Urteil vom Verwaltungsgericht Karlsruhe - DL 17 K 1801/20

Tenor

Die Verfügung Nr. 1 des Bescheids der Beklagten vom 25.03.2020 wird dahingehend abgeändert, dass als Disziplinarmaßnahme eine Kürzung des Ruhegehalts für die Dauer von 2 Jahren um 10 % festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 4/5tel und die Beklagte zu 1/5tel.

Tatbestand

 
Der 1952 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
1972 ernannte ihn die Beklagte zum Stadtassistent auf Probe. 1979 ernannte sie ihn zum Stadtoberinspektor sowie zum Beamten auf Lebenszeit. 1985 folgte die Ernennung zum Stadtamtmann, 1989 zum Stadtamtsrat, 1993 zum Stadtoberamtsrat, 2010 zum Stadtverwaltungsrat und 2011 zum Stadtoberverwaltungsrat. Seit 1988 leitete er als Fachbediensteter für das Finanzwesen das Rechnungsamt der Beklagten. Mit Ablauf des 30.06.2017 wurde er in den Ruhestand versetzt. Er ist disziplinarisch nicht vorbelastet.
Der damalige Leiter der Liegenschaftsverwaltung, S., täuschte im Zeitraum von 1986 bis 2014 zahlreiche Grundstückskäufe durch die Beklagte in betrügerischer Absicht vor und erhielt zur Erfüllung der Kaufpreisverpflichtungen Barschecks, die er für eigene Zwecke verwendete. Insgesamt führte sein Verhalten zu einem Schaden der Beklagten in Höhe von ca. 1,6 Millionen Euro. In der Zeit zwischen 2000 und 2014 wurden aufgrund einer Vielzahl von Auszahlungsanordnungen Barschecks an S. ausgegeben. Die Daten auf den Auszahlungsanordnungen ließen dabei nicht den Schluss zu, dass Barschecks verwendet wurden. In einer Vielzahl von Fällen zeichnete der Kläger Auszahlungsanordnungen ab. Vielfach erteilte der Kläger die Auszahlungsanordnungen auch selbst. Die Feststellung der sachlichen Richtigkeit erfolgte ganz überwiegend durch den damaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung S., die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit durchgehend durch Dritte. Bezüglich der Einzelheiten wird auf folgende Auflistung verwiesen:
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.07.2015 erkannte die Beklagte S. das Ruhegehalt ab.
Am 06.06.2016 verurteilte das Amtsgericht Bruchsal den ehemaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung S. wegen Betrugs in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten. Die Berufung des S. verwarf das Landgericht mit Urteil vom 06.07.2017 als unbegründet.
Am 01.09.2017 leitete die Beklagte das Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Am 04.09.2017 wurde der Kläger hierüber unterrichtet.
Mit Disziplinarverfügung vom 25.03.2020 kürzte die Beklagte dem Kläger das Ruhegehalt für die Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten um zehn Prozent. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend: Es liege ein mittelschweres Dienstvergehen vor. Der Kläger habe gegen § 34 BeamtStG unter folgenden Gesichtspunkten verstoßen: Er habe Auszahlungsanordnungen erteilt bzw. durch das Abzeichnen dem anordnenden Bürgermister signalisiert, dass die Auszahlungsanordnung erteilt werden könne, obwohl die Voraussetzungen für die Bestätigung der rechnerischen Richtigkeit nicht vorgelegen hätten. Zwar müssten sich der Anordnende bzw. der die Anordnung durch Abzeichnung vorprüfende Fachbedienstete für das Finanzwesen nicht zwingend vom Vorliegen eines rechtsverbindlichen Verpflichtungsgeschäfts (z.B. einem notariellen Kaufvertrag) überzeugen. Es sei allerdings üblich und nach 3.4.2 der Dienstanweisung über die Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis vom 30.03.1994 (im Folgenden: DA Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis) bzw. § 33 GemKVO (in der Fassung bis zum 31.12.2009) erforderlich, dass bei Grunderwerbsvorgängen die Kaufvertragsunterlagen der Auszahlungsanordnung beigefügt seien, was hier nicht der Fall gewesen sei. Es treffe zwar zu, dass der Kläger selbst die rechnerische Richtigkeit nicht festgestellt habe. Allerdings sei es die Aufgabe des Anordnenden sicherzustellen, dass die Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit vorliege, und auch, dass diese von Personen festgestellt worden seien, die den Sachverhalt beurteilen könnten. Der Kläger hätte erkennen können, dass die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit auf keiner hinreichenden Grundlage beruht habe. Es seien lediglich die Angaben des S. gewesen, die den jeweiligen Auszahlungsanordnungen zugrunde gelegen hätten. Von einer Prüfung, wie sie unter 3.4.2 Dienstanweisung zum Ausdruck komme, habe mangels Vorlage von Unterlagen nicht ausgegangen werden können. Zwar könne ein Kaufvertrag nicht vorliegen, wenn dieser noch abgeschlossen werden müsse. Aber gerade deshalb, weil keinerlei Unterlagen vorgelegen hätten, sondern lediglich die Angaben des S., hätte der Kläger erkennen können, dass die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit unter diesen Umständen keine tragfähige Grundlage einer Auszahlungsanordnung habe sein können. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund, dass der Kläger als Fachbediensteter für das Finanzwesen gemäß § 116 GemO eine herausgehobene Position im Hinblick auf das Finanzwesen innegehabt und damit die Verantwortung für die Liegenschaftsverwaltung getragen habe. Ferner habe der Kläger den Vorrang des unbaren Zahlungsverkehrs nicht beachtet. Er hätte die Auszahlungsanordnungen nicht unterzeichnen bzw. abzeichnen dürfen, ohne auf eine unbare Zahlungsweise hinzuwirken. Gemäß § 12 Abs. 1 GemKVO sei der Zahlungsverkehr nach Möglichkeit unbar abzuwickeln. Auch die Übergabe von Schecks sei nach § 29 Nr. 10 Buchstabe b GemKVO als Barzahlung zu verstehen. Bei Grundstückskaufverträgen sei die unbare Zahlung nicht nur möglich, sondern auch üblich. Es könne sein, dass die Abwicklung im Wege der Zahlung durch Überweisung nicht ganz so schnell vor sich gehe wie bei einer Barscheck-Überlassung noch im Protokollierungstermin. Allerdings könne dem Kläger kein vorsätzliches Handeln bzw. Unterlassen vorgeworfen werden. Die Angabe „S“ beim Zahlungsweg stehe generell für eine Scheckverwendung, nicht aber zwingend für eine Barscheck-Verwendung. Jedoch hätte die Kennzeichnung „S“ den Kläger dazu veranlassen können nachzufragen, welche Art von Scheck hier Verwendung finden solle. Darüber hinaus habe der Kläger gegen seine Pflicht zur Überwachung verstoßen. Die fingierten Grundstückskäufe seien unter mehreren Gesichtspunkten überwachungsbedürftig gewesen. Er hätte zumindest stichprobenartig prüfen müssen, ob die begründenden Unterlagen (insbesondere der Kaufvertrag) vorliegen und die Geschäfte ordnungsgemäß abgewickelt worden seien. Wenn ein Liegenschaftsbeamter über so viele Jahre auf die gleiche Art und Weise handele, hätte der Kläger als Fachbediensteter für das Finanzwesen zumindest hin und wieder die Vorgänge auf ihre Ordnungsmäßigkeit prüfen müssen. Auch hätte er bei den unter anderem im Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (im Folgenden: GPA) erwähnten Haushaltsüberschreitungen von über 10.000 EUR nach § 10 Abs. 2 Nr. 2.3 der Hauptsatzung der Beklagten darauf hinwirken müssen, dass die Zustimmung des Gemeinderats eingeholt werde. Unabhängig hiervon hätten diese Überschreitungen den Kläger als Fachbediensteten für das Finanzwesen motivieren müssen, diesen auf den Grund zu gehen. Überdies habe der Kläger von der Pfändungsverfügung des Finanzamts Bruchsal betreffend S. gewusst. Er hätte daraus schließen können, dass eine stärkere Kontrolle erforderlich sei. Das Dienstvergehen des Klägers erweise sich als mittelschwer. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sei durch die über viele Jahre unentdeckt gebliebenen Handlungen des S. deutlich beeinträchtigt worden. Der eingetretene Schaden sei enorm. Auch handele es sich bei den Pflichtverletzungen des Klägers um solche, die durchaus dem Kernbereich eines Kämmerers zuzuordnen seien. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass S. mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen sei. Es habe nie Rückfragen oder dergleichen gegeben, was für den Kläger den ordnungsgemäßen Ablauf der Grundstücksgeschäfte bestätigt habe. Auch die GPA habe im Rahmen ihrer stichprobenhaften Prüfungen von Grundstücksgeschäften der Beklagten von 1986 bis 2016 keine Verstöße feststellen können. Bezüglich der Laufzeit der Bezügekürzung falle ins Gewicht, dass sich das Versäumnis des Klägers auf viele Jahre erstreckt habe. Als Milderungsgrund sei die lange und für den Kläger dementsprechend belastende Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Da sich der Kläger im höheren Dienst befunden habe, betrage die Regelhöhe für den Kürzungsbruchteil 10%.
