Urteil vom Verwaltungsgericht Magdeburg (3. Kammer) - 3 A 154/17

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle.

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Der 47jährige Kläger hat im August 1989 eine Facharbeiterausbildung abgeschlossen, die ihn zum Führen der Bezeichnung „Maler“ berechtigt. Zwischen 1989 und 2004 war der Kläger zunächst bei der D. und danach bei verschiedenen Betrieben als Maler beschäftigt. Im Juli 2004 wurde er als Bodenleger und für das Holz- und Bautenschutzgewerbe in das Verzeichnis der Inhaber der zulassungsfreien bzw. handwerksähnlichen Gewerbe eingetragen, im März 2013 zusätzlich als Raumausstatter sowie Fliesen-, Platten- und Mosaikleger.

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Am 10. Februar 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Maler- und Lackierer-Handwerk. Zur Begründung gab er an, die Meisterausbildung sei für ihn aufgrund seines Alters eine unzumutbare Belastung.

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Mit Schreiben vom 21. Februar 2017 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe bis zum 31. Mai 2017 für das Maler- und Lackiererhandwerk die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten durch eine Sach- und Fachkundeprüfung nachzuweisen. Hierzu könne er sich an – im Einzelnen aufgezählte – folgende Stellen bzw. jeden von einer Handwerkskammer der Bundesrepublik Deutschland öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen wenden. Das Fachkundezeugnis oder -gutachten sei bis zum genannten Termin zu übersenden.

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Hierauf antwortete der Kläger mit Schreiben vom 23. März 2017, in dem er ausführte, nach Ziff. 2.12 der Beschlüsse des „Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht“ zum Vollzug der Handwerksordnung vom 21. November 2000 sei ein Umstand, der einen Ausnahmefall zur Eintragung in die Handwerksrolle begründen könne, beispielsweise bei einem Lebensalter von 47 Jahren anzunehmen, da die Ablegung der Meisterprüfung hier unzumutbar sei. Er – der Kläger – habe auch die zur selbständigen Ausübung des Maler- und Lackierer-Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen. Er sei 15 Jahre durchweg im Maler- und Lackierer-Handwerk tätig gewesen. Seit 13 Jahren führe er eine selbständige Tätigkeit im „Dienstleistungsservice und Raumausstatterservice“ aus, die dem Maler- und Lackierer-Handwerk verwandt sei. Auch wenn das Handwerk des Raumausstatters sich ausschließlich auf Innenräume beziehe, sei es dem Maler- und Lackierer-Handwerk artverwandt, da es unter anderem das Be- und Verarbeiten von Werk- und Hilfsstoffen, das Prüfen, Vorbereiten und Bearbeiten von Untergründen, das Behandeln von Oberflächen und das Gestalten, Bekleiden und Beschichten von Wand- und Deckenflächen umfasse. Während seiner Selbständigkeit habe er zudem kaufmännische, betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse erlangt. Die Ausnahmebewilligung sei ihm deshalb ohne eine Sach- und Fachkundeprüfung zu erteilen. Durch die Nichterteilung werde er in seiner Berufsfreiheit verletzt.

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Mit Bescheid vom 6. April 2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab und setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 125,00 Euro fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es könne offen bleiben, ob es dem Kläger bereits aufgrund seines Lebensalters unzumutbar sei, die Meisterprüfung im Maler- und Lackierer-Handwerk zu absolvieren. Jedenfalls habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass er aufgrund seiner Berufserfahrung über die für das selbständige Betreiben des Maler- und Lackierer-Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten verfügt. Zu diesem Handwerk gehörten neben den üblichen Malerarbeiten in Innenräumen auch Lackierarbeiten an Fenstern, Türen und anderen Bauteilen, die farbliche Gestaltung von Fassaden, die Durchführung von Putz- und Stuckarbeiten, die Montage von Wärmedämmverbundsystemen, das Abdichten von Fugen und die Durchführung von Korrosions- und Brandschutzarbeiten. Aus den Unterlagen zum beruflichen Werdegang des Klägers ergebe sich nicht, ob und über welchen Zeitraum der Kläger die Erbringung dieser Leistungen unter welcher Anleitung oder ggf. in welcher Art und Weise autodidaktisch erlernt haben könnte. Die Festsetzung der Verwaltungsgebühr berücksichtige das Maß des Verwaltungsaufwands, die Bedeutung des Gegenstandes der Amtshandlung, den Nutzen und die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner.

