Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (2. Kammer) - 2 B 390/15

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Sicherheitsleistung seines Widerspruches gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.06.2015 über seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner für Gewerbesteuern der C-Stadt GmbH (GmbH) in Höhe von 89.530,95 Euro.

2

Er war seit dem 01.06.2002 als Geschäftsführer der GmbH bestellt und in das Handelsregister eingetragen. Die GmbH meldete ihr Gewerbe am 22.06.2011 rückwirkend zum 08.12.2010 ab. Sie befindet sich in Liquidation.

3

Das Finanzamt B.-W. erließ mit Bescheid vom 23.08.2012 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2007 in Höhe von 26.640,00 Euro gegen die GmbH. Die Antragsgegnerin setzte daraufhin die Gewerbesteuer für das Jahr 2007 mit Bescheid vom 23.08.2012 in Höhe von 76.165,50 Euro gegen die GmbH fest und stellte den Betrag zum 27.09.2012 fällig. Gegen den Gewerbesteuermessbescheid legte die GmbH Einspruch ein. Am 24.09.2012 legte sie auch gegen den Gewerbesteuerbescheid Einspruch ein, beantragte die Aussetzung der Vollziehung und verwies zur Begründung auf den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid. Unter dem 04.01.2013 erhob die GmbH Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid vor dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, nachdem das Finanzamt B.-W. am 30.11.2012 über den dagegen gerichteten Einspruch entschieden hatte. Am 13.08.2013 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der GmbH vom 24.09.2012 gegen den Gewerbesteuerbescheid zurück. Der Antragsteller ergriff dagegen keine Rechtsmittel.

4

Die Antragsgegnerin versuchte, den Antragsteller mit Schreiben vom 20.10.2014, vom 17.04.2015 und Fax vom 11.05.2015, die der Antragsteller sämtlich nicht beantwortete, zur Zahlungsfähigkeit und dem Zahlverhalten der GmbH anzuhören. Daraufhin erließ die Antragsgegnerin am 19.06.2015 einen Haftungsbescheid in Höhe von 89.530,95 Euro gegen den Antragsteller gemäß § 191 Abs. 1 AO. Der genannte Betrag umfasst eine Gewerbesteuerforderung für 2007 in Höhe von 63.475,50 Euro, Zinsen für 2007 in Höhe von 12.690,00 Euro, Mahngebühren in Höhe von 50,00 Euro sowie Säumniszuschläge in Höhe von 20.251,50 Euro abzüglich einer Zahlung der GmbH in Höhe von 6.936,05 Euro.

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Der Haftungsbescheid wurde dem Antragsteller am 24.06.2015 zugestellt. Ihren Bescheid begründete die Antragsgegnerin damit, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH gemäß § 69 AO i.V.m. § 34 AO in die Haftung für Steuerschulden der GmbH genommen werden könne, wenn er deren steuerliche Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletze und damit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder Vergütungen zu Unrecht gewährt worden seien. Eine schuldhafte Pflichtverletzung sei insbesondere dann gegeben, wenn der gesetzliche Vertreter einer GmbH deren Steuerschulden aus den der GmbH zur Verfügung stehenden Mitteln hätte tilgen können. Der Antragsteller habe als Geschäftsführer der GmbH zwar deren Steuererklärungspflichten für 2007 fristgerecht erfüllt, seiner Pflicht zur, ggfs. auch nur anteiligen, Befriedigung der Gläubiger aus den vorhandenen Mitteln der GmbH sei er dagegen nicht nachgekommen. Die an ihn gerichteten Versuche der Antragsgegnerin zur Aufklärung des Sachverhaltes habe er ignoriert. Die mangelnde Aufklärbarkeit des Sachverhalts gehe zu seinen Lasten. Die Antragsgegnerin gehe deswegen davon aus, dass der GmbH hinreichende Mittel zur Begleichung der Gewerbesteuerschuld zur Verfügung gestanden haben. Eine Inanspruchnahme der GmbH habe nicht zum Erfolg geführt. Aufgrund der begonnenen Liquidation sei auch für die Zukunft eine Begleichung der Steuerschuld nicht zu erwarten.

6

Gegen den Haftungsbescheid legte der Antragsteller am 15.07.2015 Widerspruch bei der Antragsgegnerin ein, der noch nicht beschieden ist. Zur Begründung seines Widerspruchs verwies er auf das anhängige Gerichtsverfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid.

