Beschluss vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - 11 K 1455/09

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 17.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
Er wurde am … 1949 geboren und erhielt im Jahre 1980 nach erfolgreichem Studium der Humanmedizin seine Approbation als Arzt durch das Regierungspräsidium Stuttgart. Zunächst war der Antragsteller als angestellter Arzt, seit dem Jahre 1988 als niedergelassener Arzt in eigener Praxis tätig.
Mit Urteil vom 20.09.2006 verurteilte ihn das Landgericht Mannheim wegen Betrugs in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 87 Fällen, hiervon in einem Fall des Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und verbot ihm für die Dauer von fünf Jahren, als selbständiger niedergelassener Arzt zu praktizieren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger am 30.12.1999 und am 10.04.2000 gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Nordbaden bewusst wahrheitswidrig nicht abrechnungsfähige ärztliche Leistungen zum Ansatz brachte, um zu Unrecht Honorar in Höhe von insgesamt 53.918,66 DM zu erhalten. Weiter sah es das Gericht als erwiesen an, dass der Kläger zwischen November 1999 und Juli 2001 in 87 Fällen Patienten ohne deren Wissen und deren Einwilligung und ohne diese vorher über den Zweck und denkbare Nebenwirkungen aufzuklären, Impfstoffe injiziert beziehungsweise zu injizieren versucht hat. Meistens habe er dabei zumindest konkludent vorgegeben, es handele sich um Spritzen zur Behandlung der jeweils akuten Beschwerden des betreffenden Patienten.
Mit Bescheid vom 18.06.2007 ordnete das Regierungspräsidium Stuttgart gegenüber dem Antragsteller das Ruhen der Approbation als Arzt an und verpflichtete ihn, seine Approbationsurkunde nach Rechtskraft der Entscheidung in Verwahrung zu geben. Die sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet. Auf die Klage des Antragstellers hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe diesen Bescheid mit Urteil vom 18.12.2007, Az. 11 K 2274/07, auf. Auf Antrag des Antragsgegners ließ der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 26.05.2008, Az. 9 S 1255/08, die Berufung gegen das Urteil zu. Über die Berufung ist noch nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 26.07.2007 hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Mit Urteil vom 25.07.2008 verurteilte das Landgericht Mannheim den Antragsteller daraufhin wegen Betrugs und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in 46 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Im Übrigen sprach das Gericht den Antragsteller frei. Wegen überlanger Verfahrensdauer wurden sechs Monate als vollstreckt angerechnet. Ein Berufsverbot wurde nicht verhängt. Die Entscheidung des Landgerichts wurde rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 19.02.2009 die Revision als unbegründet verworfen hatte.
Mit Bescheid vom 14.05.2009 ordnete das Regierungspräsidium Stuttgart nach vorheriger Anhörung den Widerruf der dem Antragsteller erteilten Approbation als Arzt an und gab dem Antragsteller zugleich auf, die Approbationsurkunde dem Regierungspräsidium Stuttgart bis spätestens 30.06.2009 in Verwahrung zu geben. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Der Bescheid wurde am 18.05.2009 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am 17.06.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage, über die noch nicht entschieden ist.
Mit seinem am 24.06.2009 gestellten Antrag begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 14.05.2009. Er ist der Auffassung, sein Interesse, bis zur Rechtskraft des Bescheides von der Vollziehung verschont zu bleiben, überwiege das Sofortvollzugsinteresse des Antragsgegners. Der Antragsgegner stütze die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausschließlich auf sein (des Antragstellers) Verhalten bis zur Begehung der letzten Straftat, das die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes dokumentiere. Der Antragsgegner lasse völlig außer Acht, dass er nach Begehen der letzten Straftat noch acht weitere Jahre beanstandungsfrei seinen Beruf als niedergelassener Arzt ausgeübt habe. Der Antragsgegner habe die Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs bei einem Eingriff in die Freiheit der Berufswahl verletzt. Die Begründung des Interesses an der sofortigen Vollziehung genüge auch nicht dem formellen Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO.
Der Antragsteller beantragt,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landesgesundheitsamtes im Regierungspräsidium Stuttgart vom 14.05.2009 wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Dem Gericht liegen die Akten des Antragsgegners (ein Konvolut) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten des Gerichts Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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1. Der Antragsgegner hat die mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.05.2009 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß schriftlich begründet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO).
