Urteil vom Verwaltungsgericht Koblenz (5. Kammer) - 5 K 374/20.KO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer kommunalen Wettbürosteuer für die Monate Mai und Juni 2019.
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Sie betreibt im Gemeindegebiet der Beklagten an den Standorten A...-Straße ..., B... und C...straße ..., B... zwei Wettbüros, in denen Pferde- und Sportwetten der D... Co. Ltd., E..., vermittelt werden und neben der Annahme von Wettscheinen zusätzlich auch das Mitverfolgen der Wettereignisse auf Monitoren ermöglicht wird. Hierfür wird sie von der Beklagten nach der zum 1. Mai 2019 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung einer Wettbürosteuer – Wettbürosteuersatzung (WbStS) – vom 28. März 2019 zu Wettbürosteuern veranlagt.
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Die Wettbürosteuersatzung hat folgenden – für den vorliegenden Rechtsstreit erheblichen – Inhalt:
§ 1 Allgemeines
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Die Stadt Koblenz erhebt eine Wettbürosteuer als örtliche Aufwandsteuer nach den Vorschriften dieser Satzung.
§ 2 Steuergegenstand
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(1) Der Besteuerung unterliegt der Aufwand der Wettenden für das Wetten in einem Wettbüro im Gebiet der Stadt Koblenz, in dem Pferde- und Sportwetten vermittelt oder veranstaltet werden und neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals, Wettautomaten oder ähnlichen Wettvorrichtungen) zusätzlich auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglicht wird.
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(2) Einrichtungen, in denen Wettscheine lediglich abgegeben werden und kein weiterer Service angeboten wird, werden nicht besteuert.
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(3) Die Besteuerung erfolgt ohne Rücksicht darauf, ob der Wettveranstalter sowie der Wettvermittler die vorgeschriebenen Konzessionen und Genehmigungen beantragt und erhalten haben.
§ 3 Steuerschuldner
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(1) Steuerschuldner ist der Betreiber des Wettbüros (Wettvermittler).
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(2) Neben dem Steuerschuldner nach Absatz 1 ist auch derjenige Steuerschuldner, dem aufgrund ordnungsrechtlicher Vorschriften die Erlaubnis zum Betrieb des Wettbüros im Sinne des § 2 erteilt wurde.
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(3) Steuerschuldner ist darüber hinaus der Eigentümer, der Vermieter, der Besitzer oder Inhaber der Räume oder der Grundstücke, in denen oder auf denen das Wettbüro im Sinne des § 2 betrieben wird, sofern er an den Einnahmen oder dem Ertrag beteiligt ist.
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(4) Die Steuerschuldnerschaft besteht auch, wenn ausschließlich Mitglieder bestimmter Vereine zum Wetten zugelassen werden.
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(5) Mehrere Steuerschuldner haften als Gesamtschuldner.
§ 4 Bemessungsgrundlage
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Bemessungsgrundlage ist der Wetteinsatz der Wettenden ohne Abzüge (Brutto-Wetteinsatz).
§ 5 Steuersatz
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Der Steuersatz beträgt 3 v. H. der Bemessungsgrundlage.
§ 6 Mitteilungspflichten
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(1) Wer ein Wettbüro im Sinne des § 2 Abs. 1 eröffnet und in Betrieb nimmt, hat dieses unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 14 Tagen, bei der Stadt Koblenz - Steueramt - auf amtlichem Vordruck durch Anmeldung anzuzeigen. Die Anmeldungen müssen folgende Angaben enthalten: […].
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[…]
§ 7 Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit
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(1) Der Steueranspruch entsteht mit der Verwirklichung des Steuertatbestands.
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(2) Der Steuerschuldner ist verpflichtet, bis zum 15. Tag nach Ablauf eines Kalendervierteljahres der Stadt Koblenz eine Steueranmeldung je Wettbüro und je Monat nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck einzureichen und gleichzeitig die unter Anwendung des Steuersatzes gem. § 5 selbst errechnete Steuer an die Stadtkasse zu entrichten. Die Steueranmeldung gilt als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Summe der Wetteinsätze in dem jeweiligen Besteuerungszeitraums [sic] ist durch geeignete Unterlagen, z. B. Provisions- oder Vermittlungsabrechnungen zwischen dem Wettbürobetreiber und dem Wettveranstalter, zu belegen; diese sind der Steueranmeldung beizufügen. Endet die Steuerpflicht während des laufenden Besteuerungszeitraums, ist die Steueranmeldung bis zum 15. Tag des auf den Einstellungsmonat folgenden Monats abzugeben.
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(3) Ein Steuerbescheid ist in den Fällen des Absatzes 2 nur dann zu erteilen, wenn der Steuerpflichtige eine Steueranmeldung nicht abgibt oder die Steuerschuld abweichend von der Anmeldung festzusetzen ist. In diesem Fall ist die Steuer innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu entrichten.
[…]
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Mit Steueranmeldung vom 17. Juli 2019 gab die Klägerin Wetteinsätze (Bruttobetrag ohne Online-Wetten) von insgesamt 124.486,87 € (Mai 2019) und 78.568,45 € (Juni 2019) für das Wettbüro am Standort A...-Straße ... sowie Wetteinsätze von insgesamt 94.227,42 € (Mai 2019) und 46.369,44 € (Juni 2019) für das Wettbüro am Standort C...straße ... an. Der Steueranmeldung beigefügt waren „Übersicht[en] der Einsätze am Standort (Kasse und Terminals)“, die der Klägerin von der D... Co. Ltd. – der Veranstalterin der Sportwetten – zur Verfügung gestellt worden waren und neben den tatsächlich getätigten, von der Klägerin im Rahmen der Steueranmeldung angegebenen Wetteinsätzen jeweils auch die eingenommenen „Gebühren“ auf diese Wetteinsätze in Höhe von 5 % auswiesen. Letztere bezog die Klägerin nicht in ihre Steuerberechnung ein.
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Daraufhin erließ die Beklagte mit Datum vom 14. August 2019 gegenüber der Klägerin einen Bescheid über Wettbürosteuer, der neben den tatsächlich getätigten Wetteinsätzen auch die Gebühren für diese Wetteinsätze zugrunde legte. Ausgehend von den danach ermittelten Brutto-Wetteinsätzen setzte die Beklagte für die beiden veranlagten Wettbüros der Klägerin bezogen auf die Monate Mai und Juni 2019 eine Steuerforderung in Höhe von 10.825,05 € fest.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2019 Widerspruch, den sie damit begründete, dass die Wettbürosteuersatzung der Beklagten, auf welcher der angegriffene Bescheid beruht, gegen höherrangiges Recht verstoße.
