Beschluss vom Verwaltungsgericht Lüneburg (2. Kammer) - 2 B 48/18

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine naturschutzrechtliche Wiederherstellungs- und Untersagungsverfügung.

2

Der Antragsteller ist Landwirt und u. a. Eigentümer des Grundstücks Flur 1, Flurstück 9/3 in der Gemarkung C. (im Folgenden: das Grundstück). Dieses Grundstück verläuft in länglicher Form von Südosten nach Nordwesten.

3

Das Biotopkataster enthält für das Grundstück folgende Informationen:

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- Etwa mittig auf dem Grundstück auf etwa einem Fünftel der Fläche wurde am 23. Juli 2013 das Biotop Nr. 4065 (N20-10) kartiert. Es handelt sich um den Biotoptyp sonstiger nährstoffreicher Sumpf (NSR).
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- Laut Biotopkataster gibt es zudem ein weiteres, etwas kleineres Biotop (Nr. 22583, pgm-N-20-05) an der nördlichen Westgrenze des Grundstücks, nach der Kurzbeschreibung im Biotopkataster handelt es sich um binsenreichen Flutrasen auf einer Pferdeweide.
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- Ein Großteil des Grundstücks, und zwar der gesamte südöstliche Teil mit einer Fläche von etwa 2/3 des Grundstücks, wird im Biotopkataster als geschützter Landschaftsbestandteil geführt (Nr. 22633, pgm-N-20-04).
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Insgesamt ist damit praktisch das gesamte Grundstück des Antragstellers im Biotopkataster entweder als Biotopfläche oder als geschützter Landschaftsbestandteil erfasst; lediglich die nördliche Spitze des Grundstücks weist nach den Kartierungen keinen naturschutzrechtlichen Schutzstatus auf.

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Bei einer Ortsbegehung im Februar 2017 stellte der Antragsgegner fest, dass auf dem Grundstück drei Stichgräben mit einer Tiefe von z. T. ca. 1,0 m angelegt worden sind, die das Wasser aus der Grünfläche zum Gewässer „D.“ abführen. Der Antragsteller gab hierzu an, er verfolge mit diesen Gräben das Ziel, alte, von seinem Vater angelegte Drainagen aufzufinden. Er müsse das Grundstück entwässern, um es als Weide für seine vier Islandponys (4 Stuten, die ggfs. jeweils ein Fohlen zur Welt bringen) nutzen zu können. Bei der Ortsbegehung stellte der Antragsgegner außerdem fest, dass auf dem Grundstück Bewuchs zurückgeschnitten wurde, die Böschungen neu profiliert und die Sohlen deutlich vertieft wurden.

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Der Antragsteller und der Antragsgegner versuchten zunächst, sich einvernehmlich zu den auf dem Grundstück durchzuführenden Maßnahmen zu einigen. Als Ergebnis der Gespräche führte der Antragsteller verschiedene Wiederherstellungsmaßnahmen durch. Er war jedoch nicht einverstanden mit von dem Antragsgegner verfolgten weitergehenden Bewirtschaftungsbeschränkungen auf seinem Grundstück.

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Nach Anhörung des Antragstellers gab der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 15. Mai 2018 auf, die vorhandenen Drainagen oder sonstige Entwässerungseinrichtungen bis spätestens zum 6. Juni 2018 außer Funktion zu setzen. Ferner untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller verschiedene Bewirtschaftungsmaßnahmen auf den Flächen der Biotope, so insbesondere Standortentwässerungen, Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, Flächenumbruch und Einebnung des Bodenreliefs. Auf dem Biotop Nr. 4065 untersagte der Antragsgegner zudem eine regelmäßige jährliche Mahd; im Bereich des geschützten Landschaftsbestandteils verbot er die Durchführung einer vollflächigen bzw. regelmäßigen Mahd sowie ebenfalls eine ggfs. vorgesehene Beweidung. Der Antragsgegner ordnete für sämtliche Maßnahme die sofortige Vollziehung an.

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Gegen den Bescheid vom 15. Mai 2018 legte der Antragsteller am 31. Mai 2018 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte beim Antragsgegner die Aussetzung der sofortigen Vollziehung; letzteres lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Juni 2018 ab.