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a) Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat die Behörde bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die besonderen Gründe darzulegen, weshalb die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs - so wie sie in § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den Normalfall vorgesehen ist - ausnahmsweise nicht hingenommen werden kann. Durch diese Begründungspflicht soll zum einen der Betroffene in die Lage versetzt werden, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines eventuellen Rechtsbehelfs abschätzen zu können. Zum anderen wird die Behörde durch den Begründungszwang angehalten, sich den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen und daher besonders sorgfältig zu überprüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung notwendig macht. Erforderlich ist damit eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses daran, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit geboten ist und das Interesse des Betroffenen, von den Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, demgegenüber zurücktreten muss (vgl. VG Saarland, Beschl. v. 03.06.2008 - 1 L 145/08 -, juris Rn. 29 ff.).
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Soll der Widerruf einer ärztlichen Approbation für sofort vollziehbar erklärt werden, sind diese Anforderungen an die Begründungspflicht der Behörde besonders hoch. Schließlich kommt der Sofortvollzug einer solchen Verfügung für den betroffenen Arzt einem sofort wirksam werdenden Berufsverbot gleich. Die Schwere dieses Eingriffs wird auch kaum durch die Aussicht abgemildert, gemäß § 8 der Bundesärzteordnung (BÄO) erneut eine eingeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes erhalten zu können. Regelmäßig wird daher zur ausreichenden Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO die nachvollziehbare Darlegung erforderlich sein, dass eine weitere Berufsausübung durch den Betroffenen konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. VG Saarland, Beschl. v. 03.06.2008 - 1 L 145/08 -, juris Rn. 32 ff.; dort allerdings unter Bezugnahme auf „Gefahren für Dritte“).
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b) Die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an dem Sofortvollzug des Widerrufsbescheides vom 14.05.2009 durch den Antragsgegner genügt diesem strengen Maßstab.
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Der Antragsgegner hat in dem Bescheid ausgeführt, mit der Berufswürdigkeit werde das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes um des Vertrauens willen geschützt, das die Öffentlichkeit den Angehörigen des Arztberufes zu Recht entgegenbringe. Dieses Schutzgut werde nachhaltig geschädigt, wenn ein Arzt bis auf weiteres die Heilkunde weiter ausüben dürfe, der in verwerflicher Weise gegen seine Pflichten verstoßen habe und deshalb rechtskräftig verurteilt sei. Der Bezug zum besonderen Fall des Antragstellers wird unter Hinweis auf „spezialpräventive“ und „generalpräventive“ Gesichtspunkte hergestellt. Die Frage der Erforderlichkeit von Impfungen stelle sich in einer Vielzahl von ärztlichen Behandlungen; Impfungen seien ein wichtiges Mittel der Gesundheitsvorsorge. Das Vertrauen der Patienten in die Richtigkeit und Notwendigkeit der Impfempfehlung ihres Arztes dürfe nicht erschüttert werden. Müsse damit gerechnet werden, dass Ärzte Impfungen aus Profitdenken vornähmen, hätte dies weitreichende Folgen für die Volksgesundheit.
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Die ausführlichen, hier nur verkürzt wiedergegebenen Darlegungen des Antragsgegners machen deutlich, weshalb aus seiner Sicht im Falle einer weiteren Berufsausübung des Antragstellers eine konkrete Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter zu befürchten ist. Sie erlauben es dem Antragsteller, die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs einzuschätzen, und ermöglichen gleichzeitig die gerichtliche Überprüfung derjenigen Gedankengänge, die den Antragsgegner zum Sofortvollzug bewogen haben.
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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat auch in der Sache keinen Erfolg.
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a) Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer alsbaldigen Vollziehung der angegriffen Verfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers, während des Rechtsbehelfsverfahrens von dieser Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, vorzunehmen. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, da sich die angegriffene Verfügung des Antragsgegners bereits bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist und auch das erforderliche besondere Vollzugsinteresse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben ist.
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Mit dem Widerruf der Approbation, der Anordnung der Abgabe der Approbationsurkunde und der Anordnung der sofortigen Vollziehung beider Verfügungen wird in die Berufsfreiheit eingegriffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Eingriffe nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 44, 105 <117 ff.>; stRspr). Überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug einer Approbationsentziehung sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in angemessenem Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptverfahrens ausschließen. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 13.08.2003 - 1 BvR 1594/03 -, NJW 2003, S. 3617; Kammerbeschl. v. 29.12.2004 - 1 BvR 2820/04 u. 2851/04 - Rn. 14; etwas anders noch BVerfG, Kammerbeschl. v. 16.01.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, S. 1530 <1531>: „konkrete Gefahren für Dritte“).