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Am 5. Mai 2017 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben.

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Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, er habe während seiner Beschäftigung als Maler bei der D. (1989-1994) erfolgreich eine Weiterbildung zum Lackierer abgeschlossen und sodann überwiegend Lackierarbeiten an Reisezügen durchgeführt. Hierbei hätten auch Korrosionsschutzarbeiten eine gesteigerte Rolle gespielt. Die Aufträge, die er während seiner Beschäftigung zwischen 1994 und 1996 abgearbeitet habe, hätten zum Großteil Fachwerkhäuser in C-Stadt betroffen. Neben der farblichen Gestaltung von Fassaden sei er u.a. mit Putz- und Stuckarbeiten sowie Brand- und Korrosionsschutzarbeiten befasst gewesen. Während seiner Anschlussbeschäftigung zwischen 1996 und 1997 habe er überwiegend Wärmedämmverbundsysteme montiert. Dabei seien im Zwischenschritt auch immer Putzarbeiten durchzuführen gewesen. Zwischen 1998 und 2004 sei er als Maler in leitender Position beschäftigt gewesen. Hierbei und während seiner späteren selbständigen Tätigkeit habe er betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse erworben. Im Rahmen des Raumausstatterservice habe er zudem Putzarbeiten in Innenräumen, Abdichtungsarbeiten von Fugen und Lackierarbeiten z. B. an Heizkörpern, ausgeführt und seine Fertigkeiten und Kenntnisse diesbezüglich weiter ausgebaut.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. April 2017 zu verpflichten, ihm eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle für das Maler- und Lackierer-Handwerk zu erteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tritt der Klage mit der Begründung entgegen, es sei ausgehend von den Angaben des Klägers über dessen berufliche Entwicklung und insbesondere unter Berücksichtigung seiner selbständigen Tätigkeit mit einem Dienstleistungs- und Raumausstattungsservice nicht erkennbar, dass der Kläger das gesamte Aufgabenspektrum des Maler- und Lackierer-Handwerks beherrsche. Ebenso wenig sei erkennbar, dass der Kläger über längere Zeit einen Betrieb in der Art geführt habe, die nicht nur auf die technische oder die kaufmännische Leitung beschränkt gewesen sei.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle für das Maler- und Lackierer-Handwerk (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), deren Erteilung in die Zuständigkeit der Beklagten fällt [vgl. § 8 Abs. 3 Satz 4 HandwO i. V. m. Anlage 1 zu § 1 Ziffer 3.3.4. der Verordnung über die Regelung von Zuständigkeiten im Immissions-, Gewerbe- und Arbeitsschutzrecht sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO GewAIR) vom 14. Juni 1994 (GVBl. LSA, S. 636, ber. S. 889), zuletzt geändert durch Verordnung vom 8. Oktober 2015 (GVBl. LSA, S. 518)].

 

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Rechtlicher Anknüpfungspunkt für die begehrte Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle ist § 8 Abs. 1 HandwO. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO ist in Ausnahmefällen eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle (Ausnahmebewilligung) zu erteilen, wenn die zur selbstständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind; dabei sind auch seine bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen. Ein Ausnahmefall liegt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 HandwO vor, wenn die Ablegung einer Meisterprüfung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 HandwO liegt ein Ausnahmefall auch dann vor, wenn der Antragsteller eine Prüfung auf Grund einer nach § 42 HandwO oder § 53 des Berufsbildungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung bestanden hat. Diese Voraussetzungen liegen im Fall des Klägers nicht vor.

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Bei dem Handwerk Maler und Lackierer handelt es sich um ein zulassungspflichtiges Handwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 HandwO. Danach ist ein Gewerbebetrieb der Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerksmäßig betrieben wird und ein Gewerbe vollständig umfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten). Das Handwerk Maler und Lackierer ist in Ziffer 10 der Anlage A zu § 1 Abs. 2 HandwO ausdrücklich genannt. Gemäß § 1 Abs. 1 HandwO ist der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet. In die Handwerksrolle eingetragen wird im Regelfall nur derjenige, der in dem von ihm zu betreibenden oder in einem mit diesem verwandten zulassungspflichtigen Handwerk die Meisterprüfung bestanden hat (vgl. § 7 Abs. 1a HandwO). Ferner wird eingetragen, wer für das zu betreibende Gewerbe oder für ein mit diesem verwandtes Gewerbe eine Ausübungsberechtigung nach § 7a oder § 7b HandwO (vgl. § 7 Abs. 7 HandwO), eine Ausnahmebewilligung nach § 8 oder § 9 Abs. 1 HandwO oder eine Gleichwertigkeitsfeststellung nach § 50b HandwO für das zu betreibende zulassungspflichtige Handwerk oder für ein diesem verwandtes zulassungspflichtiges Handwerk besitzt (vgl. § 7 Abs. 3 HandwO).