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Den Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2020 zurück. Die Beklagte habe die Wettbürosteuer entsprechend den Regelungen der Wettbürosteuersatzung festgesetzt. Soweit die Klägerin sich (allein) auf die Unwirksamkeit der Wettbürosteuersatzung berufe, stehe dem Stadtrechtsausschuss keine Normverwerfungskompetenz zu. Ungeachtet dessen sei die Wettbürosteuersatzung aber mit höherrangigem Recht vereinbar und somit wirksam.
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Mit ihrer am 24. April 2020 erhobenen Klage beruft sich die Klägerin weiterhin auf die Unwirksamkeit der Wettbürosteuersatzung. Zur Begründung führt sie aus, die Wettbürosteuer in ihrer hier streitgegenständlichen Ausgestaltung als Einsatzbesteuerung sei der Sportwettensteuer evident gleichartig und verstoße somit gegen Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz und § 5 Abs. 2 Satz 1 Kommunalabgabengesetz. Darüber hinaus sei die Wettbürosteuer entgegen ihrem Charakter als örtliche Aufwandsteuer nicht hinreichend örtlich radiziert, weil sie an alle abgegebenen Einsätze anknüpfe und nicht nur an Live-Wetten, die am Standort des Wettbüros mitverfolgt werden könnten. Hinzu komme, dass die Wettbüroeinsatzbesteuerung eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union darstelle, die nicht gerechtfertigt sei. Sie könne zudem nicht kalkulatorisch abgewälzt werden, da der Wettbürobetreiber lediglich Vermittler der Sportwetten sei. Bei alledem sei zu berücksichtigen, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 – keine abschließende und umfassende rechtliche Klärung der Anforderungen an zulässige Wettbürosteuern vorgenommen habe. Vielmehr habe diese Entscheidung allein eine Wettbürosteuer betroffen, welche die Fläche des Wettbüros als Bemessungsgrundlage herangezogen habe. Auf Fälle wie den vorliegenden, in dem als Bemessungsgrundlage für die Wettbürosteuer auf den Wetteinsatz zurückgegriffen werde, seien die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht übertragbar.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2019 und den Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 7. April 2020 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt die Regelungen der Wettbürosteuersatzung unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts. Eine Verletzung des Gleichartigkeitsverbots liege nicht vor, da Online-Wetten und Wetten in Wettannahmestellen nach der Wettbürosteuersatzung nicht besteuert würden. Eine hinreichende Unterscheidbarkeit zur Sportwettensteuer sei damit gegeben. Da die Wettbürosteuer an die Belegenheit des Wettbüros im Gemeindegebiet anknüpfe, handele es sich auch um eine örtliche Aufwandsteuer. Ebenso wenig liege ein unionsrechtswidriger Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit vor, da die streitgegenständliche Wettbürosteuer die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise berühre wie ihre Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats. Schließlich sei die Wettbürosteuer auch kalkulatorisch abwälzbar, indem zwischen Wettbürobetreiber und Wettveranstalter eine Erhöhung der Provision vereinbart werde; ferner könne der Wettbürobetreiber eine Vermittlungsgebühr erheben.
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Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verwaltungs- und Widerspruchsvorgänge der Beklagten (zwei Hefte) Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über welche die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Steuerfestsetzungsbescheid vom 14. August 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 7. April 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Steuerfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 1, 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1, §§ 4, 5 und 7 Abs. 1 bis 3 der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Wettbürosteuer (Wettbürosteuersatzung – WbStS –) vom 28. März 2019. Auf der Grundlage dieser wirksamen Bestimmungen (I.) hat die Beklagte die Wettbürosteuer gegenüber der Klägerin für die Monate Mai und Juni 2019 zutreffend festgesetzt (II.).
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I. Die als Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid dienenden Bestimmungen der Wettbürosteuersatzung sind wirksam. Die Beklagte war zum Erlass der Wettbürosteuersatzung nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz – GG – befugt. Hiernach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Der Landesgesetzgeber hat diese Rechtssetzungsbefugnis mit § 5 Abs. 2 Satz 1 Kommunalabgabengesetz – KAG – an die Kommunen weitergereicht. Es ist damit deren Sache, geeignete Anwendungsfälle für steuerbaren Aufwand zu finden (vgl. OVG RP, Urteil vom 22. April 2008 – 6 A 11354/07.OVG –, juris, Rn. 40). Die hiernach von der Beklagten erlassenen Bestimmungen der Wettbürosteuersatzung zur Veranlagung der Klägerin sind verfassungsgemäß; sie stehen auch sonst mit höherem Recht in Einklang. Bei der Wettbürosteuer handelt sich um eine örtliche Aufwandsteuer (1.), die das Gleichartigkeitsverbot nicht verletzt (2.), mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit in Einklang steht (3.) und kalkulatorisch abwälzbar ist (4.)
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1. Bei der von der Beklagten erhobenen Wettbürosteuer handelt es sich um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG.
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a) Die Wettbürosteuer ist eine Aufwandsteuer.
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aa) Der Begriff der Aufwandsteuer wird im Grundgesetz nicht bestimmt, sondern vorausgesetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [345]). Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommt (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [218 Rn. 13]). Belastet werden soll der über die Befriedigung der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Aufwand, der Teil des persönlichen Lebensbedarfs und der persönlichen Lebensführung ist, und nur die in diesem Konsum zum Ausdruck kommende besondere Leistungsfähigkeit (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00 u.a. –, BVerfGE 114, 316 [334]; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2002 – 9 CN 1.11 –, BVerwGE 143, 301 [303 Rn. 13]; Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [218 f. Rn. 13]). Dabei ist der Aufwand als ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden, typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient (BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005 – 1 BvR 1232/00 u.a. –, BVerfGE 114, 316 [334]). Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [347]). Zweifel an der Tauglichkeit des Steuermaßstabes lassen den Typus der Abgabe und damit ihren Charakter als Aufwandsteuer unberührt, denn die Kompetenznormen des Grundgesetzes enthalten grundsätzlich keine Aussage zu diesen materiellen Fragen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –, BVerfGE 123, 1 [16 f., 35]; Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [217 Rn. 127]). Aufwandsteuern sind abzugrenzen von Unternehmenssteuern, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [212 Rn. 13]). Eine Steuer, die gezielt auf den unternehmerischen Gewinn oder einen typisierend vermuteten unternehmerischen Gewinn zugreift statt auf die Einkommensverwendung, ist als Unternehmenssteuer einzuordnen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –, BVerfGE 123, 1 [16 f.]; Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [212 f. Rn. 116].
