Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 20 K 3978/13
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾ und die Beklagte zu ¼.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsschuldner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist seit November 2011 Halterin des im Februar 2001 geborenen Retriever-Mischlings mit dem Rufnamen „C. “, den sie aus dem Tierheim Wermelskirchen übernahm.
3Der Hund war in dem Tierheim von der vormaligen Halterin, Frau C1. I. , am 17.07.2008 abgegeben worden, nachdem er deren Ehemann und Sohn am 16.07.2008 durch Bisse in die Unterarme verletzt hatte. Am 17.07.2008 fand eine amtstierärztliche Begutachtung im Hause der Familie I. statt, bei der sich der Hund ausweislich der hierüber vorliegenden gutachterlichen Stellungnahme freundlich und sehr verunsichert verhielt. Aggressive Signale waren nicht zu erkennen, auf Befehle der Amtsveterinärin reagierte er, zeigte dabei Beschwichtigungsverhalten und suchte sobald möglich die Nähe der Halterin. Befehle der Halterin wurden, wenn auch zögerlich, teilweise befolgt. Auf der Grundlage des Wortlauts des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW stufte die Amtsveterinärin den Hund als gefährlich ein. Die Beklagte übersandte dem Tierheim mit Schreiben vom 21.08.2008 diese amtstierärztliche Stellungnahme und bat darauf zu achten, dass der Hund nur an berechtigte Hundehalter abgegeben werde; auf das Antragsverfahren für gefährliche Hunde sei hinzuweisen. Eine ausdrückliche Feststellung der Gefährlichkeit durch Verwaltungsakt seitens der Behörde erfolgte nicht.
4Anlässlich einer Nachfrage vom März 2012 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass sich der Hund nicht mehr in dem Tierheim befand. Im weiteren Verlauf verständigten sich die Beteiligten darauf, bei der Amtsveterinärin eine zweite Begutachtung in Auftrag zu geben, um sicher zu gehen, dass es sich tatsächlich um einen gefährlichen Hund handele. Die Amtsveterinärin teilte der Beklagten sodann auf Anfrage am 10.04.2012 mit, dass nach ihrem Rechtsverständnis weder eine Wiederholung der Begutachtung durch das Landeshundegesetz vorgesehen noch eine Abänderung von „Gefährlichem Hund“ auf „Ungefährlicher Hund“ möglich sei. Aufgrund des aktenkundigen Beißvorfalls sei auch eine Einstufung als gefährlicher Hund unabdingbar, da die dringende Gefahr bestehe, dass der Hund in einer aus seiner Sicht vergleichbaren Situation wieder genau so reagiere wie am 16.07.2008. Es erscheine ihr dringend notwendig, dass sich der neue Halter der latenten Gefahr, die von dem Hund ausgehe, bewusst sei.
5Mit Ordnungsverfügung vom 04.05.2012 – überschrieben mit „Feststellung der Gefährlichkeit Ihres Hundes C. (Retriever-Mischling) durch die Amtstierärztin des Kreisveterinäramtes Bergisch Gladbach am 17.07.2008“ – ordnete die Beklagte daraufhin eine Leinen- und Maulkorbpflicht an und legte Anforderungen an die den Hund ausführenden Personen sowie die Einfriedung des Grundstücks fest. Mit weiterem Schreiben ebenfalls vom 04.05.2012 wurde die Klägerin zur Stellung eines Erlaubnisantrages aufgefordert. Die Erlaubnis nach § 4 LHundG wurde der Klägerin am 31.05.2012 erteilt.
6Gegen die vorgenannte Ordnungsverfügung erhob die Klägerin fristgerecht Klage (20 K 3601/12) und legte zur Begründung u.a. eine Bestätigung des Tierheims Wermelskirchen vom 18.05.2012 vor, dass „C. “ während seines Aufenthaltes dort in keiner Weise auffällig geworden sei, eine Bescheinigung der Hundeschule E. aus Solingen über ein erfolgreiches Hundetraining zwischen Dez. 2009 und April 2011 und eine Bescheinigung der Amtsveterinärin des Kreises Olpe vom 26.04.2012 über die Durchführung einer Verhaltensprüfung, wonach keine Hinweise auf gesteigertes aggressives Verhalten feststellbar waren, der Hund aber knurrte, wenn ihm andere Hunde zu nahe kamen. Das Verfahren erklärten die Beteiligten nach gerichtlichem Hinweis übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, wobei die Beklagte klarstellte, dass die Ordnungsverfügung vom 04.05.2012 keine verbindliche Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes der Klägerin „C. “ enthalte und es sich bei den angeordneten Maßnahmen um vorläufige Sicherungsmaßnahmen bis zu einer endgültigen Entscheidung über die Fortdauer der Maßnahmen sowie gegebenenfalls über die Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes handele. Für den Fall, dass eine erneute Entscheidung über die Fortdauer der Maßnahmen sowie gegebenenfalls über die Feststellung der Gefährlichkeit nicht ergehen sollte, stimmten die Beteiligten darin überein, dass die Verpflichtungen der Klägerin aus der Ordnungsverfügung längstens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Erledigung des Rechtsstreits gelten sollten.