Der Kläger hat am 09.04.2020 Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend: Er habe im Rahmen der Prüfungen, die den Auszahlungsanordnungen vorausgegangen seien, wie von der Beklagten gefordert, beachtet, dass die rechnerische Richtigkeit vom Leiter der Liegenschaftsabteilung, also der Person, die den Sachverhalt beurteilen könne, S., geprüft worden sei. Nur dieser habe beurteilen können, ob der in der Auszahlungsanordnung angegebene und der vereinbarte Kaufpreis übereingestimmt hätten. Dieser sei es auch gewesen, der die angeblichen Gelegenheiten zum Erwerb der Grundstücke in den Amtsleitersitzungen mit dem Bürgermeister vorgestellt habe, in denen die Erwerbsentscheidung getroffen worden sei. Selbst die GPA empfehle bei Grundstückskaufverträgen wie allgemein üblich, die Kaufpreise im Vorhinein zu zahlen, damit im notariellen Vertrag direkt die Auflassung erklärt werden könne. Dann sei es erst recht unbedenklich, wenn die Gemeinde den Kaufpreis im Einklang mit § 16 GemKVO noch im Notartermin, allerdings erst nach Beurkundung des Kaufvertrages entrichte. Auch bei Kenntnis der Zahlung mit Barschecks, die nicht verboten sei, wäre der Gemeinde kein Vorwurf zu machen. Soweit nicht er, sondern der Bürgermeister für die Zahlungsanordnung zuständig gewesen sei, liege die Verantwortung dafür, dass die sachliche und rechnerische Richtigkeit vorliege, beim Anordnenden, also beim Bürgermeister. Er habe lediglich eine Vorprüfung dahingehend vorgenommen, dass die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stünden und dies durch Abzeichnen der Auszahlungsanordnung des Bürgermeisters bestätigt. Ferner sei die Zahlung mit Barschecks nicht pflichtwidrig. Darüber hinaus hätten die von der Beklagten verlangten Vorsorgemaßnahmen mit Blick auf den unbaren Zahlungsverkehr vorausgesetzt, dass ihm die Abwicklung der Grundstückskäufe mit Barschecks bekannt gewesen sei, was aber nicht der Fall gewesen sei. Die Beklagte überspanne den Regelungsgehalt des § 12 Abs. 1 GemKVO, wenn sie ihm vorwerfe, er hätte wissen können, dass eine Barzahlung auf die Fälle zu beschränken sei, in denen eine Zahlung nicht anders möglich sei. Weiter sei der Vorwurf, dass in Bezug auf die fingierten Grundstückskäufe eine hinreichende Überwachung versäumt worden sei, falsch. Die von der Beklagten geforderte Überwachung hätte bedeutet, dass er vom Leiter des Liegenschaftsamts die Vorlage der Kaufverträge hätte verlangen müssen, die dieser mit der ihm erteilten Vollmacht auf der Grundlage einer Entscheidung der Gemeinde und bei nach Aktenlage tatsächlich erfolgter Bezahlung abgeschlossen habe. Er habe keine greifbaren Anhaltspunkte für das strafbare Verhalten des S. gehabt. Die Masse der Grundstückskäufe sei durch diesen ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Beklagte verfüge über 3.900 Grundstücke mit erheblichen Veränderungen des Bestandes. Überschreitungen der Haushaltsansätze bei den maßgeblichen Haushaltsstellen für den Grunderwerb seien in jedem Einzelfall mit der Verwaltungsspitze besprochen und durch den Gemeinderat genehmigt worden. Bei seiner Verfahrensweise habe es sich um eine seit den 70er Jahren gängige Praxis gehandelt, die nicht von der GPA beanstandet worden sei. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, weshalb er aus der Kenntnis einer Pfändungsverfügung des Finanzamts vom 06.03.2012 betreffend S. und der Außervollzugssetzung mit Schreiben vom 19.03.2012, die beide irrtümlich an das Rechnungsamt geleitet worden seien, hätte schließen können, dass eine genauere Kontrolle des S. erforderlich sei. Jedenfalls sei in keinem Fall die Schwelle eines auch nur einfachen Dienstvergehens erreicht. Der Vorwurf des Ansehens- und Vertrauensverlustes des öffentlichen Dienstes treffe S. Er sei weder dessen Anstifter noch Gehilfe gewesen.
10 
Er beantragt,
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die Verfügung der Beklagten vom 25.03.2020 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14 
Sie macht im Wesentlichen geltend: Der Kläger habe in mindestens 71 Fällen Auszahlungsanordnungen erteilt oder aber abgezeichnet und damit dem anordnungsbefugten Bürgermeister die Ordnungsmäßigkeit des Vorgangs signalisiert. Die dem Kläger vorgeworfene Dienstpflichtverletzung bestehe in einem Dauerunterlassen der gebotenen Kontrolle nach § 112 Abs. 1 GemO. Ob dieser letztlich mehr oder weniger häufig eine Unterschrift bzw. Abzeichnung geleistet habe, sei für das Disziplinarmaß nicht entscheidend. Soweit der Kläger behaupte, aus der in der Disziplinarverfügung zum Ausdruck kommenden Auffassung ergebe sich, dass Kassengeschäfte erst nach notarieller Beurkundung der Grundstückskaufverträge durchgeführt werden könnten, weil erst dann die für die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit erforderlichen Unterlagen vorliegen würden, überzeuge dies nicht. Man hätte so vorgehen können, dass die Überprüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit erst dann erfolge, wenn der Kaufvertragsentwurf vorliege. Man hätte auch - wie von der GPA vertreten - eine Buchung nur als Vorschuss vornehmen können, was dann zwangsläufig zu einer nachträglichen Überprüfung geführt hätte. Auch hätte man so vorgehen können, dass dann, wenn schon eine Auszahlung auf Basis von nicht hinreichenden Unterlagen erfolge, unabhängig von einer Vorschussbuchung nachträglich eine Überprüfung durchgeführt werde. Schließlich hätte es die Möglichkeit gegeben, Grundstücksgeschäfte nicht in bar vorzunehmen und Herrn S. darauf hinzuweisen, dass die Rechtslage zu einem unbaren Geschäft verpflichte. Soweit der Kläger meine, wenn sogar die GPA empfehle, bei Grundstücksgeschäften die Zahlung des Kaufpreises im Voraus zu erbringen, sei es erst recht unbedenklich, wenn die Gemeinde den Kaufpreis beim Grundstückserwerb im Notartermin entrichte, überzeuge dies nicht. Es sei etwas Anderes, wenn ein Privater einen Kaufpreis vorab an eine Kommune entrichte, weil er darauf vertraue, dass der Kaufvertrag zustande komme. Hier handele es sich jedoch um den Umgang mit öffentlichen Mitteln. Dass durch das Abzeichnen lediglich bestätigt werde, dass liquide Mittel zur Verfügung stünden, sei nicht glaubhaft und überzeuge nicht. Wenn ein Kämmerer eine Auszahlungsanordnung abzeichne, bevor diese einem Bürgermeister vorgelegt werde, dann müsse dem Kämmerer klar sein, dass diese Abzeichnung als „Vorgang geprüft und für in Ordnung befunden“ verstanden werde. Soweit der Kläger auf die Verantwortung des Bürgermeisters verweise, verkenne er die herausgehobene fachliche Stellung eines Fachbediensteten für das Finanzwesen, der durch Abzeichnen sein „OK“ gebe und gegenüber der Liegenschaftsverwaltung kontroll- und überwachungspflichtig sei. Der Verweis des Klägers auf § 16 GemKVO, wonach die Gemeindekasse die Auszahlung zu den Fälligkeitstagen zu leisten habe, führe nicht weiter, da die Zahlungsforderungen des (fingierten) Käufers zum Zeitpunkt der Barscheckübergabe nicht fällig gewesen seien. Da es zum Kern der Aufgaben eines Fachbediensteten für das Finanzwesen gehöre, die Vorgänge im Kassenwesen und auch beim Grundstücksverkehr zu prüfen, könne man jedenfalls vorliegend nicht vertreten, dass das bloße Vertrauen auf rechtmäßiges Mitarbeiterhandeln ausreiche, zumal der Kläger als Kämmerer nach §§ 109 ff. GemO, insbesondere § 112 Abs. 1 GemO, zur Durchführung der örtlichen Prüfung verpflichtet gewesen sei. Dass die Einleitungsverfügung vom dritten, während die Disziplinarverfügung vom zweiten Bürgermeisterstellvertreter unterzeichnet worden sei, habe seinen Grund in den Regelungen in § 20 LVwVfG über ausgeschlossene Personen gehabt.
15 
Dem Gericht liegen die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft), die Akte „Auszahlungsanordnungen Betrugsfalls S. 2000 - 2014“ (1 Heft) und die Personalakte des Klägers (1 Heft) vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt, den der gewechselten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Da die angegriffene Disziplinarverfügung wegen eines Bemessungsfehlers rechtswidrig ist, ändert die Kammer nach § 21 Satz 2 AGVwGO die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 25.03.2020 wie tenoriert ab. Soweit die Klage auf vollständige Aufhebung der Disziplinarverfügung gerichtet ist, ist sie (im Übrigen) abzuweisen.
