Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (1. Kammer) - 1 B 164/13
Gründe
I.
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Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Genehmigung zum Neubau und zum Betrieb eines Menschenaffenhauses.
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Er ist Eigentümer eines Grundstückes, das unmittelbar an das Gelände des M… Zoos angrenzt. Der Zoo wird von der Beigeladenen betrieben. Die Antragsgegnerin genehmigte der Beigeladenen mit Bescheid vom 17.01.2012 den Neubau und den Betrieb eines Menschenaffenhauses mit Außengehege. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 01.03.2013 Widerspruch ein und teilte der Antragsgegnerin unter dem 06.05.2013 mit, dass die Beigeladene offensichtlich mit dem Bau des neuen Affenhauses begonnen habe, obwohl der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch aufschiebende Wirkung entfalte und bat um Anerkennung der aufschiebenden Wirkung und Unterbindung ihrer Vollziehung. Hierauf teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 13.05.2013, dass die vorliegende Genehmigung eine bauaufsichtliche Zulassung einschließe und die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine bauaufsichtliche Zulassung kraft Gesetzes entfalle.
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Am 23.05.2013 hat der Antragsteller deshalb das Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht. Zur Begründung seines Begehrens trägt er vor: Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin entfalle die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht kraft Gesetzes, weil es sich vorliegend nicht um eine bauaufsichtliche Zulassung, sondern um eine naturschutzrechtliche Genehmigung handele. Weil die Beigeladene die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs missachte, könne das Gericht einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Antragstellers treffen
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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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1. festzustellen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.01.2013 aufschiebende Wirkung hat und
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2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Beigeladenen die weitere Vollziehung des Bescheides vom 17.01.2013 zu untersagen, solange die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer etwaig nachfolgenden Klage andauert.
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Der Antragsgegner hat zum Eilantrag, über den er informiert ist, bislang noch keine Stellung genommen.
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Die Beigeladene beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie ist der Ansicht, die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb des neuen Menschenaffenhauses mit Außengehege sei offensichtlich rechtmäßig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller für diese Feststellung entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Antragsgegnerin hat ihm mit Schreiben vom 13.05.2013 ihm mitgeteilt, sein Widerspruch habe gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212 a BauGB keine aufschiebende Wirkung. Der Antragsteller musste demzufolge damit rechnen, dass die Beigeladene die ihr erteilte Genehmigung vor Eintritt der Bestandskraft ausnutzen wird.
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Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist auch begründet. Denn der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch hat gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Seine aufschiebende Wirkung entfällt nicht gemäß § 80 Abs. 2 VwGO. Insbesondere ist die mit dem Widerspruch des Antragstellers angefochtene auf der Grundlage des § 42 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG erteilte Genehmigung des Neubaus und des Betriebs des Menschenaffenhauses entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212 a BauGB sofort vollziehbar.
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Gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Diese Regelung betrifft aber nur die baurechtliche Zulassung (Baugenehmigung). Soweit eine andere Fachbehörde als die eigentliche Baugenehmigungsbehörde außerhalb des Baurechts auch für die Erteilung einer anderweitigen Genehmigung bezüglich der erforderlichen Baugenehmigung zuständig ist, greift § 212 a BauGB nicht. Bei einer in einer anderen Genehmigung konzentriert enthaltenen baurechtlichen Zulassung – beispielsweise der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 13 BImSchG oder der naturschutzrechtlichen Genehmigung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG stellt sich die Frage nach der Geltung des § 212 a BauGB nicht (vgl. zur Nichtanwendbarkeit des § 212 a BauGB auf immissionsschutzrechtliche Genehmigungen: OVG LSA, B. v. 19.07.2010 - 2 M 64/10 -, juris, Rdnr. 6 ff. m. w. N.). Hat das Rechtsmittel gegen eine solche Genehmigung selbst aufschiebende Wirkung, darf der von der Genehmigung Begünstigte nicht isoliert vorab die bauliche Anlage errichten. Die einheitliche konzentrierte Genehmigung schließt unterschiedliche aufschiebende bzw. nicht aufschiebende Wirkungen bezüglich der einzelnen Teile aus. Nur umgekehrt nehmen im „Huckepack“ der baurechtlichen Zulassung erteilte Genehmigungen – nach Landesrecht die naturschutzrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Genehmigung – am Ausschluss der aufschiebenden Wirkung teil (vgl. Ferner/Kröninger (HrsG.) HK-BauGB, 2005, § 212 a Rdnr. 6 u. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Februar 2008, § 6 Rdnr. 117 sowie Jarass, Bundesimmissionsschutzrecht, 7. Auflage, § 6 Rdnr. 34).
