Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 8 L 1382/20
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die für erstattungsfähig erklärt werden.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (8 K 1402/20) gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2020 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Das Gericht ordnet gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage an, wenn das Interesse des Antragstellers, von der Baumaßnahme vorerst verschont zu bleiben, schwerer wiegt, als betroffene öffentliche Interessen und das Interesse des Bauherrn, die Baugenehmigung sofort auszunutzen. Diese Entscheidung bestimmt sich im Wesentlichen nach den Erfolgsaussichten der Klage, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 212a BauGB, dass Drittanfechtungsklagen gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben.
6Danach war die aufschiebende Wirkung hier nicht anzuordnen. Die Klage der Antragsteller wird bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben, weil die streitige Baugenehmigung sie nicht in eigenen Rechten verletzt.
7Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 30.05.2017 – 2 A 130/16 –, juris, Rn. 26.
8Soweit die Antragsteller geltend machen, durch die genehmigten Umbaumaßnahmen verliere das Haus die Eigenschaft als Doppelhaus, dringen sie bei summarischer Prüfung nicht durch.
9Ein Nachbar, der sich – wie vorliegend – auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.11.1997 – 4 B 195.97 –, juris, Rn. 6.
11Ein derartiger Verstoß kann sich aus einer unzulässigen Veränderung eines Doppelhauses ergeben.
12Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, weil dort nur Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO den maßgeblichen Rahmen bilden, so fügt sich ein grenzständiges Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich nicht nach der Bauweise ein, das unter Beseitigung eines bestehenden Doppelhauses grenzständig errichtet wird, ohne mit dem verbleibenden Gebäude ein Doppelhaus zu bilden. Ein solches Vorhaben verstößt gegenüber dem Eigentümer der bisher bestehenden Doppelhaushälfte grundsätzlich gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, juris, Rn. 11.
14Grund hierfür ist die spezifische Wechselbeziehung, die ihren Ursprung in dem wechselseitigen Verzicht auf Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze hat. Die Möglichkeit des Grenzanbaus erweitert für beide Grundstückseigentümer die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter gleichzeitigem Verlust der sonst erforderlichen Grenzabstände. Diese für beide Grundstückseigentümer vor- wie nachteiligen Umstände begründen ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf.
15Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 – 4 C 12.98 –, juris, Rn. 21.
16Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Allerdings treffen den Nachbarn größere Hinnahmepflichten, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, juris, Rn. 22 f.
18Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses auch für den unbeplanten Innenbereich. Der Begriff des Doppelhauses darf bauordnungsrechtlich nicht überladen werden. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude (noch) ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird. Letztere liegt darin, dass das Doppelhaus den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude erscheint.
19Vgl. BVerwG, Urteile vom 05.12.2013 – 4 C 5.12 –, juris, Rn. 13, 16 und vom 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, juris, Rn. 19, sowie vom 24.02.2000 – 4 C 12.98 –, juris, Rn. 24, jeweils m. w. N.
20Es lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles vorzunehmen. Qualitative und quantitative Kriterien dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Denn es ist ebenso denkbar, dass größere quantitative Abweichungen bei deutlich einheitlicher Gestaltung hingenommen werden können, wie es vorstellbar ist, dass eine deutlich abweichende Gestaltung in ihrer Wirkung gemindert wird, weil die Gebäudeteile in quantitativer Hinsicht stark übereinstimmen. Eine isolierte Betrachtung vernachlässigt auch, dass Fälle denkbar sind, in denen das Zusammenwirken quantitativer und qualitativer Kriterien den Charakter eines Doppelhauses entfallen lässt.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.09.2015 – 7 A 1276/13 –, juris, Rn. 40, m. w. N.
22Quantitativ sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und –breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu berücksichtigen. Qualitativ kommt es unter anderem auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur des Gebäudes an.
23Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 15.09.2015 – 2 CS 15.1792 –, juris, Rn. 13.
