Beschluss vom Verwaltungsgericht Köln - 19 L 242/21
Tenor
1. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO untersagt, den im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 0 vom 00.00.0000 ausgeschriebenen Dienstposten für die Leitung der Justizvollzugsanstalt F. mit der Beigeladenen zu besetzen, bis der Antragsgegner über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden hat.Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 18.100,23 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
3dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu untersagen, den im Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Nr. 0 vom 00.00.0000 ausgeschriebenen Dienstposten für die Leitung der Justizvollzugsanstalt F. mit der Beigeladenen zu besetzen, bis der Antragsgegner über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden hat,
4hat Erfolg.
5Eine einstweilige Anordnung des vorliegend begehrten Inhalts kann gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO ergehen, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, dass ihr ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch), dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).
6Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
7Nach geltendem Dienstrecht hat ein Beamter auch bei Erfüllung aller laufbahnrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Beförderung oder auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens; er kann vielmehr nur verlangen, in seinem beruflichen Fortkommen nicht aus gesetzes- oder sachwidrigen Erwägungen des Dienstherrn beeinträchtigt zu werden. Die Entscheidung über eine Stellenbesetzung oder Beförderung obliegt nach Maßgabe des Personalbedarfs und des Vorhandenseins freier besetzbarer Planstellen dem pflichtgemäßen Ermessen des für den Dienstherrn handelnden Dienstvorgesetzten. Wenn dieser sich – wie vorliegend – bei der Entscheidung über die Stellenbesetzung an dem durch Art. 33 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verbürgten und für Landesbeamte in Nordrhein-Westfalen durch §§ 19 Abs. 6 Satz 1 LBG NRW, 9 BeamtStG einfachgesetzlich konkretisierten Grundsatz der Bestenauslese (Leistungsgrundsatz) orientiert, ist er gehalten, die Stelle mit demjenigen von mehreren Bewerbern zu besetzen, der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die Wahrnehmung der betreffenden Dienstaufgaben gemäß den vom Dienstherrn aufgestellten Anforderungen am besten qualifiziert erscheint. Im Übrigen ist die Auswahlentscheidung bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dem einzelnen Bewerber steht insoweit ein Anspruch auf eine rechts- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung zu. Dieser sogenannte Bewerbungsverfahrensanspruch ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch eine einstweilige Anordnung in der Weise sicherungsfähig, dass dem Dienstherrn untersagt werden kann, die streitbefangene Stelle vorläufig bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung (endgültig) zu besetzen. Ein Anordnungsanspruch für eine derartige Sicherungsanordnung ist dann gegeben, wenn die angegriffene Auswahlentscheidung nach dem im Anordnungsverfahren erkennbaren Sachverhalt wegen Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des antragstellenden Beamten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtsfehlerhaft ist und nicht auszuschließen ist, dass eine fehlerfreie Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen würde.
8Diese Voraussetzungen liegen vor. Die nach dem erkennbaren Sachverhalt getroffene Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen ist rechtsfehlerhaft.
9Für den vom Leistungsgrundsatz geforderten Qualifikationsvergleich ist in erster Linie auf die Ergebnisse der jeweils letzten, hinreichend zeitnahen dienstlichen Beurteilungen abzustellen, die den aktuellen Leistungsstand der Bewerber wiedergeben. Denn dienstliche Beurteilungen dienen vornehmlich dem Zweck, einen am Leistungsgrundsatz orientierten Vergleich der Beurteilten bei Entscheidungen über ihre Verwendung und ihre Beförderung zu ermöglichen (§ 93 Abs. 1 LBG NRW). Als Vergleichsgrundlage müssen sie inhaltlich aussagekräftig sein, d.h. sie müssen die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sein, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Bei der Auswahl unter mehreren nach Maßgabe der aktuellen dienstlichen Beurteilung im Wesentlichen gleich qualifizierten Beförderungsbewerbern ist es gemäß Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich geboten, vorrangig die aktuellen Beurteilungen im Hinblick auf Qualifikationsbewertungen inhaltlich auszuschöpfen und gegebenenfalls frühere, hinreichend vergleichbare dienstliche Beurteilungen als zusätzliche Erkenntnismittel zu berücksichtigen, bevor auf Hilfskriterien zurückgegriffen wird,
10vgl. BVerwG, Urteile vom 19.12.2002 – 2 C 31.01 –; vom 27.02.2003 – 2 C 16.02 –; vom 21.08.2003 – 2 C 14.02 – und vom 09.05.2018 – 2 C 2/18 –; Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1.13 –; alle juris.
11Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtlich fehlerhaft. Der Antragsgegner durfte auf der Grundlage der dienstlichen Anlassbeurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen nicht von einem Leistungsvorsprung der Beigeladenen ausgehen.
12Zunächst ist jedoch nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner seiner Auswahlentscheidung nicht die neuerliche Beurteilung der Beigeladenen vom 08.01.2021 zugrunde gelegt hat. Zwar dürfen aktuellere Leistungsnachweise, die im Zeitpunkt des Bewerbervergleichs vorliegen, im Grundsatz nicht unbeachtet bleiben. Diese Verpflichtung kann jedoch in ein Spannungsverhältnis zu dem Erfordernis größtmöglicher Vergleichbarkeit der dem Besetzungsverfahren zugrunde liegenden Beurteilungen geraten. Sie gilt für Fälle wie dem vorliegenden, in dem bei einem geschlossenen Bewerberkreis ein einzelner Bewerber anlässlich eines weiteren Besetzungsverfahrens erneut beurteilt wird, daher nur einschränkt, wenn so dem widerstreitenden Interesse an einer größtmöglichen Vergleichbarkeit der im Rahmen des in Betracht zu nehmenden Besetzungsverfahrens eingeholten Anlassbeurteilungen Rechnung getragen wird. So kann jedenfalls keine generelle Verpflichtung des Dienstherrn zur Einbeziehung aus anderen Besetzungsverfahren stammender neuer Erkenntnisse über den Leistungsstand einzelner Bewerber in das in Rede stehende Besetzungsverfahren angenommen werden, wenn die aus Anlass dieses Verfahrens eingeholten dienstlichen Beurteilungen als solche noch als hinreichend aktuell eingestuft werden können, was bei weniger als drei Jahren alten Beurteilungen regelmäßig angenommen werden kann,
13OVG NRW, Beschluss vom 01.08.2011 – 1 B 186/11 –, juris Rn. 30 ff.
14Dies ist vorliegend der Fall, denn die Beurteilung der Beigeladenen vom 07.12.2020 wurde ebenso wie die letzte Beurteilung der Antragstellerin vom 15.12.2020 mit Überbeurteilung vom 06.01.2021 mit demselben Beurteilungsstichtag 14.02.2020 erstellt und reichte zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am 21.01.2021 nur gut 11 Monate zurück. Die Zugrundelegung desselben Beurteilungsstichtages dient dabei der Vergleichbarkeit des Leistungsniveaus der Bewerberinnen.
15Der Antragsgegner durfte die für die Beigeladene unter dem 07.12.2020 erstellte dienstliche Beurteilung seiner Auswahlentscheidung allerdings nicht zugrunde legen. Sie ist rechtsfehlerhaft, denn die darin enthaltenen Wertungen sind teilweise nicht plausibel und nachvollziehbar.
16Bei der Ausgestaltung und Abfassung dienstlicher Beurteilungen ist dem Dienstherrn ein weit gespannter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer dienstlichen Beurteilung ist auf die Überprüfung beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Die dienstliche Beurteilung muss die dienstliche Tätigkeit des Beamten im maßgeblichen Beurteilungszeitraum vollständig erfassen und auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sein. Die Tatsachengrundlage für das Werturteil über das Leistungsbild des Beamten muss in der Beurteilung selbst aber nicht umfassend dargelegt sein. Es genügt vielmehr, wenn der Dienstherr in der Beurteilung pauschal formulierte Werturteile nachträglich – etwa bei der Eröffnung der Beurteilung gegenüber dem Beamten oder im Streitfall während eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens – erläutert, konkretisiert und plausibel macht. Dies kann er durch Anführung von tatsächlichen Vorgängen aber auch durch Anführung weiterer konkretisierender Werturteile tun. Entscheidend ist, dass das ursprüngliche Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt,
17vgl. BVerwG, Urteil vom 17.09.2015 – 2 C 27.14 -, juris.
18Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung der Beigeladenen nicht.
19Es bestehen Zweifel an der Einhaltung des Beurteilungsmaßstabs für den Justizvollzug in Form der Bewertungsgrundsätze für den Justizvollzug (Stand 15.05.2014) im Hinblick auf die konkrete Bewertung der Beigeladenen in der Gesamt- und den Einzelnoten. Jedenfalls sind diese nicht nachvollziehbar und plausibel.
20Dies gilt in Anbetracht des relativ kurzen Beurteilungszeitraums zum einen bereits wegen des Notensprungs der Beigeladenen von ihrer letzten Regelbeurteilung vom 19.03.2019 (Beurteilungszeitraum 01.03.2016 bis 28.02.2019) mit Überbeurteilung vom 21.06.2019 zu der im Zusammenhang mit dem vorliegenden Besetzungsverfahren erstellten Anlassbeurteilung (Beurteilungszeitraum 01.03.2019 bis 14.02.2020). Je kürzer der betrachtete Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung und je größer der einem Bewerber nunmehr attestierte Bewertungsunterschied ausfällt, desto mehr trifft den Beurteiler die Pflicht, einen solchen Leistungssprung oder Leistungsabfall zu begründen und ggf. zu plausibilisieren.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 – 2 C 2/18 –, juris Rn. 41.
22In der Regelbeurteilung war die Beigeladene noch mit einer Gesamtnote von 14 Punkten bewertet worden. In der Anlassbeurteilung wurde eine Gesamtnote von 16 Punkten ausgeworfen. Bei den Einzelmerkmalen wurde bei der Leistungsbeurteilung ebenfalls ein Sprung auf 16 Punkte und damit eine Verbesserung von 2 Punkten – einmal sogar von 3 Punkten – vorgenommen. Bei den Merkmalen der Befähigungsbeurteilung wurden alle beurteilten Merkmale (insg. 10) in der Anlassbeurteilung mit der Höchstnote „stark ausgeprägt“ bewertet. In der vorangehenden Regelbeurteilung wurde diese Note „nur“ bei 4 von 11 bewerteten Merkmalen und im Übrigen die darunter liegende Notenstufe „deutlich ausgeprägt“ vergeben. Dass eine solche Notensteigerung nach der Wertung der Beurteilungsmaßstäbe in der Regel nicht zu erwarten ist, ergibt sich u.a. aus Ziffer III. 2., 3. Absatz, wonach Punktewerte auch übersprungen werden können, wenn für eine Beurteilung über einen längeren Zeitraum kein Anlass bestand. Der Beurteilungsstichtag der Anlassbeurteilung lag aber nur knapp 12 Monate nach dem Ende des vorangehenden Regelbeurteilungszeitraums, was auch im Sinne der Beurteilungsmaßstäbe kein „längerer Zeitraum“ sein dürfte. Dafür spricht auch Ziffer III. 2., 2. Absatz der Beurteilungsmaßstäbe, nach der ein „angemessen langer Zeitraum“ im Regelfall nicht unter 18 Monaten liegen kann. Dem daraus folgenden Plausibilisierungserfordernis ist der Beurteiler der Beigeladenen nicht nachgekommen. Zu der Notensteigerung wird in der Beurteilung nichts ausgeführt.
