Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 23 K 2020/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger steht als Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants im Dienst der Beklagten. Im Zusammenhang mit einer Zahnbehandlung reichte der Zahnarzt des Klägers unter dem 13. Juni 2013 beim Sanitätszentrum Kerpen – Zahnarztgruppe, Begutachtender Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan für 3 Kronen ein. Nach der Anlage zum Heil- und Kostenplan sollten zwei Kronen (Zähne 46 und 47) als Vollgusskronen in hochgoldhaltiger Legierung ausgeführt werden. Hierzu wird weiter ausgeführt, es bestehe ein approximaler Kontakt zu VMK-Krone 45 (lt. Patient bereits hochgoldhaltig versorgt). Im Heil- und Kostenplan sind geschätzte Gesamtkosten in Höhe von 1.644,11 EUR angegeben.
3Das Fachsanitätszentrum Bonn gab hierzu am 27. Juni 2013 eine Stellungnahme ab, in der u.a. ausgeführt wird, der Patient sei über die Bundewehrrichtlinien aufgeklärt, was bedeute, dass eine NEM-Einheit als Gegenrechnung erfolge und die Mehrkosten für eine hochgoldhaltige Legierung dem Kläger separat in Rechnung gestellt werden.
4Unter dem 10. Juli 2013 erging ein „Festsetzungsbescheid“ durch das Sanitätszentrum Kerpen. In diesem Bescheid ist ausgeführt, dass die Behandlung mit Änderungen genehmigt sei. Die Kosten für eine NEM-Verrechnungseinheit je Zahn würden in voller Höhe übernommen, da die prothetische Versorgung in Vollkeramik geplant sei. Zudem wird ausgeführt, dass die Kostenübernahmeerklärung bis zum 10. Januar 2014 gültig ist. Der Bescheid war an die „Wehrbereichsverwaltung BAPersBw“ adressiert. Im unteren Bereich des Bescheides bestätigte der Kläger durch seine Unterschrift vom 16. August 2013, dass er zur Kenntnis genommen hat, dass die sich aus der Entscheidung ergebende Behandlung seinen Anspruch auf eine zahnmedizinisch notwendige, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnärztliche Behandlung im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung erfülle. Unter der Ziffer IV. bestätigte der Kläger, dass die Durchführung der zusätzlichen Leistungen nach Absprache mit dem behandelnden Zahnarzt und auf seinen ausdrücklichen Wunsch erfolge. Ihm sei bekannt, dass er diese Kosten selbst zu tragen habe und hierfür ein Anspruch auf Beihilfe nicht bestehe. Den Rechnungsbetrag werde er nach Aufforderung durch die zuständige Wehrbereichsverwaltung unverzüglich einzahlen.
5Mit E-Mail (Lotus-Nachricht) vom 7. November 2013 übersandte der Kläger dem Sanitätszentrum Kerpen ein eingescanntes Beschwerdeschreiben vom gleichen Tag. Er erklärte, er lege Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid vom 10. Juli 2013 zum Heil und Kostenplan vom 13. Juni 2013 ein und beantrage eine Änderung des Festsetzungsbescheides zur Übernahme der entstandenen Kosten einschließlich der Kosten für eine Versorgung mit hochgoldhaltiger Legierung. Nach den einschlägigen Bestimmungen seien bei ihm eindeutig die Voraussetzungen für eine Versorgung mit hochgoldhaltiger Legierung gegeben. Diese Versorgung hätte laut Kostenvoranschlag 1086,85 EUR gekostet. Die von Ihm gewählte Ausführung in Vollkeramik habe 895,90 EUR und damit sogar 190,95 EUR weniger gekostet als die ihm zustehende Versorgung.
6Mit Beschwerdebescheid vom 4. Dezember 2013 – zugestellt am 12. Dezember 2013 – wies die Beklagte die Beschwerde des Klägers vom 7. November 2013 zurück. Hierzu führte sie aus, die Beschwerde sei unzulässig. Nach § 6 Abs. 2 S. 1 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) könne die Beschwerde mündlich oder schriftlich eingelegt werden. Die per E-Mail eingelegte Beschwerde genüge diesen Anforderungen nicht, weil auch das System „Lotus Notes“ nicht den Anforderungen des Signaturgesetzes genüge. Zudem sei die Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt worden. Die Monatsfrist des §§ 6 Abs. 1 WBO habe der Kläger nicht beachtet. Der Festsetzungsbescheid zum Heil- und Kostenplan sei ihm nachweislich am 16. August 2013 eröffnet worden, so dass die Beschwerde spätestens am 16. September 2013 hätte eingehen müssen. Die Beschwerde vom 7. November 2013 sei damit verspätet. Dem Bescheid fügte die Beklagte eine Rechtsbehelfsbelehrung bei, in der zutreffend auf die Möglichkeit der Klageerhebung hingewiesen wurde.
