Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 7 L 2912/18
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 8100/18 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 03.12.2018 wiederherzustellen,
4bleibt ohne Erfolg.
5Die Anordnung des Sofortvollzugs in der angegriffenen Verfügung entspricht zunächst in formeller Hinsicht den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Die danach erforderliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung soll vorrangig die Behörde zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden. Der Antragsgegner hat sich bei der Anordnung des Sofortvollzugs davon leiten lassen, dass durch die weitere berufliche Tätigkeit des als ungeeignet und unzuverlässig erachteten Antragstellers eine Gefahr gesundheitlicher Schäden für seine Patienten drohe. Er sah sich durch die besonders hohe Bedeutung des Rechtsguts der Gesundheit der Bevölkerung veranlasst, eine Schutzmaßnahme mit sofortiger Wirkung zu ergreifen. Diesen Ausführungen lässt sich entnehmen, dass der Antragsgegner sich des Ausnahmecharakters des Sofortvollzugs bewusst ist. Dabei ist unschädlich, dass sich diese im Wesentlichen mit den Erwägungen decken, die für die berufsrechtliche Maßnahme selbst entscheidungstragend waren. Gerade im Bereich der Gefahrenabwehr können die Gründe für den Sofortvollzug mit den Gründen des Verwaltungsakts identisch sein. Zudem verlangt § 80 Abs. 3 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe die getroffene Maßnahme inhaltlich rechtfertigen,
6vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.08.2016 - 13 B 790/16 - m.w.N.
7Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch materiell nicht zu beanstanden.
8Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt wiederherstellen bzw. anordnen, wenn bei einer Interessenabwägung das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Unter Berücksichtigung der besonderen grundrechtlichen Anforderungen, denen die Zulässigkeit des Sofortvollzugs einer berufsrechtlichen Maßnahme unterliegt
9- vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 08.04.2010 - 1 BvR 2709/09,
10fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
11Dabei sind in die Interessenabwägung zunächst die Erfolgsaussichten in der Hauptsache einzustellen. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand unterliegt die angegriffene Verfügung bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12Der Widerruf der Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ zu führen, findet seine Ermächtigungsgrundlage in § 49 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -. Danach kann ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre.
13Hier führt eine Änderung der Sachlage dazu, dass der Antragsgegner berechtigt wäre, die Erlaubnis zu versagen, weil der Antragsteller die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie - MPhG - erforderliche Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs nicht besitzt. Unzuverlässig als Physiotherapeut ist, wer nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung seines Berufs bietet. Der Begriff der Unzuverlässigkeit wird durch eine Zukunftsprognose charakterisiert, die auf der Basis des bisherigen Verhaltens und der Lebensumstände des Betroffenen zu treffen ist.
14Im Anschluss an die Erlaubniserteilung ist es zu einem erneuten Rückfall des Antragstellers in eine langjährige Abhängigkeit von harten Drogen und zu Verurteilungen wegen Betäubungsmittelstraftaten gekommen. Der Antragsteller wurde durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 07.12.2007 wegen Einfuhr und Handeltreibens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 13 Fällen zu einer zweijährigen, auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Am 17.01.2018 verurteilte ihn das Amtsgericht Aachen u.a. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht T. verhängte schließlich mit Urteil vom 03.07.2018 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten wegen unerlaubten Handeltreibens in Tateinheit mit unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in einer nicht geringen Menge. Dieser Verurteilung lag ein Erwerb von knapp 200 Gramm Heroinzubereitung sowie knapp 25 Gramm Kokainzubereitung zugrunde. Nach den Feststellungen des Gerichts wurde der Antragsteller, der bereits in den neunziger Jahren Heroin konsumiert hatte, im Jahr 2012 rückfällig. Sein Konsum lag bis zu seiner Verhaftung bei zwei bis vier Gramm Heroin täglich, in 2016 oder 2017 kam auch Kokain hinzu.