17 
Die Kürzung des Ruhegehalts beruht auf § 25 Abs. 2, § 32 Satz 1 und 2 LDG. Gemäß § 25 Abs. 2 LDG sind Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte Kürzung des Ruhegehalts und Aberkennung des Ruhegehalts. Nach § 32 LDG kann das monatliche Ruhegehalt eines Ruhestandsbeamten, um ihn zur Pflichterfüllung anzuhalten, um höchstens ein Fünftel für längstens drei Jahre anteilig vermindert werden, wenn dieser ein mittelschweres Dienstvergehen begangen, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes oder des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen (Satz 1). Wurde das Dienstvergehen ganz oder teilweise während des Beamtenverhältnisses begangen, darf die Disziplinarmaßnahme auch ausgesprochen werden, um Beamte und Ruhestandsbeamte angemessen gleich zu behandeln (Satz 2).
18 
In materieller Hinsicht erweist sich die Disziplinarverfügung der Beklagten als rechtswidrig. Aufgrund der festgestellten Tatsachen (I.) lassen sich die dem Kläger vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nur teilweise nachvollziehen (II.). Vor diesem Hintergrund ändert das Gericht die Verfügung vom 25.03.2020 gemäß seiner Befugnis aus § 21 Satz 2 AGVwGO ab (III.).
I.
19 
In der Zeit zwischen 2000 und 2014 wurden aufgrund einer Vielzahl von Auszahlungsanordnungen Barschecks an S. zur Erfüllung von Grundstückskaufverträgen, die von diesem lediglich vorgetäuscht wurden, ausgegeben. Der Kläger hat in 20 Fällen in der Zeit zwischen 2002 und 2014 Auszahlungsanordnungen aufgrund von gefälschten Unterlagen des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung erteilt. Zudem hat er in 51 Fällen in der Zeit zwischen 2002 und 2014 Auszahlungsanordnungen aufgrund von gefälschten Unterlagen des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung abgezeichnet. Einzeln nachgewiesen werden kann dem Kläger das Erteilen der Auszahlungsanordnungen bzw. das Abzeichnen nur für die Zeit zwischen 2002 und 2014. Für die Zeit vor 2002 kann - wie die Beklagte einräumt - ein Nachweis über einzelne Auszahlungsanordnungen nicht geführt werden.
II.
20 
Der Kläger war bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung Ruhestandsbeamter. Der Kläger hat durch sein Verhalten vor seiner Versetzung in den Ruhestand ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
21 
Durch sein Verhalten hat er fahrlässig und damit schuldhaft gegen seine Pflicht nach § 36 Satz 1 und 2 BRRG (bis 31.03.2009) bzw. § 34 Satz 1 BeamtStG in der Fassung seit 01.04.2009 bis 14.06.2017 (im Folgenden a.F.) verstoßen. Nach 36 BRRG (bis 31.03.2009) hat der Beamte sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (Satz 1). Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten (Satz 2). Gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG a.F. haben sich Beamte mit vollem Einsatz ihrem Beruf zu widmen.
22 
Diese sogenannte Hingabepflicht begründet eine Dienstleistungspflicht für Beamte (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.10.2021 - 14 MB 1/21 - juris Rn. 7 m.w.N.). Allerdings ist auch der fähigste und zuverlässigste Beamte Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen und macht gelegentlich Fehler, die jede Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausübung des Dienstes hat deshalb regelmäßig eine im Ganzen durchschnittliche Leistung zum Gegenstand. Dieser beamtenrechtlichen Kernpflicht genügt, wer als Beamter das ihm Mögliche und Zumutbare leistet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.01.2016 - 2 B 44.14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
23 
Die Dienstleistungspflicht hat neben einer zeitlich-örtlichen eine inhaltliche Komponente. Die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, verletzt danach sowohl der Beamte, der nicht zur vorgeschriebenen Zeit an seinem Dienstort erscheint, als auch derjenige, der seine Arbeit in quantitativer oder qualitativer Hinsicht schuldhaft, gar nicht oder grob mangelhaft erfüllt. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als pflichtwidrig im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu kennzeichnen, bedarf es des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und sich als echte Schuld von bloßem Unvermögen abgrenzen lassen. Nicht schuldhafte Mangelleistungen eines Beamten begründen keine Dienstpflichtverletzung (BVerwG, a.a.O. Rn. 11 m.w.N.).
24 
Die Arbeitsweise des Klägers hat einigermaßen gewichtige Mängel aufgewiesen, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und sich als echte Schuld darstellen. Er hat die ihm als Fachbediensteten für das Finanzwesen obliegenden Überwachungspflichten unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt eklatant durch Unterlassen verletzt. Soweit der Kläger Auszahlungsanordnungen abgezeichnet bzw. verfügt hat, erweist sich dieses Handeln als Ausdruck unterlassener Kontrolle.
25 
Nach § 116 Abs. 1 GemO sollen unter anderem die Haushaltsüberwachung sowie die Verwaltung des Geldvermögens und der Schulden bei einem Bediensteten zusammengefasst werden (Fachbediensteter für das Finanzwesen). Die Dienstanweisung für das Kassenwesen (im Folgenden: DA-Kasse) der Beklagten regelt:
26 
§ 4
Aufsicht über die Stadtkasse
27 
(1) Die Geschäftsführung der Stadtkasse wird vom Fachbeamten für das Finanzwesen (§ 116 GemO) überwacht. Der Fachbeamte für das Finanzwesen hat sich laufend über den Zustand und über die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu unterrichten. ... Werden bei der Kassenführung Unregelmäßigkeiten festgestellt, hat der Fachbeamte für das Finanzwesen den Bürgermeister zu unterrichten, der über die erforderlichen Maßnahmen entscheidet.
1.
28 
Der Kläger hat zum einen seine Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse eklatant vernachlässigt, indem die Stadtkasse dem Leiter der Liegenschaftsverwaltung S. eine Vielzahl von Barschecks ausgehändigt hat, ohne dass der Kläger den Bürgermeister über die Unregelmäßigkeiten unterrichtet hat.
29 
Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 GemO erledigt die Gemeindekasse alle Kassengeschäfte der Gemeinde. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 GemO hat die Gemeinde, wenn sie ihre Kassengeschäfte nicht durch eine Stelle außerhalb der Gemeindeverwaltung besorgen lässt, einen Kassenverwalter zu bestellen. Gemäß § 116 Abs. 3 GemO untersteht der Kassenverwalter dem für die Besorgung des Finanzwesens bestellten Beamten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO gehört zu den Kassengeschäften, die die Gemeindekasse nach § 93 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GemO zu erledigen hat, die Leistung der Auszahlungen. Gemäß § 12 Abs. 1 GemKVO (und § 15 DA-Kasse) ist der Zahlungsverkehr „nach Möglichkeit“ unbar abzuwickeln. Nach § 29 Nr. 10 Buchstabe b GemKVO gilt als Barzahlung auch die Übergabe von Schecks. Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Regelungsgehalt des § 12 Abs. 1 GemKVO bzw. § 15 DA-Kasse nicht überspannt, wenn eine Barzahlung auf die Fälle beschränkt wird, in denen eine Zahlung nicht anders möglich ist. Dies entspricht dem Wortlaut der Vorschrift.
30 
Der Kläger hat es in seiner Funktion als Fachbediensteter für das Finanzwesen versäumt, die Geschäftsführung der Stadtkasse nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 DA-Kasse hinreichend zu überwachen. Hätte er die Geschäftsführung hinreichend überwacht, hätte ihm auffallen müssen, dass dem damaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung zur Erfüllung angeblicher Grundstückskäufe in großer Zahl Barschecks ausgehändigt worden sind, obwohl es keinen hinreichenden Grund für diese Art von Zahlungsverkehr gab. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 1 GemKVO, wonach die Gemeindekasse die Auszahlungen zu den Fälligkeitstagen zu leisten hat. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Gemeinde im Wege der Barzahlung eher in der Lage sein sollte, Fälligkeiten einzuhalten, als im Falle der unbaren Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Außerdem tritt die Fälligkeit nicht vor Vertragsschluss ein.
31 
Ob es bei der Stadtkasse üblich war, Barschecks zur Erfüllung von Grundstückskaufverträgen auszuhändigen, lässt den Verstoß gegen § 12 Abs. 1 GemKVO bzw. § 15 DA-Kasse unberührt. Ob zusätzlich die Angabe „S“ beim Zahlungsweg, die - wie die Beklagte einräumt - nicht auf eine Barscheck-Verwendung hinweist, den Kläger dazu hätte veranlassen können nachzufragen, welche Art von Scheck Verwendung findet, kann dahingestellt bleiben. Ebenfalls spielt es für die Verletzung der Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse keine Rolle, welchen Erklärungswert die Abzeichnungen durch den Kläger gehabt haben.
2.
32 
Zum anderen hat der Kläger seine Überwachungspflicht dadurch eklatant verletzt, dass er keine Kontrolle vorgenommen hat, ob die angeblichen Käufe des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, hätte der Kläger als Fachbediensteter für das Finanzwesen die Vorgänge zumindest hin und wieder auf deren Ordnungsmäßigkeit prüfen müssen.
33 
Zur Aufsicht über die Stadtkasse, die nach § 4 DA-Kasse dem Kläger als Fachbediensteten für das Finanzwesen oblag, gehört - unabhängig von Anhaltspunkten für ein strafbares Verhalten des Leiters der Liegenschaftsverwaltung - die Pflicht, zumindest stichprobenartig zu prüfen, ob Zahlungen der Stadtkasse, gerade wenn sie durch Barschecks erfolgen, die angegebenen Empfänger erreicht haben. Ob sich die Überwachungsbedürftigkeit zusätzlich aus Anlass von Überschreitungen der Haushaltsansätze bzw. der Kenntnis einer Pfändungsverfügung des Finanzamts Bruchsal ergeben hat, kann dahingestellt bleiben. Auch insofern ist der Erklärungswert der Abzeichnungen des Klägers nicht von Relevanz. Ebenfalls ist mit Blick auf die Dienstpflichtverletzung irrelevant, ob das Unterlassen einer Kontrolle durch den Kläger einer Praxis seit den 70er Jahren entspricht, die von der GPA nicht beanstandet worden sei, wie vom Kläger vorgetragen.
