Beschluss vom Verwaltungsgericht Koblenz (2. Kammer) - 2 K 1079/15.KO

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Tenor

Der Rechtsweg zu den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Bad Neuenahr verwiesen (§ 17a Abs. 2 GVG).

Gründe

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Der Rechtsstreit war zu verweisen, da der Verwaltungsrechtsweg für beide von der Klägerin verfolgte Begehren nicht eröffnet ist.

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1. Die gilt zunächst für die begehrte Feststellung, die am 8. Dezember 2005 erfolgte Anordnung ihrer Unterbringung sei rechtswidrig gewesen (Klageantrag 2).

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Dafür ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, da die Entscheidung über solche Streitigkeiten per Bundesgesetz einem anderen Gerichtszweig zugewiesen ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Für die gerichtliche Feststellung, ob eine behördlich angeordnete Unterbringung auf der Grundlage der Landesgesetze über die Unterbringung psychisch Kranker rechtswidrig war, sind nach § 13 i.V.m. § 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) und § 312 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) die ordentliche Gerichte zuständig. Vor diese gehören nach § 13 GKG unter anderem die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen). Dazu zählen gemäß § 23a Abs. 2 Nr. 1 GKG die Unterbringungssachen. Als solche sind entsprechend § 312 Satz 1 Nr. 3 FamFG (auch) Verfahren anzusehen, die eine freiheitsentziehende Unterbringung nach den eben genannten Landesgesetzen, in Rheinland-Pfalz nach dem Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG RP), betreffen. Die Auffassung, dass für die Überprüfung solcher Maßnahmen die ordentlichen Gerichte zuständig sind, auch wenn sie von Verwaltungsbehörden angeordnet wurden, hat das Amtsgericht Oldenburg (Holstein) in seinem Beschluss vom 9. April 2015 (20 XIV 66/15 L, juris) mit stichhaltigen Argumenten begründet, denen die Kammer folgt. Dies gilt insbesondere für folgende Gesichtspunkte:

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- Die vorgenannten Zuständigkeitsregelungen gelten nicht für gerichtlich angeordnete Unterbringungen, sondern auch für behördlich verfügte (a)).

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- Es gibt keine abdrängende Verweisung für diese Fälle in Richtung Verwaltungsgerichtsbarkeit (b)).

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a) Nach Wortlaut und Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften umfasst der Begriff „Unterbringung“ auch die behördlich angeordnete.

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So trifft § 312 Satz 1 Nr. 3 FamFG keine Unterscheidung in Bezug auf die anordnende Stelle, sondern beschäftigt sich allgemein mit freiheitsentziehenden Unterbringungen. Ferner findet sich auch in den §§ 11 ff. PsychKG RP kein Anhalt für eine differenzierte gerichtliche Behandlung von Unterbringungen je nachdem, wer sie angeordnet hat. So spricht die Überschrift des Vierten Teils PsychKG RP allgemein von „Unterbringung“. Die (Grund-)Voraussetzungen für den Normalfall der gerichtlichen angeordneten Unterbringung werden in § 11 PsychKG RP normiert; nach § 14 Abs. 1 PsychKG RP entscheiden darüber die Gerichte. Die zusätzlichen Voraussetzungen für die sofortige Unterbringung samt Regelung der Zuständigkeit der Behörde für diese Maßnahme finden sich hingegen in § 15 PsychKG RP. Aus der Existenz unterschiedlicher Regelungen kann indes nicht abgeleitet werden, der Gesetzgeber habe die gerichtliche Prüfung bei der „normalen“ und der sofortigen Unterbringung verschiedenen Rechtswegen zuordnen wollen. Im Gesetz findet sich insoweit keine Differenzierung anhand der anordnenden Stelle, sondern lediglich nach der Art der Maßnahme. Im Übrigen werden in den §§ 16 ff. PsychKG RP, die sich mit der Ausgestaltung der Unterbringung und flankierenden Maßnahmen beschäftigen, „normale“ und sofortige Unterbringung gleich behandelt.

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Gesetzessystematisch spricht nichts dafür, Verfahren zur Rechtmäßigkeit einstweiliger Behördenentscheidungen im Bereich der Unterbringung psychisch Kranker der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu unterstellen. Denn die maßgeblichen Vorschriften sind davon geprägt, alle Lebenssachverhalte in diesem Kontext der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuzuweisen. Dies gilt für die Verfahrensregelungen im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. dazu AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 9. April 2015, a.a.O., Rn. 10). Gleiches lässt sich aus den §§ 14 und 15 PsychKG RP ableiten. So wird im „Normalfall“ die Unterbringung als solche von den Zivilgerichten angeordnet (§ 14 Abs. 1 PsychKG RP) und diese sind für die Überprüfung von Einzelmaßnahmen zuständig (§ 14 Abs. 9 PsychKG RP, § 327 FamFG), selbst wenn diese zeitlich vor der Unterbringung liegen (§ 14 Abs. 9 PsychKG RP). Vergleichbar stellt sich dies bei der sofortigen Unterbringung auf Anordnung der zuständigen Behörde dar. Diese hat unverzüglich die Anordnung der weiteren Unterbringung beim Zivilgericht zu beantragen (§ 15 Abs. 5 PsychKG RP), das auch bei dieser Art der Unterbringung für die Überprüfung aller Einzelmaßnahmen berufen ist (§ 15 Abs. 7 PsychKG RP, § 327 FamFG). Angesichts dieses dichten Geflechts zivilgerichtlicher Überprüfungsmöglichkeiten in Bezug auf die (sofortige) Unterbringung ist es sachfremd, explizit die Anordnung der sofortigen Unterbringung als solche durch die Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen.