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Aus dieser Regelungssystematik des Gesetzes wird deutlich, dass die Meisterprüfung (sog. großer Befähigungsnachweis) die regelmäßige Voraussetzung für die Eintragung in die Handwerksrolle und damit für den selbständigen Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe ist. Dies ist mit Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich vereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. Dezember 2005 - 1 BvR 1730/02 -, juris [m. w. N.]; BVerwG, Beschl. v. 1. April 2004 - 6 B 5.04 -, juris). Dass in der Forderung des großen Befähigungsnachweises ein nicht unerheblicher Eingriff in die Freiheit selbständiger Berufsausübung liegt, wird dadurch gemildert, dass der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in Ausnahmefällen auf andere Weise als durch eine Meisterprüfung erbracht werden kann. Ausnahmefälle sind mindestens dann anzunehmen, wenn es eine übermäßige, nicht zumutbare Belastung darstellen würde, einen Berufsbewerber auf den Nachweis seiner fachlichen Befähigung gerade durch Ablegung der Meisterprüfung zu verweisen. Wann das der Fall ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilen, wobei die Ausnahmetatbestände grundrechtsfreundlich und großzügig auszulegen und anzuwenden sind (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 29. August 2001 - 6 C 4.01 -, juris Rz. 16 ff. [m. w. N.]).

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Ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HandwO liegt regelmäßig nur dann vor, wenn die mehrjährige Ausbildung als solche und dabei namentlich die unmittelbare Vorbereitung auf die Meisterprüfung oder die Förmlichkeit der Prüfungssituation den Antragsteller mehr als die Vielzahl anderer Bewerber belastet. Dabei muss die Belastung von einigem Gewicht sein, damit nicht die Ausnahmebewilligung als gleichwertige Alternative zum Meisterbrief erscheint, was sie nicht ist. Alle Umstände des jeweiligen Falles sind zu berücksichtigen, insbesondere die persönliche und familiäre Situation des Bewerbers (vgl. BVerwG, Urt. v. 29. August 2001 - 6 C 4.01 -, a. a. O. Rz. 20 f. [m. w. N.]).

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Dies zugrunde legend sehen die Beschlüsse des „Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht“ zum Vollzug der Handwerksordnung vom 21. November 2000, auf die der Kläger hinweist, unter Ziffer 2.12. vor, dass bei einem Lebensalter von etwa 47 Jahren ein Ausnahmefall anzunehmen sei, der die Ablegung der Meisterprüfung unzumutbar mache, wobei diese Altersgrenze bei Inhabern einer Gesellen- oder gleichwertigen Abschlussprüfung, die langjährig (20 Jahre) in dem betreffenden oder einem diesem verwandten Handwerk tätig waren, angemessen zu verkürzen sei, wenn Aufgaben in herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stellung wahrgenommen wurden. Die vorgenannten Beschlüsse stellen indes lediglich verwaltungsinterne Handlungsempfehlungen der Handwerksrechtsreferenten des Bundes und der Länder zur Vereinheitlichung der Praxis beim Vollzug der HandwO dar. Sie entfalten für das Gericht keine Bindungswirkung. Es unterliegt demgemäß der uneingeschränkten originären gerichtlichen Prüfung, ob angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls von einer Ausnahme im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HandwO auszugehen ist. Im vorliegenden Fall können jedenfalls das Alter des Klägers sowie der Umstand seiner seit 2004 währenden Selbständigkeit dafür streiten anzunehmen, dass die Vorbereitung auf die Meisterprüfung oder die Förmlichkeit der Prüfungssituation eine den Kläger besonders treffende unzumutbare Belastung bedeuten. Weitere Erkenntnisse über die persönliche und familiäre Situation des Klägers, z. B. den Umfang ggf. bestehender Unterhaltspflichten, liegen dem Gericht nicht vor.