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Daraufhin hat der Antragsteller am 6. Juni 2018 bei dem erkennenden Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er trägt vor, dass das Biotop Nr. 4065 bislang durch die Drainagen, die es schon seit 40 Jahren gebe, nicht geschädigt worden sei. Zudem verliefen zwei Drainagen außerhalb des Biotops an dessen Rand und nur eine Drainage über das Biotop. Insofern sei die Außerfunktionsetzung aller drei Drainagen nicht erforderlich. Das Biotop Nr. 22583 gebe es nicht. Deshalb dürften dort Beweidung und Mahd auch nicht untersagt werden. Das Biotop Nr. 4065 habe er, soweit es bestehe, ausgezäunt; insofern sei ohnehin weder Mahd noch Beweidung möglich. Soweit auf Grundlage der Kartierungen des Antragsgegners ein größerer Bereich von der Bewirtschaftung ausgeschlossen werden solle, sei dies rechtswidrig, weil das Biotop insoweit gar nicht existiere. Im Bereich des geschützten Landschaftsbestandteils finde keine Nutzungsintensivierung statt. Die Pferdehaltung, die der Antragsteller dort anstrebe, sei eine extensive Bewirtschaftung, was für die Biotoppflege sogar förderlich sei. Die Pferde – es handele sich um Islandpferde – sollten dort nur ca. 15 Wochen pro Jahr weiden; der Antragsteller selbst habe kein Interesse daran, dass die Wiese hierdurch überweidet werde. Eine Düngung finde ebenfalls nicht statt. Der Antragsgegner habe nicht ordnungsgemäß von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Er habe pflichtwidrigerweise nicht geprüft, welche anderen Maßnahmen zum Schutz der Biotope sowie der geschützten Landschaftsbestandteile in Betracht kämen. Er hätte dann feststellen müssen, dass die ausgesprochenen Verbote keineswegs erforderlich seien.

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Der Antragsteller beantragt,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31. Mai 2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15. Mai 2018 wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er führt aus: Auf dem Grundstück seien gesetzlich geschützte Biotope i. S. d. § 30 BNatSchG vorhanden. Das Biotop Nr. 22583 sei im Jahr 2013 von einem geeigneten Gutachter- und Planungsbüro kartiert worden. Die vom Antragsteller vorgelegten Luftbilder seien nicht aussagekräftig, da die in dem Biotop vorhanden Biotoptypen aus Luftbildern nicht eindeutig zu erfassen seien. Das Biotop Nr. 4065 sei ebenfalls 2013 kartiert worden. Bei einem weiteren Kartierungsdurchgang am 13. Juli 2016 sei allerdings festgestellt worden, dass die Biotopeigenschaften für den ehemals kartierten Biotoptyp sonstiger nährstoffreicher Sumpf (NSR) nicht mehr gegeben gewesen seien; die ehemals kennzeichnenden Pflanzenarten seien nicht mehr feststellbar gewesen. Die Bewirtschaftungsmaßnahmen des Antragstellers hätten also schon nachteilige Auswirkungen gezeitigt. Allerdings gehöre dieser Bereich – wie auch der gesamte südwestliche Teil des Grundstücks – nun zu einem gesetzlich geschützten Landschaftsbestandteil i. S. d. § 22 Abs. 4 NAGBNatSchG i. V. m. 29 BNatSchG, der unter der Nr. 22633 im Biotopkataster hinterlegt sei. Nach § 22 Abs. 4 Satz 2 NAGBNatSchG sei eine Nutzungsintensivierung auf Flächen eines geschützten Landschaftsbestandteils ohne Genehmigung unzulässig. Die Verbote der im Bescheid genannten Bewirtschaftungsmaßnahmen seien erforderlich, um den Schutz der Biotope und der gesetzlich geschützten Landschaftsbestandteile zu gewährleisten. Aktuelle Fotos der Flächen zeigten, dass die Bewirtschaftung durch den Antragsteller bereits zu einer Beeinträchtigung bis hin zur Zerstörung geschützter Teile von Natur und Landschaft geführt habe. Das Verbot sei auch verhältnismäßig, denn dem Antragsteller stünden nach wie vor alle solche Möglichkeiten der Nutzung offen, die nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Biotope und gesetzlich geschützten Landschaftsbestandteile führten.

II.

18

 Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 15. Mai 2018 angeordnet hat. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig, aber nur teilweise begründet.

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Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederherstellen.