7

Am 18.08.2015, zugegangen am 19.08.2015, mahnte die Antragsgegnerin den Antragssteller bzgl. der offenen Forderung aus dem Haftungsbescheid an. Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit Fax am 04.09.2015 an die Antragsgegnerin und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller am 09.10.2015 mit, dass Voraussetzung für eine Gewährung der Aussetzung der Vollziehung sei, dass gegen den Gewerbesteuermessbescheid ebenfalls Aussetzung der Vollziehung beantragt werde.

8

Am 16.10.2015 hat der Antragsteller beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt einen vorläufigen Rechtschutzantrag gestellt.

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Er beantragt,

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die Vollziehung des Haftungsbescheides betreffend Gewerbesteuerbescheid 2007 der C-Stadt i.L. (HRB: 16253, AG Stendal) nebst Zinsbescheid bis zur Entscheidung über die Hauptsache auszusetzen.

11

Zur Begründung verweist der Antragsteller auf das vor dem Finanzgericht anhängige Verfahren Az. 3 K 20/13 bzgl. des Gewerbesteuermessbescheides.

12

Am 30.10.2015 beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides 2007 auszusetzen.

13

Am 11.11.2015 hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt beschlossen, dass in dem Verfahren über den Haftungsbescheid der Finanzrechtsweg unzulässig sei und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen. Das örtlich unzuständige Verwaltungsgericht Halle hat mit Beschluss vom 02.12.2015 den Rechtstreit an das Verwaltungsgericht Magdeburg verwiesen.

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Am gleichen Tag setzte das Finanzamt B.-W. die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides in Höhe von 16.280,00 Euro aus und bat bei der Antragsgegnerin um Entsprechendes in Bezug auf die Folgebescheide.

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Die Antragsgegnerin hat daraufhin am 17.12.2015 einen Betrag von insgesamt 84.765,50 Euro von der Vollziehung ausgesetzt, sofern der Antragsteller bis zum 18.01.2016 eine Sicherheitsleistung entsprechend §§ 241 – 248 AO erbringe. Der darüberhinausgehende Betrag in Höhe von 4.765,46 Euro ist nicht von der Vollziehung ausgesetzt worden.

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Der Antragsteller hat daraufhin am 14.01.2016 mitgeteilt, er sei nicht in der Lage eine den §§ 241 bis 248 AO entsprechende Sicherheitsleistung zu erbringen. Aufgrund des langen Zeitablaufs sei es unbillig, nunmehr eine Sicherheitsleistung zu fordern. Er verfüge über ein Nettoeinkommen von 442 Euro pro Monat und habe kein Vermögen zur Stellung von Sicherheiten. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller am 15.01.2016 einen Fragebogen zur Klärung seiner aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übersandt. Zur Vervollständigung ist dem Antragsteller bis zum 01.02.2016 Frist gesetzt worden. Die Frist sowie eine weitere vom Gericht gesetzte Frist bis zum 18.03.2016 hat der Antragsteller verstreichen lassen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

19

Sie verteidigt ihre Entscheidung mit dem Vorbringen aus dem Haftungsbescheid und dem diesbezüglichen Schriftwechsel mit dem Antragssteller, worauf gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO Bezug genommen wird.

20

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und den vorgelegten Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

21

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig.

22

Bei einem Haftungsbescheid handelt es sich um die Anforderung einer öffentlichen Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Auch wenn er kein Gewerbesteuerbescheid ist, enthält er die Verpflichtung, die Haftsumme, die der Gewerbesteuerschuld und den Nebenforderungen entspricht, zu entrichten. Wegen dieser engen rechtlichen Verpflichtung unterliegt daher auch der Haftungsbescheid der Regelung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO mit der Folge, dass ein gegen ihn erhobener Widerspruch kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B. v. 06.06.2007 – 4 CS 07.929 – zitiert nach juris).

23

Das Gericht geht außerdem in sinngemäßer Anwendung von § 88 VwGO davon aus, dass nach der zwischenzeitlich gewährten Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung über einen Betrag von 84.765,50 Euro durch die Antragsgegnerin der Antragsteller nunmehr die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Sicherheitsleistung und in Bezug auf die übrigen 4.765,46 Euro die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hierzu der statthafte Rechtsbehelf. Hat eine Behörde aufgrund eines Antrages nach § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung eines Bescheides nur gegen Sicherheitsleistung und nicht wie beantragt ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt, so ist hiergegen mittels eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzugehen (vgl. VG München, B. v. 27.01.2009 – M 10 S 08.5854 – zitiert nach juris). Bei der Anordnung einer Sicherheitsleistung im Rahmen des § 80 Abs. 4 VwGO handelt es sich um eine spezielle, auf die Vollzugsaussetzung zugeschnittene Nebenbestimmung, die nicht selbständig angefochten werden kann (Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn 169). Gibt die Behörde dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, macht die Aussetzung aber – wie hier – von einer Sicherheitsleistung abhängig, hat sie dem Aussetzungsbegehren nicht in vollem Umfang entsprochen (vgl. VG Karlsruhe, B. v. 13.10.2008 – 2 K 1630/08 – zitiert nach juris). Eine Verpflichtungsklage bzw. ein Antrag nach § 123 VwGO im einstweiligen Rechtschutz wären nicht statthaft (vgl. BayVGH, B. v. 29.11.1995 – 4 B 94.2089 – zitiert nach juris).

