Beschluss vom Verwaltungsgericht Koblenz (2. Kammer) - 2 L 309/18.KO

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

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Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt in der Sache insgesamt ohne Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, der hier als Rechtsgrundlage für den Erlass der begehrten Anordnung allein in Betracht kommt, kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Mit der einstweiligen Anordnung kann allerdings in der Regel nur eine vorübergehende Regelung getroffen werden. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist daher grundsätzlich nicht möglich. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber wegen der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - gewährleisteten Garantie effektiven Rechtsschutzes eine Ausnahme hiervon dann zu machen, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und dem Betroffenen im Falle der Nichterfüllung des geltend gemachten Anspruchs bis zum Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind von dem jeweiligen Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

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I. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag zu 2) begehrt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn vorläufig von der Verpflichtung freizustellen, sich gemäß der Anordnung vom 21. März 2018 einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch. Denn der Antragsgegner hat den Antragsteller zu Recht zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens zu der Frage, ob beim Antragsteller Bedenken gegen die Handhabung von Schusswaffen bei der Jagdausübung bestehen oder nicht, aufgefordert.

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Diese Anordnung, bei der es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i.V.m. § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, sondern um eine sogenannte vorbereitende Maßnahme (§ 44a VwGO) handelt, findet ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 6 Bundesjagdgesetz - BJagdG -. Danach kann die zuständige Behörde den Beteiligten unter anderem die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses über die körperliche Eignung aufgeben, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken unter anderem gegen die körperliche Eignung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG begründen. Diese Voraussetzungen liegen hier entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers vor.

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Dem Antragsgegner ist im Zuge des Verwaltungsverfahrens betreffend den Antrag des Antragstellers, ihm für das Jagdjahr 2018/2019 einen Jahresjagdschein auszustellen, bekanntgeworden, dass der Antragsteller seit 2015 insgesamt drei Schlaganfälle erlitten hat, von denen er selbst den im März 2017 erlittenen Schlaganfall als den schwersten bezeichnet. Hierzu hat der Antragsteller im Rahmen der Antragsschrift vom 28. März 2018 (Blatt 12 unten) weiter angegeben, noch im Juni 2017 sei er aufgrund der Schwere des erlittenen Schlaganfalles nicht in der Lage gewesen, sich ohne Unterstützung überhaupt fortzubewegen und habe zu diesem Zeitpunkt auch kein Auto fahren können. Auch wenn sich die schlaganfallbedingten körperlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers inzwischen deutlich verbessert haben mögen, bleibt als weitere vom Antragsgegner ins Feld geführte Tatsache eine „offenkundige Beeinträchtigung der Beweglichkeit der linken Hand" des Antragstellers zu berücksichtigen, deren Vorhandensein er auch grundsätzlich nicht bestritten hat.