7Nach Abschluss des vorgenannten Gerichtsverfahrens bemühte sich die Beklagte um die Durchführung einer erneuten Begutachtung des Hundes durch einen externen Amtsveterinär. Die Amtsveterinärin Frau Dr. M. der Stadt Köln teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19.03.2013 mit, dass sie eine erneute Begutachtung des Hundes nicht durchführen werde. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Hund bei dem Beißvorfall im Jahre 2008 eindeutig gefährliches Verhalten gezeigt habe; auch wenn er seitdem nicht mehr auffällig geworden sei, bestehe jederzeit die Möglichkeit, dass irgendjemand erneut einen Schlüsselreiz setze, der den Hund zum Ausrasten bringe. Das könne man in einer Testsituation überhaupt nicht nachstellen. Mit ähnlicher Begründung lehnte auch das Veterinäramt der Stadt Dortmund eine erneute Begutachtung des Hundes ab.
8Mit Bescheid vom 27.05.2013 stellte die Beklagte daraufhin gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW fest, dass es sich bei dem Hund der Klägerin um einen im Einzelfall gefährlichen Hund gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW handele (Ziffer 1). Zugleich ordnete die Beklagte - unter Androhung eines Zwangsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung - erneut eine Leinen- und Maulkorbpflicht an und legte Anforderungen an die den Hund ausführenden Personen sowie die Einfriedung des Grundstücks fest (Ziffern 2 und 3 des Bescheides). Der Bescheid wurde der Klägerin am 28.05.2013 zugestellt.
9Am 27.06.2013 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, es sei bereits zweifelhaft, ob Ziffer 1 der Ordnungsverfügung nunmehr eine Feststellung der Gefährlichkeit beinhalte, da die Beklagte nach dem Inhalt der Ordnungsverfügung offenbar von einer bereits erfolgten rechtskräftigen Feststellung ausgehe. Jedenfalls sei eine etwaige Entscheidung über die Gefährlichkeit des Hundes rechtswidrig. Auf das amtsveterinärärztliche Gutachten aus 2008 könne die Entscheidung schon wegen des zeitlichen Abstands nicht gestützt werden, außerdem ergäben sich aus dem Gutachten keine Anhaltspunkte für eine Gefährlichkeit. Es seien seinerzeit keine weiteren Einzelheiten bezüglich des Beißvorfalls aufgeklärt worden, auch aktuell seien keine weiteren Ermittlungen erfolgt.
10Ein mit der Klageerhebung eingeleitetes Eilverfahren (20 L 918/13) wurde durch übereinstimmende Hauptsacheerledigungserklärung beendet, da die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung nicht angeordnet worden war.
11In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Ziffern 2 und 3 der Ordnungsverfügung aufgehoben. Die Beteiligten haben das Verfahren insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
12Die Klägerin beantragt weiterhin,
13den Bescheid vom 27.05.2013 in der Fassung der Abänderung vom 21.08.2014 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid. Ergänzend führt sie aus, dass der Beißvorfall aus dem Jahre 2008 und dessen Folgen im Wesentlichen unstreitig seien. Im Übrigen werde bestritten, dass dieser zur Verteidigung gegen eine strafbare Handlung erfolgt sei. Auch aus den Stellungnahmen der Amtsveterinäre der Stadt Köln und der Stadt Dortmund ergebe sich, dass es sich bei „C. “ um einen gefährlichen Hund handele. Es bestehe jederzeit die Gefahr, dass der Hund erneut einem Schlüsselreiz ausgesetzt sei und dann wieder so reagiere, wie er es in der Vergangenheit bereits gezeigt habe. Die Bescheinigung über die Durchführung des Verhaltenstestes bei der amtlichen Tierärztin des Kreises Olpe sei rechtlich nicht relevant.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie in den Verfahren 20 K 3601/12 und 20 L 918/13 und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
20Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet.
21Der angefochtene Bescheid vom 27.05.2013 in der Fassung der Abänderung vom 21.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
22Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes ist § 3 Abs. 3 LHundG NRW. Danach erfolgt die Feststellung der Gefährlichkeit eines im Einzelfall gefährlichen Hundes im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW durch die zuständige Behörde nach Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt. Im Rahmen der nach § 3 Abs. 3 LHundG NRW zu treffenden Entscheidung ist stets eine Gesamtschau aller Vorfälle und Begutachtungen des Hundes vorzunehmen.