34 
Darüber hinaus bestand für den Kläger in seiner herausgehobenen Position als Fachbediensteter für das Finanzwesen die Verpflichtung, hin und wieder zu prüfen, ob die Beklagte als Gegenleistung für das ausgegebene Geld Grundstücke erhalten hat. Dies folgt aus § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO, wonach die Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen sind. Im Einklang mit § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO und in Konkretisierung dieser Vorschrift sieht § 37 Abs. 1 Satz 1 GemHVO seit dem 01.01.2010 vor, dass die Gemeinde zu Beginn des ersten Haushaltsjahres ihre Grundstücke genau zu verzeichnen hat. Parallel zur genannten Vorschrift regelt § 26 GemHVO (Geltung ebenfalls ab 01.01.2010), dass durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist, dass die der Gemeinde zustehenden Erträge und Einzahlungen vollständig erfasst und Forderungen rechtzeitig eingezogen werden.
3.
35 
Entgegen der Auffassung der Beklagten in der Disziplinarverfügung kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er Zahlungen angeordnet bzw. Zahlungsanordnungen abgezeichnet hat, ohne dass hinreichende Kaufvertragsunterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären. Insbesondere kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, er hätte erkennen müssen, dass die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit (durch Dritte) auf keiner hinreichenden Grundlage beruht habe, weil den Vorgängen keine hinreichenden Unterlagen über den Abschluss der Kaufverträge beigefügt gewesen seien. Es ist rechtlich nicht erforderlich, dass den Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe Kaufvertragsunterlagen beigefügt sind. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass den streitgegenständlichen Vorgängen keine hinreichenden Unterlagen beigefügt gewesen wären.
36 
Eine Verpflichtung, den Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe Kaufvertragsunterlagen beizufügen, ergibt sich nicht aus § 33 GemKVO in seiner Fassung mit Gültigkeit vom 26.09.2001 bis 31.12.2009 bzw. § 36 Abs. 4 Satz 1 GemHVO (mit Gültigkeit ab 01.01.2010). Diese Vorschriften betreffend die Buchführung sehen vor, dass Buchungen durch Unterlagen, aus denen sich der Zahlungsgrund ergibt („begründende Unterlagen“), belegt sein müssen. Begründende Unterlagen sind Belege, Schriftstücke und Datensätze, die Geschäftsvorfälle dokumentieren und das Verwaltungshandeln rechtfertigen (in Anlehnung an VV-LHO Baden-Württemberg, Anlage 1 Begriffsbestimmungen zu den Verwaltungsvorschriften zu Teil IV LHO). Es handelt sich um Belege, die Zweck und Anlass für die Erstellung einer Anordnung zweifelsfrei erkennen lassen. Begründende Unterlagen können etwa sein: Verträge, Rechnungen über Lieferungen und Leistungen, amtliche Festsetzungen, Anzeigen, Angebote, Schätzurkunden, Unterlagen zum Nachweis der durch den Ersatz von Schäden und Aufwendungen entstandenen Auslagen, gerichtliche Erkenntnisse, Festsetzungen, Bewilligungsbescheide sowie Bescheinigungen, von deren Vorlage eine Ausgabe abhängig ist (vgl. VV-LHO Baden-Württemberg 2009 zu § 70, 10.1 Abs. 2; s. auch die Aufzählung in 5.2 Satz 1 der VV zu Art. 70 BayHO; VV-LHO Baden-Württemberg 2002, Anlage 1 zu den VV zu § 23 , 6.4 Satz 4). Zu den Unterlagen, die den Auszahlungsanordnungen beigefügt waren, zählten (vom damaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung erstellte unwahre) Anschreiben der Beklagten an angebliche Verkäufer von Grundstücken mit Hinweisen auf angebliche Notartermine. Es handelte sich um - mit Blick auf die Buchführung - ausreichende (wenn auch inhaltlich falsche) Belege, die Zweck und Anlass für die Erstellung einer Anordnung zweifelsfrei erkennen ließen.
37 
Eine Verpflichtung, Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe weitere Kaufvertragsunterlagen als die angefügten beizufügen, ergibt sich auch nicht aus 3.4.2 Dienstanweisung über die Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis der Beklagten. Dort heißt es lediglich:
38 
3.4 Rechnerische Feststellung
39 
...
3.4.2 Inhalt und Form der Bescheinigung der rechnerischen Richtigkeit
40 
Der Feststeller der rechnerischen Richtigkeit übernimmt mit der Unterzeichnung des Vermerks „festgestellt“ die Verantwortung dafür, daß der anzunehmende oder auszuzahlende Betrag sowie alle auf Berechnungen beruhenden Angaben in der förmlichen Zahlungsanordnung, ihren Anlagen und den begründeten Unterlagen richtig sind. Die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit erstreckt sich mithin auch (auf) die Feststellung der Richtigkeit der den Berechnungen zugrunde (l)iegenden Ansätze nach den Berechnungsunterlagen (z.B. Bestimmungen, Verträge, Tarife).
41 
Darüber, welche „Berechnungsunterlagen“ vorliegen müssen, äußert sich die Dienstanweisung nicht näher. Vor diesem Hintergrund hatte der Kläger keinen Anlass zu erkennen, dass die Feststellung der rechnerischen (oder auch sachlichen) Richtigkeit auf keiner hinreichenden Grundlage beruht haben könnte.
4.
42 
Das Dienstvergehen unterliegt nicht dem Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 35 Abs. 1 LDG.
43 
Gemäß dieser Vorschrift darf eine Kürzung des Ruhegehalts - wie hier - fünf Jahre nach Vollendung eines Dienstvergehens nicht mehr ausgesprochen werden. Nach § 35 Abs. 1 LDG unterliegt grundsätzlich nur ein „Dienstvergehen“, nicht eine einzelne Pflichtverletzung dem Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs. Bei der Feststellung mehrerer Einzelverfehlungen - wie hier - entscheidet sich deshalb die Frage der „Verfolgungsverjährung“ wegen der Einheit des Dienstvergehens grundsätzlich nach der Verjährung des gesamten Dienstvergehens, es sei denn, die das Dienstvergehen ausmachenden einzelnen Verfehlungen stehen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang und haben eine gewisse Selbständigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.2007 - 1 D 6.06 - juris Rn. 56; Burr in von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 2021, § 35 Rn. 3 m.w.N.). Bei Dauerdelikten ist die Beendigung des Zustands für den Fristbeginn entscheidend (Burr, a.a.O., Rn. 2 m.w.N.).
44 
Die Dienstpflichtverletzungen des Klägers (Verletzung der Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse, indem die Stadtkasse Barschecks aushändigen konnte; Unterlassen der Kontrolle, ob die angeblichen Grundstückskäufe ordnungsgemäß durchgeführt worden sind) dauerten jedenfalls noch im Jahr 2014 an und stehen in einem Zusammenhang, weil sie sich als verschiedene Ausprägungen der Verletzung der Pflicht des Klägers zur Überwachung der Stadtkasse nach § 4 DA-Kasse erweisen. Schon im Juni 2017, also vor Ablauf von fünf Jahren, wurde das Disziplinarverfahren gegen den Kläger - aktenkundig - nach § 8 Abs. 3 LDG vorläufig nicht eingeleitet, was nach § 35 Abs. 2 LDG zu einer Unterbrechung der Fristen geführt hat. Am 01.09.2017 hat die Beklagte gegen den Kläger außerdem das Disziplinarverfahren eingeleitet, wodurch es gemäß § 35 Abs. 2 LDG ebenfalls zu einer Unterbrechung der Fristen gekommen ist.
III.
45 
Das Gericht ändert die rechtswidrige Verfügung vom 25.03.2020 entsprechend seiner Befugnis aus § 21 Satz 2 AGVwGO dahingehend ab, dass statt der Kürzung des Ruhegehalts um 10% für die Dauer von 2 Jahren und 6 Monaten die Kürzung nur für 2 Jahre ausgesprochen wird.
46 
Auch wenn die vom Kläger angegriffene Disziplinarverfügung in der Maßnahmebemessung rechtswidrig ist und den Kläger insoweit in seinen Rechten verletzt, muss die Kammer die Verfügung nicht aufheben, sondern kann nach § 21 Satz 2 Alternative 2 AGVwGO die Verfügung zu Gunsten des Klägers ändern, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt ist. Indem die Kammer die Disziplinarverfügung wie tenoriert abändert, wird die dem Kläger - wie unter II.3 dargestellt - zu Unrecht vorgeworfene Dienstpflichtverletzung der Anordnung von Zahlungen bzw. des Abzeichnens von Zahlungsanordnungen, ohne dass hinreichende Unterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären, bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ausgeklammert, so dass sich die abgeänderte Disziplinarverfügung nun als rechtmäßig darstellt.
1.