23Zum anderen wurde auch die Vergabe der Spitzennote selbst bei der Beigeladenen nicht plausibilisiert. In den Beurteilungsgrundsätzen für den Justizvollzug wird ausgeführt, dass „der gelegentlich zu beobachtenden Tendenz der Verdichtung von Beurteilungsnoten im oberen Bereich entgegenzuwirken“ ist (Ziffer II., 1. Absatz). Die Vergabe der Spitzennote („sehr gut“) kommt demgemäß nach Ziffer III. 2., 4. Absatz der Beurteilungsgrundsätze nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Zwar wird in der Anlassbeurteilung der Beigeladenen nunmehr ausgeführt, dass der Beurteilung der „strenge, für den Geschäftsbereich des Justizvollzugs geltende Beurteilungsmaßstab“ zugrunde gelegt worden sei, der die Vergabe der Spitzennote „sehr gut“ nur in besonderen Ausnahmefällen zulässt. Unabhängig von der Frage, ob die Annahme eines solchen Ausnahmefalles besonders begründet werden muss,
24vgl. in diesem Sinne bereits die Entscheidung der beschließenden Kammer vom 16.07.2018 – 19 L 904/18 –, juris Rn. 9,
25ist sie jedenfalls nicht hinreichend plausibilisiert. Zur Begründung des Gesamturteils wird durch den Beurteiler lediglich ausgeführt, dass die Beigeladene nach den genannten Fähigkeiten und Leistungen aber auch nach dem vorgenannten strengen Maßstab zweifelsfrei eine solche Spitzenkraft sei. Dies ist zur Plausibilisierung bereits nicht ausreichend, denn die Aussage erschöpft sich im Wesentlichen in dem Ergebnis, das aus ihr hergeleitet wird. Auch aus den vorstehenden Ausführungen wird nicht deutlich, was der Annahme eines Ausnahmefalles genau zugrunde liegt. Die Annahme eines Ausnahmefalles nach dem Beurteilungsmaßstab für den Justizvollzug ist aber auch im Hinblick auf die Begründung der Überbeurteilung der Antragstellerin vom 17.06.2019 nicht plausibel. Dort wird ausgeführt wird, dass bei Anwendung des landeseinheitlichen Beurteilungsmaßstabs, wonach die Vergabe der Spitzennote „sehr gut (16 bis 18 Punkte)“ in der Regel den Beamtinnen und Beamten mit originärer Behördenleitungsverantwortung vorbehalten bleibe, die vergebene Gesamtnote um zwei Punkte übersetzt erscheine (was zur Absenkung der Beurteilung der Antragstellerin in der Gesamtnote von 17 auf 15 Punkte führte). Der diesbezügliche Vortrag des Antragsgegners, es habe sich dabei lediglich um eine Anwendung der Beurteilungsgrundsätze für den Justizvollzug im konkreten Einzelfall gehandelt und es sei dem keine Selbstverpflichtung oder der Regelungswille zu entnehmen, den Ausnahmefall im Sinne der Ziffer III. 2., 4. Absatz der Beurteilungsgrundsätze allgemein auf Beamtinnen und Beamte mit originärer Behördenleitungsfunktion zu beschränken, überzeugt insoweit nicht. Zwar ist dem Antragsgegner zuzugestehen, dass die Formulierung „in der Regel“ Ausnahmen des aufgestellten Grundsatzes erlaubt. Es wird damit jedoch auch gleichzeitig ausgedrückt, dass die Mehrheit der Fälle diesem Grundsatz entsprechen soll. Dass es sich dabei nur um eine Fallkonstellation oder ein Beispiel für die Annahme einer Spitzennote handeln sollte, wird mit der gewählten Formulierung entgegen der Annahme des Antragsgegners gerade nicht zum Ausdruck gebracht. Unabhängig von der Frage, ob dieser Grundsatz für die Annahme der Spitzennote im Hinblick auf den nach Art. 33 Abs. 2 GG anzulegenden Beurteilungsmaßstab der Anforderungen des innegehabten statusrechtlichen Amtes überhaupt sachgerecht ist, wenn originäre Behördenleitungsfunktionen in der Regel einem höheren Statusamt vorbehalten sind, wäre eine Plausibilisierung der Vergabe der Spitzennote für die Beigeladene gerade im Hinblick darauf erforderlich, dass diese unstreitig keine originäre Behördenleitungsfunktion während ihrer Abordnung an die Fachhochschule für Rechtspflege wahrgenommen hat.
26Selbst wenn man annähme, dass die Gesamtnote von 16 Punkten zwangsläufig aus den vergebenen Einzelnoten folgte, gilt jedenfalls hinsichtlich letzterer, dass sie nicht plausibel gemacht worden sind. Begründungen oder Anmerkungen zu den Einzelnoten sind nicht erfolgt.
27Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17.09.2015 – 2 C 27/14 –, juris.