23Die von der Beklagten als zuständige Behörde gemäß § 13 Satz 1 LHundG NRW getroffene Feststellung ist hier in formell rechtmäßiger Weise nach Begutachtung durch einen amtlichen Tierarzt erfolgt.
24Bei der in § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW vorgesehenen Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt handelt es sich um ein bloßes Verfahrenserfordernis ohne konstitutive Bedeutung. Zweck ist nur die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und die Sicherstellung von sachverständiger Unterstützung für die Behörde. Einzelheiten über die Art und Weise der Begutachtung regelt das Gesetz nicht. Anders als für gefährliche Hunde gemäß § 3 Abs. 2 LHundG NRW sieht das Gesetz für im Einzelfall gefährliche Hunde insbesondere keine Verhaltensprüfung zum Nachweis dessen vor, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit nicht zu befürchten ist, § 5 Abs. 3 LHundG NRW. Ausreichend ist, dass der Amtstierarzt nach fachlicher und keineswegs offensichtlich willkürlicher Einschätzung zu der Annahme einer Gefährlichkeit des Hundes gekommen ist.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11 – Juris; VG Köln, Urteil vom 04.07.2013 – 20 K 3636/12 - Juris.
26Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen wurde hier dem Verfahrenserfordernis des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW durch die gutachterlichen Stellungnahmen der im Wege der Amtshilfe von der Beklagten hinzugezogenen Amtstierärztinnen der Stadt Köln und der Stadt Dortmund Rechnung getragen, ohne dass es darauf ankommt, dass eine Inaugenscheinnahme des Hundes durch diese nicht erfolgte. Denn eine Inaugenscheinnahme des Hundes oder irgendeine Form der Verhaltensprüfung war nach der fachärztlichen Beurteilung der hinzugezogenen Amtstierärztinnen gerade nicht mehr erforderlich, da für eine die Gefährlichkeit verneinende Einschätzung auf der Grundlage des aktenkundigen Beißvorfalls kein Raum mehr war, selbst wenn eine umfassendere Begutachtung des Hundes keine Anhaltspunkte für eine Bissigkeit oder eine anormale Aggressivität ergeben hätte.
27Es bestehen auch keine Bedenken gegen die materielle Rechtmäßigkeit der getroffenen Feststellung. Denn zur Überzeugung der Kammer handelt es sich bei „C. “ um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.
28Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW ist ein Hund im Einzelfall gefährlich, der einen Menschen gebissen hat, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah.
29Dass es hier am 16.07.2008 zu einem gravierenden Beißvorfall dieser Art zum Nachteil des Ehemannes und Sohnes der ehemaligen Halterin des Hundes gekommen ist, ist zwischen den Beteiligten im Kern unstreitig und ergibt sich zur Überzeugung der Kammer zweifelsfrei sowohl aus dem Bericht der am 16.07.2008 hinzugezogenen Polizeibeamten als auch aus den handschriftlichen Notizen der Amtsveterinärin des Rheinisch-Bergischen Kreises vom 17.07.2008 über Telefonate, die diese unmittelbar nach dem Geschehen mit der ehemaligen Halterin und einem beteiligten Polizeibeamten geführt hat. Nach den Angaben im Polizeibericht erlitten dabei beide geschädigten Personen erhebliche Verletzungen an den Unterarmen und wurden aufgrund dessen ins Krankenhaus verbracht. Anhaltspunkte dafür, dass dieses aggressive Verhalten des Hundes zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren Handlung geschah, ergeben sich an keiner Stelle aus dem Akteninhalt. Soweit die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung das Gegenteil unter Beweis gestellt haben, haben sie konkrete Anhaltspunkte für ihre Behauptung nicht benannt. Die Klägerin ist für das Vorliegen eines etwaigen Verteidigungsverhaltens des Hundes anlässlich einer strafbaren Handlung als Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW beweispflichtig und es hätte ihr daher oblegen, hierfür hinreichend substantiierte Tatsachen zu benennen. Da dies nicht geschehen ist, brauchte die Kammer dem Beweisbegehren nicht nachzukommen. Die von der Beklagten eingeholten amtsveterinärärztlichen Stellungnahmen der Frau Dr. M. der Stadt Köln vom 19.03.2013 und der Frau Dr. C2. -L. der Stadt Dortmund vom 04.04.2013 lassen auch keinen Zweifel daran, dass sich aus diesem schwerwiegenden Beißvorfall bis heute ein erhebliches von dem Hund ausgehendes Gefährdungspotential ergibt, das sich jederzeit wieder realisieren kann. Zwar sei der konkrete Auslöser für den Beißvorfall - etwa ein mögliches Fehlverhalten der Familie mit einer Störung der Rangordnung - nicht bekannt und der Hund habe sich seit dem Juli 2008 unauffällig verhalten, dennoch bestehe jederzeit die Möglichkeit, dass jemand den maßgeblichen - unbekannten - Schlüsselreiz erneut setze und der Hund wieder „ausraste“. Die Beklagte ist vor dem Hintergrund dieser fachärztlichen Beurteilungen zu Recht von der fortdauernden Gefährlichkeit des Hundes ausgegangen, ohne dass es einer aufwändigen und im Ergebnis offenen Suche nach dem mutmaßlichen Schlüsselreiz als Auslöser der Beißattacke bedurfte. Denn die einschlägigen Regelungen des LHundG NRW dienen gerade auch dem Schutz von Personen, die sich gegenüber Hunden aus Unkenntnis, Nachlässigkeit oder Unvermögen unsachgemäß verhalten. Eine Berücksichtigung etwaigen fehlerhaften Verhaltens des Gebissenen im Rahmen des § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW über den im Halbsatz 2 dieser Vorschrift ausdrücklich normierten Umfang hinaus liefe daher dem Wortlaut und dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck der betreffenden Bestimmung zuwider.