24Die Anzahl der Wohnungen, der Hauseingänge, der erforderlichen Stellplätze und die städtebauliche Wirkung der Gesamtmasse eines Baukörpers sind für § 22 Abs. 2 BauNVO ebenso unerheblich wie die Fragen, ob bei aneinandergebauten Wohnungen etwa die Heizungsanlage gemeinsam betrieben wird oder einzelne Bauteile des Hauses gemeinsam genutzt werden.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.08.1997 – 10 B 1869/97 –, juris, Rn. 16. Vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 08.12.1995 – 1 L 3209/94 –, juris, Rn. 10.
26Ohne Belang wird regelmäßig auch sein, auf welcher Gebäudeseite sich jeweils die Hauseingänge und Gärten befinden.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.01.2020 – 10 B 1530/19 –, juris, Rn. 7.
28Das nachbarliche Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf, bezieht sich auf die wechselseitige Grenzbebauung.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 – 7 A 44/09 –, juris, Rn. 44.
30Es ist – dem Grundgedanken dieser besonderen Form der Bauweise folgend – nur für den unmittelbar grenzständigen und zusätzlich einen gewissen, nicht abstrakt bestimmbaren grenznahen Bereich auf den benachbarten Baugrundstücken zu fordern. Hier dürfen die Abweichungen der aneinandergebauten Baukörper regelmäßig eine noch als „verträglich“ anzusehende Größenordnung nicht übersteigen. Solange sich aber ein Vorhaben in dem so abgesteckten Rahmen bewegt, kann ein Nachbar, auf dessen Grundstück zuerst eine „Hälfte“ errichtet wurde, die Genehmigung für die „zweite Hälfte“ nicht mit dem Argument erfolgreich abwehren, der Neubau stimme in grenzfernen Teilbereichen nicht hinlänglich mit den aus seinem Bestand angeblich auch dafür abzuleitenden Vorgaben überein, sei deswegen kein Doppelhaus und verletzte ihn aufgrund dessen in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten. Das muss jedenfalls gelten, wenn aufgrund planerischer Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen die Bauräume auf den benachbarten Grundstücken sehr groß sind, sodass davon auszugehen ist, dass der kommunale Plangeber dem jeweiligen Eigentümer eine zunehmende Gestaltungsfreiheit im Sinne einer Lockerung von der Doppelhausbindung zuerkannt hat.
31Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 14.02.2018 – 15 CS 17.2549 –, juris, Rn. 11.
32Der Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus kann aber nicht nur entstehen, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, sondern auch, wenn ein nicht grenzständiger Anbau wegen seiner Abmessungen die bisherige Doppelhaushälfte so massiv verändert, dass die beiden Gebäude nicht mehr als bauliche Einheit erscheinen.
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.05.2011 – 10 A 2026/09 –, juris, Rn. 33 ff., 37, sowie dazu BVerwG, Beschluss vom 17.08.2011 – 4 B 25.11 –, juris, Rn. 5.
34Ein solcher Fall kann insbesondere dann gegeben sein, wenn der im Verhältnis zur bisherigen Kubatur massive Anbau grenznah errichtet wird und - in seiner Wirkung einem grenzständigen Anbau vergleichbar - die Freiflächen auf dem Grundstück der anderen Doppelhaushälfte abriegelt. Ob ein nicht grenzständiger Anbau die bisherige bauliche Einheit zweier Doppelhaushälften aufhebt, hängt daher maßgebend von den Umständen des Einzelfalls ab.
35Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.04.2012 – 4 B 42.11 –, juris, Rn. 9.
36Die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus hängt aber nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 4 C 12.14 –, juris, Rn. 19, m. w. N. Vgl. ferner Bay. VGH, Beschluss vom 06.05.2019 – 2 CE 19.515 –, juris, Rn. 7.
38Aufeinander abgestimmt sind die Hälften eines Doppelhauses, wenn sie sich in ihrer Grenzbebauung noch als "gleichgewichtig" und "im richtigen Verhältnis zueinander" und daher als harmonisches Ganzes darstellen, ohne disproportional, also zufällig an der Grundstücksgrenze zusammengefügte Einzelhäuser ohne hinreichende räumliche Verbindung zu erscheinen. Denn kennzeichnend für die offene Bauweise ist der seitliche Grenzabstand der Gebäude; die Doppelhaushälften müssen folglich gemeinsam als ein Gebäude in Erscheinung treten. Dementsprechend muss eine Haushälfte, soll sie Teil eines Doppelhauses sein, ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit der zugehörigen Haushälfte aufweisen, indem sie zumindest einzelne der ihr Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Anderenfalls wäre der die Hausform kennzeichnende Begriff der baulichen Einheit sinnentleert. Insoweit erfährt ein geplantes Haus durch die bereits vorhandene Grenzbebauung eine das Baugeschehen beeinflussende Vorprägung.
39Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12.05.2011 – 10 A 2026/09 –, juris, Rn. 33 f.
40Bauherren, die in Ausnutzung einer Doppelhaus-Festsetzung einen Grenzbau errichten, können allerdings nicht erwarten, dass die später errichtete Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben eingeschränkten Umfang wie die zuerst gebaute Haushälfte ausnutzt. Insoweit bleibt auch Raum für eine versetzte Anordnung der beiden Haushälften. Sie tragen - sozusagen als planerische Vorbelastung - das Risiko, dass die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als sie selbst. Der spätere Bau an der Grenzstellung des früheren muss sich lediglich daran orientieren und in eine "harmonische Beziehung" zu diesem treten. Der frühere Grenzbau wirkt daher für den späteren als maßstabsbildende "Vorbelastung". Das kann im Einzelfall für den späteren Bau bedeuten, dass er die überbaubare Grundstücksfläche nicht voll ausschöpfen darf.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 – 4 C 12.98 –, juris, Rn. 25.
42Ausgehend hiervon geht das Gericht – wie offenbar auch die Beteiligten – bei summarischer Prüfung davon aus, dass die dargestellte sog. Doppelhaus-Rechtsprechung vorliegend „anwendbar“ ist. Die betroffenen Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Der maßgebliche Umgebungsrahmen ist – ebenfalls zwischen den Beteiligten nicht umstritten – in offener Bauweise bebaut, weil dort bei summarischer Prüfung Einzelhäuser, Doppelhäuser und Hausgruppen im Sinne von § 22 Abs. 2 BauNVO prägend vorhanden sind. Ob tatsächlich die nähere Umgebung alleine durch mit Grenzabstand errichtete Gebäude geprägt ist, bedarf allerdings ggf. der Überprüfung im Hauptsacheverfahren. Insoweit könnte dem Umstand Gewicht zukommen, dass immerhin die Hausgruppe N. . 000 bis 000 nach überschlägiger Abmessung bei „tim-online“ länger als 50 m sein dürfte und je nach betrachtetem prägendem Umgebungsrahmen auch weitere nicht in offener Bauweise bebaute Bereiche in der Nähe erkennbar sein könnten. Wäre aber hinsichtlich der Bauweise eine Gemengelage gegeben, käme mangels faktischer offener Bauweise eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes zu Lasten der Antragsteller durch das Vorhaben der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des „Doppelhauscharakters“ nicht in Betracht.
43Unabhängig davon ergibt sich durch den nach Umsetzung des genehmigten Vorhabens entstehenden Baukörper keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme in seiner vorstehend erläuterten Ausprägung.
44Das Vorhaben verändert die Situation bezogen auf den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht und ist auch im Übrigen so auf das Bestandsgebäude der Antragsteller abgestimmt, dass das auf beiden Grundstücken gebildete Gesamtgebäude – noch – als bauliche Einheit erscheint.
45Dies gilt zunächst einschränkungslos für den unmittelbar an die Doppelhaushälfte der Antragsteller angebauten Vorhabenteil: Dieser nimmt bei marginalen Abweichungen im hiesigen Zusammenhang wesentliche Merkmale der Doppelhaushälfte der Antragsteller auf. Dies gilt insbesondere für Gebäudeflucht, Firsthöhe, Oberkante Wandabschluss und Oberkante Gaube des Nachbarbestandsbaus im Vergleich zur Oberkante Attika des Vorhabens. Der ganz überwiegende Teil des Vorhabens übernimmt ferner Firstausrichtung und Satteldachgestaltung sowie die Dachneigung des Gebäudes der Antragsteller. Angesichts der vorgenannten, ausgeprägten Übereinstimmungen tritt der Umstand, dass statt der Geschosszahl II eine (optisch in der Fassade eher unauffällig gestaltete) Geschosszahl III geplant ist, in der Wahrnehmung der Gebäudeteile zurück und kommt es auf die Positionierung des Hauseingangs nicht an.