15Bei diesen Umständen, die der Antragsteller eingestanden bzw. nicht in Abrede gestellt hat, handelt es sich um nachträglich eingetretene Tatsachen. Daran ändert es nichts, dass dem Antragsgegner bei Erlaubniserteilung im Jahr 2003 bekannt gewesen war, dass der Antragsteller bereits in den 1990er Jahren heroinsüchtig gewesen und strafrechtlich wegen Betäubungsmitteldelikten in Erscheinung getreten war. Die Behörde hatte damals - mehr als fünf Jahre nach der letzten geahndeten Straftat - basierend auf einer sorgfältigen Prüfung den Eindruck gewonnen, der Antragsteller habe in der Haft zu einer veränderten Haltung gefunden und ihm sei es während einer im Anschluss regulär durchlaufenen Langzeittherapie gelungen, seine Suchterkrankung zu überwinden sowie einen drogen- und straffreien Lebensweg einzuschlagen; hierfür sprach aus Sicht der Behörde neben der ärztlichen Bescheinigung, dass eine Drogensucht bei dem Antragsteller nicht bestehe, insbesondere auch die im Anschluss an die Therapie absolvierte Bachelorausbildung zum Physiotherapeuten, die der Antragsteller in 2003 erfolgreich abgeschlossen hatte. Die damalige positive Prognose ist durch die seit 2007 begangenen Straftaten und den Rückfall enttäuscht worden.
16Diese Umstände hat der Antragsgegner zutreffend zum Anlass genommen, die Frage der Zuverlässigkeit des Antragstellers nun abweichend zu beurteilen. Da der Antragsteller zumindest seit 2012 bis zu seiner Verhaftung in 2018 Heroinkonsument war, muss er in den letzten sechs Jahren unter ständigem Einfluss dieser harten Droge berufstätig gewesen sein. Die Verurteilung wegen Btm-Einfuhr und –handels in 13 Fällen in 2007 spricht erheblich dafür, dass der Drogenkonsum sich auch auf einen davorliegenden Zeitraum erstreckt, der Antragsteller also einen Großteil seiner in 2003 aufgenommenen Tätigkeit als Physiotherapeut unter Einwirkung von Rauschgift ausgeübt hat. Ganz allgemein wird der einer Sucht unterworfene Angehörige eines Heilberufs seiner Berufspflicht zum Schutz der Gesundheit seiner Patienten nicht gerecht, weil ständig zu besorgen ist, dass er seinen Dienst unter dem Einfluss des Suchtmittels ausübt. Wer - wie der Antragsteller bis zu seiner Verhaftung - als Heroinabhängiger nicht in der Lage ist, auf den täglichen Gebrauch dieser Droge zu verzichten, sich dadurch bei der Ausübung des Berufs unentwegt pflichtwidrig verhält und sich zudem gezwungen sieht, durch Rauschgifthandel die immensen Kosten des Drogenkonsums aufzubringen, bietet augenscheinlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung als Physiotherapeut. Die mit dem Gebrauch dieser Droge einhergehenden psychischen Wirkungen wie Euphorie, Sedierung
17- vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Auflage, S.652 –
18und Gleichgültigkeit sind geeignet, die im Rahmen therapeutischer Behandlungen unabdingbare Urteils- und Handlungsfähigkeit negativ zu beeinflussen. Versucht sich der Süchtige dagegen abstinent zu halten, setzen unmittelbar schwere körperliche Entzugserscheinungen ein. Es liegt auf der Hand, dass während derartiger Funktionseinschränkungen eine physiotherapeutische Behandlung nicht möglich ist. Ein Physiotherapeut muss, um eine ordnungsgemäße und sachgerechte Behandlung seiner Patienten zu gewährleisten, wie jeder Angehörige eines Heilberufs ständig im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte und in jeder Hinsicht „präsent“ sein,
19vgl. für den ärztlichen Beruf OVG NRW, Beschluss vom 11.02.2004 - 13 B 2435/03 -.