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Die Frage, ob ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HandwO vorliegt, bedarf aber auch keiner weiteren Vertiefung. Denn die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle setzt nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO neben dem Vorliegen eines Ausnahmefalls weiter voraus, dass die zur selbständigen Ausübung des von dem Antragsteller zu betreibenden zulassungspflichtigen Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen sind. Hiervon gehen auch die vom Kläger angeführten Beschlüsse des „Bund-Länder-Ausschusses Handwerksrecht“ zum Vollzug der Handwerksordnung vom 21. November 2000 aus (vgl. Ziffer 2.4 Satz 2: „Der Nachweis der erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse bleibt unberührt.“). Diesen Nachweis hat der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht erbracht.

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Mit den in § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vorausgesetzten Kenntnissen und Fertigkeiten wird in etwa die gleiche Befähigung gefordert, die in der Meisterprüfung nachgewiesen werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14. Februar 1994 - 1 B 152.93 -, juris Rz. 3). Neben den notwendigen handwerklichen Kenntnissen und Fähigkeiten setzt die Erteilung einer Ausnahmebewilligung deshalb auch den Nachweis des zur ordnungsgemäßen Betriebsführung in eigener Verantwortung erforderlichen Mindestmaßes fachtheoretischen, betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen und rechtlichen Grundlagenwissens voraus (vgl. hierzu § 45 Abs. 3 HandwO). § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO normiert nicht eine Durchbrechung des dem Handwerksrecht zu Grund liegenden und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Befähigungsprinzips, sondern setzt nur die Anforderungen an die Form des Nachweises in Ausnahmefällen herab (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7. November 2003 - 14 S 275/03 -, juris Rz. 25). Wird eine Ausnahmebewilligung beantragt, die sich auf ein zulassungspflichtiges Handwerk insgesamt – ohne Beschränkung auf einen wesentlichen Teil der dazu gehörenden Tätigkeiten – bezieht, so muss sich der Nachweis von Kenntnissen und Fähigkeiten auf alle Arbeiten erstrecken, die in dem betreffenden Handwerk im Allgemeinen anfallen. Dabei ist eher auf den Handwerksmeister in der Praxis als auf den Kandidaten der Meisterprüfung abzustellen. Das Berufsbild und die Ausbildungsanforderungen (vgl. § 45 Abs. 3 HandwO) sind insofern heranzuziehen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 1. April 2004 - 6 B 5.04 -, juris Rz. 15; BayVGH, Beschl. v. 25. Juli 2017 - 22 ZB 17.720 -, juris Rz. 21).

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In welcher Art und Weise bzw. in welcher Form die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten eines Antragstellers nachzuweisen sind, lässt sich § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO indes nicht entnehmen. Der alleinige Hinweis auf die bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten des Antragstellers genügt allerdings nicht unbedingt zur Nachweisführung. Die für die Erteilung der Ausnahmebewilligung zuständige Behörde – hier die Beklagte – muss anhand der ihr vorgelegten Unterlagen und vorhandenen Erkenntnisse hinreichend sicher beurteilen können, ob der Antragsteller auch tatsächlich über die notwendige fachliche Befähigung für das angestrebte Handwerk in dem erforderlichen Umfang (handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten, fachtheoretisches, betriebswirtschaftliches, kaufmännisches und rechtliches Grundlagenwissen) verfügt. Dabei sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HandwO auch die bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten zu berücksichtigen. Letztlich hat der Gesetzgeber aber mit der Ausnahmebewilligung einen Ausweg für all diejenigen Bewerber geöffnet, die die notwendige Befähigung besitzen, aber die Meisterprüfung nicht abgelegt haben. Welche konkreten Umstände im Falle langjähriger Berufspraxis letztlich dazu führen, die Vermutung der notwendigen Befähigung zu erhärten oder diese zu widerlegen und damit eine Überprüfung im Rahmen einer "Eignungsprüfung" erforderlich zu machen, kann nicht generalisierend, gleichsam für alle Fallgestaltungen zutreffend, beantwortet werden. Letztlich wird bei der erforderlichen Gesamtschau aber beispielsweise zu berücksichtigen sein, inwieweit die vom Bewerber ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Form geeignet war, ihm die notwendige Befähigung zu vermitteln, ob sich der Bewerber im Laufe seines beruflichen Werdegangs einer Ausbildung oder einer berufsorientierten Prüfung mit Erfolg unterzogen hat, ob erworbene Kenntnisse durch Zeugnisse belegt sind oder Nachweise über fachliche Fortbildungen etc. vorliegen (vgl. zum Vorstehenden VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7. November 2003 - 14 S 275/03 -, juris Rz. 26 ff.).