46Auch die Bebauungstiefe ist im Grenzbereich praktisch identisch. An der C. Straße reicht das Vorhaben – ähnlich dem Gebäude Nr. 000 – allerdings knapp 5 m weiter in den Garten hinein als das Haus der Antragsteller. Das darin zunächst angelegte Ungleichgewicht fällt allerdings infolgedessen erheblich geringer aus, als in dieser Tiefe nur im Erdgeschoss gebaut wird und die oberen Geschosse treppenartig zurücktreten. Zu Abstandsflächenverletzungen kommt es insoweit nicht.
47Hinsichtlich der Bebauungsbreite ergibt sich Folgendes: Es trifft zwar zu, dass das Vorhaben im Vergleich zum Gebäude der Antragsteller bezogen auf die N.------straße mit einer Breite von gut 16 m statt gut 10 m deutlich breiter ist, wobei das Vorhaben sich nach hinten „verjüngt“, so dass der Unterschied auf der Rückseite geringer ist. Es ist aber zu berücksichtigen, dass sich die Fassade an der N.------straße genauer betrachtet wie folgt darstellt: Grenzständig aneinandergebaut sind in einer Breite von beidseits der Grenze 8,81 m weitgehend ähnlich gestaltete Gebäudeteile. Auf der Seite der Antragsteller schließt sich auf einer Breite von 1,57 m ein nach hinten verspringender Teil an. Auf der Vorhabenseite schließt sich zwar ein insgesamt 7,21 m breiter Gebäudeteil an. Dieser besteht allerdings in einer Breite von 5,21 m aus einem Gebäudeteil, bei dem vor den weitgehend dem klägerischen Gebäudeteil angepassten Baukörper lediglich eine Art Vorbau tritt. Dieser Vorbau ist letztlich Teil eines den „angepassten Baukörper“ gleichsam umarmenden Flachdachanbaus, der wiederum jenseits der gedachten Giebelwand unter dem Satteldach des Vorhabens lediglich eine Breite von 2 m aufweist. „Unruhige“ Elemente in der Fassade zur N.------straße weist im Übrigen auch das Haus der Antragsteller mit einem Erker auf, womit für die – freilich deutlich ausgeprägteren – Vorbauten im Bereich des Vorhabens an dieser Stelle auch ein gewisses Vorbild vorhanden ist, zumal das Tiefenmaß abgestimmt ist.
48An diesem Ergebnis ändert bei summarischer Prüfung auch der sich anschließende, an die C. Straße angrenzende Gebäudeteil nichts. Das nachbarliche Austauschverhältnis sowie die harmonische Beziehung der Gebäude zueinander geraten auch durch den Flachdachanbau nicht aus dem Gleichgewicht.
49Auch dieser Gebäudeteil greift mit der Oberkante der Gauben ein besonders augenfälliges Elemente der vorhandenen Doppelhaushälfte auf. Der „Anbau“ wird im Übrigen nicht grenzständig, sondern an der den Antragstellern abgewandten Grundstückseite errichtet und an einen Gebäudeteil gebaut, der seinerseits in vertikaler und horizontaler Richtung sehr harmonisch an die antragstellerseitige Doppelhaushälfte angrenzt. Der an der den Antragstellern abgewandten Grundstücksseite geplante Flachdachanbau führt auch zu keiner spürbaren Beeinträchtigung gegenüber den Antragstellern; insbesondere fallen sämtliche Abstandsflächen auf das Grundstück der Beigeladenen. Ferner kommt es zu keiner die Freiflächen des antragstellerseitigen Grundstücks abriegelnden Wirkung. Allerdings entsteht durch den Anbau (einschließlich des „umarmenden“ Teiles) ein Vorhaben, das deutlich breiter ist als die verbleibende antragstellerseitige Doppelhaushälfte. Hierbei tritt der Flachdachanbau indes weniger gewichtig in Erscheinung. Zum einen, weil er eine deutlich geringere Höhe als der grenzständige Teil der Doppelhaushälfte aufweist. Zum anderen, weil er aufgrund seiner Ecklage nicht ausschließlich der Bebauung entlang der N.------straße zuzurechnen ist, sondern jedenfalls zusätzlich auch der Bebauung entlang der C. Straße. Das bei formaler Betrachtung gegebene Ungleichgewicht bildet also lediglich die vorgefundene Grundstückssituation ab und der Eindruck einer einseitigen Grenzbebauung in der N.------straße wird dadurch vermieden.