30Vgl. u.a. VG Aachen, Beschluss vom 07.12.2011 – 6 L 470/11 – Juris.
31Dies gilt erst recht, wenn – wie hier - ein derartiges „Fehlverhalten“ wegen einer situativ unter Umständen herabgesetzten Reizschwelle des Hundes gar nicht vorhersehbar und daher selbst für kundige Personen nicht vermeidbar ist. Bei dieser Sachlage kommt weder dem durchgeführten Hundetraining noch dem Umstand, dass die Klägerin selbst den Hund bislang unbeanstandet gehalten hat, eine entscheidungserhebliche, zugunsten der Klägerin streitende Bedeutung zu. Zu berücksichtigen ist dabei außerdem, dass der Hund sowohl während des Aufenthaltes im Tierheim Wermelskirchen als auch während der überwiegenden Zeit der Haltung durch die Klägerin bereits besonderen Haltungsvoraussetzungen unterlag, die gerade dem Zweck dienten, die Wiederholung eines vergleichbaren Beißvorfalls auszuschließen.
32Soweit in der angegriffenen Ordnungsverfügung – und zum Teil auch in den in der Akte befindlichen amtstierärztlichen Stellungnahmen - zur Begründung u.a. auf den Erlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2004 hingewiesen wird, wonach im Falle einer einmal erfolgten Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes von einer lebenslangen Gefährlichkeit dieses Hundes auszugehen sei und die Einstufung als gefährlich nicht durch eine erneute Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt rückgängig gemacht werden könne, teilt die Kammer diese Auffassung allerdings nicht. Es entspricht seit langem ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen, dass es sich bei der Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes nach § 3 Abs. 3 LHundG NRW um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG handelt,
33vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.04.2012 – 5 B 1305/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 16.06.2009 – 5 B 409/09 -; VG Aachen, Beschluss vom 07.12.2011 – 6 L 470/11 -; VG Köln, Urteil vom 11.01.2007 – 20 K 1623/05 -, alle abrufbar unter Juris.
34Dies entspricht auch dem üblichen Vorgehen der zuständigen Behörden und entsprechend hat die Beklagte die Feststellung durch die hier streitige Verfügung nunmehr zweifelsfrei in der Form eines verbindlichen Verwaltungsaktes getroffen. Daraus folgt, dass diese Feststellung als Verwaltungsakt nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Regeln auch der Aufhebung unterliegt, etwa im Falle einer nachträglichen Veränderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG,
35so auch: Haurandt, Kommentar zum Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen, 5 Auflage, S. 66.
36Ob unabhängig von dieser Rechtsfrage eine Aufhebung einer einmal getroffenen Feststellung der Gefährlichkeit aus tatsächlichen Gründen im Einzelfall gerechtfertigt ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und der fachtierärztlichen Beurteilung des (andauernden) Gefahrenpotentials des betreffenden Hundes.
37Mit dieser Maßgabe bestehen entsprechend den obigen Ausführungen auf der Grundlage der vorliegenden amtstierärztlichen Stellungnahmen keine Bedenken, dass die von dem Hund „C. “ ausgehende Gefährdung trotz des erheblichen Zeitraums, der seit dem maßgeblichen Beißvorfall verstrichen ist, unverändert die Feststellung der Gefährlichkeit rechtfertigt.
38Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie insoweit die Übernahme der Kosten erklärt hat. Da es sich bei den Regelungen in Ziffern 2 und 3 der Ordnungsverfügung inhaltlich um Annexregelungen zu der in Ziffer 1 getroffenen Feststellung der Gefährlichkeit handelte, war es gerechtfertigt, die hierauf entfallende Kostentragungspflicht der Beklagten auf ein Viertel zu bestimmen.
39Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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