Beschluss vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 E 308/17

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner die Anordnung von Ersatzzwangshaft beantragt.

2

Der Antragsgegner meldete zum 1.4.2012 ein Gewerbe "Großhandel mit Altmaterialien und Reststoffen/Wertstoffannahme" in A-Stadt an. Durch Mitteilung des Finanzamts erhielt die Antragstellerin Kenntnis von erheblichen Steuerschulden des Antragsgegners. Nach vorangegangener Anhörung untersagte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit Bescheid vom 31.1.2017 auf Dauer die Ausübung des Gewerbes sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden, die Tätigkeit als mit der Leitung einer Gewerbebetriebes beauftragter Person und die Ausübung aller Gewerbe, die dem Anwendungsbereich der Gewerbeordnung unterliegen. Sie gab ihm auf, das untersagte Gewerbe 5 Wochen nach Eintreten der Vollziehbarkeit des Bescheides einzustellen und jegliche auf die weitere Ausübung des untersagten Gewerbes gerichtete Handlungen zu unterlassen. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Für den Fall, dass er der Untersagung nicht Folge leiste und das Gewerbe nicht bis zum genannten Termin einstelle, drohte sie ihm die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,- € an. Für den Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes wurde der Antragsgegner auf die beabsichtigte Beantragung der Anordnung von Ersatzzwangshaft hingewiesen. Der dem Antragsgegner am 4.2.2017 zugestellte Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

3

Bei Kontrollen am Gewerbegelände des Antragsgegners stellte die Antragstellerin fest, dass dort noch Wertstoffe entsorgt werden (Bl. 39 der Beiakte). Am Firmenschild war ein Aushang angebracht mit folgender Aufschrift: "Werte Kunden/In der Zeit vom 13.03.2017 bis 15.04.2017 ist Montags bis Freitags geschlossen. Dafür ist an den Samstagen von 08.00-12.00 Uhr geöffnet. Vielen Dank/Ihre Wertstoffannahme" (Bl. 41 der Beiakte). Im örtlichen Anzeigenblatt war ein Werbe-Inserat des Antragsgegners mit Hinweis auf die werktäglichen Öffnungszeiten und die Aufforderung "Bringen Sie Ihre Wertstoffe vor dem Einkauf zur Wertstoffannahme" am 15./16.4.2017 abgedruckt (Bl. 42 der Beiakte).

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Mit - kostenpflichtigem - Bescheid vom 8.5.2017 setzte die Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Zwangsgeld von 2.000,- € fest und forderte ihn zur Zahlung innerhalb einer Frist von 14 Tagen auf. Sie drohte ihm erneut die Festsetzung eines Zwangsgeldes, diesmal in Höhe von 4.000,- € an, wenn er die untersagte gewerbliche Tätigkeit nicht innerhalb einer Woche nach Eintreten der Vollziehbarkeit dieser Festsetzung unterlasse. Die Beitreibung des Zwangsgeldes könne nur unterbleiben, wenn der Antragsgegner seine gewerblichen Tätigkeiten einstelle. In der Begründung des Bescheides führte die Antragstellerin aus, sie werde die Beitreibung des Zwangsgeldes im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens veranlassen, wenn er das Zwangsgeld nicht innerhalb der gesetzten Frist einzahle und auch die Ausübung des untersagten Gewerbes nicht unterlasse. Sie weise darauf hin, dass beim zuständigen Verwaltungsgericht die Ersatzzwangshaft beantragt werde, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich sei. Der Bescheid wurde dem Antragsgegner am 11.5.2017 zugestellt.

5

Auf Mitteilung des Finanzamts vom 15.5.2017 erhielt die Antragstellerin Kenntnis von Anhaltspunkten zu weiteren Geschäftsvorgängen im Gewerbe des Antragsgegners (Bl. 52-65 der Beiakte), das erneut am 14.6.2017 im Anzeigenblatt "Wochenspiegel" beworben wurde (Bl. 66 der Beiakte).

6

Bei einem - fruchtlosen - Vollstreckungsversuch der Antragstellerin am 15.6.2017 erteilte der Antragsgegner gem. § 802 c ZPO eine Vermögensauskunft und gab hierbei an, er führe ein Erwerbsgeschäft mit monatlicher Umsatzhöhe von ca. 2.500,- € und monatlichem Gewinn von ca. 1.500,- € (Bl. 67-72 der Beiakte). Pfändbares Vermögen war nicht vorhanden.