50Die vorgefundene Grundstückssituation ist dabei Teil der spezifischen Wechselbeziehung zwischen den benachbarten Grundstücken. Gerade der letztgenannte Umstand führt hier auch dazu, dass insgesamt kein disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper wahrgenommen werden wird, bei dem die Doppelhaushälfte der Antragsteller als bloßes „Anhängsel“ im Verhältnis zum Neubau übrig bliebe. Zwar kann aufgrund der Baumassen eher nicht mehr angenommen werden, dass der Anbau als lediglich untergeordneter Gebäudeteil in Erscheinung tritt. Jedoch können die Antragsteller auch aus dem Umstand, dass sich eine getrennte Bewertung der beiden Gebäudeteile auf dem Vorhabengrundstück mit Blick auf den maßgeblichen Gesamtbaukörper verbietet und deshalb die Form des Hauses insgesamt massiv verändert wird, im Ergebnis nichts für sich herleiten. § 22 Abs. 2 BauNVO dient der Steuerung der Bebauungsdichte und der Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes. Insoweit darf die geplante Bebauung der vorgefundenen Situation, dass es sich beim Vorhabengrundstück um ein Eckgrundstück handelt durchaus Rechnung tragen, solange Rechte der Nachbarn nicht verletzt werden.
51A.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.07.2015 – 2 S 29.15 –, juris, Rn. 8.
52So wie der kommunale Plangeber dem jeweiligen Eigentümer eine größere Gestaltungsfreiheit im Sinne einer Lockerung von der Doppelhausbindung zuerkennen kann, kann sich im unbeplanten Innenbereich eine solche daraus ergeben, dass sich ausgeprägtere Abweichungen des Vorhabens von der vorgefundenen Doppelhaushälfte aufgrund der örtlichen Gegebenheiten einfügen. Für den Nachbarn ergeben sich entsprechend größere Hinnahmepflichten. Ein auf zwei Grundstücken stehendes Gebäude kann demgemäß – wie hier – aus aufeinander abgestimmten Teilen bestehen, wenn die Gestaltung der Gebäudeteile, angepasst an die unterschiedliche Grundstückssituation, auch deutlicher voneinander abweicht, solange nicht ein Gebäudeteil dadurch „entwertet“ oder erdrückt wird. Insbesondere jenseits der gemeinsamen Grundstücksgrenze muss der Nachbar im Sinne der Steuerung der Bebauungsdichte und Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes weniger „Uniformität“ hinnehmen, wenn diese sich erkennbar aus Besonderheiten der Örtlichkeit herleiten lässt und von daher in der Wahrnehmung des Gesamtbaukörpers nicht „zu Lasten“ des Gebäudeteils des betroffenen Nachbarn „gebucht“ werden kann.
