfahren im Rahmen einer Gesamtabwägung auf der zweiten Prüfungsstufe die folgenden alimentationsrelevanten Umstände die Vermutung des Verstoßes gegen das Gebot der amtsangemessenen Besoldung bestätigen würden:

122

Für das Bestehen einer verfassungswidrigen Unteralimentation in der Besoldungsgruppe A 11 sprechen die Streichung des Urlaubsgelds in den Besoldungsgruppen A 9 und höher im Jahre 2004 und der Umstand, dass die Polizeizulage seit 1991 nicht angehoben und deshalb durch die Inflation entwertet wurde. Diese alimentationsverringernden Aspekte, die auf der ersten Prüfungsstufe nicht berücksichtigt wurden [s.o. a) aa) (6)], sind in die Gesamtabwägung einzubeziehen.

123

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass bei der Prüfung des dritten Parameters auf der ersten Stufe der Verbraucherpreisindex auf Bundesebene heranzuziehen ist, weil bis zum Jahr 2015 der Verbraucherpreisindex in Hamburg nicht erhoben wurde [s.o. a) bb) (5)]. Insoweit ist der Einwand des Klägers einzubeziehen, dass der Verbraucherpreisindex des Bundes die überdurchschnittlich hohen Lebenshaltungskosten in der Freien und Hansestadt Hamburg als Stadtstaat nicht ausreichend abbilden kann. Zwar sind die Auswirkungen dieses Einwands – mangels vorliegender statistischer Daten – nicht exakt bezifferbar. Jedoch ist dieser Einwand, insbesondere angesichts der hohen Mietsteigerungen in Hamburg, vor allem in den Jahren 2015 bis 2018, die sich auch in dem vierten Parameter bei den Wohnkosten als Teil des Grundsicherungsniveaus zeigen [s.o. a) cc) (1) (f)], von hoher Plausibilität. Angesichts dieser hohen und – zumindest im Bereich der Wohnungsmiete –stark ansteigenden Lebenshaltungskosten im Stadtstaat sind auch die Anforderungen an das Alimentationsniveau erhöht.

124

Darüber hinaus spricht für das Bestehen einer Unteralimentation die schrittweise Absenkung der Sonderzahlung durch ihr Einfrieren auf die Höhe eines im Dezember 1993 gezahlten monatlichen Bruttogehalts gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 SoZuwG 1995, die auf der ersten Prüfungsstufe nicht berücksichtigt wurde [s.o. a) aa) (3) (a)]. Durch dieses Einfrieren wurde die Sonderzahlung von 100 % eines Monatsgehalts, die letztmals im Dezember 1994 gezahlt wurde, auf 84,29 % eines Monatsgehalts im Jahre 2003 und damit um 15,71 % abgesenkt. Wäre diese Absenkung nicht schrittweise, sondern in einem Zug erfolgt, wäre es zu einer Besoldungskürzung um 1,21 % gekommen (100 – 12,8429 / 13 x 100). Diese wäre in den Besoldungsindex auf der ersten Prüfungsstufe einzustellen gewesen, weil sie die Erheblichkeitsschwelle überschritten hätte [s.o. a) aa) (3) (c)].

125

Außerdem sprechen die Einschnitte im Bereich des Beihilfe- und Versorgungsrechts, die das zum laufenden Lebensunterhalt verfügbare Einkommen der Beamten zusätzlich gemindert haben, für einen Verstoß gegen das Gebot der Mindestalimentation (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 175). Dazu gehören zwar nicht die Kürzungen der Besoldungs- und Versorgungsanpassungen gemäß § 14a Abs. 1 Satz 2 BBesG um jährlich 0,2 Prozentpunkte mit Wirkung zum 1. Januar 1999 zur Bildung einer Versorgungsrücklage (durch das Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 [BGBl I S. 1666]), denn diese Kürzungen sind bereits auf der ersten Prüfungsstufe bei der Berechnung der Besoldungsentwicklung berücksichtigt worden. Jedoch fällt die Kürzung des Ruhegehalts von 75 % auf höchstens 71,75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) ins Gewicht. Diese Kürzung ist zwar – worauf die Beklagte zurecht hinweist – isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft worden (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.9.2005, 2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258). Jedoch führt die Absenkung des Pensionsniveaus und die daraus resultierende Notwendigkeit eines erhöhten Eigenanteils an der Altersvorsorge − gerade angesichts einer steigenden Lebenserwartung − zu einer weiteren Aufzehrung der Bezüge mit der Folge, dass die Gewährleistung eines der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse angemessenen Lebensunterhalts der Beamten nicht mehr zweifelsfrei sichergestellt ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 5.5.2015, 2 BvL 17/09, BVerfGE 139, 64, juris Rn. 158).