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b) Auch gemessen an diesen vom Schutz der Berufsfreiheit des Arztes geprägten Grundsätzen fällt die Abwägung hier zu Lasten des Antragstellers aus.
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Der vom Antragsteller mit seiner Klage angegriffene Bescheid vom 14.05.2009 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO. Danach ist die Approbation von der zuständigen Behörde - hier hat zu Recht das Regierungspräsidium Stuttgart gehandelt (§ 12 Abs. 4 Satz 1 BÄO, § 1 Abs. 1 Nr. 1 HBerGesFBerZustVO) - zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder - was hier nicht in Rede steht - Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. „Unwürdigkeit“ im Sinne der §§ 3, 5 BÄO liegt vor, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das zur Ausübung des ärztlichen Berufs erforderliche Ansehen und Vertrauen genießt (BVerwG, Beschl. v. 28.08.1995 - 3 B 7/95 -, juris Rn. 10). Erforderlich ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als untragbar erscheinen lässt (BVerwG, Beschl. v. 14.04.1998 - 3 B 95/97 -, NJW 1999, S. 3425 ff.).
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Der Antragsteller hat sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Der Antragsteller ist mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 25.07.2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Gericht erachtete ihn der Körperverletzung in 46 Fällen und des Betrugs für schuldig. Im Rahmen seiner Abrechnung für das vierte Quartal 1999 brachte der Antragsteller bewusst wahrheitswidrig für mindestens drei Personen die hausärztliche Grundvergütung in Ansatz und erhielt aufgrund dessen zu Unrecht Honorar ausgezahlt. In den Jahren 1999 und 2000 führte der Antragsteller ohne ausreichende und teilweise ohne jede Aufklärung bei seinen Patienten Impfleistungen durch, um das Volumen der abzurechnenden Kassenleistungen zu erhöhen. Meistens gab er vor, es handele sich um Spritzen zur Behandlung der jeweils akuten Beschwerden. In einigen Fällen wurden die Impfungen vorgenommen, wenn sich die Patienten nach einer Magenspiegelung noch unter dem Einfluss eines Narkosemittels befanden und daher von der Impfung nichts bemerkten. Von diesen Feststellungen kann auch im hiesigen Verfahren ausgegangen werden. Die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dürfen bei einem Approbationswiderruf regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich - wie hier - keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.03.2003 - 3 B 10/03 -, juris Rn. 2).
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Die Feststellungen des Landgerichts Mannheim lassen den Schluss auf die Berufsunwürdigkeit des Antragstellers zu. Mit dem Tatbestandsmerkmal der Berufsunwürdigkeit wird das Ansehen des ärztlichen Berufsstands geschützt, und zwar nicht um seiner selbst willen, sondern um des Vertrauens willen, das die Öffentlichkeit den Angehörigen des Arztberufs entgegenbringen soll. Das Ansehen und Vertrauen in die Ärzteschaft ist daher ein Element des wichtigen Gemeinschaftsgutes der Volksgesundheit (§ 1 Abs. 1 BÄO), das als solches vor Gefährdung in Schutz genommen werden muss; einer gleichzeitigen Gefährdung bestimmter oder bestimmbarer Personen bedarf es nicht. Diesem Schutzgut würde Schaden zugefügt, wenn die Öffentlichkeit damit rechnen müsste, dass ein Arzt die Heilkunde weiter ausüben dürfte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit oder gar mit Gewissheit in besonders verwerflicher Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat, wie es im vorliegenden Falle anzunehmen ist. Denn dies bedeutete, dass die Bevölkerung sich nicht mehr davor sicher fühlen könnte, von Ärzten, die aufgrund von Profitstreben wahllos Impfungen vornehmen, behandelt und dabei in Lebens- und Gesundheitsgefahr gebracht zu werden. Ein solches Ansehensrisiko bestünde möglicherweise nicht, wenn die Verfehlungen nicht in die Öffentlichkeit getragen worden wären und dies auch nicht konkret zu besorgen wäre. So liegt der Fall des Antragstellers aber nicht. Die Taten sind der Öffentlichkeit bekannt. Die Strafkammer des Landgerichts Mannheim hat mehrfach öffentlich verhandelt. Den Vorwürfen ist eine hohe Öffentlichkeitswirksamkeit eigen. Über den Fall wurde ausführlich in der Presse berichtet, wie die bei den Akten des Antragsgegners befindlichen Artikel (aus Südwestpresse und Südkurier vom 26.07.2008) belegen. Dass das Bekanntwerden möglicherweise nur regional wirkte, ist unter dem Gesichtspunkt des Ansehens des Arztberufes als Ganzem unerheblich (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.07.1991 - 9 S 1227/91 -, juris Rn. 10). Dem laut Antragsteller über die Jahre seit Begehung der letzten Straftaten wiedererworbenen Vertrauen bei seinem Patientenstamm kommt demgegenüber kein entscheidendes Gewicht zu, denn die Wirkung seines Verhaltens reicht über diesen Kreis hinaus. Die Tatsache, dass der Widerruf erst Jahre nach den Tatbegehungen erfolgte, ist der Dauer des Strafverfahrens geschuldet. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung im Strafprozess sind nunmehr die Verfehlungen des Antragstellers endgültig erwiesen. Erst mit dem für den Antragsteller negativen Abschluss des Strafverfahrens hat auch die Gefährdung des Vertrauens der Öffentlichkeit in den Ärzteberuf für den Fall einer weiteren Tätigkeit des Antragstellers eine höhere Qualität erlangt, weil nun kein bedeutsamer Zweifel mehr an den begangenen Verfehlungen bestehen kann.