53So liegen die Dinge bei summarischer Prüfung auch hier: Der unbefangene Betrachter wird den Gebäudeteil der Antragsteller nicht als „untergeordnetes Anhängsel“ des Vorhabens ansehen. Vielmehr wird er auf der N.------straße das Haus der Antragsteller, den dieses fortschreibenden Gebäudeteil des Vorhabens und dann – gleichsam mit „Scharnierfunktion“ – einen Gebäudeteil wahrnehmen, der über die Ecke zwischen N.------straße und C. Straße zur Bebauung der C. Straße überleitet. Umgekehrt, von der C. Straße aus kommend, ergibt sich Entsprechendes. Insgesamt ist nach alledem davon auszugehen, dass das Gesamtgebäude den Gesamteindruck einer offenen, aufgelockerten Bebauung nicht stört, eben weil es als ein Gebäude „auf der Ecke“ erscheint. Das Grundstück der Antragsteller trägt insoweit die planerische Vorbelastung, dass eine Nachbarbebauung die Ecksituation planerisch ausschöpft. Dies verletzt das Gebot der Rücksichtnahme solange nicht, wie der spätere Bau sich am bereits vorhandenen orientiert und in eine "harmonische Beziehung" zu diesem tritt, was vorliegend bei summarischer Prüfung der Fall ist, weil das Vorhaben erkennbar im Grenzbereich mit einer hinreichenden räumlichen Verbindung eng an den Nachbarbau angepasst und im weiter entfernten Bereich in Anlehnung an die örtlichen Gegebenheiten gestaltet ist.
54Je nach Bestimmung des maßgeblichen Einfügerahmens käme ggf. dazu, dass in der Umgebung offenbar weitere Ecksituationen vorhanden sind, in denen, wie sich aus den im Verwaltungsvorgang befindlichen Lichtbildern und den im Internet zugänglichen Quellen ergibt, stärker voneinander abweichende Gebäudeteile grenzständig aneinandergebaut sind. Einzelheiten hierzu und zu der Frage, inwieweit sich hieraus größere Hinnahmepflichten der Antragsteller ergeben könnten, müssen ggf. dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
55Soweit die Antragsteller weiter geltend machen, es komme durch das Vorhaben zu einer unzumutbaren Verschattung ihrer Gebäuderückseite, dringen sie nicht durch. Auch insoweit kann ein Nachbar grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des Abstandsflächenrechts hinausgeht.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.12.1996 – 4 B 215.96 –, juris, Rn. 9, sowie OVG NRW, Urteil vom 14.06.2019 – 7 A 2386/17 –, juris, Rn. 86.
57Hinsichtlich der behaupteten Lärmbelästigung durch den Aufzug ist das Vorbringen bereits zu unsubstantiiert. Der Aufzug wirkt zwar im rückwärtigen Grundstücksbereich auf die Antragsteller ein, ist aber straßenseitig gelegen. Angesichts der Entfernung der Anlage vom Grundstück der Antragsteller, den angesichts der Stellplatzzahl nur selten zu erwartenden Betriebsgeräuschen und dem Verweis in den Nebenbestimmungen auf die maßgeblichen technischen Regelwerke ist nicht erkennbar, warum gleichwohl von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden könnte.
58Für die Rügen in Bezug auf die vorgesehene Tiefgaragenlüftung gilt Entsprechendes: Als Quelle von Beeinträchtigungen kommt insoweit allein die Gittertür neben dem Autoaufzug in Betracht, die aber mehr als 5 Meter von der Grundstücksgrenze zum hinteren Gartenbereich der Antragsteller entfernt liegt. Die Lüftungen im Bereich der Stellplätze 2 und 4 sind noch weiter entfernt.
59Andere Gesichtspunkte, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung angeführt werden könnten, sind weder vorgetragen noch sonst bei summarischer Prüfung ersichtlich. Die Beigeladene sei allerdings darauf hingewiesen, dass sie die Realisierung des Bauvorhabens vor Bestandskraft der Baugenehmigung auf eigenes Risiko vornimmt, zumal das Vorhaben die Grenzen des nach der „Doppelhaus-Rechtsprechung“ Zulässigen zweifelsohne jedenfalls weitgehend „ausreizt“.
60Fragen des Abbruchs des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück der Antragsteller sind Gegenstand eines anderen Verwaltungsverfahrens bei der Antragsgegnerin, nicht der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses.
61Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich somit auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
62Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens hält es die Kammer für angemessen, den für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Wert zu halbieren (vgl. auch Ziffer 7 Buchstabe a und Ziffer 14 Buchstabe a des Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2019, veröffentlicht in BauR 2019, 610).
63Rechtsmittelbelehrung
64Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
65Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
66Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
67Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
68Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
69Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
70Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
71Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
72Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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