7Unter dem 7. Januar 2014 legte der Kläger erneut Beschwerde gegen den Festsetzungsbescheid vom 10. Juli 2013 ein. Er machte geltend, die erneute Beschwerde sei zulässig. Soweit mit Beschwerdebescheid vom 4. Dezember 2013 die Beschwerde vom 7. November 2013 als unzulässig zurückgewiesen worden sei, sei auf § 7 WBO hinzuweisen. Danach laufe die einmonatige Beschwerdefrist in den Fällen, in denen der Beschwerdeführer durch unabwendbare Zufälle an der Einhaltung der Frist gehindert sei, erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses ab, wobei als unabwendbarer Zufall auch anzusehen sei, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben sei. In der hier vorliegenden Verwaltungsbeschwerde sei die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung gesetzlich vorgeschrieben, so dass § 7 Abs. 2 WBO anwendbar sei. Da bis zum heutigen Tag dem Beschwerdeführer keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erteilt worden sei, sei die Beschwerde zulässig. Aus den Gründen der Beschwerde vom 7. November 2013 sei dieser auch weiterhin begründet.
8Mit Beschwerdebescheid vom 21. März 2014 – zugestellt am 2. April 2014 – wies die Beklagte die Beschwerde vom 7. Januar 2014 als unzulässig zurück. Die Unzulässigkeit ergebe sich schon daraus, dass auf die Erstbeschwerde vom 7. November 2013 bereits ein Beschwerdebescheid ergangen sei und in der Rechtsmittelbelehrung hierzu auch auf den Rechtsbehelf der Klage hingewiesen worden sei. Damit sei die „erneute“ Beschwerde schon nicht der statthafte Rechtsbehelf. Darüber hinaus sei die Beschwerdefrist des § 6 WBO nicht eingehalten. Auf § 7 WBO könne sich der Kläger nicht berufen, da die Eröffnung des Bescheides am 16. August 2013 einen mündlichen Verwaltungsakt darstelle, der keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft habe.
9Am 4. April 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht geltend, die eingelegte Beschwerde vom 7. Januar 2014 sei zulässig gewesen. Da die Beschwerde vom 7. November 2013 mit Beschwerdebescheid vom 4. Dezember 2013 als unzulässig zurückgewiesen worden sei, sei der Kläger nicht gehindert gewesen, erneut Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid einzulegen. Diese neue Beschwerde sei auch fristgerecht erfolgt. Fehle eine Rechtsbehelfsbelehrung, so falle das Hindernis im Sinne des § 7 WBO erst dann weg, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß nachgeholt worden sei. Da bis zum heutigen Tag keine Rechtsbehelfsbelehrung zum Ausgangsbescheid erteilt worden sei, sei die Beschwerde zulässig gewesen. Die von der Beklagten bemühte Argumentation, bei der Eröffnung des streitgegenständlichen Bescheides durch den behandelnden Zahnarzt am 16. August 2013 habe es sich um einen mündlichen Verwaltungsakt gehandelt, der keiner Rechtsbehelfsbelehrung bedurft hätte, sei abwegig. Richtig sei zwar, dass er die Kenntnisnahme des Bescheides durch Eintragung des Datums und seine Unterschrift bestätigt habe, über den Bescheid hinausgehende Erklärungen seien aber nicht vorgenommen worden. Im Übrigen wären § 58 Abs. 2 VwGO und § 7 Abs. 2 WBO überflüssig, wenn die Eröffnung eines schriftlichen Verwaltungsaktes jeweils auch als eigenständiger mündlicher Verwaltungsakt anzusehen sei. Die Klage sei auch begründet, da der Kläger bereits mit einer hochgoldhaltigen Legierung versorgt sei. Aus medizinischer Sicht mache die neue Regelung und das Abstellen auf einen direkten Kontakt zwischen den hochgoldhaltigen Legierungen keinen Sinn, da es durch Speichel ohnehin zum Transport von Elektrolyten komme.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Festsetzungsbescheides des Sanitätszentrum Kerpen vom 10. Juli 2013 und des Beschwerdebescheides vom 21. März 2014 zu verpflichten, dem Kläger die gemäß Heil- und Kostenplan Nr. 2466 vom 13. Juni 2013 beantragte zahnärztliche Versorgung zu gewähren.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor, die Klage sei unzulässig. Am 16. August 2013 sei der Festsetzungsbescheid dem Kläger mündlich bekannt gegeben und zur Weiterleitung an den behandelnden Arzt mitgegeben worden. Eine Aushändigung eines schriftlichen Festsetzungsbescheides erfolge nicht und sei in den entsprechenden Formularen auch nicht vorgesehen. Entsprechend habe auch schon das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Urteil vom 10. März 1993 entschieden, dass es keiner Rechtsmittelbelehrung bedürfe. Darüber hinaus bestehe auch in der Sache der Anspruch nach den jetzt geltenden Richtlinien für die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung nicht.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat kein Rechtsschutzbedürfnis für die Verpflichtungsklage, weil der Festsetzungsbescheid vom 10. Juli 2013, der dem Kläger am 16. August 2013 bekannt gegeben wurde, bestandskräftig ist.