47 
§ 21 Satz 2 AGVwGO erweitert als Ergänzung zur „Grundregel“ des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Entscheidungsmöglichkeiten der Disziplinarkammer (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77). Die Disziplinargerichte sollen unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes und aus Gründen der Prozessökonomie in Ausübung ihres richterlichen Ermessens regelmäßig von der Möglichkeit des § 21 Satz 2 AGVwGO Gebrauch machen, wenn sich eine Abschlussverfügung als rechtswidrig erweist und die Rechtsverletzung mit der gerichtlichen Entscheidung beseitigt ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2017 - DL 13 S 552/16 - juris Rn. 45). § 21 Satz 2 AGVwGO findet Anwendung, da die Beklagte zu Unrecht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme berücksichtigt hat, der Kläger habe Zahlungen angeordnet bzw. Zahlungsanordnungen abgezeichnet, ohne dass hinreichende Unterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären. Insofern liegt ein materieller Bemessungsfehler im Rahmen der §§ 26 ff. LDG vor (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77; Burr in von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 2021, § 21 AGVwGO Rn. 9). Dies entspricht dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, wonach Pflichtverletzungen eines Beamten einheitlich zu würdigen sind (vgl. § 47 BeamtStG und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.11.2016 - DL 13 S 1510/16 - juris Rn. 8).
2.
48 
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat die Kammer ihr eigenes Ermessen ausgeübt (zur Befugnis vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 149). Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden, das Dienstvergehen kennzeichnenden Umstände handelt es sich um ein mittelschweres Dienstvergehen im Sinne des § 32 Satz 1 LDG, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes bzw. des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen.
a)
49 
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 26 LDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.01.2021 - DL 16 S 1268/19 - juris Rn. 110 m.w.N.).
50 
Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektive Handlung (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zum Beispiel die Verletzung einer Kern- oder einer Nebenpflicht, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, wie etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle Schaden. Dieses Verständnis liegt auch den §§ 26 ff. LDG zugrunde (VGH Bad.-Württ., a.a.O., Rn. 111 m.w.N.).
51 
Das von dem Kläger begangene Dienstvergehen ist nach den objektiven Handlungsmerkmalen sehr gewichtig. Der Kläger hat über viele Jahre seine Überwachungspflichten als Fachbediensteter für das Finanzwesen in eklatanter Weise verletzt. Hierdurch hat er es dem damaligen Leiter des Liegenschaftsamts S. ermöglicht, eine Vielzahl von Grundstückskäufen vorzutäuschen und sich Geld anzueignen. Die Höhe des nachweisbar eingetretenen finanziellen Schadens ist enorm (über 280.000 EUR). Im Hinblick auf die Schadenshöhe nicht vorgeworfen werden können dem Kläger aber Auszahlungen an S. vor 2002. Für diese Zeit kann - wie die Beklagte einräumt - ein Nachweis nicht geführt werden. Das Gericht verkennt bei alledem nicht, dass der eingetretene Schaden seine kausale Ursache im Verhalten des S. hat, der unter Ausnutzung seiner Position und der Kenntnis der Verwaltungsabläufe mit großer krimineller Energie vorgegangen ist, und der Kläger - wie dieser vorträgt - weder dessen Anstifter noch Gehilfe war. Auch verkennt das Gericht nicht, dass die kriminellen Handlungen des S. auch der GPA nicht aufgefallen sind. Hinsichtlich der subjektiven Handlungsmerkmale ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Kläger lediglich ein fahrlässiges und kein vorsätzliches Versagen vorzuwerfen ist. Weder hatte dieser eine Schädigungsabsicht noch strebte er nach persönlichem Vorteil. Zu seinen Gunsten berücksichtigt das Gericht ebenfalls, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist. Bei einer Gesamtschau der oben dargestellten, die Dienstpflichtverletzung kennzeichnenden Umstände kann damit trotz der objektiven schweren Gewichtigkeit des Dienstvergehens wegen der subjektiven geringen Vorwerfbarkeit lediglich von einem mittelschweren Dienstvergehen i.S.d. § 32 LDG ausgegangen werden.
52 
Dieses mittelschwere Dienstvergehen führt hier gemäß § 32 LDG zu einer Kürzung des Ruhegehalts des Klägers, die an die Stelle der bei Beamten im aktiven Dienst möglichen Zurückstufung oder Kürzung der Dienstbezüge tritt (vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 100; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 66). Disziplinarmaßnahmen unterhalb der Höchstmaßnahme kommt in erster Linie die Funktion einer Pflichtenmahnung in dem Sinne zu, dass sie den betroffenen Beamten zu einem künftigen pflichtgemäßen Verhalten veranlassen sollen. Für eine solche - zukunftsbezogene - Pflichtenmahnung besteht aber bei einem Ruhestandsbeamten, soweit es die Erfüllung von Dienstpflichten betrifft, im allgemeinen kein Bedürfnis, weil er keinen Dienst mehr leistet. Der Zweck von Disziplinarmaßnahmen erschöpft sich aber nicht darin, den Beamten zu einem künftig pflichtgemäßen Verhalten zu veranlassen. Vielmehr dienen diese Disziplinarmaßnahmen letztlich (auch) der allgemeinen Aufrechterhaltung der Integrität des Berufsbeamtentums. Im Hinblick auf diesen Zweck ist neben dem Gesichtspunkt der Generalprävention und dem der gerechten Gleichbehandlung der Ruhestandsbeamten mit den aktiven Beamten auch der der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes von Bedeutung. Zur Gleichbehandlung als Ausfluss des allgemeinen Gerechtigkeitsprinzips gehört, dass ein Beamter, der nach Begehung einer nicht leichten Verfehlung in den Ruhestand tritt, grundsätzlich nicht bessergestellt werden soll, als ein Beamter, der im aktiven Dienst verbleibt. Auf diese Weise wird die disziplinare Erfassung nicht von dem mehr oder weniger zufälligen oder gar gesteuerten Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abhängig gemacht. Diesen Erwägungen entspricht die Regelung des § 32 LDG (LT-Drs. 14/2996, S. 99 f.) mit dem Erfordernis, dass der Ruhestandsbeamte ein mittelschweres Dienstvergehen begangen haben muss, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes oder des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen wird die strukturelle Gleichartigkeit der Disziplinarmaßnahme zur Kürzung der Bezüge nach § 29 LDG deutlich und zugleich - für den Fall des im aktiven Dienst begangenen Dienstvergehens - in Satz 2 geregelt, dass ein Beamter, der nach Begehung des Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht bessergestellt werden darf, als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 67).
53 
Die für eine Kürzung der Bezüge bei einem aktiven Beamten erforderliche erhebliche Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung (§ 29 Abs. 1 Satz 1 LDG), die auch von § 32 Abs. 1 Satz 1 LDG vorausgesetzt wird, ist hier gegeben. Dabei gehen diese Bestimmungen davon aus, dass mit einem mittelschweren Dienstvergehen, das ein (mittlerweile) im Ruhestand befindlicher Beamter begangen hat, grundsätzlich eine erhebliche Vertrauensbeeinträchtigung einhergeht, also durch das Dienstvergehen indiziert wird. Anknüpfungspunkt der Indizwirkung ist dabei nicht die Typizität des Dienstvergehens, sondern dessen Schwere (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 68). Für einen Ausschluss der Indizwirkung sprechende Umstände liegen hier nicht vor.
3.
54 
Die Laufzeit der Kürzung des Ruhegehalts bestimmt sich - wie bei der Kürzung der Bezüge - nach der Schwere des Dienstvergehens; der Kürzungsbruchteil nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Ruhestandsbeamten (§ 32 Satz 4 LDG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 1 Satz 2 LDG). Bei Berücksichtigung des bereits dargestellten (mittelschweren) Gewichts des Dienstvergehens und der damit einhergehenden Vertrauensbeeinträchtigung und unter Beachtung der dem Kläger nicht anzulastenden Dauer des Disziplinar- und des Gerichtsverfahrens ist auf eine Kürzungsdauer von zwei Jahren zu erkennen. Nachdem der Kläger keine Schulden hat und nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ein monatliches Ruhegehalt von etwa 3.700 EUR netto ohne weitere Einnahmen bezieht, ist ein Kürzungsbruchteil von einem Zehntel gerechtfertigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 69).
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 VwGO i.V.m. § 2 LDG. Die Veränderung der behördlichen Entscheidung nach § 21 Satz 2 VwGO ist mit der Teilaufhebung eines Verwaltungsaktes vergleichbar (vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 149; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77).

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Da die angegriffene Disziplinarverfügung wegen eines Bemessungsfehlers rechtswidrig ist, ändert die Kammer nach § 21 Satz 2 AGVwGO die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 25.03.2020 wie tenoriert ab. Soweit die Klage auf vollständige Aufhebung der Disziplinarverfügung gerichtet ist, ist sie (im Übrigen) abzuweisen.
17 
Die Kürzung des Ruhegehalts beruht auf § 25 Abs. 2, § 32 Satz 1 und 2 LDG. Gemäß § 25 Abs. 2 LDG sind Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte Kürzung des Ruhegehalts und Aberkennung des Ruhegehalts. Nach § 32 LDG kann das monatliche Ruhegehalt eines Ruhestandsbeamten, um ihn zur Pflichterfüllung anzuhalten, um höchstens ein Fünftel für längstens drei Jahre anteilig vermindert werden, wenn dieser ein mittelschweres Dienstvergehen begangen, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes oder des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen (Satz 1). Wurde das Dienstvergehen ganz oder teilweise während des Beamtenverhältnisses begangen, darf die Disziplinarmaßnahme auch ausgesprochen werden, um Beamte und Ruhestandsbeamte angemessen gleich zu behandeln (Satz 2).