20Hinzu tritt, dass der Heroinabhängige, der seinen Drogenkonsum durch Rauschgifthandel (mit-)finanziert, die Drogensucht anderer Menschen initiiert bzw. fördert und so massiv deren Gesundheit zerstört. Wer aufgrund seiner Sucht nicht die Steuerungsfähigkeit besitzt, von einem solchen schädigenden Verhalten Abstand zu nehmen, bietet auch nicht die Gewähr, bei seiner beruflichen Tätigkeit als Physiotherapeut die gesundheitlichen Belange seiner Patienten den eigenen Bedürfnissen voranzustellen. Es besteht die Gefahr, dass er das auf einem besonderen Vertrauen gründende Verhältnis zu Patienten, insbesondere auch zu Jugendlichen und Heranwachsenden, suchtbestimmt als Einnahmequelle zu missbrauchen sucht. Da Heroinsucht mit einer besonders gravierenden körperlichen und psychischen Abhängigkeit einhergeht, ist nicht auszuschließen, dass der heroinsuchtkranke Physiotherapeut, der dealt, in Ermangelung sonstiger rascher Absatzmöglichkeiten zwanghaft in eine Situation gerät, in der er - insbesondere jungen - Patienten Drogen anbietet. Nicht ohne Grund ist dem Antragsteller als gesetzlich eingetretene Nebenfolge seiner Verurteilung wegen Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz im Januar 2018 (wie bereits im Dezember 2007) für die Dauer von fünf Jahren untersagt, Jugendliche zu beschäftigen und auszubilden. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis besteht auch in Bezug auf Patienten, die ihm zur therapeutischen Behandlung anvertraut sind.
21Das langjährige Verhalten des Antragstellers zeigt, dass es ihm trotz der bei Aufnahme der Tätigkeit gegebenen günstigen Faktoren nicht gelungen ist, seine Suchterkrankung nachhaltig in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig konnte er nicht das Verantwortungsbewusstsein dafür aufbringen, dass er bei Einnahme von Drogen mit Rücksicht auf die Belange seiner Patienten nicht therapeutisch tätig sein darf. Diese Umstände lassen ernstlich befürchten, dass der Antragsteller sich auch in Zukunft nicht nachhaltig von seiner Drogensucht wird befreien können und die Tätigkeit als Physiotherapeut unter Einwirkung von Drogen fortsetzen wird. An dieser Einschätzung ändert es nichts, dass sich der Antragsteller im Rahmen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG wegen seiner Abhängigkeit in eine Rehabilitationsbehandlung begeben will. Denn in der Vergangenheit haben bereits zwei Therapien nicht dazu geführt, dass sich der Antragsteller auf lange Sicht vom Drogenkonsum abwenden konnte.
22Ist danach bei Belassung der Erlaubnis die Fortsetzung der Tätigkeit unter Verletzung von Berufspflichten zu besorgen, die dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung dienen, wäre ohne den Widerruf das öffentliche Interesse im Sinne des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gefährdet.