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Das ließe sich überdies mit der teleologischen Auslegung der maßgeblichen Vorschriften nicht in Einklang bringen. Dabei stellt die Kammer auf die Gesichtspunkte Sachkunde, Sachnähe und Sachzusammenhang ab (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 20. Aufl. 2014, § 40 Rn. 49). Alle drei Aspekte sprechen dafür, Unterbringungssachen einheitlich den Zivilgerichten zuzuweisen. Diese Verfahren werden dort von Richtern bearbeitet, die sich auf Grund der ständigen Befassung mit Betreuungs- und Unterbringungssachen eine erhebliche, von praktischer Erfahrung getragene Sachkunde im Bereich psychischer Erkrankungen und der damit in Zusammenhang stehenden Risikoeinschätzungen (unmittelbar drohende Eigen- oder Fremdgefährdung) angeeignet haben (vgl. AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 9. April 2015, a.a.O., Rn. 13). Über diese spezielle Sachkunde verfügen Verwaltungsrichter im Allgemeinen nicht. Die Bedeutung des Sachzusammenhangs hat der Gesetzgeber auch in der Begründung zu § 14 Abs. 9 und § 15 Abs. 7 PsychKG RP hervorgehoben (s. LT-Drs. 12/6842, S. 36, 37) und damit die Zuständigkeit der Zivilgerichte begründet. Dieser Intention liefe es zuwider, wenn die Unterbringungsanordnung der Zuständigkeit der sachnäheren Zivilgerichte entzogen würden.

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b) Eine abdrängende Verweisung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es nicht.

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Zwar gehören nach § 13 GVG Angelegenheiten auf dem Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit dann nicht vor die Zivilgerichte, wenn die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet ist. Für behördliche Unterbringungsanordnungen fehlt jedoch eine solche Zuständigkeitsübertragung. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach öffentlich-rechtliche Streitigkeiten generell der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen sind, kommt insoweit nicht in Betracht. Selbst wenn man die behördliche Unterbringungsanordnung ihrer Struktur nach dem öffentlichen Recht zuordnen wollte, bleibt zu beachten, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an andere Gerichtszweige erlaubt. Um eine Zirkelverweisung in Anwendung von § 13 GVG und § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu vermeiden, die beide die Zuständigkeitsübertragung an den jeweils anderen Gerichtszweig zuließen, muss die von der Regel abweichende Sonderzuständigkeit explizit und eindeutig normiert sein (vgl. AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 9. April 2015, a.a.O., Rn. 17). Dieser Anforderung genügt § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Generalklausel naturgemäß nicht. Eine abdrängende Sonderzuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist auch § 15 PsychKG RP, der einschlägigen Regelung zur behördlich angeordneten sofortigen Unterbringung, nicht zu entnehmen.

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Die teilweise geäußerte gegenläufige Auffassung, für die behördlich angeordnete Unterbringung seien die Verwaltungsgerichte zuständig, überzeugt nicht.

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Dies gilt insbesondere für den von der Klägerin zitierten Beschluss des Landgerichts Kiel vom 3. Oktober 2013 (3 T 221/13, juris). Denn dort wird zur Begründung eine veraltete Kommentarstellen in Bezug genommen; überdies lässt sich die Prämisse für die dort vertretene Auffassung, es gebe keine Zuweisung zur Zivilgerichtsbarkeit, angesichts der klaren Regelung in § 312 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 15 PsychKG RP nicht halten (vgl. AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 9. April 2015, a.a.O., Rn. 19).

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Die gegenläufigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen überzeugen ebenso wenig. So hält das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seinem Teilurteil vom 10. August 2011 (7 K 3219/10, juris) den Verwaltungsrechtsweg nach der Generalklausel in § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO für gegeben, da die behördliche Unterbringungsanordnung der Prüfung durch die Zivilgerichte vorgelagert sei. Nach den vorstehenden Ausführungen genügt die Generalklausel jedoch nicht, um eine Sonderzuständigkeit der Verwaltungsgerichte in einem ansonsten umfassend den Zivilgerichten zugewiesenen Rechtsgebiet zu begründen. Überdies ist die rechtliche Situation in Nordrhein-Westfalen eine andere als in Rheinland-Pfalz. Eine § 15 Abs. 7 PsychKG RP vergleichbare Regelung, die auch die Überprüfung von Einzelmaßnahmen den Zivilgerichten zuweist, fehlt dort. Damit ist das Geflecht der Zuständigkeitsregeln in Richtung Zivilgerichte nicht so eng wie in Rheinland-Pfalz. Hier erschiene die Zuweisung einer einzigen der im Bereich der Unterbringung psychisch Kranker möglichen Maßnahmen zu einer anderen als der ansonsten zuständigen Gerichtsbarkeit als Fremdkörper.

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2. Hinsichtlich des Begehrens auf Akteneinsicht (Klageantrag 1) kann nichts anderes gelten. Hier handelt es sich um einen Annex, über den das in der Hauptsache zuständige Gericht (mit) zu entscheiden hat.

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