18 
In materieller Hinsicht erweist sich die Disziplinarverfügung der Beklagten als rechtswidrig. Aufgrund der festgestellten Tatsachen (I.) lassen sich die dem Kläger vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen nur teilweise nachvollziehen (II.). Vor diesem Hintergrund ändert das Gericht die Verfügung vom 25.03.2020 gemäß seiner Befugnis aus § 21 Satz 2 AGVwGO ab (III.).
I.
19 
In der Zeit zwischen 2000 und 2014 wurden aufgrund einer Vielzahl von Auszahlungsanordnungen Barschecks an S. zur Erfüllung von Grundstückskaufverträgen, die von diesem lediglich vorgetäuscht wurden, ausgegeben. Der Kläger hat in 20 Fällen in der Zeit zwischen 2002 und 2014 Auszahlungsanordnungen aufgrund von gefälschten Unterlagen des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung erteilt. Zudem hat er in 51 Fällen in der Zeit zwischen 2002 und 2014 Auszahlungsanordnungen aufgrund von gefälschten Unterlagen des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung abgezeichnet. Einzeln nachgewiesen werden kann dem Kläger das Erteilen der Auszahlungsanordnungen bzw. das Abzeichnen nur für die Zeit zwischen 2002 und 2014. Für die Zeit vor 2002 kann - wie die Beklagte einräumt - ein Nachweis über einzelne Auszahlungsanordnungen nicht geführt werden.
II.
20 
Der Kläger war bereits zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung Ruhestandsbeamter. Der Kläger hat durch sein Verhalten vor seiner Versetzung in den Ruhestand ein einheitliches Dienstvergehen im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
21 
Durch sein Verhalten hat er fahrlässig und damit schuldhaft gegen seine Pflicht nach § 36 Satz 1 und 2 BRRG (bis 31.03.2009) bzw. § 34 Satz 1 BeamtStG in der Fassung seit 01.04.2009 bis 14.06.2017 (im Folgenden a.F.) verstoßen. Nach 36 BRRG (bis 31.03.2009) hat der Beamte sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen (Satz 1). Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten (Satz 2). Gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG a.F. haben sich Beamte mit vollem Einsatz ihrem Beruf zu widmen.
22 
Diese sogenannte Hingabepflicht begründet eine Dienstleistungspflicht für Beamte (OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.10.2021 - 14 MB 1/21 - juris Rn. 7 m.w.N.). Allerdings ist auch der fähigste und zuverlässigste Beamte Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen und macht gelegentlich Fehler, die jede Verwaltung vernünftigerweise in Kauf nehmen muss. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausübung des Dienstes hat deshalb regelmäßig eine im Ganzen durchschnittliche Leistung zum Gegenstand. Dieser beamtenrechtlichen Kernpflicht genügt, wer als Beamter das ihm Mögliche und Zumutbare leistet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.01.2016 - 2 B 44.14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
23 
Die Dienstleistungspflicht hat neben einer zeitlich-örtlichen eine inhaltliche Komponente. Die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen, verletzt danach sowohl der Beamte, der nicht zur vorgeschriebenen Zeit an seinem Dienstort erscheint, als auch derjenige, der seine Arbeit in quantitativer oder qualitativer Hinsicht schuldhaft, gar nicht oder grob mangelhaft erfüllt. Um ein nachlässiges Gesamtverhalten als pflichtwidrig im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG zu kennzeichnen, bedarf es des Nachweises mehrerer einigermaßen gewichtiger Mängel der Arbeitsweise, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und sich als echte Schuld von bloßem Unvermögen abgrenzen lassen. Nicht schuldhafte Mangelleistungen eines Beamten begründen keine Dienstpflichtverletzung (BVerwG, a.a.O. Rn. 11 m.w.N.).
24 
Die Arbeitsweise des Klägers hat einigermaßen gewichtige Mängel aufgewiesen, die insgesamt über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig hinausgehen und sich als echte Schuld darstellen. Er hat die ihm als Fachbediensteten für das Finanzwesen obliegenden Überwachungspflichten unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt eklatant durch Unterlassen verletzt. Soweit der Kläger Auszahlungsanordnungen abgezeichnet bzw. verfügt hat, erweist sich dieses Handeln als Ausdruck unterlassener Kontrolle.
25 
Nach § 116 Abs. 1 GemO sollen unter anderem die Haushaltsüberwachung sowie die Verwaltung des Geldvermögens und der Schulden bei einem Bediensteten zusammengefasst werden (Fachbediensteter für das Finanzwesen). Die Dienstanweisung für das Kassenwesen (im Folgenden: DA-Kasse) der Beklagten regelt:
26 
§ 4
Aufsicht über die Stadtkasse
27 
(1) Die Geschäftsführung der Stadtkasse wird vom Fachbeamten für das Finanzwesen (§ 116 GemO) überwacht. Der Fachbeamte für das Finanzwesen hat sich laufend über den Zustand und über die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu unterrichten. ... Werden bei der Kassenführung Unregelmäßigkeiten festgestellt, hat der Fachbeamte für das Finanzwesen den Bürgermeister zu unterrichten, der über die erforderlichen Maßnahmen entscheidet.
1.
28 
Der Kläger hat zum einen seine Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse eklatant vernachlässigt, indem die Stadtkasse dem Leiter der Liegenschaftsverwaltung S. eine Vielzahl von Barschecks ausgehändigt hat, ohne dass der Kläger den Bürgermeister über die Unregelmäßigkeiten unterrichtet hat.
29 
Gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 GemO erledigt die Gemeindekasse alle Kassengeschäfte der Gemeinde. Nach § 93 Abs. 2 Satz 1 GemO hat die Gemeinde, wenn sie ihre Kassengeschäfte nicht durch eine Stelle außerhalb der Gemeindeverwaltung besorgen lässt, einen Kassenverwalter zu bestellen. Gemäß § 116 Abs. 3 GemO untersteht der Kassenverwalter dem für die Besorgung des Finanzwesens bestellten Beamten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GemKVO gehört zu den Kassengeschäften, die die Gemeindekasse nach § 93 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GemO zu erledigen hat, die Leistung der Auszahlungen. Gemäß § 12 Abs. 1 GemKVO (und § 15 DA-Kasse) ist der Zahlungsverkehr „nach Möglichkeit“ unbar abzuwickeln. Nach § 29 Nr. 10 Buchstabe b GemKVO gilt als Barzahlung auch die Übergabe von Schecks. Entgegen der Auffassung des Klägers wird der Regelungsgehalt des § 12 Abs. 1 GemKVO bzw. § 15 DA-Kasse nicht überspannt, wenn eine Barzahlung auf die Fälle beschränkt wird, in denen eine Zahlung nicht anders möglich ist. Dies entspricht dem Wortlaut der Vorschrift.
30 
Der Kläger hat es in seiner Funktion als Fachbediensteter für das Finanzwesen versäumt, die Geschäftsführung der Stadtkasse nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 DA-Kasse hinreichend zu überwachen. Hätte er die Geschäftsführung hinreichend überwacht, hätte ihm auffallen müssen, dass dem damaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung zur Erfüllung angeblicher Grundstückskäufe in großer Zahl Barschecks ausgehändigt worden sind, obwohl es keinen hinreichenden Grund für diese Art von Zahlungsverkehr gab. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 16 Abs. 1 Satz 1 GemKVO, wonach die Gemeindekasse die Auszahlungen zu den Fälligkeitstagen zu leisten hat. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Gemeinde im Wege der Barzahlung eher in der Lage sein sollte, Fälligkeiten einzuhalten, als im Falle der unbaren Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Außerdem tritt die Fälligkeit nicht vor Vertragsschluss ein.
31 
Ob es bei der Stadtkasse üblich war, Barschecks zur Erfüllung von Grundstückskaufverträgen auszuhändigen, lässt den Verstoß gegen § 12 Abs. 1 GemKVO bzw. § 15 DA-Kasse unberührt. Ob zusätzlich die Angabe „S“ beim Zahlungsweg, die - wie die Beklagte einräumt - nicht auf eine Barscheck-Verwendung hinweist, den Kläger dazu hätte veranlassen können nachzufragen, welche Art von Scheck Verwendung findet, kann dahingestellt bleiben. Ebenfalls spielt es für die Verletzung der Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse keine Rolle, welchen Erklärungswert die Abzeichnungen durch den Kläger gehabt haben.
2.
32 
Zum anderen hat der Kläger seine Überwachungspflicht dadurch eklatant verletzt, dass er keine Kontrolle vorgenommen hat, ob die angeblichen Käufe des damaligen Leiters der Liegenschaftsverwaltung ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, hätte der Kläger als Fachbediensteter für das Finanzwesen die Vorgänge zumindest hin und wieder auf deren Ordnungsmäßigkeit prüfen müssen.