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Auch der Umstand, dass nach § 26 Abs. 1 Satz 1 NatSchG LSA die Genehmigung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG die baurechtliche Genehmigung einschließt, zwingt zu keiner anderen Auslegung des § 212 a Abs. 1 BauGB. Der gesetzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer von der naturschutzrechtlichen Genehmigung umfassten Genehmigung nach anderen Gesetzen erstreckt sich nicht automatisch auf die naturschutzrechtliche Genehmigung (vgl. wiederum zur Nichtanwendbarkeit des § 212 a BauGB auf immissionsschutzrechtliche Genehmigungen: OVG LSA, B. v. 19.07.2010 – a. a. O, Rdnr. 8).
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Gegen einen gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen eine naturschutzrechtliche Genehmigung, die lediglich auch die baurechtliche Genehmigung enthält, auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212 a BauGB sprechen auch der Wortlaut des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO („vorgeschrieben“), das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 80 Abs. 1 VwGO zu den Ausschlusstatbeständen des § 80 Abs. 2 VwGO und die verfassungsrechtliche Bedeutung des vorläufigen Rechtsschutzes. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO verlangt aus diesen Gründen eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs (vgl. Finkelnburg in: Derselbe/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreifverfahren, 6. Aufl. 2011, Rdnr. 704). Eine solche ausdrückliche gesetzliche Anordnung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine naturschutzrechtliche Genehmigung lässt sich keiner gesetzlichen Bestimmung entnehmen.
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Auch der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Beigeladenen die weitere Vollziehung der mit Bescheid vom 17.01.2013 erteilten Genehmigung zu untersagen, hat Erfolg. Das zuständige Gericht trifft die zum Schutz der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs gegen einen Bescheid, dessen faktischer Vollzug droht, gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO erforderlichen Sicherungsmaßnahmen. Hierbei kommt es nicht auf eine Interessensabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache an, weil bereits in der Missachtung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs durch einen vollziehenden Begünstigenden ein rechtswidriges Verhalten liegt, das eine gerichtliche Anordnung auf Aufhebung und Einstellung des Vollzuges rechtfertigt (vgl. hierzu mit weitergehender Begründung: HessVGH, B. v. 03.12.2002 - 8 TG 2177 -, juris, Rdnr. 7 m. w. N.). Vorliegend ist eine solche Anordnung geboten, weil die Beigeladene mit den Maßnahmen zur Errichtung des neuen Affenhauses begonnen hat und diese Baumaßnahmen fortsetzt, obwohl ihr die Einlegung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Genehmigung bekannt ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Unter Berücksichtigung der Empfehlung in Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges der Verwaltungsgerichtsbarkeit bemisst das Gericht das Interesse des Antragstellers an der Verfolgung seines Begehrens mit der Höhe des halben Auffangwertes.
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Referenzen
- VwGO § 154 1x
- § 212 a BauGB 7x (nicht zugeordnet)
- § 42 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG 3x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 10x
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 64/10 1x
- VwGO § 80a 1x
- § 26 Abs. 1 Satz 1 NatSchG 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 13 Genehmigung und andere behördliche Entscheidungen 1x
- §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- § 212 a Abs. 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)