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 1. Die aufschiebende Wirkung ist in den Fällen des § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bereits dann wiederherzustellen, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung formelle oder materielle Fehler aufweist (W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 148). Solche Fehler liegen indes nicht vor. Insbesondere genügt die Begründung des Sofortvollzuges (noch) den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Erforderlich ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich zumal im Naturschutzrecht die Eilbedürftigkeit von Maßnahmen nur unter Rückgriff auf das materielle Recht gewinnen lässt (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 80 Rn. 214) und es vorliegend um die Durchsetzung kraft Gesetzes geltender und mit Bußgeld bewährter Verbote geht (s. § 69 Abs. 3 Nr. 5 BNatSchG).
Vor diesem Hintergrund genügt die Begründung der sofortigen Vollziehung noch den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat ausgeführt, die Untersagungsverfügung sei im öffentlichen Interesse dringend geboten, weil nicht hingenommen werden könne, dass die geplante Bewirtschaftung der Fläche bis zur Entscheidung der Unanfechtbarkeit die gesetzlich geschützten Biotope erheblich beeinträchtige oder gar zerstöre. Zwar finden sich in der Passage zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit selbst keine Ausführungen dazu, wieso dies nicht hinnehmbar sei, etwa weil ansonsten ein irreversibles Verschwinden des Biotopkomplexes drohe. Indes ergibt sich aus der übrigen Bescheidbegründung mit hinreichender Deutlichkeit, dass die vom Antragsteller durchgeführten Maßnahmen bereits zu erheblichen Beeinträchtigungen gesetzlich geschützter Biotope geführt haben und deshalb sofortiges Handeln vonnöten ist. Das ist auch im vorangegangenen Verwaltungsverfahren deutlich geworden, so dass dem Antragsteller die Gründe für das sofortige behördliche Handeln bekannt sein müssen, was die Anforderungen an den Inhalt der Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO reduziert (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 86). So hat der Antragsgegner bereits im Anhörungsschreiben vom 4. Mai 2017 ausgeführt, dass die Handlungen des Antragstellers bereits zu gravierenden nachteiligen Auswirkungen auf den Biotopkomplex geführt haben und die Eigenschaften des Biotops Nr. 4065 hierdurch sogar entfallen seien.
2. Überdies ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Verwaltungsakts das öffentliche Interesse an dessen Vollziehung überwiegt. Die gerichtliche Entscheidung ergeht dabei auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aussetzungsinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes Bedeutung erlangen. Lässt sich bei der gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen bzw. anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung. Dabei sind die Folgen gegenüberzustellen, die einerseits eintreten, wenn dem Antrag stattgegeben wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweist bzw. die andererseits eintreten, wenn der Antrag abgelehnt wird, der Bescheid sich aber später im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweist (Nds. OVG, Beschl. v. 10.7.2017 - 11 MC 186/17 -, juris, Rn. 12).

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Nach diesen Vorgaben ist hier die aufschiebende Wirkung teilweise wiederherzustellen, denn die vom Antragsgegner verfügten Maßnahmen erweisen sich nach der durchzuführenden summarischen Prüfung nur hinsichtlich der auf die Biotope bezogenen Anordnungen als rechtmäßig (a)); die Bewirtschaftungsbeschränkungen auf der Fläche des geschützten Landschaftsbestandteils sind hingegen rechtswidrig (b)).

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 a) Hinsichtlich der zum Schutz der Biotopflächen erlassenen Verbote liegen die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Antragsgegners auf Grundlage des § 3 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG vor. Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG überwachen die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und treffen nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um deren Einhaltung sicherzustellen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG kann die Naturschutzbehörde auch die Wiederherstellung des bisherigen Zustandes anordnen, wenn Natur oder Landschaft rechtswidrig zerstört, beschädigt oder verändert worden sind.

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Zum Schutz der auf dem Grundstück befindlichen Biotope hat der Antragsgegner dem Antragsteller untersagt, das gesamte Grundstück zu entwässern sowie vorhandene Drainagen außer Vollzug zu setzen. Ferner hat er, jeweils bezogen auf die Biotopflächen, die Beweidung, den Einsatz von Pflanzenschutz und Düngemitteln sowie Umbruch und Einebnung des Bodenreliefs verboten. Auf dem Biotop 4065 hat der Antragsgegner zudem eine regelmäßige jährliche Mahd verboten und eine Mahd lediglich bei Aufkommen von Gehölzen einmalig zwischen Mitte September und Februar in Abständen von zwei bis sieben Jahren zugelassen.

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Die untersagten Maßnahmen sind nach summarischer Prüfung Handlungen i. S. d. § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, die zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung eines besonders geschützten Biotops führen können.

25

aa) Die Kammer geht davon aus, dass auf dem Grundstück des Antragstellers und im Umfang der von dem Antragsgegner hierzu vorgelegten Kartierungen zwei Flächen vorhanden sind, die gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG unter besonderem Schutz stehen.