33 
Zur Aufsicht über die Stadtkasse, die nach § 4 DA-Kasse dem Kläger als Fachbediensteten für das Finanzwesen oblag, gehört - unabhängig von Anhaltspunkten für ein strafbares Verhalten des Leiters der Liegenschaftsverwaltung - die Pflicht, zumindest stichprobenartig zu prüfen, ob Zahlungen der Stadtkasse, gerade wenn sie durch Barschecks erfolgen, die angegebenen Empfänger erreicht haben. Ob sich die Überwachungsbedürftigkeit zusätzlich aus Anlass von Überschreitungen der Haushaltsansätze bzw. der Kenntnis einer Pfändungsverfügung des Finanzamts Bruchsal ergeben hat, kann dahingestellt bleiben. Auch insofern ist der Erklärungswert der Abzeichnungen des Klägers nicht von Relevanz. Ebenfalls ist mit Blick auf die Dienstpflichtverletzung irrelevant, ob das Unterlassen einer Kontrolle durch den Kläger einer Praxis seit den 70er Jahren entspricht, die von der GPA nicht beanstandet worden sei, wie vom Kläger vorgetragen.
34 
Darüber hinaus bestand für den Kläger in seiner herausgehobenen Position als Fachbediensteter für das Finanzwesen die Verpflichtung, hin und wieder zu prüfen, ob die Beklagte als Gegenleistung für das ausgegebene Geld Grundstücke erhalten hat. Dies folgt aus § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO, wonach die Vermögensgegenstände pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten und ordnungsgemäß nachzuweisen sind. Im Einklang mit § 91 Abs. 2 Satz 1 GemO und in Konkretisierung dieser Vorschrift sieht § 37 Abs. 1 Satz 1 GemHVO seit dem 01.01.2010 vor, dass die Gemeinde zu Beginn des ersten Haushaltsjahres ihre Grundstücke genau zu verzeichnen hat. Parallel zur genannten Vorschrift regelt § 26 GemHVO (Geltung ebenfalls ab 01.01.2010), dass durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist, dass die der Gemeinde zustehenden Erträge und Einzahlungen vollständig erfasst und Forderungen rechtzeitig eingezogen werden.
3.
35 
Entgegen der Auffassung der Beklagten in der Disziplinarverfügung kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er Zahlungen angeordnet bzw. Zahlungsanordnungen abgezeichnet hat, ohne dass hinreichende Kaufvertragsunterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären. Insbesondere kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, er hätte erkennen müssen, dass die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit (durch Dritte) auf keiner hinreichenden Grundlage beruht habe, weil den Vorgängen keine hinreichenden Unterlagen über den Abschluss der Kaufverträge beigefügt gewesen seien. Es ist rechtlich nicht erforderlich, dass den Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe Kaufvertragsunterlagen beigefügt sind. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass den streitgegenständlichen Vorgängen keine hinreichenden Unterlagen beigefügt gewesen wären.
36 
Eine Verpflichtung, den Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe Kaufvertragsunterlagen beizufügen, ergibt sich nicht aus § 33 GemKVO in seiner Fassung mit Gültigkeit vom 26.09.2001 bis 31.12.2009 bzw. § 36 Abs. 4 Satz 1 GemHVO (mit Gültigkeit ab 01.01.2010). Diese Vorschriften betreffend die Buchführung sehen vor, dass Buchungen durch Unterlagen, aus denen sich der Zahlungsgrund ergibt („begründende Unterlagen“), belegt sein müssen. Begründende Unterlagen sind Belege, Schriftstücke und Datensätze, die Geschäftsvorfälle dokumentieren und das Verwaltungshandeln rechtfertigen (in Anlehnung an VV-LHO Baden-Württemberg, Anlage 1 Begriffsbestimmungen zu den Verwaltungsvorschriften zu Teil IV LHO). Es handelt sich um Belege, die Zweck und Anlass für die Erstellung einer Anordnung zweifelsfrei erkennen lassen. Begründende Unterlagen können etwa sein: Verträge, Rechnungen über Lieferungen und Leistungen, amtliche Festsetzungen, Anzeigen, Angebote, Schätzurkunden, Unterlagen zum Nachweis der durch den Ersatz von Schäden und Aufwendungen entstandenen Auslagen, gerichtliche Erkenntnisse, Festsetzungen, Bewilligungsbescheide sowie Bescheinigungen, von deren Vorlage eine Ausgabe abhängig ist (vgl. VV-LHO Baden-Württemberg 2009 zu § 70, 10.1 Abs. 2; s. auch die Aufzählung in 5.2 Satz 1 der VV zu Art. 70 BayHO; VV-LHO Baden-Württemberg 2002, Anlage 1 zu den VV zu § 23 , 6.4 Satz 4). Zu den Unterlagen, die den Auszahlungsanordnungen beigefügt waren, zählten (vom damaligen Leiter der Liegenschaftsverwaltung erstellte unwahre) Anschreiben der Beklagten an angebliche Verkäufer von Grundstücken mit Hinweisen auf angebliche Notartermine. Es handelte sich um - mit Blick auf die Buchführung - ausreichende (wenn auch inhaltlich falsche) Belege, die Zweck und Anlass für die Erstellung einer Anordnung zweifelsfrei erkennen ließen.
37 
Eine Verpflichtung, Auszahlungsanordnungen betreffend Grundstückskäufe weitere Kaufvertragsunterlagen als die angefügten beizufügen, ergibt sich auch nicht aus 3.4.2 Dienstanweisung über die Bewirtschaftungs- und Anordnungsbefugnis der Beklagten. Dort heißt es lediglich:
38 
3.4 Rechnerische Feststellung
39 
...
3.4.2 Inhalt und Form der Bescheinigung der rechnerischen Richtigkeit
40 
Der Feststeller der rechnerischen Richtigkeit übernimmt mit der Unterzeichnung des Vermerks „festgestellt“ die Verantwortung dafür, daß der anzunehmende oder auszuzahlende Betrag sowie alle auf Berechnungen beruhenden Angaben in der förmlichen Zahlungsanordnung, ihren Anlagen und den begründeten Unterlagen richtig sind. Die Feststellung der rechnerischen Richtigkeit erstreckt sich mithin auch (auf) die Feststellung der Richtigkeit der den Berechnungen zugrunde (l)iegenden Ansätze nach den Berechnungsunterlagen (z.B. Bestimmungen, Verträge, Tarife).
41 
Darüber, welche „Berechnungsunterlagen“ vorliegen müssen, äußert sich die Dienstanweisung nicht näher. Vor diesem Hintergrund hatte der Kläger keinen Anlass zu erkennen, dass die Feststellung der rechnerischen (oder auch sachlichen) Richtigkeit auf keiner hinreichenden Grundlage beruht haben könnte.
4.
42 
Das Dienstvergehen unterliegt nicht dem Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs nach § 35 Abs. 1 LDG.
43 
Gemäß dieser Vorschrift darf eine Kürzung des Ruhegehalts - wie hier - fünf Jahre nach Vollendung eines Dienstvergehens nicht mehr ausgesprochen werden. Nach § 35 Abs. 1 LDG unterliegt grundsätzlich nur ein „Dienstvergehen“, nicht eine einzelne Pflichtverletzung dem Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs. Bei der Feststellung mehrerer Einzelverfehlungen - wie hier - entscheidet sich deshalb die Frage der „Verfolgungsverjährung“ wegen der Einheit des Dienstvergehens grundsätzlich nach der Verjährung des gesamten Dienstvergehens, es sei denn, die das Dienstvergehen ausmachenden einzelnen Verfehlungen stehen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang und haben eine gewisse Selbständigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.11.2007 - 1 D 6.06 - juris Rn. 56; Burr in von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 2021, § 35 Rn. 3 m.w.N.). Bei Dauerdelikten ist die Beendigung des Zustands für den Fristbeginn entscheidend (Burr, a.a.O., Rn. 2 m.w.N.).
44 
Die Dienstpflichtverletzungen des Klägers (Verletzung der Pflicht zur Aufsicht über die Geschäftsführung der Stadtkasse, indem die Stadtkasse Barschecks aushändigen konnte; Unterlassen der Kontrolle, ob die angeblichen Grundstückskäufe ordnungsgemäß durchgeführt worden sind) dauerten jedenfalls noch im Jahr 2014 an und stehen in einem Zusammenhang, weil sie sich als verschiedene Ausprägungen der Verletzung der Pflicht des Klägers zur Überwachung der Stadtkasse nach § 4 DA-Kasse erweisen. Schon im Juni 2017, also vor Ablauf von fünf Jahren, wurde das Disziplinarverfahren gegen den Kläger - aktenkundig - nach § 8 Abs. 3 LDG vorläufig nicht eingeleitet, was nach § 35 Abs. 2 LDG zu einer Unterbrechung der Fristen geführt hat. Am 01.09.2017 hat die Beklagte gegen den Kläger außerdem das Disziplinarverfahren eingeleitet, wodurch es gemäß § 35 Abs. 2 LDG ebenfalls zu einer Unterbrechung der Fristen gekommen ist.
III.
45 
Das Gericht ändert die rechtswidrige Verfügung vom 25.03.2020 entsprechend seiner Befugnis aus § 21 Satz 2 AGVwGO dahingehend ab, dass statt der Kürzung des Ruhegehalts um 10% für die Dauer von 2 Jahren und 6 Monaten die Kürzung nur für 2 Jahre ausgesprochen wird.
46 
Auch wenn die vom Kläger angegriffene Disziplinarverfügung in der Maßnahmebemessung rechtswidrig ist und den Kläger insoweit in seinen Rechten verletzt, muss die Kammer die Verfügung nicht aufheben, sondern kann nach § 21 Satz 2 Alternative 2 AGVwGO die Verfügung zu Gunsten des Klägers ändern, wenn mit der gerichtlichen Entscheidung die Rechtsverletzung beseitigt ist. Indem die Kammer die Disziplinarverfügung wie tenoriert abändert, wird die dem Kläger - wie unter II.3 dargestellt - zu Unrecht vorgeworfene Dienstpflichtverletzung der Anordnung von Zahlungen bzw. des Abzeichnens von Zahlungsanordnungen, ohne dass hinreichende Unterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären, bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ausgeklammert, so dass sich die abgeänderte Disziplinarverfügung nun als rechtmäßig darstellt.
