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Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neufestsetzung ihrer Versorgungsbezüge für die Zukunft; die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
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Der Anspruch der Klägerin auf Neufestsetzung ihrer Bezüge für die Zukunft ergibt sich aus § 48 Abs. 1 LVwVfG. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurücknehmen. Die Entscheidung, einen bestandskräftigen Verwaltungsakt nach § 48 LVwVfG zurückzunehmen, steht dabei grundsätzlich im Ermessen der Behörde, welches nur in Ausnahmefällen auf Null reduziert ist. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Facetten des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Eine Reduktion des Ermessens auf Null kommt aber dann in Betracht, wenn dem anzuwendenden Fachrecht ausnahmsweise eine andere Wertung als die Gleichberechtigung der genannten Prinzipien zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 20.03.2008 - 1 C 33/07 -, Juris-Rdnr. 12 f., VR 2008, 323 m.w.N.) oder wenn ein Aufrechterhalten des Verwaltungsaktes schlechthin unerträglich wäre, was insbesondere der Fall ist, wenn Umstände vorliegen, die ein Festhalten am Verwaltungsakt als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rdnr. 79 m.w.N.).
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Gemessen an diesem Maßstab ist das in § 48 Abs. 1 LVwVfG der Behörde grundsätzlich zustehende Rücknahmeermessen im Fall der Klägerin, die nur die Neufestsetzung ihrer Bezüge für die Zukunft begehrt, auf Null reduziert.
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Im vorliegenden Fall folgt eine Reduktion des Rücknahmeermessens für die Zukunft sowohl aus den Besonderheiten des Rechts der Beamtenversorgung als auch aus dem im Beamtenrecht besonders ausgestalteten Prinzip von Treu und Glauben (so auch die wohl herrschende Meinung der erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: vgl. VG Saarland, Urt. v. 04.09.2007 - 3 K 350/06 -, Juris-Rdnr. 74 ff., LKRZ 2007, 438; VG Magdeburg, Urt. v. 06.03.2007 - 5 A 191/06 -, Juris-Rdnr. 18; VG Düsseldorf, Urt. v. 23 K 813/07 - 15.09.2008 -, Juris-Rdnr. 38 ff.; VG Berlin, Urt. v. 10.10.2007 - 7 A 123.06 -, Juris-Rdnr. 12; a.A. VG Köln, Urt. v. 25.07.2007 - 3 K 3568/06 -, Juris-Rdnr. 41). Die Besonderheiten des Rechts der Beamtenversorgung bestehen zum einen in § 3 Abs. 3 BeamtVG, aus dem sich der Gedanke ableiten lässt, dass der Beamte die ihm gesetzlich zustehende Versorgung auf jeden Fall erhalten soll, da er nicht einmal aus eigener Willensentscheidung ganz oder teilweise auf sie verzichten kann. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Gewährung der gesetzlich dem Beamten zustehenden Pension ein besonderes Gewicht zukommt und somit auch den Prinzipien der Rechtsrichtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit ein höheres Gewicht zukommt, als dies in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts der Fall ist. Eine weitere Besonderheit der Beamtenversorgung besteht in dem Charakter des Versorgungsbezügebescheids als Dauerverwaltungsakt. In diesem Bescheid wird zum Zeitpunkt des Eintritts des Beamten in den Ruhestand die Höhe der Versorgungsbezüge, zumindest was den vorliegend relevanten Ruhegehaltssatz betrifft, für die gesamte Ruhestandszeit des Beamten verbindlich festgelegt. Auch insoweit kommt den Prinzipien der Rechtsrichtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein besonderes Gewicht gegenüber dem Prinzip der Rechtssicherheit zu, denn die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Verwaltungsaktes betrifft nicht einen in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalt, sondern aktualisiert sich monatlich mit Auszahlung der rechtswidrig zu niedrigen Versorgungsbezüge über einen Zeitraum von möglicherweise mehreren Jahrzehnten hinweg. Schließlich besteht im Beamtenrecht die Besonderheit, dass das Beamtenverhältnis ein gegenseitiges Treueverhältnis ist, d.h. der Treuepflicht des Beamten entspricht eine Treuepflicht des Dienstherrn (statt aller: Battis, BBG, 3. Aufl. 2004, § 79 Rdnr. 3). Aus diesem Treuverhältnis lässt sich im Anschluss an die oben zitierte Rechtsprechung wiederum ein besonderes Gewicht der Aspekte des Rechtsrichtigkeit und Gesetzmäßigkeit des Handelns des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten.
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In der Abwägung der Prinzipien der Rechtsrichtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung mit dem Prinzip der Rechtssicherheit spricht für ein Überwiegen der beiden erstgenannten Prinzipien zudem, dass ein auch zukünftiges Festhalten am rechtswidrigen Versorgungsbescheid als Verstoß gegen Treu und Glauben zu qualifizieren wäre. Hierfür lässt sich zum einen das besondere Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn ins Feld führen. Ein Aufrechterhalten der rechtswidrigen Versorgungsbezugsfeststellung auf Lebenszeit des Beamten würde im Widerspruch zu diesem besonderen Treueverhältnis stehe und wäre mithin als treuwidrig zu qualifizieren. Die Prinzipien der Rechtsrichtigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gewinnen zudem insofern an Gewicht, als der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 05.05.2003 zwar nicht offensichtlich rechtswidrig war (die höchstrichterlichen Judikate wurden erst später verkündet), die Rechtswidrigkeit aber besonders schwer wiegt, weil sowohl gegen Verfassungsrecht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.06.2008 - 2 BvL 6/07 -, DVBl 2008, 1051) als auch gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen wurde (vgl.: EuGH, Urt. v. 23.10.2003 - C-4/02, C-5/02 -, DVBl 2004, 188; BVerwG, Urt. v. 25.5.2005 - 2 C 14/04 -, NVwZ 2005, 1080) und es sich jeweils um einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften mit hohem materiellem Gerechtigkeitsgehalt handelt.
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Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 5.821,92 EUR festgesetzt (vgl. Ziffer 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004).
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