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Ein Biotop ist nach § 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG der Lebensraum einer Lebensgemeinschaft wildlebender Tiere und Pflanzen. Durch § 30 BNatSchG werden Biotope gesetzlich geschützt, die namentlich wegen ihrer Seltenheit, ihrer Gefährdung oder ihrer besonderen Bedeutung als Lebensraum für bestimmte Tier- und Pflanzenarten eines besonderen Schutzes bedürfen (vgl. Hendrischke/Kieß in: Schlacke, GK-BNatSchG, Stand 2017, § 30 Rn. 9). Die unter den Schutz des § 30 BNatSchG fallenden Biotope sind unmittelbar kraft Gesetzes geschützt, so dass auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen ist. Zur Bestimmung eines Biotops kommt es demnach ausschließlich auf die tatsächlichen Verhältnisse an, d.h. ob eine Fläche die charakteristischen Merkmale eines geschützten Biotoptyps erfüllt. Es bedarf keiner administrativen Unterschutzstellung bzw. konstitutiven Schutzfestsetzung durch Verordnung oder Verwaltungsakt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. II, Stand: 1. Dezember 2017, § 30 BNatSchG, Rn. 12). Allerdings kommt den Feststellungen im Rahmen einer Biotopkartierung eine erhebliche Indizwirkung für das Vorhandensein eines Biotops zu. Aufgrund dieser Indizwirkung ist die Naturschutzbehörde im Rahmen der sie treffenden Ermittlungs- und Nachweispflichten nur dann gehalten, vor Erlass einer naturschutzrechtlichen Anordnung zum Schutz eines Biotops erneute Ermittlungen zu dessen Vorliegen anzustellen, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die Biotop-Eigenschaft unabhängig von dem festgestellten beeinträchtigenden Ereignis verlustig gegangen wäre (Nds. OVG, Beschl. v. 4.12.2017 - 4 LA 335/16 -, juris, Rn. 4; VG Lüneburg, Beschl. v. 21.6.2017 - 2 B 54/17 -, juris Rn. 18).

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Nach diesen Maßstäben sind auf dem Grundstück des Antragstellers zwei Biotope in der vom Antragsgegner angenommenen räumlichen Ausdehnung vorhanden, die dem Schutz des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG unterliegen.

28

Das Biotop mit der Nr. 22583 (internes Aktenzeichen: N-20-05) ist im Biotopkataster des Antragsgegners entsprechend § 14 Abs. 9 Satz 1 NAGBNatSchG aufgeführt. Es handelt sich um seggen-, binsen- oder hochstaudenreicher Flutrasen, der unter § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG (Moore, Sümpfe, Röhrichte, Großseggenrieder, seggen- und binsenreiche Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenlandsalzstellen) fällt. Seine räumliche Ausdehnung ist auf Grundlage des Kartierschlüssels für Biotoptypen in Niedersachsen, herausgegeben vom Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) von einem Gutachter- und Planungsbüro mit sachkundigen und dafür qualifizierten Mitarbeitern am 13. Juli 2016 kartiert worden. Das Biotop Nr. 4065 wurde am 23. Juli 2013 kartiert. Es handelt sich primär um sonstigen nährstoffreichen Sumpf (NSR); auch dieses Biotop entspricht jedenfalls der Beschreibung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (Moore, Sümpfe, Röhrichte, Großseggenrieder, seggen- und binsenreiche Nasswiesen, Quellbereiche, Binnenlandsalzstellen) und nimmt demnach am Schutzregime des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG teil. Anhaltspunkte dafür, dass die Existenz (Biotop Nr. 22583) bzw. die räumliche Ausdehnung (Nr. 4065) der Biotope unzutreffend wiedergeben worden sind, sind nicht ersichtlich und folgen auch nicht aus dem – insoweit unsubstantiierten – Vortrag des Antragstellers. Der Antragsteller behauptet lediglich, dass sich aus den vorgelegten Luftbildern ergebe, dass die Fläche des Biotops Nr. 4065 deutlich größer gezeichnet worden sei, als sie tatsächlich vorhanden sei, und bestreitet die Existenz des Biotops Nr. 22583, was sich bei einer Begehung der Flächen zeigen werde. Damit hat der Antragsteller jedoch nichts vorgetragen, was die Feststellungen im Rahmen der Biotopkartierung in Frage stellen würde, sondern lediglich eine abweichende Behauptung aufgestellt. Das genügt – zumal im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – nicht, um die erhebliche Indizwirkung der Feststellungen der Biotopkartierung zu beseitigen.