24

Der Antragsteller hat außerdem gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vor Anrufung des Gerichts erfolglos um die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids nachgesucht.

25

Der Antrag des Antragstellers ist unbegründet.

26

Er hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 19.06.2015 ohne Sicherheitsleistung, soweit er einen Betrag von 4.765,46 Euro übersteigt (dazu unter 1.). Er hat auch keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid vom 19.06.2015 im Übrigen (dazu unter 2.).

27

1. Im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen und zwar auch gegen Sicherheitsleistung. Da die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung, soweit sie einen Betrag von 4.765,46 Euro übersteigt, bereits angeordnet hat, ist insoweit nur darüber zu entscheiden, ob sie die Aussetzung der Vollziehung zu Recht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat (vgl. BFH, B. v. 07.05.2008 – IX S 26/07 – zitiert nach juris). Bei der Möglichkeit der Anordnung einer Sicherheitsleistung handelt es sich um eine spezielle Nebenbestimmung zum Aussetzungsverfahren, mit der ein Interessenausgleich zwischen dem zu gewährleistenden effektiven Rechtschutz einerseits und dem staatlichen Vollzugsinteresse andererseits hergestellt werden soll (vgl. OVG Berlin, B. v. 22.06.2005 – 2 S 49.05 – zitiert nach juris). Wegen der in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, wonach der Steuerpflichtige in der Regel erst einmal vorleisten und sich im Übrigen auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen muss, kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels nur in Betracht, wenn bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes – hier des Haftungsbescheides – bestehen. Auf die Berechtigung der Antragsgegnerin zur Anordnung einer Sicherheitsleistung übertragen bedeutet das, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung unzumutbar und deshalb unzulässig ist, wenn die Rechtslage eindeutig zu Gunsten des Antragstellers spricht (vgl. VG München, B. v. 27.01.2009, a.a.O.). Die Sicherheitsleistung soll im öffentlichen Interesse bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Prozessausgang Abgabenausfälle vermeiden. Das öffentliche Interesse ist daher zu verneinen, wenn nicht mit Sicherheit, aber doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten (vgl. VG Augsburg, B. v. 22.08.2002 – Au 5 S 02.690 – zitiert nach juris) und eine Gefährdung des Steueranspruches nicht zu befürchten ist.

28

§ 80 Abs. 5 VwGO enthält insoweit keine materiellen Vorgaben für die gerichtliche Prüfung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs, während § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO Kriterien für die Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde nennt. Auch wenn sich § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausdrücklich nur auf die Prüfung durch die Behörde bezieht, findet der dort genannte Maßstab auch für die gerichtliche Prüfung nach § 80 Abs. 5 VwGO Anwendung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 31.07.2014 – 2 M 36/14 – zitiert nach juris; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 21. Auflage 2015, § 80 Rn 157).

29

Nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung bei der Anforderung öffentlicher Abgaben erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen nicht schon dann, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist; vielmehr sollen nur Einwände, die von solchem Gewicht sind, dass sie mehr als nur einfache Zweifel rechtfertigen, zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 21.01.2009 – 4 M 355/08 – zitiert nach juris; B. v. 31.07.2014, a.a.O.).

30

Die Rechtslage spricht bei summarischer Überprüfung nicht eindeutig zugunsten des Antragstellers, so dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch die Antragsgegnerin nicht per se unzulässig ist und im öffentlichen Interesse liegt.

31

Der Antragsteller konnte grundsätzlich wirksam für die Gewerbesteuerverbindlichkeiten der Gesellschaft in Haftung genommen und zur Zahlung aufgefordert werden. Rechtsgrundlage dafür sind die §§ 191 Abs. 1, 69, 34 Abs. 1, 219 AO.