1.
47 
§ 21 Satz 2 AGVwGO erweitert als Ergänzung zur „Grundregel“ des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Entscheidungsmöglichkeiten der Disziplinarkammer (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77). Die Disziplinargerichte sollen unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes und aus Gründen der Prozessökonomie in Ausübung ihres richterlichen Ermessens regelmäßig von der Möglichkeit des § 21 Satz 2 AGVwGO Gebrauch machen, wenn sich eine Abschlussverfügung als rechtswidrig erweist und die Rechtsverletzung mit der gerichtlichen Entscheidung beseitigt ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2017 - DL 13 S 552/16 - juris Rn. 45). § 21 Satz 2 AGVwGO findet Anwendung, da die Beklagte zu Unrecht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme berücksichtigt hat, der Kläger habe Zahlungen angeordnet bzw. Zahlungsanordnungen abgezeichnet, ohne dass hinreichende Unterlagen den Vorgängen beigefügt gewesen wären. Insofern liegt ein materieller Bemessungsfehler im Rahmen der §§ 26 ff. LDG vor (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77; Burr in von Alberti u.a., Disziplinarrecht Baden-Württemberg, 2021, § 21 AGVwGO Rn. 9). Dies entspricht dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, wonach Pflichtverletzungen eines Beamten einheitlich zu würdigen sind (vgl. § 47 BeamtStG und VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.11.2016 - DL 13 S 1510/16 - juris Rn. 8).
2.
48 
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat die Kammer ihr eigenes Ermessen ausgeübt (zur Befugnis vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 149). Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden, das Dienstvergehen kennzeichnenden Umstände handelt es sich um ein mittelschweres Dienstvergehen im Sinne des § 32 Satz 1 LDG, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes bzw. des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen.
a)
49 
Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 26 LDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dabei ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.01.2021 - DL 16 S 1268/19 - juris Rn. 110 m.w.N.).
50 
Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektive Handlung (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zum Beispiel die Verletzung einer Kern- oder einer Nebenpflicht, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, wie etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle Schaden. Dieses Verständnis liegt auch den §§ 26 ff. LDG zugrunde (VGH Bad.-Württ., a.a.O., Rn. 111 m.w.N.).
51 
Das von dem Kläger begangene Dienstvergehen ist nach den objektiven Handlungsmerkmalen sehr gewichtig. Der Kläger hat über viele Jahre seine Überwachungspflichten als Fachbediensteter für das Finanzwesen in eklatanter Weise verletzt. Hierdurch hat er es dem damaligen Leiter des Liegenschaftsamts S. ermöglicht, eine Vielzahl von Grundstückskäufen vorzutäuschen und sich Geld anzueignen. Die Höhe des nachweisbar eingetretenen finanziellen Schadens ist enorm (über 280.000 EUR). Im Hinblick auf die Schadenshöhe nicht vorgeworfen werden können dem Kläger aber Auszahlungen an S. vor 2002. Für diese Zeit kann - wie die Beklagte einräumt - ein Nachweis nicht geführt werden. Das Gericht verkennt bei alledem nicht, dass der eingetretene Schaden seine kausale Ursache im Verhalten des S. hat, der unter Ausnutzung seiner Position und der Kenntnis der Verwaltungsabläufe mit großer krimineller Energie vorgegangen ist, und der Kläger - wie dieser vorträgt - weder dessen Anstifter noch Gehilfe war. Auch verkennt das Gericht nicht, dass die kriminellen Handlungen des S. auch der GPA nicht aufgefallen sind. Hinsichtlich der subjektiven Handlungsmerkmale ist allerdings zu berücksichtigen, dass dem Kläger lediglich ein fahrlässiges und kein vorsätzliches Versagen vorzuwerfen ist. Weder hatte dieser eine Schädigungsabsicht noch strebte er nach persönlichem Vorteil. Zu seinen Gunsten berücksichtigt das Gericht ebenfalls, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist. Bei einer Gesamtschau der oben dargestellten, die Dienstpflichtverletzung kennzeichnenden Umstände kann damit trotz der objektiven schweren Gewichtigkeit des Dienstvergehens wegen der subjektiven geringen Vorwerfbarkeit lediglich von einem mittelschweren Dienstvergehen i.S.d. § 32 LDG ausgegangen werden.
52 
Dieses mittelschwere Dienstvergehen führt hier gemäß § 32 LDG zu einer Kürzung des Ruhegehalts des Klägers, die an die Stelle der bei Beamten im aktiven Dienst möglichen Zurückstufung oder Kürzung der Dienstbezüge tritt (vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 100; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 66). Disziplinarmaßnahmen unterhalb der Höchstmaßnahme kommt in erster Linie die Funktion einer Pflichtenmahnung in dem Sinne zu, dass sie den betroffenen Beamten zu einem künftigen pflichtgemäßen Verhalten veranlassen sollen. Für eine solche - zukunftsbezogene - Pflichtenmahnung besteht aber bei einem Ruhestandsbeamten, soweit es die Erfüllung von Dienstpflichten betrifft, im allgemeinen kein Bedürfnis, weil er keinen Dienst mehr leistet. Der Zweck von Disziplinarmaßnahmen erschöpft sich aber nicht darin, den Beamten zu einem künftig pflichtgemäßen Verhalten zu veranlassen. Vielmehr dienen diese Disziplinarmaßnahmen letztlich (auch) der allgemeinen Aufrechterhaltung der Integrität des Berufsbeamtentums. Im Hinblick auf diesen Zweck ist neben dem Gesichtspunkt der Generalprävention und dem der gerechten Gleichbehandlung der Ruhestandsbeamten mit den aktiven Beamten auch der der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes von Bedeutung. Zur Gleichbehandlung als Ausfluss des allgemeinen Gerechtigkeitsprinzips gehört, dass ein Beamter, der nach Begehung einer nicht leichten Verfehlung in den Ruhestand tritt, grundsätzlich nicht bessergestellt werden soll, als ein Beamter, der im aktiven Dienst verbleibt. Auf diese Weise wird die disziplinare Erfassung nicht von dem mehr oder weniger zufälligen oder gar gesteuerten Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abhängig gemacht. Diesen Erwägungen entspricht die Regelung des § 32 LDG (LT-Drs. 14/2996, S. 99 f.) mit dem Erfordernis, dass der Ruhestandsbeamte ein mittelschweres Dienstvergehen begangen haben muss, das geeignet ist, das Ansehen des öffentlichen Dienstes oder des Berufsbeamtentums erheblich zu beeinträchtigen. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen wird die strukturelle Gleichartigkeit der Disziplinarmaßnahme zur Kürzung der Bezüge nach § 29 LDG deutlich und zugleich - für den Fall des im aktiven Dienst begangenen Dienstvergehens - in Satz 2 geregelt, dass ein Beamter, der nach Begehung des Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht bessergestellt werden darf, als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 67).
53 
Die für eine Kürzung der Bezüge bei einem aktiven Beamten erforderliche erhebliche Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die pflichtgemäße Amtsführung (§ 29 Abs. 1 Satz 1 LDG), die auch von § 32 Abs. 1 Satz 1 LDG vorausgesetzt wird, ist hier gegeben. Dabei gehen diese Bestimmungen davon aus, dass mit einem mittelschweren Dienstvergehen, das ein (mittlerweile) im Ruhestand befindlicher Beamter begangen hat, grundsätzlich eine erhebliche Vertrauensbeeinträchtigung einhergeht, also durch das Dienstvergehen indiziert wird. Anknüpfungspunkt der Indizwirkung ist dabei nicht die Typizität des Dienstvergehens, sondern dessen Schwere (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 68). Für einen Ausschluss der Indizwirkung sprechende Umstände liegen hier nicht vor.
3.
54 
Die Laufzeit der Kürzung des Ruhegehalts bestimmt sich - wie bei der Kürzung der Bezüge - nach der Schwere des Dienstvergehens; der Kürzungsbruchteil nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Ruhestandsbeamten (§ 32 Satz 4 LDG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 29 Abs. 1 Satz 2 LDG). Bei Berücksichtigung des bereits dargestellten (mittelschweren) Gewichts des Dienstvergehens und der damit einhergehenden Vertrauensbeeinträchtigung und unter Beachtung der dem Kläger nicht anzulastenden Dauer des Disziplinar- und des Gerichtsverfahrens ist auf eine Kürzungsdauer von zwei Jahren zu erkennen. Nachdem der Kläger keine Schulden hat und nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung ein monatliches Ruhegehalt von etwa 3.700 EUR netto ohne weitere Einnahmen bezieht, ist ein Kürzungsbruchteil von einem Zehntel gerechtfertigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.02.2017 - DL 13 S 2331/15 - juris Rn. 69).
55 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 VwGO i.V.m. § 2 LDG. Die Veränderung der behördlichen Entscheidung nach § 21 Satz 2 VwGO ist mit der Teilaufhebung eines Verwaltungsaktes vergleichbar (vgl. LT-Drs. 14/2996, S. 149; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.08.2016 - DL 13 S 1279/15 - juris Rn. 77).

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