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bb) Hiervon ausgehend erfüllt die von der Beklagten erhobene Wettbürosteuer die Kriterien einer Aufwandsteuer.
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Zwar ist Steuerschuldner – neben den in § 3 Abs. 2 und 3 WbStS Genannten – grundsätzlich der Betreiber des Wettbüros (§ 3 Abs. 1 WbStS). Nach § 2 Abs. 1 WbStS ist jedoch Steuergegenstand der Aufwand der Wettenden für das Wetten in einem Wettbüro im Gebiet der Stadt Koblenz, in dem Pferde- und Sportwetten vermittelt werden und neben der Annahme von Wettscheinen zusätzlich auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglicht wird (vgl. damit korrespondierend auch die Beschlussvorlage BV/0215/2019 der Beklagten vom 6. März 2019, S. 1). Gemäß § 2 Abs. 2 WbStS werden Einrichtungen, in denen Wettscheine lediglich abgegeben werden und kein weiterer Service angeboten wird, ausdrücklich nicht besteuert. Daraus wird hinreichend deutlich, dass nicht der Gewinn des Wettbürobetreibers, sondern der (Konsum-)Aufwand des Wettenden für das Wetten in einem Wettbüro besteuert werden soll. Die Wettbürosteuer in der hier vorliegenden Ausgestaltung entspricht danach dem herkömmlichen Bild einer Vergnügungsteuer, nach dem die Steuer nicht bei dem Nutzer der Einrichtung oder Veranstaltung, dessen Aufwand besteuert werden soll, sondern beim Einrichtungsbetreiber oder Veranstalter als indirekte Steuer erhoben wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [219 f. Rn. 15]). Letzterer kann – wovon auch die Beklagte ausweislich der Beschlussvorlage BV/0215/2019 vom 6. März 2019 ausgeht (dort S. 1) – die Steuerbelastung auf den Wettenden überwälzen, der somit im Ergebnis der wirtschaftlich belastete Steuerträger ist (vgl. zur Abwälzbarkeit noch unten 4.).
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b) Die Wettbürosteuer der Beklagten ist auch eine örtliche Aufwandsteuer; sie weist die nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG erforderliche örtliche Radizierung auf.
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aa) Örtliche Steuern sind nur solche Abgaben, die an örtliche Gegebenheiten, vor allem an die Belegenheit einer Sache oder an einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde anknüpfen und wegen der Begrenzung ihrer unmittelbaren Wirkungen auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen können. Die örtliche Radizierung muss sich dabei gerade aus der normativen Gestaltung des Steuertatbestandes ergeben; sie kann nicht aus der natürlichen Beschaffenheit des Gegenstandes abgeleitet werden, dessen Gebrauch der Steuer unterworfen wird (zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 – 2 BvL 11/61 –, BVerfGE 16, 306 [327]; Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [349]).
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bb) Diesen Anforderungen wird die von der Beklagten erhobene Wettbürosteuer gerecht. Sie knüpft gemäß § 2 Abs. 1 WbStS an die Belegenheit des Wettbüros im Gemeindegebiet, die hierin ausgeübte Vermittlungs- oder Veranstaltungstätigkeit und die dort vorhandene Möglichkeit, die Wettereignisse mitzuverfolgen, an (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 39). Dass der Wetteinsatz dabei für einen außerhalb des Gemeindegebiets ansässigen Wettveranstalter entgegengenommen wird und der Wettvertrag zwischen Wettveranstalter und Wettkunde nach zivilrechtlichen Maßstäben möglicherweise außerhalb des Gemeindegebiets zustande kommt, ist für den örtlichen Bezug der Wettbürosteuer ohne Relevanz (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [221 Rn. 18]).
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Soweit die Klägerin der Auffassung ist, der erforderliche örtliche Bezug werde dadurch verfehlt, dass die Beklagte als Bemessungsgrundlage den Brutto-Wetteinsatz und nicht nur – was im Hinblick auf das Merkmal der örtlichen Radizierung allein zulässig sei – die im Zeitpunkt der Wettabgabe live mitverfolgbaren Wettereignisse wähle, verfängt dies nicht. Auch die Abgabe von sog. Pre-Match-Wetten, die auf später stattfindende und gegebenenfalls nicht im Wettbüro verfolgbare Wettereignisse abgegeben werden, verfügt über den erforderlichen örtlichen Bezug (vgl. ebenso OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 39). Denn der Steuertatbestand setzt neben der Abgabe der Wette in einem Wettbüro lediglich – insoweit allerdings kumulativ („und“) – die Möglichkeit (vgl. § 2 Abs. 1 WbStS: „ermöglicht“) voraus, Wettereignisse mitzuverfolgen. Schon deshalb ist es rechtlich unerheblich, wenn die Klägerin vorbringt, bei den Pre-Match-Wetten könne der „Verbrauch“ ohne Weiteres außerhalb des Gemeindegebiets liegen. Besteht nämlich der „Verbrauch“ – wie dies auch normativ angelegt ist – bereits in der Möglichkeit des Mitverfolgens der Wettereignisse im Wettbüro, ist der örtliche Bezug auch im Falle von Pre-Match-Wetten vorhanden. Im Übrigen geht die Klägerin bei ihrer Argumentation zu Unrecht davon aus, der steuerrelevante Aufwand könne in zwei Einzelleistungen – den Wettabschluss einerseits und die Mitverfolgungsmöglichkeit der Wettereignisse andererseits – aufgespalten werden. Der Wortlaut vom § 2 Abs. 1 WbStS gibt für eine solche Aufteilung in zwei Einzelleistungen nichts her. Vielmehr soll das Wetten in einem Wettbüro, das sich durch die Ausstattung mit Monitoren von anderen Wettorten unterscheidet, als eine Art Gesamtvergnügungsveranstaltung besteuert werden. Mit anderen Worten: Der steuerrelevante Aufwand besteht nicht in der Wettabgabe und dem Mitverfolgen des bewetteten Wettereignisses bei der Wettabgabe, sondern (nur) in dem Wetten in einem Wettbüro mit der beschriebenen Mitverfolgensmöglichkeit und einer damit einhergehenden gewissen Aufenthaltsqualität (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [220 Rn. 16]; OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 41). Eine Differenzierung zwischen Pre-Match-Wetten einerseits und Live-Wetten andererseits, wie sie die Klägerin für angezeigt hält, ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.
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2. Die Wettbürosteuersatzung der Beklagten verstößt ferner nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, das landesrechtlich durch die insoweit wort- und inhaltsgleiche Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 1 KAG wiederholt wird.