25

Gemessen hieran sind die vom Kläger vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend, um die für das Handwerk Maler und Lackierer erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zweifelsfrei nachzuweisen. Zwar lässt sich den Angaben des Klägers entnehmen, dass er verschiedene Innen- und Außentätigkeiten durchgeführt hat, die zum Kernbereich des Maler- und Lackierer-Handwerks gehören. Die von ihm vorgelegten Unterlagen geben aber nicht hinreichend Aufschluss über Umfang und Güte der vom Kläger ausgeführten Tätigkeiten und darüber, ob der Kläger diese selbständig oder unter Anleitung ausgeführt hat. Es fehlt gänzlich an fachkundigen Referenzen (z. B. Arbeitszeugnisse, detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen, Fortbildungszertifikate, ggf. Kundenbestätigungen), anhand derer die Beklagte eine verlässliche und vor allem qualifizierte Einschätzung darüber treffen könnte, ob der Kläger aufgrund seiner bisherigen beruflichen Erfahrungen und Tätigkeiten handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten sowie fachtheoretisches, betriebswirtschaftliches, kaufmännisches und rechtliches Grundlagenwissen erworben hat, die nach Art und Umfang in etwa die Anforderungen erfüllen, die an den erfolgreichen Abschluss einer Meisterprüfung im Maler- und Lackiererhandwerk gestellt werden. Dass der Kläger verschiedene für das vorgenannte Handwerk wesentliche Tätigkeiten über mehrere Jahre ausgeübt hat, vermag allenfalls dessen praktische Befähigung zu belegen. Rückschlüsse auf seine fachtheoretischen Kenntnisse im Kernbereich des Maler- und Lackierer-Handwerks lassen sich hieraus indes nicht ziehen. Fachtheoretische Kenntnisse sind aber für den erfolgreichen Abschluss einer Meisterprüfung nachzuweisen (vgl. § 1 Nr. 2, § 7 der Maler- und Lackierermeisterverordnung vom 13. Juni 2005 [BGBl. I S. 1659], zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. November 2011 [BGBl. I S. 2234]). Nach den genannten rechtlichen Grundsätzen dürfen sie dementsprechend auch nicht bei der Frage außer Betracht bleiben, ob der Kläger die zur selbständigen Ausübung des Maler- und Lackierer-Handwerks notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen hat.

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Geringere Anforderungen an die Nachweiserbringung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO dürfen auch nicht etwa deshalb gestellt werden, weil dem Kläger andernfalls der Zugang zum Maler- und Lackierer-Handwerk erschwert wird. Der hiermit verbundene Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Forderung des Nachweises meisterähnlicher Kenntnisse und Fertigkeiten dient der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter durch unsachgemäße Ausübung dieses Handwerks. Bei dem Maler- und Lackierer-Handwerk handelt es sich um ein Handwerk mit entsprechendem Gefährdungspotenzial, dessen fachgerechte Ausübung deswegen in der Regel eine besonders gründliche handwerkliche Ausbildung erfordert. Dies ergibt sich u. a. daraus, dass Maler und Lackierer beim "Herstellen, Bearbeiten, Behandeln und Gestalten von Oberflächen" (§ 5 Nr. 12 der Verordnung über die Berufsausbildung im Maler- und Lackierergewerbe - MalerLackAusbV - vom 3. Juli 2003 [BGBl. I S. 1064]) mit gesundheitsgefährlichen Stoffen umgehen. Es liegt auf der Hand, dass die zum Einsatz kommenden Farben und Lacke bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung zu Gesundheitsgefahren für Dritte führen. Beispielsweise können Dritten erhebliche Gesundheitsschäden drohen, wenn bei der Ausführung von Oberflächenbehandlungen notwendige Trocken- und Lüftungszeiten nicht eingehalten oder für Gebäudeinnenbereiche ungeeignete Farben oder Lacke aufgetragen werden. Zudem sind mit der Verwendung hochentzündlicher Lösungsmittel Brandgefahren verbunden. Nr. I/3 (Buchstabe d) der Anlage 1 zu § 7 MalerLackAusbV sieht dementsprechend vor, dass im Rahmen der gesamten Ausbildungszeit Fertigkeiten und Kenntnisse bezüglich des vorbeugenden Brandschutzes zu vermitteln sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 9. April 2014 - 8 C 50.12 -, a. a. O. Rz. 41). Die Qualifikationsanforderungen an die Ausbildung tragen zur Erreichung des Gemeinwohlziels der Gefahrenabwehr bei. Ein Betriebsinhaber oder Betriebsleiter mit meisterhafter Sachkunde oder qualifizierter Berufserfahrung als Altgeselle ist in der Lage, bei der Ausübung des Handwerks selbst Gefahren zu vermeiden und die im Betrieb Mitarbeitenden dazu anzuleiten und zu beaufsichtigen. Die berufsbeschränkende Regelung ist auch zur Gefahrenabwehr erforderlich. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung dessen, was er zur Verwirklichung der von ihm verfolgten Gemeinwohlzwecke für erforderlich halten darf, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die gesetzgeberischen Entscheidungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können. Solche "fehlsamen" Erwägungen sind jedenfalls in Bezug auf die Gefahrgeneigtheit des Maler- und Lackiererhandwerks nicht zu erkennen. Die Beschränkungsregelung ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Weil die erforderliche Befähigung alternativ durch eine berufspraktische Qualifizierung nach der Altgesellenregelung nachgewiesen werden kann, ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 9. April 2014 - 8 C 50.12 -, a. a. O. Rz. 42).