18Dies beruht schon darauf, dass der Kläger nach Zustellung des Beschwerdebescheides vom 4. Dezember 2013 keine Klage erhoben hat. Mit dem Bescheid vom 4. Dezember 2013 hat die Beklagte die Beschwerde des Klägers vom 7. November 2013 aus zwei jeweils selbständig tragenden Gründen zurückgewiesen. Zum einen hat sie zur Begründung darauf abgestellt, dass die Beschwerde nicht formgerecht eingelegt wurde, zum andern wird im Bescheid ausdrücklich ausgeführt, dass die Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt wurde. Dem Beschwerdebescheid, der am 12. Dezember 2013 zugestellt wurde, war eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Daher hätte der Kläger – um die Bestandskraft des Ausgangs- und des Beschwerdebescheides zu vermeiden – innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO Klage erheben müssen. Dies ist jedoch nicht erfolgt.
19Soweit der Kläger meint, eine Bestandskraft habe nicht eintreten können, weil die Beschwerdefrist noch nicht zu laufen begonnen habe und weil die Beschwerde nur als nicht formgerecht zurückgewiesen worden sei, trifft dies nicht zu. Schon alleine daraus, dass der Beschwerdebescheid vom 4. Dezember 2013 die Beschwerde vom 7. November 2013 auch – selbständig tragend – als verfristet zurückgewiesen hat, folgt, dass der Kläger die Frage der fristgerechten Beschwerde nur in einem Klageverfahren gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 4. Dezember 2013 hätte klären lassen können.
20Unabhängig hiervon ist auch deshalb Bestandskraft eingetreten, weil die Beschwerden vom 7. November 2013 und vom 7. Januar 2014 nicht fristgerecht eingelegt worden sind.
21Nach § 6 Abs. 1 WBO muss die Beschwerde innerhalb eines Monats eingelegt werden, nachdem der Beschwerdeführer von dem Beschwerdeanlass Kenntnis erhalten hat. Am 16. August 2013 hat der Kläger Kenntnis vom Inhalt des Festsetzungsbescheides erhalten, so dass er bis zum 16. September 2013 hätte Beschwerde einlegen können.
22Die Beschwerdefrist lief auch nicht nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 WBO erst zu einem späteren Zeitpunkt ab. Zwar gilt nach § 7 Abs. 2 WBO die Fristbestimmung des Abs. 1 auch dann, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist jedoch keine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben. Nach § 37 Abs. 6 VwVfG muss einem schriftlichen Verwaltungsakt eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt werden. Im Umkehrschluss ist hieraus zu folgern, dass ein mündlicher Verwaltungsakt nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein muss.
23Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger einen mündlichen und keinen schriftlichen Verwaltungsakt erlassen, so dass kein gesetzliches Erfordernis zur Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung bestand.
24Der schriftliche Festsetzungbescheid vom 10. Juli 2013 ist kein schriftlicher Verwaltungsakt, der gegenüber dem Kläger ergangen ist. Adressat des schriftlichen Bescheides vom 10. Juli 2013 ist – wie dem Adressierungsfeld auf dem Bescheid zu entnehmen ist – nicht der Kläger, sondern das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr als Abrechnungsstelle. Ein schriftlicher Bescheid, dessen Adressat der Kläger ist, ist im Verwaltungsvorgang der Beklagten nicht enthalten und ist auch vom Kläger nicht vorgelegt worden. Die Bestimmung des Umfangs, in dem die geplante zahnärztliche Behandlung von der unentgeltlichen truppenärztlichen Verfolgung umfasst ist, ist dem Kläger gegenüber am 16. August 2013 mündlich erfolgt. An diesem Tag ist dem Kläger die Entscheidung, die gegenüber dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr in schriftlicher Form ergangen war, mündlich mitgeteilt worden. Dies ergibt sich eindeutig aus den Erklärungen, die der Kläger an diesem Tag unterschrieben hat. Diese mündliche Mitteilung erfüllt alle Voraussetzungen des § 35 Satz 1 VwVfG und ist damit ein mündlicher Verwaltungsakt, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt werden musste.
25Etwas anderes folgt auch nicht aus §§ 57, 58 VwGO. Diese Normen finden vorliegend keine Anwendung, weil sie durch die speziellen Regelungen in §§ 6 und 7 WBO für den Bereich der Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung verdrängt werden.
26Vgl. Bachmann in GKÖD, § 7 WBO, Rdn. 9.
27Schließlich ist dem Kläger auch nicht durch den Beschwerdebescheid vom 4. Dezember 2013 eine neue Klagemöglichkeit eröffnet worden. Denn die Beschwerde ist ausdrücklich als unzulässig, weil nicht form- und nicht fristgerecht zurückgewiesen worden. Zwar verhält sich der Beschwerdebescheid auch zu den inhaltlichen Fragen des Anliegens des Klägers. Allerdings wird ausgeführt, dass diese Überlegungen nicht aufgrund und zur Bescheidung der Beschwerde, sondern nur aus Gründen der Dienstaufsicht angestellt wurden.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Referenzen
- VwGO § 58 1x
- § 7 Abs. 2 WBO 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 WBO 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- §§ 6 Abs. 1 WBO 1x (nicht zugeordnet)
- § 7 WBO 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x