Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (5. Kammer) - 5 B 225/17

Gründe

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Der sinngemäß gestellte Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, von der Antragstellerin auf Grundlage der Anordnung vom 13. März 2017 zu verlangen, sich einer amtsärztlichen Begutachtung zu unterziehen, ist zulässig und begründet.

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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Regelung eines Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO).

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Der Anordnungsgrund ist gegeben. Die Eilbedürftigkeit folgt aus dem Umstand, dass der Antragstellerin mit der Weisung vom 13. März 2017 aufgegeben worden ist, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dass für die Untersuchung noch kein Untersuchungstermin bestimmt worden war, stellt die Eilbedürftigkeit nicht in Frage (vgl. Beschluss der Kammer vom 16. September 2016 – 5 B 570/16 -, juris), zumal der Antragsgegner den Untersuchungstermin im Verlauf des gerichtlichen Eilverfahrens nunmehr auf den 7. Juni 2017 festgelegt hat.

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Die Anordnung des Antragsgegners vom 13. März 2017, mit der der Antragstellerin aufgegeben wird, sich einer amtsärztlichen Untersuchung im Polizeiärztlichen Zentrum zu unterziehen, erweist sich bei der im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Sachprüfung als rechtswidrig.

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Die Anordnung, sich zur Überprüfung der Dienstfähigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu stellen, beruht auf § 45 Abs. 1 Satz 1 LBG LSA, wonach Beamte verpflichtet sind, sich unter bestimmten Voraussetzungen ärztlich untersuchen zu lassen.Gemäß §§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, 45 Abs. 2 LBG LSA kann als dienstunfähig angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass die Dienstfähigkeit innerhalb von sechs Monaten wieder voll hergestellt ist. Die nach § 26 BeamtStG notwendige Prognoseentscheidung, ob die Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate wiedererlangt werden kann, ist nach den §§ 45 Abs. 3, 49 Abs. 1, 10 Abs. 1 Satz 1 LBG LSA aufgrund eines Gutachtens der zentralen ärztlichen Untersuchungsstelle zu treffen.

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Vorliegend ist Anlass für die amtsärztliche Untersuchung, dass die Antragstellerin unstreitig seit dem 14. November 2016 bis zum Erlass der hier streitbefangenen Untersuchungsanordnung vom 13. März 2017 lediglich durch einen viertägigen Zeitraum unterbrochen arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist. Ausgehend hiervon ist die Antragstellerin mehr als drei Monate lang erkrankt gewesen, so dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens erfüllt sind, weil die Antragstellerin innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan (§ 26 Abs. 1 Satz 2 HS. 1 BeamtStG).

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Die Untersuchungsanordnung bedurfte auch keiner weitergehenden konkretisierenden Angaben zu Art und Umfang der ärztlichen Untersuchung. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 17/10 -, juris) entwickelten inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine Untersuchungsanordnung gelten für die Fälle des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, in denen die Maßnahme auf bestimmten Vorfällen oder Verhaltensweisen des Beamten beruht, die Zweifel an seiner dauernden Dienstfähigkeit begründen. In den Fällen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG hingegen kann der Dienstherr auf Grundlage der ihm vorliegenden ärztlichen Atteste regelmäßig nicht erkennen, welches Krankheitsbild den Fehlzeiten zugrunde liegt. Deshalb ist er grundsätzlich auch nicht imstande, die ärztliche Untersuchung bereits in der Aufforderung zumindest in den Grundzügen festzulegen, wie dies unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG geboten ist. Einer solchen Konkretisierung bedarf es im Fall des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht, weil Anlass der Anordnung allein die Dauer der krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit des Beamten ist. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn dem Dienstherrn die Krankengeschichte teilweise bekannt sein sollte (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 12. Januar 2016 - 1 M 4/16 -, n. v.).

8

Die Weisung vom 13. März 2017 begegnet jedoch deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil der Antragsgegner vor ihrer Erteilung ein betriebliches Eingliederungsmanagement auf der Grundlage des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht angeboten hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung, ggf. der Schwerbehindertenvertretung und der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement). Dieses Verfahren und ein an krankheitsbedingte Fehlzeiten anknüpfendes dienstrechtliches Verfahren stehen zueinander in einem zeitlich gestaffelten Stufenverhältnis. Dem präventiv ausgerichteten betrieblichen Eingliederungsmanagement schließt sich ein dienstrechtliches Verfahren an, das die Prüfung der Dienstfähigkeit zum Gegenstand hat und mit der Weisung, sich amtsärztlich zu untersuchen, eingeleitet wird (so: BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 C 22/13 - juris Rdnr. 40 und 42). Der Dienstherr muss folglich bereits zu einem frühen Zeitpunkt die Initiative ergreifen und das in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Verfahren zur Überwindung von Arbeitsunfähigkeit anbieten. Kann damit keine Verbesserung erzielt werden, schließt sich ein dienstrechtliches Verfahren an, in dem sich der Beamte dann ggf. auch einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen hat. Unterlässt der Dienstherr die ihm vorgegebene Verpflichtung, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten, muss er die Begründung einer Untersuchungsanordnung auf anderweitige, ausreichende Tatsachenfeststellungen stützen (vgl. BVerwG, a. a. O., Rdnrn. 45 und 51). Das hat der Antragsgegner indes nicht getan. Er hat die Weisung ausschließlich auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten gestützt. Soweit der Antragsgegner unter Verweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (vgl. Beschluss vom 29. Januar 2007 - 5 ME 61/07 -, juris) einwendet, das betriebliche Eingliederungsmanagement sei keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Untersuchungsanordnung, wird eine solche Rechtsauffassung durch die beschließende Kammer schon nicht geteilt. Vielmehr wird mit dem Bundesverwaltungsgericht darauf abgehoben, dass die Begründung der erteilten Untersuchungsanordnung bei fehlendem Angebot eines betrieblichen Eingliederungsmanagements durch den Dienstherrn auf anderweitige, ausreichende Tatsachenfeststellungen zu stützen ist.