7

Bei einer erneuten Vor-Ort-Kontrolle stellten Mitarbeiter der Antragstellerin fest, dass am 10. und 11.7.2017 Wertstoffe im Gewerbebetrieb des Antragsgegners entsorgt wurden (Bl. 74 der Beiakte).

8

Am 22.8.2017 hat die Antragstellerin beim erkennenden Gericht beantragt,

9

gegen den Antragsgegner Ersatzzwangshaft anzuordnen, Haftbefehl zu erlassen und den Antragsgegner zu verhaften.

10

Die Antragstellerin trägt vor: Das festgesetzte Zwangsgeld sei uneinbringlich. Der Antragsgegner habe der Untersagungsverfügung nicht Folge geleistet, da er das untersagte Gewerbe weiter ausübe und weiterhin dafür werbe (Bl. 30 der Akte). Die beantragte Ersatzzwangshaft diene daher der Durchsetzung der bestandskräftigen Untersagungsverfügung. Das festgesetzte Zwangsgeld verlöre als Beugemittel anderenfalls seine Wirkung. Die Ersatzzwangshaft erscheine aussichtsreich, da dem Antragsgegner dadurch die Konsequenz für die unausgesetzten Zuwiderhandlungen gegen die Gewerbeuntersagung verdeutlicht werde und er darüber hinaus im Fall eines Haftantritts die untersagte gewerbliche Tätigkeit für diesen Zeitraum unterbrechen müsse. Die Anordnung der Ersatzzwangshaft sei nicht unverhältnismäßig, denn hiermit solle gerade keinem Bagatellverstoß begegnet werden. Es gehe um die Durchsetzung der Gewerbeuntersagung, die letztendlich den Schutz der Allgemeinheit und des Staates vor gewerberechtlich unzuverlässigen Personen bezwecke, die ihre gesetzlichen Pflichten nicht erfüllten und dadurch die Allgemeinheit schädigten. Der Antragsgegner sei unbeeindruckt vom Schriftverkehr und Verfahren und habe sich nicht ein einziges Mal dazu geäußert oder den Versuch unternommen, die Gewerbeuntersagung abzuwenden. Die Ersatzzwangshaft sei daher auch erforderlich, um die motivierende Wirkung ihrer Androhung zu erhalten.

11

Der Antragsgegner, dem der Antrag am 25.8.2017 zugestellt wurde, hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Er hat sich – wie auch im Verwaltungsverfahren – nicht geäußert.

12

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragstellerin Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

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Der zulässige Antrag ist begründet.

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Gem. § 71 Abs. 1 VwVG LSA werden Verwaltungsakte, die auf die Herausgabe einer Sache oder auf eine sonstige Handlung oder eine Duldung oder - wie vorliegend - Unterlassung gerichtet sind und die nicht unter § 2 Abs. 1 (Leistungsbescheid wegen einer Geldforderung) fallen, auch wenn sie nicht der Gefahrenabwehr dienen, nach dem Vierten Teil des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt durchgesetzt.

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Zum Vierten Teil des SOG LSA gehören die §§ 53-68a SOG LSA. § 57 SOG LSA regelt die Ersatzzwangshaft. Nach dieser Norm kann das Verwaltungsgericht, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist, auf Antrag der Sicherheitsbehörde oder der Polizei Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei Androhung des Zwangsgeldes hierauf hingewiesen worden ist. Die Ersatzzwangshaft beträgt mindestens einen Tag, höchstens sechs Monate (§ 57 Abs. 1 SOG LSA).

16

Das Verwaltungsgericht entscheidet nach seinem pflichtgemäßen Ermessen darüber, ob die beantragte Anordnung der Ersatzzwangshaft unter Berücksichtigung aller Umstände und insbesondere des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt ist. Da es sich bei der Ersatzzwangshaft um einen schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsgrundrechte, insbesondere Bewegungsfreiheit, des Betroffenen handelt, muss die Anordnung verhältnismäßig sein in dem Sinne, dass sie nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen darf. Denn die Ersatzzwangshaft ist das letzte Mittel des Staates, um seine Anordnungen gegenüber uneinsichtigen Bürgern durchzusetzen, und muss als in der Regel schärfstes Zwangsmittel besonderen Ausnahmefällen vorbehalten bleiben (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.2.1996 - 8 C 96.216 -; OVG NRW, Beschl. v. 20.4.1999 - 5 E 251/99 -, jew. zit. nach juris).