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a) Nach diesen Vorschriften dürfen örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern nur erhoben werden, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Dieses Gleichartigkeitsverbot verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 u.a. –, BVerfGE 98, 106 [124 f.]). Umfang und Voraussetzungen des Gleichartigkeitsverbots sind indes im Einzelnen umstritten (BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [202]). Insoweit gilt es insbesondere zu berücksichtigen, dass dem aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz bekannten – traditionellen – Gleichartigkeitsverbot (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG) und dem Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ein jeweils – zumindest teilweise – eigenständiger Bedeutungsgehalt zukommt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [350]; Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [202]).
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Ausgangspunkt für die Prüfung der Gleichartigkeit im traditionellen Sinn ist der Vergleich der steuerbegründenden Tatbestände. Dabei ist neben anderen Gesichtspunkten wie Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebungstechnik und wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere darauf abzustellen, ob die eine Steuer dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpft wie die andere (BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1978 – 2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343 [355]; Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [351]).
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Bei der Prüfung des Gleichartigkeitsverbots des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist hingegen zu differenzieren: Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG wurde mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 mit Wirkung zum 1. Januar 1970 in den finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzkatalog des Art. 105 GG eingefügt. Da die Befugnis der Länder zur Regelung der herkömmlichen, d.h. am 1. Januar 1970 bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern nicht angetastet werden sollte, geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass diese ohne weitere Prüfung als nicht gleichartig anzusehen sind (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 u.a. –, BVerfGE 98, 106 [125]). Wie die Gleichartigkeit nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG im Hinblick auf neue, d.h. am 1. Januar 1970 noch nicht bestehende Verbrauch- und Aufwandsteuern im Einzelnen zu bestimmen ist, hat das Bundesverfassungsgericht demgegenüber bislang offengelassen (so ausdrücklich noch BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [351]; vgl. zur jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 9 CN 1.11 –, BVerwGE 143, 301 [309 Rn. 24], das zu Recht darauf hinweist, dass mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Urteil vom 7. Mai 1998 – 2 BvR 1991/95 u.a. –, BVerfGE 98, 106 [124 f.] keine abschließende Begriffsbestimmung einhergeht). Jedenfalls ist aber auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, dass das Kriterium der Gleichartigkeit im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG enger zu verstehen ist als im Rahmen der Abgrenzung der Zuständigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung: Den Ländern soll ein substantieller Kompetenzbereich belassen und es soll verhindert werden, dass die Vorschrift entgegen der erkennbaren Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers leerläuft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1975 – 2 BvR 824/74 –, BVerfGE 40, 56 [63]; Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 –, BVerfGE 65, 325 [351]).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist der eigenständige Inhalt des Gleichartigkeitsbegriffs nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG mit Blick auf die besondere Funktion der Norm zu bestimmen, die den Gemeinden das Steuerfindungsrecht erhalten sollte, aber gleichzeitig eine Steuer, die auf örtlicher Ebene Bundessteuern gleichkommt, ausschließt. Insbesondere soll nicht eine Gemeindeumsatzsteuer oder Ähnliches geschaffen werden. Das bedeutet, dass die Merkmale der jeweiligen Aufwandsteuer mit der in Betracht kommenden Bundessteuer nach Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebungstechnik und wirtschaftlichen Auswirkungen zu vergleichen sind. Erfüllt sie von vornherein schon nicht die Kriterien des herkömmlichen Gleichartigkeitsbegriffs, wie er für die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 1 GG verwendet wird, kann sie auch nicht gleichartig im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG sein. Erfüllt sie dagegen die Kriterien des herkömmlichen Gleichartigkeitsbegriffs, bedarf es einer umfassenden Bewertung aller Merkmale der jeweiligen Steuer. Dabei ist das kommunale Steuerfindungsrecht in den Blick zu nehmen, das nicht derart beschnitten werden darf, dass Gemeinden neue Steuern nicht erheben könnten. Denn ohne eine solche konkrete auf die jeweilige Steuer bezogene Bewertung würde die Umsatzsteuer als eine bundesrechtlich geregelte große Verbrauchsteuer jegliche auch noch so unbedeutende Besteuerung von Gütern und Dienstleistungen in Gemeinden von vornherein ausschließen (zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 9 CN 1.11 –, BVerwGE 143, 301 [309 f. Rn. 25] m.w.N.; Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [222 f. Rn. 21]).
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b) Gemessen an diesem Begriffsverständnis verstößt die Wettbürosteuer der Beklagten, die eine neuartige Aufwandsteuer darstellt und bei der die Gleichartigkeit somit nicht ohne weitere Prüfung verneint werden kann (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [223 Rn. 22]), nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Insbesondere ist die Wettbürosteuer nicht mit der Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz – RennwLottG – gleichartig.
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Durch das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom 29. Juni 2012 (BGBl. I S. 1424) wurde der II. Abschnitt des Rennwett- und Lotteriegesetzes um die Sportwetten ergänzt und in § 17 Abs. 2 RennwLottG die Sportwettenbesteuerung neu eingeführt. Danach unterliegen nun nicht nur Rennwetten nach Abschnitt I des Gesetzes einer Steuer von 5 v.H. des Wetteinsatzes (sog. Totalisator- und Buchmachersteuer, §§ 10, 11 RennwLottG), sondern auch alle sonstigen Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), wenn die Sportwette im Inland veranstaltet wird (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RennwLottG) oder der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG). Der Steuersatz beträgt 5 v.H. des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes (§ 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG).
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aa) Zwar gleichen sich Sportwettensteuer und Wettbürosteuer in mehreren Merkmalen.
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(1) Beide greifen auf die Leistungsfähigkeit der Wettenden zu; sie werden als indirekte Steuern erhoben und als Teil der Kosten der Leistung in den Wetteinsatz eingepreist, sodass als Steuerträger im Ergebnis nicht – wie etwa bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer – die Steuerschuldner, sondern die Wettenden belastet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [224 f. Rn. 26]; OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 55). Beide Steuern schöpfen somit dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aus.
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(2) Auch gleichen sich beide Steuern in ihrem Steuermaßstab (anders noch bei BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216, wo ein Flächenmaßstab zugrunde gelegt war). Die Sportwettensteuer richtet sich gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG nach dem Nennwert der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes. Der Spieleinsatz in diesem Sinne umfasst den Gesamtaufwand des Spielers für den Abschluss der Wette. Dazu gehört auch die auf den Wettenden umgelegte Sportwettensteuer (Steuer auf die Steuer), die auf diesem Wege selbst in die Bemessungsgrundlage einfließt (Hessisches FG, Urteil vom 12. November 2018 – 5 K 1569/16 –, juris, Rn. 31). Damit handelt es sich ebenso um eine Bruttobemessungsgrundlage, wie sie in § 4 WbStS festgelegt wird. Danach ist Bemessungsgrundlage der Wettbürosteuer der Wetteinsatz der Wettenden ohne Abzüge (Brutto-Wetteinsatz).