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Dass bei einem weiteren Kartierungsdurchgang am 13. Juli 2016 festgestellt wurde, dass die konstitutiven Merkmale eines sonstigen nährstoffreichen Sumpfes (NSR) bei dem Biotop Nr. 4065 zwischenzeitlich entfallen waren, nimmt das Biotop nicht von dem Schutzregime des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG aus. Zwar sind für die Frage, ob eine Fläche dem Schutz des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG unterliegt, allein die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich, so dass der gesetzliche Schutz grundsätzlich entfällt, wenn eine Fläche die Eigenschaften eines gesetzlich geschützten Biotops verliert (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, Stand: 1. Dezember 2017, § 30 BNatSchG Rn. 12). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Biotop seine Eigenschaften als gesetzlich geschütztes Biotop erst aufgrund von nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verbotenen Handlungen verloren hat. Für diesen Fall erlaubt nämlich § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG auch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4.12.2017 - 4 LA 335/16 -, juris, Rn. 4). Hier hat das Biotop Nr. 4065 seine Biotopeigenschaft nach summarischer Prüfung lediglich aufgrund der Handlungen des Antragstellers verloren. Dass die das Biotop konstituierenden Eigenschaften noch im Jahr 2013 vorzufinden waren, ergibt sich aus der damaligen Kartierung; insofern greift die oben beschriebene „erhebliche Indizwirkung“. Der Verlust dieser Eigenschaften wurde im Jahr 2016 im Rahmen einer weiteren Kartierung festgestellt. In dem Anhörungsschreiben vom 4. Mai 2017 hat der Antragsgegner diesen Verlust auf die vom Antragsteller durchgeführten Bewirtschaftungsmaßnahmen zurückgeführt. Der Antragsteller stellt das Vorhandensein des Biotops und damit das Eingreifen des gesetzlichen Schutzes des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG auch nicht in Frage, sondern bestreitet vielmehr, dass seine Maßnahmen in der Vergangenheit nachteilige Wirkungen für das Biotop gezeitigt hätten. Dagegen spricht jedoch, wiederum mit erheblicher Indizwirkung, dass die betroffene Fläche nunmehr lediglich als Bestandteil des geschützten Landschaftsbestandteils im Biotopkataster geführt wird (Nr. 22633). Dass der Verlust der Biotopeigenschaft auf andere Ursachen zurückzuführen ist als auf die Bewirtschaftungsmaßnahmen des Antragstellers, ist nicht ersichtlich. Demnach durfte der Antragsgegner auf Grundlage des § 2 Abs. 2 NAGBNatSchG Maßnahmen zur Wiederherstellung des Biotops Nr. 4065 ergreifen.

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bb) Die von der Untersagung erfassten Maßnahmen sind Handlungen, die i. S. d. § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG zu einer Zerstörung oder sonst erheblichen Beeinträchtigung eines besonders geschützten Biotops führen können und die darum verboten sind.

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Das Zerstörungs- und Beeinträchtigungsverbot des § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatschG ist darauf gerichtet, Maßnahmen zu verhindern, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der kraft Gesetzes unter Schutz gestellten Biotope führen können. Ob eine Handlung eine solche negative Wirkung tatsächlich zur Folge hat, ist nicht von Belang; es genügt bereits die Möglichkeit, dass eine Maßnahme die genannten Folgen zeitigt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. II, Stand: 1. Dezember 2017, § 30 BNatSchG, Rn. 13).

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Nach diesen Vorgaben steht nach der hier durchzuführenden summarischen Prüfung nicht in Frage, dass die verbotenen Handlungen die nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG beschriebenen nachteiligen Wirkungen haben können.

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Das gilt zunächst für die Entwässerung des Grundstücks mittels Drainagen. In beiden vorhandenen Biotopen auf dem Grundstück befindet sich der Biotoptyp „UHF“, der halbruderale Gras- und Staudenflur feuchter Standorte bezeichnet. Das Biotop Nr. 4065 weist zudem überwiegend den Biotoptyp „NSR“ – „sonstiger nährstoffreicher Sumpf“ – auf. Beide Biotope entsprechen somit dem Biotoptyp des § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, zu dem Moore und Sümpfe zählen. Dass diese Biotoptypen auf eine feuchte Umgebung angewiesen sind, liegt auf der Hand. Eine Entwässerung läuft dem zuwider. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Entwässerung auf dem gesamten Grundstück und nicht nur auf den Biotopflächen angeordnet hat. Zwar unterfallen dem Verbot des § 30 Abs. 2 BNatSchG in erster Linie an Maßnahmen, die mit einer flächenmäßigen Inanspruchnahme des Biotops oder einem direkten Zugriff auf seine charakteristischen Merkmale einhergehen. Daneben werden aber auch mittelbare Maßnahmen erfasst, die von außerhalb auf das Biotop einwirken (Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 20.11. 2017 - 1 B 69/17 -, Rn. 42, juris; Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Bd. II, Stand: 1. Dezember 2017, § 30 BNatSchG Rn. 15). Hier ist jedenfalls nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur durchzuführenden summarischen Prüfung davon auszugehen, dass auch die Entwässerung von Grundstücksteilen, auf denen sich das Biotop nicht befindet, geeignet ist, die in § 30 Abs. 2 BNatSchG beschriebenen nachteiligen Wirkungen hervorzurufen. Denn zwischen den Biotopen und den angrenzenden Flächen besteht naturgemäß eine Austauschbeziehung, so dass eine Entwässerung eines angrenzenden Grundstücksteils zwingend Folgen auch für den Wasserhaushalt der Biotope haben kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 22.12.2015 - 4 ME 270/15 -, juris, Rn. 10). Dass eine solche Wechselwirkung zwischen den Grundstücksteilen, auf denen sich die Biotope befinden, und der übrigen Fläche zumindest teilweise nicht besteht, ist aufgrund der relativ geringen Größe des Grundstücks nicht ersichtlich (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 29.4.2014 - 4 ME 30/14 -, Veröff. n. b.).

