Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 10 L 2207/16
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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Gründe
2Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen nicht die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
3Der sinngemäße Antrag,
4den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Sohn der Antragstellerin, G. Z. , vorläufig in die Grundkurse in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik im zielgleichen Unterricht der 7. Klasse der X. -C. -Gesamtschule in L. für das Schuljahr 2016/2017 aufzunehmen,
5hat keinen Erfolg.
6Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die - wie hier - durch vorläufige Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs die Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest teilweise vorwegnehmen, setzen voraus, dass die Vorwegnahme der Hauptsache zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, um andernfalls zu erwartende schwere und unzumutbare Nachteile oder Schäden vom Antragsteller abzuwenden (Anordnungsgrund), und dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg in der Hauptsache spricht (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.
7Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Antragsteller hinsichtlich der vorläufigen Aufnahme in die Grundkurse in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik im zielgleichen Unterricht nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob ein Anordnungsgrund vorliegt. Jedenfalls liegt im Rahmen der im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch nicht vor.
8Die im angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 2016 getroffene Entscheidung über die Beendigung der probeweisen Aufhebung des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs ist rechtlich nicht zu beanstanden. Seine Rechtsgrundlage findet der Bescheid in § 19 Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW - SchulG) vom 15. Februar 2005, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Juni 2016, in Verbindung mit § 14, § 18 Abs. 2 und 4 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF) vom 29. April 2005, zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Juli 2016 (SGV. NRW. 223). Danach werden Schüler, die wegen einer körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderung oder wegen erheblicher Beeinträchtigung des Lernvermögens nicht am Unterricht einer allgemein bildenden Schule teilnehmen können, ihrem individuellen Förderbedarf entsprechend an allgemeinen Schulen oder an Förderschulen sonderpädagogisch gefördert. Nach § 18 Abs. 2 und 4 AO-SF kann die Schulaufsichtsbehörde einen festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf probeweise für sechs Monate aufheben, soweit nach ihren Feststellungen ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung nicht mehr besteht.
9Dabei kann dahinstehen, ob im Rahmen der Beendigung der probeweisen Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eine Beteiligung der Eltern entsprechend § 13 Abs. 2 AO-SF erforderlich ist. Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin von der Erforderlichkeit einer solchen Beteiligung nach § 13 Abs. 2 AO-SF ausgegangen werden müsste, ist eine fehlende Beteiligung aus den nachfolgenden Gründen jedenfalls nach § 46 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) unbeachtlich. Denn es ist offensichtlich, dass dies die Entscheidung der Bezirksregierung Köln in der Sache nicht beeinflusst hat.
10Nach Lage der Akten liegt beim Sohn der Antragstellerin eine Lernstörung im Sinne von § 4 Abs. 1 und 2 AO-SF vor. Die Entwicklungsberichte der X. -C. -Gesamtschule vom 27. November 2015, vom 6. Juli 2016 und vom 16. September 2016, an denen jeweils auch ein Sonderpädagoge beteiligt war, sowie die Stellungnahme des Lehrers für Sonderpädagogik an der X. -C. -Gesamtschule L. , B. H. , vom 19. September 2016 tragen die dahingehende Feststellung der Antragsgegnerin. Lern- und Entwicklungsstörungen sind erhebliche Beeinträchtigungen im Lernen, in der Sprache sowie in der emotionalen und sozialen Entwicklung, die sich häufig gegenseitig bedingen oder wechselseitig verstärken. Ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Lernen besteht danach, wenn die Lern- und Leistungsausfälle schwerwiegender, umfänglicher und langdauernder Art sind. Diese Voraussetzungen sind nach den vorliegenden Unterlagen erfüllt.
11Im Fach Deutsch hat der Sohn der Antragstellerin danach erhebliche Probleme im schriftsprachlichen Bereich, die sich in grammatikalisch falschen Sätzen niederschlagen. Den Anforderungen an den zielgleichen Unterricht kann er nur mit sehr starker Hilfe gerecht werden. Er hat Schwierigkeiten, im Unterricht die jeweilige Aufgabenstellung zu erkennen oder die geforderten Arbeitsschritte nachzuvollziehen oder zu erledigen. Seine Arbeitsweise ist sehr langsam. Aufgaben müssen individuell besprochen werden. Ohne gezielte Hilfestellungen bricht er das Arbeiten ab. Gleiches gilt für das Fach Englisch. Arbeitsaufträgen gegenüber reagiert er häufig mit Ratlosigkeit. Auch im Fach Mathematik kann der Sohn der Antragstellerin den Anforderungen an den zielgleichen Unterricht nur mit Hilfestellungen genügen. Die Unterrichtsinhalte versteht er oftmals nur unzureichend. Hinzukommt, dass sich die Defizite ebenfalls auf die anderen Unterrichtsfächer niederschlagen. Auch dort kann er dem Unterricht nur schwer folgen und versteht oft die Aufgabenstellungen nicht. Seine Noten sind seit der probeweisen Aufhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs stark abgefallen. Seine Leistungen werden größtenteils mit „mangelhaft“ bewertet. Insgesamt bleibt er hinsichtlich seines Wortschatzes und der Grammatik deutlich hinter der Klassengemeinschaft zurück. In nahezu allen Lernbereichen zeigen sich Entwicklungsverzögerungen von über einem Jahr. Teilweise sind die Teilleistungsstörungen so gravierend, dass Inhalte der Grundschule bearbeitet werden müssen. Daneben schlägt sich dies auch auf seine emotionale Stimmungslage nieder. So reagiert er im Unterricht oft sach- und personenunangemessen und zeigt in Klassengesprächen die Neigung, Mitschüler verbal anzugehen. Bei Konflikten ist er nicht hinreichend in der Lage, sich selbst zu kontrollieren.
12Dies und die in den Berichten noch weiter aufgezeigten Lernstandsdefizite zeigen, dass eine hinreichende Förderung im zielgleichen Unterricht aktuell nicht gegeben ist. Diesen Feststellungen ist die Antragstellerin nicht entgegen getreten.
13Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens die Hälfte des Regelstreitwerts zugrundelegt.
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Referenzen
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- VwGO § 123 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 166 1x