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(3) Einzelne Parallelen sind auch im Hinblick auf die Erhebungstechnik festzustellen. Nach § 31a Abs. 1 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz – RennwLottGABest – treffen denjenigen, der Sportwetten im Sinne des § 17 Abs. 2 RennwLottG veranstalten will, bestimmte Anmeldeverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt. Vergleichbare Regelungen finden sich in § 6 Abs. 1 WbStS, wonach derjenige, der ein Wettbüro im Sinne des § 2 Abs. 1 WbStS eröffnet und in Betrieb nimmt, eine Anmeldung beim Steueramt der Beklagten vorzunehmen hat. Gemäß § 31a Abs. 3 Satz 1 RennwLottGABest hat der Veranstalter oder sein steuerlicher Beauftragter eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, in der er die gemäß § 37 RennwLottGABest zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat (Steueranmeldung). Hierzu trifft § 7 Abs. 2 Satz 1 WbStS eine vergleichbare Regelung.
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bb) Allerdings bestehen zwischen den beiden Steuern auch deutliche Unterschiede.
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(1) Trotz der oben dargelegten Parallelen sind die Erhebungstechniken der beiden Steuern nicht vollständig deckungsgleich. Während zum einen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 WbStS der Steuerschuldner verpflichtet ist, die selbst errechnete Steuer gemäß seiner Steueranmeldung an die Stadtkasse zu entrichten – und die Steueranmeldung damit korrespondierend als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt (§ 7 Abs. 2 Satz 2 WbStS) –, sieht § 36 Abs. 1 Satz 1 RennwLottGABest hiervon abweichend vor, dass das Finanzamt die Anmeldung zunächst prüft, sodann die Steuer (selbst) auf den beiden einzureichenden Ausfertigungen (§ 31a Abs. 2 RennwLottGABest) der Anmeldung festsetzt und davon schließlich eine Ausfertigung dem Steuerpflichtigen zurückgibt und die andere Ausfertigung der Finanzkasse zuleitet. Zum anderen unterscheiden sich die Erhebungszeiträume beider Steuern: Während die Anmeldung und (Selbst-)Festsetzung der Wettbürosteuer kalendervierteljährlich zu erfolgen hat (§ 7 Abs. 2 Satz 1 WbStS), ist Anmeldungszeitraum der Sportwettensteuer der Kalendermonat (§ 31a Abs. 3 Satz 3 RennwLottGABest).
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(2) Obgleich beide Steuern – wie dargelegt – im Ergebnis dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausschöpfen, belasten sie jedenfalls unmittelbar zunächst unterschiedliche Steuerschuldner. Steuerschuldner der Sportwettensteuer ist gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 RennwLottG der Veranstalter der Sportwette. Demgegenüber ist Steuerschuldner der Wettbürosteuer der Betreiber des Wettbüros (§ 3 Abs. 1 WbStS). Dies ist regelmäßig – so auch hier – nicht der Wettveranstalter, sondern ein selbständiger, häufig auf Franchise-Basis tätiger Unternehmer, der dem Wettveranstalter die Wetten lediglich vermittelt (OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 61). Ferner ist – im Unterschied zur Sportwettensteuer – auch derjenige Steuerschuldner, dem aufgrund ordnungsrechtlicher Vorschriften die Erlaubnis zum Betrieb des Wettbüros im Sinne des § 2 WbStS erteilt wurde (§ 3 Abs. 2 WbStS). Steuerschuldner sind darüber hinaus der Eigentümer, der Vermieter, der Besitzer oder Inhaber der Räume oder der Grundstücke, in denen oder auf denen das Wettbüro im Sinne des § 2 WbStS betrieben wird, sofern diese an den Einnahmen oder dem Ertrag beteiligt sind (§ 3 Abs. 3 WbStS). Mehrere Steuerschuldner haften dabei als Gesamtschuldner (§ 3 Abs. 5 WbStS).
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(3) Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen beider Steuern stimmen nicht vollends überein. Während die Sportwettensteuer 5 v.H. des Spieleinsatzes beträgt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG), liegt der Steuersatz der Wettbürosteuer lediglich bei 3 v.H. des Brutto-Wetteinsatzes (§ 4 WbStS) und somit deutlich unter demjenigen der Sportwettensteuer. Sie belasten somit im Ergebnis – wie dargelegt – zwar dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dies jedoch in unterschiedlicher Intensität.
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(4) Besonders bedeutsam ist schließlich die unterschiedliche Zielsetzung der beiden Steuern und hiermit zusammenhängend der unterschiedliche Steuergegenstand. Während sich die Sportwettensteuer als eine an die besondere Umsatzart angepasste Ausprägung der allgemeinen Umsatzsteuer – von der Sportwetten wegen der Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz nach § 4 Nr. 9 lit. b) Umsatzsteuergesetz ausgenommen sind – auf Endverbraucherstufe darstellt, soll mit der Wettbürosteuer als kommunaler Vergnügungsteuer nur ein eng begrenzter, spezifischer Ausschnitt des Wettgeschehens besteuert werden (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [225 Rn. 28] m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 74). Von ihr werden nämlich nur solche Wetten erfasst, die – in Abgrenzung zur bloßen Wettannahmestelle, in der kein weiterer Service angeboten wird (§ 2 Abs. 2 WbStS) – gerade in einem Wettbüro abgegeben werden, also in einer Einrichtung, in der die Sportereignisse auf Monitoren mitverfolgt werden können (§ 2 Abs. 1 WbStS). Allein diese spezifische Form des Wettens qualifiziert die Beklagte als steuerpflichtiges Vergnügen. Dabei verfolgt sie ausweislich der Beschlussvorlage BV/0215/2019 (dort S. 1 f.) vom 6. März 2019 ausdrücklich nicht nur Einnahme-, sondern – ähnlich wie bei der Vergnügungsteuer für Spielgeräte – auch Lenkungszwecke. In der Beschlussvorlage heißt es dazu, Wettbüros böten aufgrund deren typischer Ausstattung mit Sitzgelegenheiten und Monitoren insbesondere bei jüngeren Wettenden eine erhöhte Suchtgefahr. Eine Ausbreitung von weiteren Wettbüros solle durch die Einführung der Steuer zumindest eingedämmt werden.