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Ausgehend von diesen Feststellungen hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass diese Tatsachen Bedenken im Hinblick auf die körperliche Eignung des Antragstellers nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG begründen. Bedenken im Sinne des § 17 Abs. 6 BJagdG setzen, wie schon aus dem Wortsinn folgt, keine aufgrund der bekanntgewordenen Tatsachen entstandene Gewissheit über eine fehlende körperliche Eignung voraus. Andererseits genügt eine aus den bekanntgewordenen Tatsachen nur ableitbare entfernte Möglichkeit einer fehlenden körperlichen Eignung nicht. Bedenken setzen vielmehr berechtigte Zweifel an der erforderlichen körperlichen Eignung voraus (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 18. Oktober 2000 - AN 15 K 00.00924 -). Entscheidendes Kriterium bei solchen Mängeln ist, ob sie eine sichere Jagdausübung (Handhabungs- und Treffsicherheit) beeinträchtigen. Namentlich beim Umgang mit Schusswaffen muss der Betreffende allein und selbständig seine Jagdwaffe nach den jagdlichen Erfordernissen und den Anforderungen des Tierschutzes sowie der Unfallverhütung handhaben können. Er muss insbesondere ohne Inanspruchnahme der Hilfe einer dritten Person sein Jagdgewehr vor dem Schuss entsichern, gegebenenfalls einstechen und beim Zielen und bei der Schussabgabe manuell, d.h. mit beiden Händen so fixieren können, dass eine hinreichende Treffsicherheit gewährleistet ist. Nach dem Schuss muss er in der Lage sein, die Waffe sofort nachzuladen, gegebenenfalls einzustechen und - falls erforderlich - einen weiteren Schuss abzugeben, oder - je nach den Anforderungen der konkreten Situation - die Waffe zu sichern und gegebenenfalls zu entstechen. Dies setzt eine Beweglichkeit beider Arme und der betreffenden Muskulatur sowie beider Schultergelenke und eine gewisse Kraft in beiden Armen voraus (Schuck, BJagdG, Kommentar, 2. Auflage 2015, § 17, Rn. 17 m.w.N.). Unter Anlegung dieses Maßstabs sind die Bedenken mit Blick auf die oben bereits dargelegten, beim Antragsteller bestehenden gesundheitlichen/körperlichen Beeinträchtigungen ohne weiteres begründet. Es ist allgemein bekannt, dass es infolge mehrerer, zum Teil schwerer Schlaganfälle auch zu bleibenden Schäden am körperlichen Bewegungsapparat kommen kann, so wie sie zumindest aktuell auch an der linken Hand des Antragstellers unstreitig bestehen. Die von ihm vorgelegten Bescheinigungen und Stellungnahmen (ärztliches Attest des Herrn Dr. A... vom 26. März 2018; des Herrn B... vom 24. März 2018 und der behandelnden Ergotherapeutin, Frau C... vom 26. März 2018) sind nicht ausreichend, die bestehenden Bedenken zu zerstreuen. Abgesehen davon, dass die Stellungnahme der Ergotherapeutin sich nicht zu der Frage des Umgangs des Antragstellers mit Schusswaffen verhält, handelt es sich offensichtlich durchweg um private, vom Antragsteller im Rahmen der Vorbereitung des vorliegenden Eilantrags angeforderte Bescheinigungen, denen die Kammer mit Blick auf die hohe Bedeutung der im Raum stehenden, durch Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz - GG - geschützten Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit sowohl des Jägers selbst als auch dritter Personen nicht die zu fordernde hinreichende Belastbarkeit beimessen kann.

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Aufgrund dieser zu Recht angenommenen Bedenken an der körperlichen Eignung konnte der Antragsgegner nach § 17 Abs. 6 BJagdG die Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses über die körperliche Eignung veranlassen. Dies hat er unter Hinweis auf das Krankheitsbild und die körperliche Beeinträchtigung der linken Hand des Antragstellers getan. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang moniert, es seien keinerlei Einzelheiten zum Krankheitsbild, zu den Grundzügen der beabsichtigten Untersuchung, zu dem Fachgebiet, auf welchem die Untersuchung durchzuführen ist, dargetan und es sei nicht erkennbar, in welcher Hinsicht Zweifel an der körperlichen Eignung des Antragstellers bestehen, vermag er damit nicht durchzudringen. Abgesehen davon, dass er mit diesen Ausführungen die an eine Untersuchungsanordnung nach § 17 Abs. 6 BJagdG zu stellenden Anforderungen überspannt, konnte der Antragsgegner davon ausgehen, dass dem Antragsteller als unmittelbar Betroffenem seine gesundheitliche Situation hinlänglich bekannt ist und er im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung auf diese Umstände hinweisen kann. Überdies ist der Gutachtenauftrag klar und unmissverständlich wie folgt umrissen:

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„Das amtsärztliche Zeugnis muss die explizite Feststellung treffen, ob aufgrund der körperlichen Verfassung ihres Mandanten Bedenken gegen die Handhabung von Schusswaffen bei der Jagdausübung bestehen oder nicht."

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Liegen damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 BJagdG vor, so steht die Anordnung der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Da es in diesen Fällen jedoch regelmäßig um die Frage des Bestehens körperlicher oder geistiger Mängel im Sinne des zwingenden Versagungsgrundes nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG geht, handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei dem der Behörde eingeräumten Ermessen um einen Fall des sogenannten intendierten Ermessens. Hieraus folgt, dass im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen in der Regel - und so auch hier - die entsprechende Anordnung zu treffen ist, ohne dass es diesbezüglich weiterer Ausführungen zum Ermessen bedarf.