23Die getroffene Ermessensentscheidung begegnet auch unter Berücksichtigung ihrer berufsgrundrechtlichen Auswirkungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Allerdings bewirkt der Widerruf ein Berufsverbot, das schwerwiegend in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz – GG – einwirkt. Der Widerruf ist jedoch zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter geboten. Das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Ausübung seines Berufs. Der Schutz der Bevölkerung verlangt es, einen Physiotherapeuten, der sich aufgrund langjähriger Berufstätigkeit unter dem ständigen Einfluss von Rauschmitteln und mehrfachen Drogenhandels als unzuverlässig zeigt, von der Berufsausübung fernzuhalten. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht erkennbar. Die Erteilung einer Erlaubnis unter Widerrufsvorbehalt, der an den Fall einer Haftstrafenverbüßung anknüpfen soll, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers angeregt hat, würde die Fortsetzung der Tätigkeit eines aktuell unzuverlässigen Angehörigen eines Gesundheitsberufs ermöglichen. Dies lässt sich aber mit dem hohen Stellenwert des Gesundheitsschutzes der Patienten und dem Vertrauen, das Patienten für die Behandlung in die Tätigkeit eines Physiotherapeuten setzen müssen, nicht in Einklang bringen. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach Erledigung von zwei Dritteln der Reststrafe, auf die die Therapiezeit anzurechnen ist, der weitere Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wird. Eine Haftstrafenverbüßung droht daher schon in Kürze allenfalls, wenn der Antragsteller erneut bei der Begehung von Straftaten auffällt. Dies erscheint angesichts der bisher immer wieder aufgetretenen Rückfälle in den Drogenkonsum nicht ausreichend, um den übergeordneten Belangen des Gesundheitsschutzes Rechnung zu tragen. Im Übrigen wird dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass der Antragsteller nach Ablauf von einigen Jahren einen Antrag auf Wiedererteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Physiotherapeut“ stellen und versuchen kann, eine nachhaltige Abstandnahme vom Drogengebrauch - etwa durch engmaschige Drogenscreenings - darzutun. Die Behörde wird dann die zwischenzeitliche Lebensführung des Antragstellers zu würdigen haben um festzustellen, ob er prognostisch die Gewähr für eine ordnungsgemäße Berufsausübung bietet.
24Die besonderen Anforderungen, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten an die Notwendigkeit eines Sofortvollzugs zu stellen sind, sind erfüllt.
25Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stellt einen selbständigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Berufsausübung und –wahl dar, der in seinen Wirkungen über diejenigen des Widerrufs noch hinausgeht. Sie erfordert daher eine eigenständige Prüfung am Maßstab dieser Verfassungsnorm. Zwar lässt Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die Berufsfreiheit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zu. Wegen der gesteigerten Eingriffsintensität beim Sofortvollzug einer berufsrechtlichen Maßnahme sind hierfür jedoch nur solche Gründe ausreichend, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und die ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Der Sofortvollzug muss daher zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich sein, die bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens konkret zu erwarten sind,
26vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.12.2004 - 13 B 2314/04 - und vom 03.08.2018 - 13 B 826/18 -.
27Ein solches Gefährdungsrisiko ist bei dem Antragsteller anzunehmen. Der Sofortvollzug ist erforderlich, um während des Hauptsacheverfahrens weitere ernsthafte Verstöße der Antragstellers gegen seine Berufspflichten und damit verbundene Gefahren für die Gesundheit seiner Kunden zu vermeiden. Verlässliche Anhaltspunkte, dafür, dass der Antragsteller unter dem Druck der letzten strafgerichtlichen Verurteilung und des verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens zu einer ordnungsgemäßen, nicht gefährdenden Berufsausübung finden wird, hat die Kammer nicht. Denn der Antragsteller hat in der Vergangenheit erkennen lassen, dass ihm im Hinblick auf seine Suchterkrankung die Steuerungsfähigkeit fehlt, sein Verhalten an die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Berufsausübung anzupassen und in Verantwortung für die gesundheitlichen Belange seiner Patienten zu handeln.