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Nicht erfasst von der Wettbürosteuer sind somit zum einen sämtliche Wetten, die in Wettannahmestellen abgegeben werden, die über keine Monitore zum Mitverfolgen von Sportereignissen verfügen, zum anderen aber insbesondere auch Online-Wetten. Letztere haben jedenfalls nach der Einschätzung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 17/8494, S. 10) den größten Anteil an den allgemein abgegebenen Sportwetten. Ohne dass es insoweit auf einen – ohnehin nur schwer bezifferbaren – konkreten Anteil ankäme (vgl. aber die Angaben von OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 80 ff.), betrifft die Wettbürosteuer somit nur einen begrenzten Teil des von der Sportwettensteuer erfassten Steuergegenstandes und reicht an deren Gesamtaufkommen bei weitem nicht heran (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [226 Rn. 28]).
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cc) Zwar mag nach alledem – insbesondere wegen der Tatsache, dass beide Steuern auf dieselbe Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, nämlich die Wettenden, zugreifen – einiges dafür sprechen, von einer im traditionellen – kompetenzrechtlichen – Sinne verstandenen Gleichartigkeit von Sportwettensteuer und Wettbürosteuer auszugehen (dies bejahend OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 62). Nimmt man jedoch – was wegen des engeren Gleichartigkeitsverständnisses des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG geboten ist – auf einer zweiten Stufe eine umfassende Bewertung und Gewichtung aller Merkmale der jeweiligen Steuern unter Berücksichtigung des kommunalen Steuerfindungsrechts vor, ist eine Gleichartigkeit im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG zu verneinen.
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Auf der einen Seite sind nach dem Vorstehenden Übereinstimmungen der beiden Steuern im Hinblick auf die ausgeschöpfte Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, den Steuermaßstab und (zum Teil) die Erhebungstechnik festzustellen. Auf der anderen Seite sind jedoch Unterschiede bei der Erhebungstechnik im Übrigen, den jeweiligen Steuerschuldnern, den wirtschaftlichen Auswirkungen und dem Steuergegenstand vorhanden. Im Gegensatz zu den „eher rechtstechnischen Unterschiede[n]“ im Steuermaßstab und der Erhebungstechnik ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der insoweit vorzunehmenden Gesamtbeurteilung aller Merkmale der unterschiedlichen Zielsetzung der Steuern und dem Unterschied des Steuergegenstandes und des Kreises der Steuerschuldner besondere Bedeutung beizumessen (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [225 Rn. 28]). Bei diesen – hiernach entscheidenden – Kriterien sind jedoch hinreichende Unterschiede zwischen Sportwettensteuer und Wettbürosteuer vorhanden.
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Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, beide Steuerarten knüpften an das gleiche Verkehrsgeschäft – den Abschluss der Wette – an und bezögen sich deshalb auf den gleichen Steuergegenstand, greift dies zu kurz. Denn die Sportwettensteuer knüpft – sofern nur die Voraussetzungen von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 RennwLottG erfüllt sind – unterschiedslos an (irgend-)einen Abschluss der Wette an. Die Wettbürosteuer hingegen knüpft an einen qualifizierten Wettvorgang (in einem Wettbüro im Gebiet der Beklagten, in dem Pferde- und Sportwetten vermittelt oder veranstaltet werden) an: nämlich (nur) an einen solchen, bei dem neben der Annahme von Wettscheinen zusätzlich auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglicht wird (§ 2 Abs. 1 WbStS). Auch wenn es insoweit naturgemäß Schnittmengen zwischen beiden Steuergegenständen gibt, handelt sich doch qualitativ um voneinander abgrenzbare Verkehrsgeschäfte und somit um unterschiedliche Steuergegenstände. In Übereinstimmung hierzu hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 74 ff. zur Differenzierung der Steuergegenstände Folgendes ausgeführt:
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74 „[…] Weiter und entscheidend ist auch nicht jede Wettvermittlung oder eigene Wettveranstaltung Steuergegenstand, sondern nur eine solche Leistung in einer spezifischen, eine Mitverfolgungsmöglichkeit bietenden Einrichtung. Nur der in diesem spezifischen Vertriebsweg betriebene Aufwand soll steuerlich belastet werden. Online-Wetten, in Annahmestellen nach § 13 AG GlüStV vermittelte Wetten, in Wettvermittlungsstellen ohne Mitverfolgensmöglichkeit abgegebene Wetten oder Wetten an Wettterminals, die an Orten außerhalb von Wettbüros aufgestellt sind (was außerhalb von Wettvermittlungsstellen nunmehr nach § 13 Abs. 5 Satz 3 AG GlüStV verboten ist), werden von der Wettbürosteuer nicht erfasst.
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75 Der Differenzierungsgrund für die Steuerbarkeit von Wettbüros in Abgrenzung zu reinen Wettannahmestellen oder den sonst nicht erfassten Wettvorgängen liegt darin, dass Wettbüros eine qualitativ gesteigerte Ausweitung des Wettens bezwecken. Während die reine Wettannahmestelle lediglich das Wettangebot des Wettanbieters lokal in die Gemeinden hinein verlagert, verlagert das Wettbüro durch die gebotene Möglichkeit der Mitverfolgung der Wettereignisse die Wettkampfatmosphäre in die Kommunen und nutzt diese zum Vermitteln bzw. Veranstalten von Wetten. In dem regelmäßig durch Mittel angenehmerer Aufenthaltsgestaltung (etwa Tische, Stühle, Dekoration, Angebot von Getränken und Snacks) verstärkten kommunikativen Umfeld, befeuert durch den damit geförderten Gruppenaustausch über die Wettereignisse und die Wettchancen, sind sowohl der Anreiz, überhaupt Wetten abzuschließen, als auch der Anreiz, gerade dort Wetten abzuschließen, sowie der Anreiz, in der Erregung des sportlichen Wettkampfs vermehrt und höher zu wetten, qualitativ gegenüber einer reinen Wettannahmestelle und den sonstigen nicht erfassten Wettgelegenheiten gesteigert.
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76 Die gebotene Mitverfolgungsmöglichkeit beschränkt sich nicht darauf, unmittelbar die Wetttätigkeit anzuheizen. Sie dient darüber hinaus schon im Vorfeld des Wettens dem Zweck, einen Treffpunkt Gleichgesinnter zu schaffen. Auch dem, der im Moment gar nicht die Absicht hat zu wetten, soll ein Anreiz geboten werden, sich in das Wettbüro zu begeben, weil er dort die Möglichkeit hat, bewettbare sportliche Ereignisse zu verfolgen, und die Wahrscheinlichkeit besteht, dort gleichgesinnte, nämlich an Pferde- und Sportwetten interessierte Personen zu treffen, mit denen man die Zeit angenehm und nunmehr möglicherweise doch wettend verbringen kann. Mittelbar wird dadurch ebenfalls das Wettaufkommen gesteigert. Gleichzeitig schafft ein solcher Treffpunkt, wenn er sich bewährt, eine Kundenbindung im Wettbewerb zu anderen Wettanbietern.