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Auch die Beweidung der Biotope unterliegt dem Beeinträchtigungs- und Zerstörungsverbot des § 30 Abs. 2 BNatSchG. Gemäß den inhaltlich überzeugenden naturschutzfachlichen Ausführungen des Antragsgegners im angegriffenen Bescheid sowie in der Antragserwiderung besteht die Gefahr, dass die Beweidung insbesondere infolge der damit verbundenen selektiven Nutzung einzelner Pflanzenarten, tiefen Verbisses, Verursachung von Trittschäden und des Eintrages von tierischen Exkrementen die Beeinträchtigung des Biotops zur Folge hat. Letztlich zieht auch der Antragsteller nicht in Zweifel, dass eine Beweidung auf den Biotopflächen nicht in Betracht kommt; seine Einwände richten sich insoweit nur gegen das Vorhandensein bzw. die räumliche Ausdehnung der Biotopflächen auf seinem Grundstück.

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Ebenso stellen die im Übrigen untersagten Maßnahmen – Einsatz von Pflanzenschutz und Düngemitteln sowie Umbruch und Einebnung des Bodenreliefs – gemäß § 30 Abs. 1 BNatSchG verbotene Maßnahmen dar.

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cc) Nach § 3 Abs. 2 BNatSchG treffen die zuständigen Behörden – hier der Antragsgegner – nach pflichtgemäßem Ermessen die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften des BNatSchG und der auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Vorschriften sicherzustellen. Diese Vorschrift dient der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Hinblick auf die Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege und setzt darum das Bestehen einer konkreten Gefahr voraus (vgl. Hendrischke, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 2. Aufl. 2016, § 3 Rn. 31 f). Ausreichend ist eine Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens aus Sicht eines durchschnittlichen Amtswalters mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Normverstoß führen würde. Wird ein Eingreifen – wie hier – mit einem drohenden Verstoß gegen § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG begründet, muss somit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen solchen Verstoß bestehen.

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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Antragsgegner hat bei der Ortsbesichtigung festgestellt, dass das Grundstück des Antragstellers, auf dem sich die Biotope Nr. 4065 und Nr. 22583 befinden, verschiedenen Bewirtschaftungsmaßnahmen unterzogen wurde. Zum Schutz der Biotope durfte der Antragsgegner darum all jene Handlungen untersagen, die aus seiner Sicht angesichts der bekannten Absicht des Antragstellers, das Grundstück als Weidefläche zu nutzten, drohten. Dass der Antragsgegner dabei auch Handlungen untersagt hat, die der Antragsteller noch nicht vorgenommen und auch nicht konkret geplant hatte, wie z. B. die Düngungen oder Einebnung der Biotopflächen, ist nicht zu beanstanden, denn angesichts der geplanten Bewirtschaftung des Grundstücks insgesamt bestand aus der maßgeblichen Sicht ex ante eine hinreichende Gefahr dafür, dass solche Handlungen durchgeführt werden würden. Die Naturschutzbehörde muss in einem solchen Fall nicht im Einzelnen klären, welche Maßnahmen auf welchen Flächen tatsächlich konkret geplant sind, sondern darf – wie hier – bei hinreichenden Anhaltspunkten für einen drohenden Verstoß auch ein Bündel an Handlungen, die im sachlichen Zusammenhang mit begangenen bzw. konkret drohenden Übertretungen stehen, verbieten.