28Der Antragsgegner hat auch im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Stellungnahmen der Beurteiler der Beigeladenen vorgelegt, die die in der Beurteilung getroffenen Werturteile plausibel und nachvollziehbar machten. Die dienstlichen Stellungnahmen des XXXXXXXXXXXXXXXXXXX Dr. N. vom 12.05.2021 und seines Vorgängers vom 11.05.2021 führen zwar aus, dass ihnen der Bewertungsmaßstab des Justizvollzugs vermittelt wurde, gehen jedoch nicht inhaltlich darauf ein und benennen damit keine konkreten Aspekte, die zu der Bewertung mit der Spitzennote geführt haben.
29Die Auswahlentscheidung ist zudem fehlerhaft, da der Antragsgegner die erstellten Anlassbeurteilungen nicht zuvor vergleichbar gemacht hat. Aufgrund der obigen Ausführungen zur Annahme eines besonderen Ausnahmefalls zur Vergabe einer Spitzennote bestehen bereits Zweifel daran, dass bei den der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Beurteilungen die Beurteilungsmaßstäbe gleich angewendet wurden.
30Selbst wenn man dies bejahte und entgegen der obigen Ausführungen eine Plausibilisierung annähme, wären die Anlassbeurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen dennoch nicht vergleichbar.
31Der Anlassbeurteilung der Beigeladenen kommt für die Auswahlentscheidung nur eine beschränkte Aussagekraft zu, weil sie die Beigeladene nicht in den Merkmalen Führungsverhalten und Personalführungskompetenz beurteilt. Diese Beurteilungsmerkmale sind für die in Rede stehende Besetzung des Dienstpostens der Leitung der JVA F. von besonderer Relevanz. Wie sich aus dem Anforderungsprofil des vorgenannten Dienstpostens (Bl. 5 Beiakte 3) ergibt, gehören gute Kenntnisse auf dem Gebiet der Personalführung sowie der Organisations- und Personalentwicklung zu der geforderten Fachkompetenz. Zu den persönlichen Anforderungen/sozialer Kompetenz wird zudem ausgeführt, dass die Leiterin über einen konzept- und ergebnisorientierten Führungsstil verfügt und befähigt ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch einen transparenten, auf Forderung, Förderung und Unterstützung angelegten Arbeitsstil zu führen. Dass die Anlassbeurteilung die Beigeladene nicht in den für den in Rede stehenden Dienstposten wesentlichen Merkmalen Führungsverhalten und Personalführungskompetenz beurteilt, berücksichtigt der Antragsgegner in seiner Auswahlentscheidung nicht. Er wäre gehalten gewesen, zum Ausgleich für die nur beschränkte Aussagekraft der Anlassbeurteilung der Beigeladenen die Bewertungen der Merkmale Führungsverhalten und Führungsverantwortung in vorangegangenen Regelbeurteilungen der Beigeladenen heranzuziehen und in den Leistungsvergleich mit der Antragstellerin einzubeziehen. Dass sich die gebotene Berücksichtigung der Bewertung der Merkmale Führungsverhalten und Führungsverantwortung in vorangegangenen Regelbeurteilungen der Beigeladenen zugunsten der Antragstellerin auf die Auswahlentscheidung auswirkt hätte, ist nicht auszuschließen. Die Antragstellerin wurde in ihrer Anlassbeurteilung vom 15.12.2020 mit Überbeurteilung vom 06.01.2021 in dem Merkmal Führungsverhalten mit 15 Punkten und in dem Merkmal Personalführungskompetenz mit „stark ausgeprägt“ bewertet. Die Beigeladene erhielt demgegenüber in diesen Merkmalen zuletzt mit ihrer Regelbeurteilung vom 19.03.2019 die Note 14 Punkte bzw. „deutlich ausgeprägt“.
32Daneben ergibt sich eine fehlende Vergleichbarkeit zudem zwar nicht bereits allein aus der unterschiedlichen Länge der Beurteilungszeiträume von bei der Antragstellerin knapp 4 Jahren (Beurteilungszeitraum 01.03.2016 bis 14.02.2020) und der Beigeladenen von knapp 12 Monaten (Beurteilungszeitraum 01.03.2019 bis 14.02.2020). Unterschiedlich lange Beurteilungszeiträume schließen die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen nicht aus, solange im Einzelfall auf der Grundlage dieser Beurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach Bestenauslesegrundsätzen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich bleibt.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 09.05.2019 – 2 C 2/18 –, juris Rn. 59.