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77 Somit erweist sich bei einer umfassenden Bewertung der beiden Steuerarten die Wettbürosteuer als die einen qualifizierten Vertriebsweg mit besonderer Wettanreizwirkung für Renn- und Sportwetten betreffende Steuer, während die grundsätzlich alle steuerbaren Renn- und Sportwetten erfassende Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz sich als Sonderform der Umsatzsteuer darstellt. Damit sind die beiden Steuern trotz ihrer Übereinstimmung in vielen sonstigen, mehr steuertechnischen Merkmalen wesentlich unterschiedliche Steuern, die somit nicht gleichartig im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG sind.“
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Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an und macht sie sich zu eigen.
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Für den Befund, dass Sportwettensteuer und Wettbürosteuer nicht gleichartig im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG sind, spricht schließlich – im Sinne einer materiellen Richtigkeitskontrolle – der bereits dargestellte Sinn und Zweck der Norm, wonach das Gleichartigkeitsverbot das kommunale Steuerfindungsrecht nicht derart beschneiden soll, dass Gemeinden neue Steuern nicht erheben könnten. Würde man bei der hier in Streit stehenden Wettbürosteuer jedoch – im Wesentlichen allein wegen der Ausgestaltung als indirekte Steuer und der gewählten Bemessungsgrundlage – von einer Gleichartigkeit im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ausgehen, würde dies das kommunale Steuerfindungsrecht unverhältnismäßig einschränken. Dies liefe dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider. Umgekehrt wahrt die Wettbürosteuer in ihrer hier gewählten Ausgestaltung einen hinreichenden Abstand zu einer mit Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG nicht in Einklang zu bringenden Gemeindeumsatzsteuer. Denn aufgrund der im Gemeindegebiet der Beklagten weiterhin verbleibenden und in der Sache nicht zu vernachlässigenden Möglichkeiten, Sportwetten abzugeben, ohne von der Wettbürosteuer erfasst zu werden (insbesondere mittels Online-Wetten und in „einfachen“ Wettannahmestellen), kann von einer pauschalen und unterschiedslosen Besteuerung aller Wetten, wie sie für eine Umsatzsteuer charakteristisch ist, nicht die Rede sein.
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3. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt eine Verletzung der von Art. 56 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV – gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit nicht vor. Nach Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, nach Maßgabe der Art. 56 ff. AEUV verboten. Eine solche Beschränkung liegt hier nicht vor.
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a) Auch wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt im hier zur Entscheidung stehenden Fall nicht unmittelbar gegeben ist, ist der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit vorliegend gleichwohl eröffnet. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der Anwendungsbereich von Art. 56 AEUV wegen der dann vorliegenden grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen bereits in solchen Fällen eröffnet, in denen ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Erbringer von Dienstleistungen diese ohne Ortswechsel einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfänger erbringt (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – C-98/14 – [Berlington Hungary u.a.], juris, Rn. 26). Insoweit genügt grundsätzlich schon die bloße Möglichkeit der Beeinträchtigung von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Personen (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – C-197/11 u.a. – [Eric Libert u.a.], EuZW 2013, 507 [508 Rn. 34]). Vorliegend erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass zu den Kunden der Klägerin auch in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Wettende gehören. Die Dienstleistungsfreiheit ist deshalb auch auf Betreiber von Wettbüros anwendbar (vgl. zu Betreibern von Spielhallen EuGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – C-98/14 – [Berlington Hungary u.a.], juris, Rn. 26 f. m.w.N.).
- 72
b) Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 56 Abs. 1 AEUV liegt indes nicht vor.
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Die Wettbürosteuer stellt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung von Dienstleistungserbringer oder Dienstleistungsempfänger dar, weil alle an dem Dienstleistungsvorgang Beteiligten – ob Inländer oder Ausländer – den gleichen Bestimmungen der Wettbürosteuersatzung unterliegen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 124; vgl. ferner ebenso für die Anhebung eines Vergnügungssteuersatzes auf 20 v.H. des Einspielergebnisses BVerwG, Beschluss vom 9. August 2018 – 9 BN 6.18 –, juris, Rn. 12).
- 74
Soweit darüber hinaus nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jedoch auch solche Maßnahmen eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellen, welche die Ausübung der durch Art. 56 AEUV garantierten Freiheit untersagen, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – C-375/14 –, juris, Rn. 21; Urteil vom 22. Januar 2015 – C-463/13 –, juris, Rn. 25 m.w.N.), folgt daraus im vorliegenden Fall nichts Gegenteiliges. Denn die Auferlegung einer – wie hier mit einem Steuersatz in Höhe von 3 v.H. der Bemessungsgrundlage (§ 5 WbStS) – im Verhältnis zum Wert der besteuerten Dienstleistung niedrigen Steuer ist nicht geeignet, die Dienstleistung zu verhindern, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2005 – C-134/03 – [Viacom Outdoor], Slg. 2005, I-1167 Rn. 38).
- 75
Ungeachtet dessen verbietet die Dienstleistungsfreiheit solche Maßnahmen nicht, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und welche die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie deren Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berühren (vgl. EuGH, Urteil vom 8. September 2005 – C-544/03 u.a. – [Mobistar und Belgacom Mobile], Slg. 2005, I-7723 Rn. 31; Urteil vom 11. Juni 2015 – C-98/14 – [Berlington Hungary u.a.], juris, Rn. 36). So liegt der Fall aber hier. Die Wettbürosteuer, deren unmittelbare Wirkung allein darin liegt, zusätzliche Kosten für das Wetten in einem die Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 WbStS erfüllenden Wettbüro zu verursachen, trifft alle Wettbürobetreiber gleichermaßen. Dabei ist nicht erkennbar, dass überwiegend ausländische Anbieter Wettbüros betreiben, sodass eine verschleierte Diskriminierung aufgrund einer faktischen Wirkung der Regelung (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Januar 2003 – C-388/01 –, Slg. 2003, I-721 Rn. 13) ebenfalls nicht in Betracht kommt (vgl. ebenso OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 135).
- 76
4. Die Wettbürosteuer ist schließlich, was für eine indirekte Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG erforderlich ist, auch kalkulatorisch abwälzbar.