28Vor allem aber sieht die Kammer eine konkrete Gefährdung von gesundheitlichen Belangen der Patienten, weil erhebliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Drogenkonsum des Antragstellers zuletzt offenbar noch weiter dynamisiert hat. Neben eine langjährige Heroinabhängigkeit ist nach wiederholtem Rückfall der Gebrauch von Kokain hinzugetreten. Die Dichte der strafrechtlichen Verurteilungen - so ist die (letzte) Tat, die Grundlage des Strafurteils vom 03.07.2018 war, im Februar 2018 und damit nur einen Monat nach dem vorangegangenen Strafurteil vom 17.01.2018 begangen worden - hat zugenommen. Die Drogenmenge, die der Antragsteller nach den Feststellungen des Amtsgerichts T. im Urteil vom 03.07.2018 zuletzt erworben sowie in Besitz hatte - die Grenze zur nicht geringen Menge war bei dem geahndeten Drogenerwerb im Februar 2018 um das 45-fache überschritten – übersteigt diejenige aus früheren strafrichterlichen Feststellungen. Dies weist zusätzlich darauf hin, dass der Drogenkonsum in jüngerer Zeit weiter außer Kontrolle geraten ist. Dies erhöht die Gefahr, dass über die Verletzung von Berufspflichten hinaus tatsächlich im Rahmen des Behandlungsverhältnisses unter dem Einfluss von Heroin/Kokain auch ein Schadenseintritt in Bezug auf die körperliche Unversehrtheit seiner Patienten erfolgt.
29Das öffentliche Interesse an einer zwingend auszuschließenden Patientengefährdung ist höher zu bewerten als das Interesse des Antragstellers, seinen Beruf als Physiotherapeut vorläufig weiter auszuüben. Der Sofortvollzug schließt eine selbständige Existenzsicherung des Antragstellers nicht aus. Nach derzeitiger Sachlage kann er sein Fitnessstudio unter einstweiligem Verzicht auf die therapeutische Tätigkeit fortführen. Familienangehörige sind auf ein Erwerbseinkommen des Antragstellers nicht angewiesen. Ungeachtet dessen sind die Wirkungen des Sofortvollzugs im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller weitgehend reparabel, da er wieder als Physiotherapeut tätig werden könnte; realisieren sich hingegen die Gesundheitsgefahren für Patienten, sind eingetretene Schäden nur schwer wieder gutzumachen,
30vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.08.2016 - 13 B 790/16 -.
31Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides enthaltene Aufforderung, dem Antragsgegner die Erlaubnisurkunde auszuhändigen, begegnet wegen der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ermächtigungsgrundlage für das Herausgabeverlangen ist § 52 Sätze 1 und 2 VwVfG NRW. Hiernach kann die Behörde eine Urkunde zurückfordern, die aufgrund eines widerrufenen Verwaltungsaktes erteilt worden ist. Eine auf § 52 VwVfG gestützte Rückforderung von Urkunden ist auch dann möglich, wenn der die Wirksamkeit des Verwaltungsakts aufhebende Bescheid noch nicht unanfechtbar, wohl aber sofort vollziehbar ist,
32vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.05.1990 - 5 A 1692/89 -.
33Auf der Rechtsfolgenseite hat der Antragsgegner das ihm eingeräumte Ermessen erkannt und hiervon in zweckentsprechender Weise Gebrauch gemacht. Zutreffend begründet er die Aufforderung zur Herausgabe damit, dass im Interesse des Patientenschutzes sichergestellt werden muss, dass der Antragsteller die Urkunde nicht zu einer der weiteren Ausübung des Berufes nutzt.
34Auch die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides enthaltene Zwangsgeldandrohung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der insoweit maßgeblichen Rechtsgrundlagen des § 63 Abs. 1 bis 3, 5, 6 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen sind erfüllt.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
36Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs.1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Verfahrens ist die Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zugrunde gelegt worden.
37Rechtsmittelbelehrung
38Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
39Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
40Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
41Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
42Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
43Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
44Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
45Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
46Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- § 52 Abs.1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 2314/04 1x (nicht zugeordnet)
- 13 B 2435/03 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 80 2x
- 5 A 1692/89 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes 1x
- 13 B 826/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 52 Rückgabe von Urkunden und Sachen 1x
- 13 B 790/16 2x (nicht zugeordnet)
- Stattgebender Kammerbeschluss vom Bundesverfassungsgericht (1. Senat 2. Kammer) - 1 BvR 2709/09 1x
- § 35 BtMG 1x (nicht zugeordnet)
- 7 K 8100/18 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 55a 3x