34Dass die Beurteilungszeiträume (annähernd) gleich lang sind, ist nicht erforderlich. Denn für die Auswahlentscheidung ist der aktuelle Leistungsstand ausschlaggebend; Erkenntnisse, die einen länger zurückliegenden Zeitraum betreffen, sind demgegenüber regelmäßig von geringerem Gewicht. Daher ist für die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von weitaus größerer Bedeutung, dass der von ihnen abgedeckte Zeitraum zum gleichen Stichtag oder zumindest nicht zu erheblich auseinander fallenden Stichtagen endet, als dass der jeweils erfasste Beurteilungszeitraum zum gleichen Stichtag beginnt.
35OVG NRW, Beschluss vom 11.04.2019 – 6 B 1769/18 –, juris Rn. 13 f. m.w.N.
36So enden die Beurteilungszeiträume der der Besetzungsentscheidung zugrunde liegenden Anlassbeurteilungen auch hier beide am 14.02.2020. Damit liegt der komplette Beurteilungszeitraum der Beigeladenen innerhalb des Beurteilungszeitraums der Antragstellerin und deckt sich insbesondere mit dem letzten – und damit aktuellsten – Viertel des der Beurteilung der Antragstellerin zugrunde liegenden Zeitraums.
37Wann die einem Leistungsvergleich zugrundeliegende Beurteilungen nicht mehr hinreichend miteinander vergleichbar sind, ist jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden,
38OVG Nds., Beschluss vom 11.04.2018 – 5 ME 21/18 –, juris Rn. 21 m.w.N.
39Im Hinblick auf die Ausführungen zur unterschiedlichen Aussagekraft der Beurteilungen in Bezug auf die für den streitigen Dienstposten erforderlichen Führungskompetenzen erscheint es aber zweifelhaft, ob im vorliegenden Fall ein Qualifikationsvergleich nach Bestenauslesegrundsätzen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers dennoch möglich bleibt.
40Soweit in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen die Annahme einer zeitlich zu großen Divergenz der Beurteilungszeiträume allenfalls gebieten kann, die vorangegangene Regelbeurteilung der Beigeladenen vom 19.03.2019 mit zu berücksichtigen,
41vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 11.04.2019 – 6 B 1769/18 –, juris Rn. 19,
42ist im vorliegenden Fall wie ausgeführt nicht ausgeschlossen, dass sich dies zugunsten der Antragstellerin auf die Auswahlentscheidung auswirken kann.
43Erweist sich somit die Auswahlentscheidung des Antragsgegners aller Voraussicht nach als fehlerhaft, ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung auf der Grundlage vergleichbarer und fehlerfreier Beurteilungen ausgewählt wird.
44Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihr droht die Vereitelung ihres geltend gemachten Bewerbungsverfahrensanspruchs. Die vom Antragsgegner beabsichtigte Beförderung der Beigeladenen könnte aus Gründen der Ämterstabilität auch bei einem Obsiegen der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie etwaige eigene außergerichtliche Kosten selbst trägt.
46Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 S. 4 GKG. Für den Antrag auf vorläufige Freihaltung der Beförderungsstelle ist ein Viertel der Jahresbezüge in Ansatz zu bringen.
47Rechtsmittelbelehrung
48Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
49Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
50Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
51Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
52Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
53Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
54Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
55Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
56Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
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Referenzen
- VwGO § 55a 3x
- VwGO § 123 3x
- § 93 Abs. 1 LBG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 2x
- VwGO § 162 1x
- § 52 Abs. 1 und Abs. 6 S. 4 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 2 C 2/18 3x (nicht zugeordnet)
- 1 B 186/11 1x (nicht zugeordnet)
- 19 L 904/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 C 27/14 1x (nicht zugeordnet)
- 6 B 1769/18 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (5. Senat) - 5 ME 21/18 1x