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a) Für die Überwälzung der Steuerlast auf die Wettkunden genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen – Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten – treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –, BVerfGE 123, 1 [22 f.]; Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [215 Rn. 124]; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 9 C 12.08 –, BVerwGE 135, 367 [376 f. Rn. 28]; Urteil vom 14. Oktober 2015 – 9 C 22.14 –, BVerwGE 153, 116 [127 Rn. 33]; Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [232 f. Rn. 44]). Die Überwälzung der Steuerlast muss außerdem rechtlich und tatsächlich möglich sein. Ausgeschlossen wäre eine solche Überwälzbarkeit im Fall der Spielgerätesteuer etwa dann, wenn sich der Steuerbetrag zusammen mit den sonstigen notwendigen Kosten für den Betrieb der Geräte nicht mehr aus dem Spielereinsatz decken ließe und daher die Veranstalter zur Zahlung der Steuer ihre Gewinne aus anderen rentablen Betriebssparten verwenden müssten (sog. schräge Überwälzung; vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 –, BVerfGE 31, 8 [21 f.]; Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –, BVerfGE 123, 1 [36]; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [233 Rn. 44]). Die Voraussetzung einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit ist zumindest so lange gegeben, wie der Umsatz nicht nur den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971 – 1 BvL 22/67 –, BVerfGE 31, 8 [20]; Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, BVerfGE 145, 171 [216 Rn. 125]; BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [233 Rn. 44]).
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b) Derartige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens stehen dem Wettbürobetreiber – und so auch der Klägerin – zur Verfügung. Soweit der Wettbürobetreiber selbst Wetten abschließt, kann er die Kosten unmittelbar in das vom Wettenden geforderte Entgelt einfließen lassen. Doch auch bei der – wirtschaftlich im Vordergrund stehenden – Vermittlungsvariante stehen hinreichende Abwälzungsmöglichkeiten zur Verfügung. So besteht für den Wettbürobetreiber etwa die Möglichkeit, mit dem Wettveranstalter zu verhandeln, inwiefern der Anfall der Wettbürosteuer provisionserhöhend wirken soll. Sollte er provisionserhöhend berücksichtigt werden, ist es wiederum Sache des Wettveranstalters, dies bei seiner Gestaltung der Wetteinsätze der Wetter einzukalkulieren. Wird zwischen Wettveranstalter und Wettbürobetreiber keine Provisionserhöhung vereinbart, kann der Wettbürobetreiber auf die allgemein bestehenden Möglichkeiten der Umsatzsteigerung sowie eine Senkung der sonstigen Kosten zurückgreifen. Insbesondere steht der Klägerin aber die Möglichkeit zur Verfügung, die Steuer auf den Wettkunden durch eine Art „Vermittlungsgebühr“ überzuwälzen, wie dies in Bezug auf die Sportwettensteuer üblich ist (vgl. zu den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten der Abwälzung für den Wettbürobetreiber BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [233 f. Rn. 45 ff.]; OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 102).
- 79
Soweit die Klägerin dem entgegenhält, sie habe „in der besonderen Konstellation der bloßen Vermittlung an einem [sic] im Ausland sitzenden Veranstalter nur sehr beschränkte Möglichkeiten, auf die Überwälzung der Kosten auf den Wettenden Einfluss zu nehmen“, verfängt dies nicht. Die Kammer hat schon in tatsächlicher Hinsicht Zweifel an diesem Vorbringen, denn auch der Wettveranstalter hat ein besonderes Interesse daran, dass seine Wetten weiterhin gut vermittelt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [234 Rn. 47]). Ungeachtet dessen stehen der Klägerin die weiteren, vorstehend nur skizzierten Möglichkeiten offen, die Wettbürosteuer auf die Wettenden überzuwälzen. Soweit die Klägerin einwirft, zur Erhebung zusätzlicher Gebühren vertraglich nicht befugt zu sein, ist dies unerheblich. Ungeachtet dessen, dass nach der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich die Möglichkeit der Überwälzung bestehen muss, kann es nicht darauf ankommen, was in den jeweiligen Verträgen geregelt ist. Anderenfalls könnte sich ein Unternehmer einer auf Abwälzbarkeit angelegten indirekten Steuer jederzeit durch Vertragsgestaltung entziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 9 C 7.16 –, BVerwGE 159, 216 [234 Rn. 47]).
- 80
II. Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Wettbürosteuer gegenüber der Klägerin für die Monate Mai und Juni 2019 zutreffend festgesetzt. Einwände gegen die Höhe der Festsetzung sind von der Klägerin weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte – anders als die Klägerin in ihrer Steueranmeldung vom 17. Juli 2019 – als Bemessungsgrundlage zu Recht den Gesamtumsatz inklusive der auf die tatsächlich getätigten Wetteinsätze eingenommenen „Gebühren“ gewählt. Denn nach § 4 WbStS ist Bemessungsgrundlage der Wettbürosteuer der Wetteinsatz der Wettenden ohne Abzüge (Brutto-Wetteinsatz). Hierunter fällt nicht nur der tatsächlich getätigte (Netto-)Wetteinsatz, sondern auch die „Gebühr“ in Höhe von 5 % – der Sache nach also die abgewälzte Sportwettensteuer –, die ebenfalls von den Wettenden zu entrichten ist. Gegen diesen Bemessungsansatz ist von Rechts wegen nichts zu erinnern (vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 139 f. m.w.N.; ferner auch Hessisches FG, Urteil vom 12. November 2018 – 5 K 1569/16 –, juris, Rn. 31 ff. zur Einbeziehung der auf die Wettenden umgelegten Steuer in die Bemessungsgrundlage der Sportwettensteuer).
- 81
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Die Berufung wird gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtssache wegen der Frage, ob eine Wettbürosteuer, deren Bemessungsgrundlage – wie hier – der Brutto-Wetteinsatz ist (§ 4 WbStS), der Pferde- und Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG gleichartig im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG ist, grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. auch die Zulassung der Revision wegen der identischen Frage durch das OVG NRW in seinem Urteil vom 27. August 2020 – 14 A 2275/19 –, juris, Rn. 150).
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.825,05 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz).
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- § 17 Abs. 2 RennwLottG 3x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1275/79 7x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 14 A 2275/19 14x (nicht zugeordnet)
- 1 BvL 8/05 4x (nicht zugeordnet)
- §§ 10, 11 RennwLottG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
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- VwGO § 124 1x
- 1 BvR 1232/00 2x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 RennwLottG 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 AG 1x (nicht zugeordnet)
- § 13 Abs. 5 Satz 3 AG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvL 6/13 6x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - 6 A 11354/07 1x
- 2 BvR 154/74 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvL 11/61 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1991/95 3x (nicht zugeordnet)
- § 19 Abs. 2 Satz 1 RennwLottG 1x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG 3x (nicht zugeordnet)
- § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RennwLottG 1x (nicht zugeordnet)