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Dass nach Erlass der Untersuchungsanordnung die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. März 2017 die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements beantragt und der Antragsgegner diesen Antrag unter dem 31. März 2017 abgelehnt hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Selbst wenn man - was hier offen bleiben kann - davon ausginge, die Nachholung einer versäumten Klärung von Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, sei statthaft, so ist im vorliegenden Fall zu konstatieren, dass die vom Antragsgegner bezeichneten Gründe die Ablehnung nicht rechtfertigen. Der Antragsgegner stützt seine Entscheidung - für ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei kein Raum - im Wesentlichen darauf, dass die Antragstellerin ihrer eigenen Erklärung zufolge nicht mehr auf dem bisherigen Dienstposten eingesetzt werden möchte und der Antragsgegner, solange an ihrer (Schulverwaltungs-)Dienstfähigkeit Zweifel bestünden, gehindert sei, über ihren (zweiten) Umsetzungsantrag vom 8. Februar 2017 zu befinden. Zu den Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zählen jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes als „niederschwelligere“ Vorfeldmaßnahmen neben dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln, der Anpassung des Arbeitsgerätes, der Umgestaltung des Arbeitsplatzes sowie der Verteilung von Arbeitszeiten auch Umsetzungen (vgl. Urteil vom 5. Juni 2014, a. a. O. Rdnr. 41), an welcher sich der Antragsgegner zu Unrecht von vornherein gehindert sieht.

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Soweit er in diesem Zusammenhang einwendet, ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement sei nicht vorzuschalten, weil im vorliegenden Fall die regelmäßig hiermit verbundenen Ziele nicht herbeigeführt werden könnten, ist dem nicht zu folgen. Die Antragstellerin war vom 1. November 2009 bis zum 31. Dezember 2011 an das Landesverwaltungsamt (bis 31. Juli 2011 im Referat 504, bis 31.Dezember 2011 im Referat 505) und ist seit dem 1. Januar 2012 mit dem Übergang der Aufgaben der Schulaufsicht vom Landesverwaltungsamt auf das Landesschulamt an dieses abgeordnet, mithin bis dato im Schulverwaltungsdienst verwendet worden. Dies geschah mit dem Ziel eines Laufbahnwechsels in den Schulverwaltungsdienst (vgl. Bl. 204 der Personalakte). Zwar ist die Bewährung der Antragstellerin - insbesondere ihre gesundheitliche Eignung - bisher nicht ausdrücklich festgestellt worden. Ob sie den gesundheitlichen Anforderungen an dieses avisierte abstrakt-funktionelle Amt jedoch gerecht wird, ist von der hier maßgebenden Frage zu unterscheiden, ob die derzeit bestehende Arbeitsunfähigkeit durch Veränderungen im Arbeits-/Dienstbereich überwunden werden kann. Denn der Antragsgegner bezweckt ausgehend von der hier streitbefangenen Weisung an die Antragstellerin nicht die Vorbereitung eines etwaigen Laufbahnwechsels und die damit verbundene Feststellung der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin, sondern hat allein aufgrund der Fehlzeiten die Untersuchungsanordnung vorgenommen. Hieran ist er festzuhalten. Eine unzureichende Begründung kann nicht durch das Nachschieben weiterer Gründe geheilt werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der Anordnung tatsächliche Umstände vorlagen, die den Schluss auf Zweifel an der Dienstfähigkeit gerechtfertigt hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 2 C 68/11 – juris Rdnr. 21).

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Würde man der Rechtsauffassung des Antragsgegners folgen, wäre jeder Beamte, der - wie die Antragstellerin aufgrund gesundheitlicher Gegebenheiten - nicht laufbahngerecht verwendet wird, von Eingliederungsmaßnahmen abgeschnitten, ohne dass ersichtlich wäre, weshalb nach Wortlaut und Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX ein nicht laufbahngerecht verwendeter Beamter keinen Anspruch auf eine Analyse der für ihn bestehenden Arbeitsbedingungen im Hinblick auf seine gesundheitlichen Einschränkungen haben soll. Auch ihm muss die Möglichkeit erhalten bleiben, eine leidensgerechte Anpassung des konkreten Arbeitsplatzes ausloten zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014, a. a. O., Rdnr. 41), zumal der Antragsgegner mit der Genehmigung der Teilzeitbeschäftigungsanträge (zuletzt unter dem 11. Dezember 2016) den gesundheitlichen Gegebenheiten der Antragstellerin Rechnung getragen hat. Weshalb eine Prüfung etwaiger Umsetzungsmaßnahmen von vornherein nicht zielführend sein kann, legt der Antragsteller nicht dar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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