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Reichen die Angaben des Klägers und die hierzu vorgelegten Unterlagen nicht aus, um den nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HandwO erforderlichen Nachweis von meisterähnlichen Kenntnissen und Fertigkeiten im Maler- und Lackierer-Handwerk zu erbringen, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte die Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle von der Vorlage eines entsprechenden Befähigungsnachweises durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nach der Wahl des Klägers abhängig macht. Die Erbringung dieses Nachweises ist dem Kläger auch zumutbar. Ohne Erfolg hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Belastung hingewiesen, die mit der Ablegung einer von der Beklagten zum Nachweis seiner Kenntnisse und Fertigkeiten geforderten Sach- und Fachkundeprüfung und die Vorbereitung darauf verbunden ist. Der Kläger übersieht hierbei, dass die durch § 8 Abs. 1 HandwO eröffnete Möglichkeit, ein zulassungspflichtiges Handwerk im Ausnahmefall auch ohne Ablegen einer an sich vorausgesetzten Meisterprüfung selbständig auszuüben, nicht davon befreit, die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachzuweisen. Wenn der Kläger, der – wie dargestellt – auf andere Weise den Nachweis dieser Befähigung nicht erbringen kann, muss er sich daher darauf verweisen lassen, den erforderlichen Sach- und Fachkundenachweis ggf. durch eine entsprechende förmliche Prüfung erbringen zu müssen. Allein der damit ggf. verbundene Vorbereitungsaufwand, der dem einer Meisterprüfung nicht vergleichbar sein dürfte, vermag die beschriebenen Anforderungen an die Nachweisführung in Anbetracht der Gefahrgeneigtheit des in Rede stehenden Handwerks und die daran anknüpfende Notwendigkeit eines entsprechenden – auch fachtheoretischen – Ausbildungs- und Kenntnisstandes nicht herabzusetzen.

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Die mit dem angegriffenen Bescheid festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe von 125,00 Euro begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Festsetzung dieser Gebühr beruht auf den §§ 1 Abs. 1a, Abs. 2, 2 Abs. 1a i. V. m. § 4 Abs. 1 und 2 i. V. m. Nr. 1.5.3 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung der Beklagten vom 14. Dezember 2004. Nach diesen Vorschriften erhebt die Beklagte Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen von demjenigen, der diese Amtshandlung veranlasst hat. Für Entscheidungen über Anträge nach § 8 Abs. 1 HandwO sieht Nr. 1.5.3 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung einen Gebührenrahmen von 110,00 bis 440,00 Euro vor. Soweit das Gebührenverzeichnis einen Gebührenrahmen vorsieht, bemisst sich die Gebühr gemäß § 4 Abs. 2 der Gebührenordnung nach dem Verwaltungsaufwand, der Bedeutung des Gegenstandes, den wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen für den Gebührenschuldner sowie nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen bzw. den mit der Leistung verbundenen Kosten. Die Beklagte hat diesen Grundsätzen bei der Festsetzung der Gebühr in Höhe von 125,00 Euro für die ablehnende Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 8 Abs. 1 HandwO hinreichend Rechnung getragen. Mit 125,00 Euro liegt die Gebühr deutlich im unteren Bereich des Gebührenrahmens. Der Kläger hat insoweit auch keine Einwände erhoben, die Anlass zu einer abweichenden Bewertung zu geben geeignet wären.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.


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