32

Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Zahlungspflichtig ist der Haftungsschuldner gemäß § 219 Satz 1 AO, wenn die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Nach § 69 AO haften die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnisse infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden. Die Haftung umfasst auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge und die sonstigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Gemäß § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

33

Der Antragsgegner hat nicht bestritten, auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Gewerbesteuerbescheides in 2012 Geschäftsführer der GmbH gewesen zu sein. Mithin war er als deren gesetzlicher Vertreter, §§ 13, 35 GmbHG, für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten verantwortlich. Die Abmeldung der gewerblichen Tätigkeit der GmbH in 2011 ändert an seiner Pflichtenstellung nichts. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin hat er die ihn treffenden steuerlichen Erklärungspflichten der GmbH erfüllt.

34

Er hat aber grob fahrlässig gegen seine Pflicht zur Zahlung der Steuern und bei dafür nicht vollständig ausreichenden Mitteln zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (vgl. für GewSt VGH Kassel, U. v. 14.12.1988 – 5 UE 266/85 – zitiert nach juris) – auch der Antragsgegnerin – verstoßen. Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich grobem Maß verletzt. Dazu gehört, dass er unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen oder dass er die einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen nicht anstellt. Jede Benachteiligung der Steuerbehörden stellt eine grobe Pflichtverletzung im vorgenannten Sinne dar (vgl. VGH Kassel, U. v. 14.12.1988, a.a.O.).

35

Der Antragsteller hat bis auf die im Haftungsbescheid angerechnete keine Zahlungen auf die festgesetzte Gewerbesteuer für das Jahr 2007 geleistet und es auch unterlassen, der Antragsgegnerin auf Nachfragen Gründe dafür mitzuteilen. Wenn nach Einstellung der werbenden Tätigkeit der GmbH nicht mehr genügend liquide Mittel zur Verfügung stehen, alle Schulden zu begleichen, hätte der Antragsteller alle verbleibenden Gläubiger der Gesellschaft, d.h. auch die Finanz- und Steuerbehörden zumindest anteilig befriedigen müssen. Da er das nicht getan hat, hat er seine Pflichten grob fahrlässig verletzt.

36

Die Antragsgegnerin hat alles ihr Mögliche zur Aufklärung eines Pflichtverstoßes des Antragstellers unternommen. Grundsätzlich hat nämlich der Steuergläubiger gemäß § 88 Abs. 1 AO zu ermitteln, ob und in welchem Umfang Geld für die Befriedung der Gläubiger zur Verfügung stand bzw. welche Gläubiger vom Steuerschuldner in welcher Höhe befriedigt worden sind. Die Antragsgegnerin hat dazu den Antragsteller mit Schreiben vom 20.10.2014 aufgefordert, ihre diesbezüglichen Fragen zu beantworten. Mit Schreiben vom 17.04.2015 wies sie ihn nochmals auf seine Mitwirkungspflichten hin und forderte ihn erneut auf, ihre Fragen zu beantworten. Am 11.05.2015 wurden die Fragen auch noch einmal an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers gefaxt. Alle Schreiben bzw. Faxe ließ der Antragsteller unbeantwortet. Der Antragsteller ist somit seinen steuerlichen Mitwirkungspflichten aus § 90 Abs. 1 AO nicht nachgekommen. Das kann der Antragsgegnerin nicht zum Nachteil gereichen, da sie auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen im Besteuerungsverfahren angewiesen ist. Die Verletzung seiner Mitwirkungspflichten hat daher in diesem Fall die Folge, dass für ihn nachteilige Schlüsse gezogen werden. Das gilt vor allem dann, wenn die Mitwirkungspflichten Tatsachen aus der Wissens- und Einflusssphäre des Antragstellers betreffen (vgl. BFH, U. v. 15.02.1989 – X R 16/86 – zitiert nach juris). Zudem liegt die Vermutung nahe, dass die GmbH zum Zeitpunkt des Erlasses des geänderten Gewerbesteuerbescheides noch über hinreichende Mittel zur Begleichung verfügt haben muss. Anderenfalls wäre der Antragsteller aus § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet gewesen. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nicht ersichtlich, noch hat der Antragsteller entsprechend vorgetragen, dass er einen Insolvenzantrag für die GmbH gestellt hat.

37

Das ihr in § 191 Abs. 1 AO eingeräumte Ermessen hat die Antragsgegnerin pflichtgemäß ausgeübt und ihre diesbezüglichen Erwägungen im Haftungsbescheid vom 19.06.2015 ausgeführt.