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Der mit dem Widerruf der Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers ist durch die überragende Bedeutung des Schutzes des Ansehens der Ärzteschaft im Interesse eines funktionierenden Arzt-Patienten-Verhältnisses gerechtfertigt. Weniger einschneidende Maßnahmen sind vorliegend nicht ersichtlich, zumal die Approbation als solche nicht teil- beziehungsweise einschränkbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 28.07.2003 - 9 S 1138/03 -, juris Rn. 10).
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Das Gericht verkennt nicht, dass im Rahmen des hier zu beurteilenden Aussetzungsverfahrens nicht allein auf die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs abgestellt werden darf. Die Kammer nimmt deshalb eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls vor. Angesichts der Häufigkeit und Schwere der vom Antragsteller begangenen berufsbezogenen Straftaten geht sie im Ergebnis davon aus, dass eine weitere Berufstätigkeit des Antragstellers als Arzt auch nur für einen weiteren Übergangszeitraum nach Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Wie bereits der Antragsgegner in seinem Bescheid zu Recht ausgeführt hat, wird schädlichen Wirkungen für das Vertrauen in die Ärzteschaft und damit für die Gesundheit der Bevölkerung gerade auch schon dadurch begegnet, dass ein Arzt, der erhebliche Verfehlungen begangen und sich damit als berufsunwürdig erwiesen hat, daran gehindert wird, in dem Übergangszeitraum bis zur Rechtskraft der Widerrufsverfügung zu praktizieren. Die Entscheidung ist auch unter Berücksichtigung des Alters des im Jahre 1949 geborenen Antragstellers verhältnismäßig.
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c) Die vom Antragsgegner verfügte Anordnung, die Approbationsurkunde in Verwahrung zu geben, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 52 Satz 1 LVwVfG. Danach kann die zuständige Behörde eine Urkunde zurückfordern, die auf einem Verwaltungsakt beruht, der unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder dessen Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, dass sichergestellt wird, dass behördliche Urkunden, die eine nicht beziehungsweise eine nicht mehr bestehende Befugnis dokumentieren, keine Verwendung mehr finden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 52 Satz 1 LVwVfG sind zu bejahen, denn die „Wirksamkeit“ der erteilten Approbation als Arzt ist im Sinne dieser Vorschrift mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung entfallen (vgl. VGH Bad,-Württ., Urt. v. 29.11.2002 - 13 S 2039/01 -, VBlBW 2003, S. 442 = juris Rn. 41); auch die Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO). Indem der Antragsgegner ausgeführt hat, dass die Approbationsurkunde in Verwahrung zu nehmen sei, um einer missbräuchlichen Verwendung entgegenzutreten, hat er hinreichende Ermessenserwägungen zu erkennen gegeben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte nach § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG. Ausgehend von den Feststellungen im Urteil des Landgerichts Mannheim legt das Gericht ein monatliches Einkommen des Antragstellers aus seiner ärztlichen Tätigkeit von 2.000,-- EUR bis 2.500,-- EUR zugrunde. Anknüpfend daran wird der Streitwert für den Widerruf der Approbation bei 30.000,-- EUR angesetzt (vgl. Nr. 16.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, NVwZ 2004, S. 1327 ff.). Hinzuzurechnen ist der Auffangstreitwert von 5.000,-- EUR für die Anordnung, die Approbationsurkunde in Verwahrung zu geben. Der sich somit ergebende Gesamtstreitwert von 35.000,-- EUR ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges).

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