126

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Berücksichtigung dieser Einschnitte als für eine verfassungswidrige Unteralimentation sprechender Aspekt nicht entgegen, dass sie bundesweit erfolgten und auch in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz bestanden, ohne dass das Bundesverfassungsgericht die Besoldung in diesen Ländern in seinen Entscheidungen vom 5. Mai 2015 (2 BvL 17/09 u.a., BVerfGE 139, 64, juris Rn. 179 ff.) und 17. November 2015 (2 BvL 19/09 u.a., BVerfGE 140, 240, juris Rn. 155 f.) für verfassungswidrig gehalten hätte. Denn in beiden Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht die Kürzung des Versorgungsniveaus als zu einer möglichen Unteralimentation beitragenden Aspekt bei der Gesamtabwägung berücksichtigt (BVerfG, Urt. v. 5.5.2015, a.a.O. Rn. 158; Beschl. v. 17.11.2015, a.a.O. Rn. 134).

127

Bei dem Kläger als Polizeibeamten ist auf der zweiten Prüfungsstufe als das verfügbare Einkommen mindernder Aspekt auch die Abschaffung der Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage durch Art. 5 Nr. 22 b des Versorgungsreformgesetzes 1998 und die Übergangsregelung des § 81 Abs. 2 Satz 1 BBesG zu berücksichtigen. Zwar ist auch diese Kürzung isoliert betrachtet als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2011, 2 C 22/10, juris Rn. 10 f.). Jedoch schließt dies – wie soeben dargelegt – die Berücksichtigung der alimentationsmindernden Wirkung dieser Absenkung des Versorgungsniveaus für Polizeibeamte auf der zweiten Prüfungsstufe nicht aus.

128

c) Schließlich vermag kollidierendes Verfassungsrecht die Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus nicht zu rechtfertigen. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation als Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Art. 33 Abs. 5 GG, ist – soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert – entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen (hierzu und zum Folgenden: BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 92 ff. m.w.N.). Verfassungsrang hat namentlich das Verbot der Neuverschuldung in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG (so genannte Schuldenbremse). Hiernach sind Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Ausnahmsweise zulässig ist eine Neuverschuldung bei konjunkturellen Abweichungen von der Normallage (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 GG) sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 Var. 2 GG). Gemäß Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG waren die Haushalte der Länder in den Haushaltsjahren 2011 bis 2019 so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe aus Art. 109 Abs. 3 Satz 5 GG (keine strukturelle Nettokreditaufnahme) erfüllt wird. Dabei mussten die Haushaltsgesetzgeber der Länder das Ziel der Haushaltskonsolidierung im Jahr 2020 im Blick behalten. Der hierin angelegten Vorwirkung des Verbots der strukturellen Nettokreditaufnahme hat der Haushaltsgesetzgeber auch bei der Anpassung der Beamtenbesoldung Rechnung zu tragen. Konkretere Verpflichtungen ergeben sich aus Art. 143d Abs. 1 Satz 4 GG indes nicht. Ungeachtet der Verschärfung der Regeln für die Kreditaufnahme durch die Neufassung des Art. 109 Abs. 3 GG vermögen allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung nicht einzuschränken. Andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere. Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann zur Bewältigung einer der in Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG genannten Ausnahmesituationen jedoch in Ansatz gebracht werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist, das anhand einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien – gegebenenfalls unter ergänzender Heranziehung der im Rahmen eines Konsolidierungs- oder Sanierungshilfeverfahrens getroffenen Vereinbarungen – erkennbar sein muss. Ein solches Konzept setzt inhaltlich wenigstens die Definition eines angestrebten Sparziels sowie die nachvollziehbare Auswahl der zu dessen Erreichung erforderlichen Maßnahmen voraus. Vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 3 Abs. 1 GG ist das notwendige Sparvolumen dabei gleichheitsgerecht zu erwirtschaften.