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Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers ist die Anordnung auch nicht unverhältnismäßig. Die Anforderung eines amtsärztlichen Gutachtens ist geeignet, die gegen die Eignung des Antragstellers für die Jagdausübung aufgetauchten Bedenken auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Die Beibringung eines solchen Gutachtens ist auch erforderlich, weil eine gleich wirksame, den Antragsteller aber weniger belastende Maßnahme nicht zur Verfügung steht. Dabei ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Beibringung eines amtsärztlichen und nicht lediglich eines fachärztlichen Gutachtens verlangt. Es ist in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte seit langem anerkannt, dass amtsärztlichen Gutachten regelmäßig ein höheres Gewicht beizumessen ist, als privat ärztlichen Gutachten, weil Amtsärzte aufgrund ihrer Stellung in besonderem Maße zur Neutralität verpflichtet sind. Von daher ist es mit Rücksicht auf die eben bereits aufgezeigten Rechtsgüter Dritter sachgerecht, hier ein amtsärztliches Gutachten zu verlangen. Des Weiteren handelt es sich auch nicht um eine unverhältnismäßig schwere Maßnahme. Sie stellt zwar einen Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar, die auch mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Aber auch insoweit steht dies nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck, Gefahren für die Allgemeinheit, insbesondere für Leib und Leben Dritter abzuwenden, die von Personen ausgehen können, bei denen berechtigte Zweifel an der körperlichen Eignung zur Jagdausübung entstanden sind.

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Schließlich kann der Antragsteller auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung drei Tage vor Beginn des neuen Jagdjahres erweise sich als rechtsmissbräuchlich. Abgesehen davon, dass er ungeachtet der Vorgeschichte die Möglichkeit gehabt hätte, in dieser Angelegenheit in Kenntnis des herannahenden Beginns des neuen Jagdjahres zum 1. April 2018 frühzeitig um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen, ist ihm in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, dass ihm nach den Angaben des Antragsgegners für Donnerstag, den 29. März 2018, ein amtsärztlicher Untersuchungstermin angeboten wurde, den er ohne Angaben von Gründen abgelehnt hat. Dies wäre für ihn eine zumutbare Möglichkeit gewesen, zumindest die der Erteilung des Jagdscheins derzeit entgegenstehenden gesundheitlichen Bedenken kurzfristig auszuräumen. Jedenfalls war es ihm auch ohne weiteres möglich, innerhalb von nur drei Tagen drei Stellungnahmen anderer Personen (s.o.) zu diesem Thema beizubringen. Dieses Verhalten des Antragstellers spricht als weiterer Gesichtspunkt für die Annahme, die vom Antragsgegner angemeldeten Bedenken könnten berechtigt sein.

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II. Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag zu 1) begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für das Jagdjahr 2018/2019 vorläufig einen Jahresjagdschein zu erteilen, fehlt es ebenfalls an einem Anordnungsanspruch. Denn der Erteilung steht nach derzeitiger Aktenlage jedenfalls der zwingende Versagungsgrund des § 17 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG entgegen. Auf die Frage, ob darüber hinaus auch der weitere Versagungsgrund des § 17 Abs. 4 Nr. 2 BJagdG erfüllt ist, kommt es daher im Rahmen der hier zu treffenden Eilentscheidung nicht mehr an.

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Da der Antragsteller sich trotz berechtigter Zweifel an seiner körperlichen Eignung für die Jagdausübung derzeit weigert, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, schließt die Kammer daraus auf dessen fehlende Eignung. Dieser Schluss hat seine Grundlage in der dem Antragsteller gemäß § 17 Abs. 6 BJagdG obliegenden Mitwirkungspflicht in Form einer Beibringungslast. Danach hat er zur Klärung der Zweifel beizutragen, die an seiner körperlichen Eignung zur Jagdausübung bestehen. Er trägt bei Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nach dem Zweck des § 17 Abs. 6 BJagdG die materielle Beweislast für die Frage, ob die bekannt gewordenen Tatsachen die Annahme einer fehlenden körperlichen Eignung rechtfertigen oder nicht. Daher ist aktuell bereits wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht des Antragstellers der Jagdschein nach § 17 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 BJagdG zu versagen (so auch VG Ansbach, a.a.O.). Die vom Antragsteller geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen müssen hinter dem öffentlichen Interesse an der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben Dritter zurücktreten. Ferner kommt es auch nicht auf die Frage an, ob dem Antragsteller der Jagdschein (schon jetzt) unter Auflagen erteilt werden kann. Auch diese Frage kann verlässlich erst beantwortet werden, wenn vorher entsprechende amtsärztliche Feststellungen zum Gesundheitszustand des Antragstellers getroffen wurden. Andernfalls würde es sich um angreifbare Auflagen "ins Blaue” hinein handeln.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG.

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