38

Da die Haftungsinanspruchnahme aber nur soweit reichen kann, wie die ihr zugrundeliegende Steuerverbindlichkeit besteht (vgl. Klein, Kommentar zur AO, 12. Auflage 2014, § 191 Rn 11; Heß in KStZ 1991, S. 161 (162)), war die Antragsgegnerin aufgrund der vom Finanzamt B.-W. ausgesprochenen Aussetzung der Vollziehung für einen Teil des Gewerbesteuermessbescheides gehalten, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid anzuordnen. Anders als § 80 Abs. 5 VwGO reicht aber für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung nach § 69 Abs. 3 FGO durch das Finanzamt, dass gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken. Nicht erforderlich ist, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sprechende Gründe überwiegen (vgl. BFH, U. v. 03.12.1993 – XI S 12/93 – zitiert nach juris). Daher kann aus der Entscheidung des Finanzamtes B.-W., die Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides zum Teil auszusetzen, nicht geschlossen werden, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass der Antragsgegner im Hauptverfahren gegen den Haftungsbescheid obsiegt.

39

Liegt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Steuerpflichtigen in der Hauptsache nicht vor, so ist bezüglich der Sicherheitsleistung zu prüfen, ob eine Gefährdung des streitigen Steueranspruches zu befürchten ist. (vgl. VG München, B. 27.01.2009, a.a.O.).

40

Zwar hat die Antragsgegnerin nähere Ausführungen bzgl. der Gründe für die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht gemacht. Die Ausführungen des Antragstellers, lediglich über 442 Euro monatlich und im Übrigen über kein weiteres Vermögen zu verfügen, genügen hier, um die Anordnung der Sicherheitsleistung durch die Antragsgegnerin für rechtmäßig zu erachten. Sie hat aus den Ausführungen des Antragsstellers den richtigen Schluss gezogen, nämlich den Steueranspruch als gefährdet zu betrachten. Dem Antragsteller oblag es, näher darzulegen, dass er die Haftungsschuld im Falle eines für ihn negativen Ausgangs des Hauptsacheverfahrens würde begleichen können. Dazu hat er trotz mehrmaliger Fristsetzung, auch durch das Gericht, nichts vorgetragen. Seine Auffassung, dass der Haftungsbescheid rechtswidrig sei, hat für die Prüfung der Frage der Gefährdung des Steueranspruchs keine Bedeutung. Das Gericht ist hier bereits zu der Auffassung gekommen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, den Antragsgegner für Gewerbesteuerverbindlichkeiten der GmbH, soweit sie bestehen, als Haftungsschuldner rechtmäßig in Anspruch zu nehmen. Soweit die Antragsgegnerin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Haftungsbescheid angeordnet hat, beruht das auf der Aussetzung des Gewerbesteuermessbescheides durch das Finanzamt B.-W. aufgrund streitiger Fragen in der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages und nicht wegen Fehlern bei der Haftungsinanspruchnahme des Antragsgegners.

41

2. Auch im Übrigen hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in Bezug auf den von der Antragsgegnerin bisher noch nicht von der Vollziehung ausgesetzten Betrag aus dem Haftungsbescheid. Auch im Hinblick auf den übrigen Betrag von 4.765,46 Euro bestehen keine ernstlichen Zweifel an der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Haftungsbescheid ist, soweit die Voraussetzungen für seinen Erlass wie hier vorliegen, aufgrund seiner Rechtsnatur als akzessorischer Bescheid zum Gewerbesteuerbescheid und dieser wiederum als Folgebescheid zum Gewerbesteuermessbescheid, §§ 184 Abs. 1, 191 Abs. 1 AO, nur von der Vollziehung auszusetzen, wenn der zugrundeliegende Bescheid – hier der Gewerbesteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbescheid – von der Vollziehung ausgesetzt werden, § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO. Soweit der Haftungsbescheid 4.765,46 Euro nicht übersteigt, hat das Finanzamt B.-W. den Gewerbesteuermessbescheid nicht von der Vollziehung ausgesetzt. Die Antragsgegnerin ist an diese Entscheidung gebunden. Sie kann ihren Folgebescheid – Gewerbesteuerbescheid und den dazu akzessorischen Haftungsbescheid – nur aus Gründen von der Vollziehung aussetzen, die außerhalb des Grundlagenbescheides liegen. Solche Gründe sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.

42

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.

43

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18.07.2013, wobei in Abgabenangelegenheiten von einem Viertel des Hauptsachestreitwertes auszugehen ist.


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