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dd) Der Antragsgegner hat hinsichtlich der zum Schutz der Biotope verfügten Verboten das ihm nach § 3 Abs. 2 BNatSchG zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Insbesondere sind die ergriffenen Maßnahmen verhältnismäßig. Das Verbot der im Bescheid genannten Handlungen verfolgt den Zweck, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Es ist geeignet und erforderlich, denn mildere Mittel, als dem Antragsteller die nach § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verbotenen Handlungen zu untersagen, sind nicht ersichtlich. Die Maßnahmen sind im Hinblick auf den Biotopschutz auch angemessen. Die Nutzungsbeschränkungen sind Folge des naturschutzrechtlichen Verschlechterungsverbots des § 30 Abs. 2 BNatSchG. Naturschutzrechtliche Bestimmungen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- oder Landschaftsschutzes beschränken, sind keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern stellen Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums dar, die als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums vom Eigentümer grundsätzlich hinzunehmen sind (Nds. OVG, Beschl. v. 22.12.2015 - 4 ME 270/15 -, Veröff. n. b.; Nds. OVG, Beschl. v. 17.1.2018 - 4 ME 249/17 -, Veröff. n. b.). Der Antragsteller, der nach den Ermittlungen des Antragsgegners insgesamt über Eigentumsflächen mit einer Gesamtgröße von 152 ha verfügt, wird vor diesem Hintergrund durch die auf den Schutz der Biotope bezogenen Maßnahmen nicht unverhältnismäßig in seinem Eigentumsrecht eingeschränkt.

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b) Für den überwiegenden südlichen Teil des Grundstücks des Antragstellers hat der Antragsgegner zudem die Durchführung einer vollflächigen Mahd sowie eine ggfs. vorgesehene Beweidung untersagt und dies mit dem Schutz eines dort befindlichen geschützten Landschaftsbestandteils begründet. Insoweit ist der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. An der sofortigen Vollziehung des Verbots der Beweidung besteht darum insoweit kein öffentliches Interesse.

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aa) Allerdings befindet sich auf dem Grundstück des Antragstellers ein geschützter Landschaftsbestandteil i. S. d. § 29 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NAGBNatSchG. Gemäß § 29 Abs. 1 BNatSchG sind geschützte Landschaftsbestandteile rechtsverbindlich festgesetzte Teile von Natur und Landschaft, deren besonderer Schutz erforderlich ist. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG erfolgt die Unterschutzstellung von Teilen von Natur und Landschaft durch Erklärung, wobei sich Form und Verfahren nach Landesrecht richten (§ 22 Abs. 2 BNatSchG). In Niedersachsen ist in § 22 NAGBNatSchG geregelt, welche Teile von Natur und Landschaft dem Schutz des § 29 BNatSchG unterfallen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 NAGBNatSchG können die geschützten Landschaftsbestandteile u. a. durch Satzung oder Verordnung festgesetzt werden. § 22 Abs. 4 Satz 1 NAGBNatSchG erklärt überdies bestimmte Landschaftsteile kraft Gesetzes zu geschützten Landschaftsbestandteilen. Hierzu zählen Flächen, die im Außenbereich i. S. d. § 35 Baugesetzbuch (BauGB) gelegen sind (Ödland) und keiner wirtschaftlichen Nutzung unterliegen oder deren Standorteigenschaften bisher wenig verändert wurden (sonstige naturnahe Flächen). Nach den im Tatsächlichen unwidersprochenen Feststellungen des Antragsgegners ist der gesamte südliche Teil des Grundstücks des Antragstellers „als sonstige naturnahe Fläche“ i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NAGBNatSchG ein nach dieser Vorschrift geschützter Landschaftsbestandteil. Diese Fläche wird auch in dem Verzeichnis nach § 14 Abs. 9 NAGBNatSchG unter der Nr. 22633 geführt, so dass auch hier die bereits oben beschriebene erhebliche Indizwirkung für das Bestehen des geschützten Landschaftsbestandteils spricht.

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bb) Ob die Vorschrift des § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NAGBNatSchG den Vorgaben des § 29 BNatSchG entspricht oder ob die insoweit angemeldeten Bedenken des Antragstellers begründet sind, kann hier offenbleiben (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 8.6.2018 - 4 A 335/15 -, Veröff. n. b.). Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen für ein Eingreifen des Antragsgegners zum Schutz eines geschützten Landschaftsbestandteils nicht so weitgehend vor, wie von dem Antragsgegner angenommen. Gemäß § 22 Abs. 4 Satz 2 NAGBNatSchG, auf den auch der Antragsgegner in seinem Bescheid abstellt, ist die Umwandlung einer Fläche i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NAGBNatSchG in Intensivgrünland genehmigungspflichtig. Daraus folgt, dass ohne die Genehmigung die Umwandlung einer sonstigen naturnahen Fläche i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 NAGBNatSchG in Intensivgrünland verboten ist. Bewirtschaftungsmaßnahmen, die keine Intensivgrünland-Nutzung darstellen, sind hingegen weiterhin erlaubt. Dementsprechend darf die zuständige Naturschutzbehörde auf dieser Grundlage nicht pauschal sämtliche Nutzungen untersagen, sondern nur diejenigen, durch die die Umwandlung von einer sonstigen naturnahen Fläche zu Intensivgrünland vollzogen wird. Soweit auch Maßnahmen verboten werden, die noch nicht als Intensivgrünland-Nutzung angesehen werden können, fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Eingreifen auf Grundlage von §§ 3 Abs. 2, 29 Abs. 2 BNatSchG i. V. m. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 NAGBNatSchG; jedenfalls wäre ein solch weitreichendes Verbot nicht verhältnismäßig.