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Nach Maßgabe dieser Grundsätze vermag das in Art. 109 Abs. 3 Satz 1 GG normierte Verbot der Neuverschuldung die Unterschreitung des durch Art. 33 Abs. 5 GG gebotenen Besoldungsniveaus im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen. Insoweit ist zunächst zu beachten, dass sich das entsprechende Vorbringen der Beklagten auf die durch das HmbDSBVAnpG 2011/2012 erfolgte Kürzung der Dezember-Sonderzahlung im Jahr 2011 beschränkt. Ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die Besoldungsentwicklung in den Jahren ab 2011 im Übrigen Teil eines entsprechenden Konzeptes zur Haushaltskonsolidierung gewesen sein sollte, hat die Beklagte nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

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Doch auch hinsichtlich der Kürzung der Dezember-Sonderzahlung sind die Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht erfüllt. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Dokumente sind bereits nicht geeignet, die vom Gesetzgeber mit der konkret in Rede stehenden Gesetzesänderung verfolgten Sparziele und die Auswahl der insoweit für erforderlich erachteten Maßnahmen darzulegen. In der Sache hat die Beklagte nämlich auf einen Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2011 und 2012 verwiesen, den der damalige Senat im September 2010 vorgelegt hatte. Darin wird wiederum auf die Bestandteile eines Konsolidierungsprogramms verwiesen, wie sie der damalige Erste Bürgermeister in einer Regierungserklärung im Juni 2010 erläutert habe. Demzufolge sollte eine jährliche Ausgabensenkung um 100 Millionen Euro – als Teil einer Haushaltskürzung um insgesamt 510 Millionen Euro – durch eine „sozial gestufte Kürzung bzw. Streichung“ des „Weihnachtsgeldes“ für die Beamten der Beklagten erreicht werden. Ferner hat die Beklagte auf die Begründung des knapp ein Jahr später – also bereits in der folgenden Legislaturperiode – vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes über die jährliche Sonderzahlung und die Besoldungs- und Versorgungsanpassung 2011/2012 verwiesen. Darin wird zwar ausführlich auf die allgemeine Notwendigkeit von Haushaltseinsparungen verwiesen; zu der hier in Rede stehenden Kürzung heißt es jedoch nur: „Im Rahmen der Beratungen über den Haushaltsplan-Entwurf 2011/2012 hatte der Vorgänger-Senat entschieden, die Sonderzahlungen für Beamtinnen, Beamte, Richterinnen und Richter, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger sowie Senatsmitglieder weitgehend zu kürzen bzw. zu streichen. (...) Mit diesen Regelungen beabsichtigte der Senat, Einsparungen im Personalbereich in Höhe von rund 100 Millionen Euro pro Jahr im Haushaltsplan 2011/2012 zu erzielen. (...) Eine komplette Rücknahme der Kürzungsentscheidung des Vorgänger-Senats und damit eine Aufrechterhaltung der bisherigen – auch im Bund-/Ländervergleich günstigen – Sonderzahlungsregelungen für alle Berechtigten ist angesichts der haushaltspolitischen Rahmenbedingungen nicht möglich.“ Hieraus ergibt sich weder, welche Einsparung mit der letztlich vorgenommenen Kürzung noch erzielt werden sollte, noch welche sonstigen Kürzungen im letztlich verabschiedeten Haushalt für die Jahre 2011 und 2012 vorgesehen waren.

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Unabhängig davon steht einer Rechtfertigung entgegen, dass nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte den Versuch unternommen hätte, die Einsparungen gleichheitsgerecht zu erwirtschaften, also auch das Entgeltniveau ihrer Tarifbeschäftigten in das Einsparungskonzept einzubeziehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 179).

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d) Steht danach fest, dass die zur Prüfung gestellte Alimentation den materiellen Anforderungen des Alimentationsprinzips nicht genügte, bedarf die Frage nach der Beachtung der prozeduralen Anforderungen keiner weiteren Erörterung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.5.2020, 2 BvL 4/18, juris Rn. 180).

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5. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

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