17

Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Ausgangsbescheid, in dem bereits auf die Möglichkeit einer Anordnung der Ersatzzwangshaft hingewiesen wurde, ist i.S.v. § 53 Abs. 1 SOG LSA unanfechtbar geworden, wurde aber vom Antragsgegner nicht befolgt. Hierfür liegen konkrete Tatsachen vor, da mit Inseraten in der Presse weiterhin für das Gewerbe des Antragsgegners geworben wird, Außendienstmitarbeiter der Antragstellerin bei Vor-Ort-Kontrollen gewerbliche Tätigkeiten (Annahme von Wertstoffen) festgestellt und aktenkundig gemacht haben und auch das Finanzamt gegenüber der Antragstellerin Hinweise auf die Fortführung der gewerblichen Tätigkeit nebst Belegen gegeben hat. Den entsprechenden Vorhaltungen der Antragstellerin ist der Antragsgegner selbst nicht entgegengetreten, sondern hat vielmehr beim erfolglosen Versuch, das festgesetzte Zwangsgeld beizutreiben, angegeben, er führe ein Erwerbsgeschäft, mit dem monatliche Umsätze erzielt würden. Das festgesetzte Zwangsgeld hat sich beim Vollstreckungsversuch am 15.6.2017 als uneinbringlich erwiesen. Den entsprechenden Nachweis hat die Antragstellerin durch Vorlage des Vermögensverzeichnisses gem. § 802c ZPO (Bl. 67 ff. der Beiakte), das der Antragsgegner gegenüber der Gerichtsvollzieherin des AG A-Stadt abgegeben hat, geführt. Pfändbares Vermögen wurde hierbei nicht festgestellt, so dass der Antragsgegner als zahlungsunfähig anzusehen ist.

18

Es ist nicht ersichtlich, dass der beabsichtigte Erfolg, die staatliche Anordnung gegen einen uneinsichtigen Bürger durchzusetzen, auf andere - einfachere - Weise durchgesetzt werden kann. Der fortgesetzte Verstoß des Antragsgegners gegen die bestandskräftige Gewerbeuntersagung ist als hartnäckig zu bewerten. Ein milderes Zwangsmittel, dem zu begegnen, besteht nicht. Denn bei der Befolgung einer Gewerbeuntersagung handelt es sich um eine höchstpersönliche, auf Unterlassung gerichtete Verpflichtung des Antragsgegners (vgl. VG Meiningen, Beschl. v. 24.6.2014 - 1 S 196/14 Me -, zit. nach juris). Hierzu hat der Antragsgegner in keiner Weise erkennen lassen, dass er bereit ist, seinen aus den ergangenen Bescheiden beruhenden Verpflichtungen nachzukommen.

19

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation und des an den Tag gelegten Verhaltens des Antragsgegners erscheint daher die Anordnung der Ersatzzwangshaft an Stelle des uneinbringlichen Zwangsgeldes erforderlich zu sein, um die bestandskräftige Gewerbeuntersagung gegenüber einem uneinsichtigen Bürger wie dem Antragsgegner durchzusetzen. Mit der Ersatzzwangshaft soll hier keinem Bagatellverstoß begegnet werden. Vielmehr geht es um die Durchsetzung der Gewerbeuntersagungsverfügung, die den Schutz der Allgemeinheit und des Staates vor gewerberechtlich unzuverlässigen Personen bezweckt. Hierbei hält die Kammer eine Dauer der Ersatzzwangshaft von 7 Tagen für angemessen, aber auch ausreichend. Die hiermit festgesetzte Dauer der Ersatzzwangshaft von 7 Tagen sieht die Kammer als erforderlich an, um dem Antragsgegner die Beharrlichkeit seines gewerberechtlichen Verstoßes vor Augen zu führen und ihn anzuhalten, seiner Verpflichtung aus der Gewerbeuntersagungsverfügung nunmehr nachzukommen.

20

Die Ersatzzwangshaft ist gem. § 57 Abs. 2 SOG LSA i.V.m. §§ 802 g Abs. 2, 802 h ZPO durch den Gerichtsvollzieher zu vollstrecken.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

22

Ein Streitwert ist nicht festzusetzen, da Kostenvorschriften für einen Antrag auf Anordnung der Ersatzzwangshaft nicht bestehen (vgl. VG Würzburg, Beschl. v. 17.9.2015 - W 6 X 15.731 -, zit. nach juris). Es handelt sich weder um ein Verfahren im Allgemeinen (Nr. 5110 des Kostenverzeichnisses zum GKG) noch um ein Besonderes Verfahren i.S.v. Nr. 5301 (Verfahren über Anträge auf gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung nach den §§ 169, 170 oder 172 VwGO).


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