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Nach diesen Vorgaben geht das von dem Antragsgegner im Hinblick auf den geschützten Landschaftsbestandteil angeordnete Verbot über das nach § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 NAGBNatSchG zulässige Maß hinaus.

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Dies gilt zunächst für die vom Antragsgegner pauschal verbotene Beweidung. Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift vorgetragen, dass es verschiedene Formen der Beweidung gibt, darunter auch solche, die mit der Pflege gesetzlich geschützter Landschaftsbestandteile kompatibel sind. Das stellt auch der Antragsgegner letztlich nicht in Frage, der in der Antragserwiderung ausführt, für eine naturschutzgerechte Beweidung sei ein fachgerechtes Konzept erforderlich, das Art und Umfang der Beweidung, Beweidungsrhythmus, Maßnahmen zur Weidepflege sowie Maßnahmen zur Tiergesundheit etc. erfasse. Sofern es solche Beweidungskonzepte gibt, wovon angesichts der Ausführungen des Antragsgegners auszugehen ist, durfte der Antragsgegner nicht pauschal jegliche Beweidung verbieten, sondern hätte prüfen müssen, inwiefern als milderes Mittel ggfs. Auflagen in Betracht kommen, die regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Beweidung mit den Zielen des Naturschutzes vereinbar ist. Dass dies bei Erlass der angegriffenen Maßnahme im erforderlichen Umfang geschehen ist, ist nicht ersichtlich. Aus dem Bescheid ergibt sich hierzu nichts. Auch die Ausführungen des Antragsgegners in der Antragserwiderung genügen den insoweit an seine Ermessensbetätigung zu stellenden Anforderungen nicht. Der Antragsgegner stellt primär darauf ab, dass der Antragsteller in der Vergangenheit die an ein naturschutzkompatibles Beweidungskonzept zu stellenden Anforderungen nicht beachtet habe. Das ist aber für die Frage, wie weit ein aufgrund eines festgestellten Verstoßes verfügtes Verbot reichen darf, unmaßgeblich. Auch die nicht weiter begründete Behauptung des Antragsgegners – es sei nicht erkennbar, dass den Anforderungen an ein naturschutzkompatibles Beweidungskonzept auf dem Grundstück des Antragstellers genügt werden könne, Flächen von relativ geringer Größe seien schon deshalb nicht geeignet, weil sich dort der erforderliche Aufwand nicht lohnen würde – begründet keine pflichtgemäße Ermessensbetätigung. Die Entscheidung, ob und inwiefern sich die Implementierung eines naturschutzkompatiblen Beweidungskonzepts lohnt, ist Sache des Antragstellers. Der Antragsgegner darf diese Entscheidung nicht vorwegnehmen und mehr verbieten, als zum Schutz des geschützten Landschaftsbestandteils erforderlich.

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Ebenso zu beanstanden ist das Verbot der vollflächigen bzw. einer regelmäßigen Mahd. Zwar hat der Antragsgegner die Mahd – anders als die Beweidung – nicht umfassend pauschal verboten, sondern ein eingeschränktes Verbot erlassen, indem er nur die vollflächige bzw. regelmäßige Mahd untersagt hat. Allerdings bestehen bereits Bedenken an der Bestimmtheit des Verbots, da insoweit – anders als bei den für die Biotopflächen angeordneten Mahd-Verboten – auch in der Bescheidbegründung nicht weiter konkretisiert ist, in welchen zeitlichen und räumlichen Abständen die Mahd noch erlaubt ist. Jedenfalls fehlt es im Bescheid aber an Angaben dazu, ab wann durch eine Mahd die Grenze zur Intensivgrünlandnutzung überschritten wird. Insofern kann nicht nachvollzogen werden, dass der Antragsgegner die Mahd nur soweit verboten hat, wie dies auf Grundlage des § 22 Abs. 4 Satz 2 NAGBNatSchG erforderlich ist.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 und 29 des Streitwertkatalogs VwGO.

 


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