Beschluss vom Verwaltungsgericht Mainz (4. Kammer) - 4 L 1048/19.MZ

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. Oktober 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2019 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

1

Der zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den mit Sofortvollzug versehenen Bescheid des Antragsgegners vom 18. Oktober 2019, mit dem der Bescheid vom 3. Juli 2018 über das Hinausschieben des Ruhestandes widerrufen wurde, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung des Gerichts führt zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides hinter das Interesse des Antragstellers, vorläufig von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben, zurücktreten muss. Denn die im Eilverfahren allein mögliche, aber auch gebotene summarische Rechtsprüfung ergibt, dass die streitgegenständliche Untersagungsverfügung rechtswidrig ist.

2

Der Antragsgegner hat vorliegend – gestützt auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG (i.V.m. § 1 LVwVfG) – den Bescheid über das Hinausschieben des Ruhestandes vom 3. Juli 2018 widerrufen. Nach der genannten Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Der Antragsgegner führt in seinem Widerrufsbescheid als nachträglich eingetretene Tatsachen zum einem den ungünstig veränderten Gesundheitszustand des Klägers sowie zum anderen dessen „korrekturbedürftige Verhaltensweisen“ an.

3

Ein solcher auf § 49 Abs. 2 VwVfG gestützter Widerruf ist hier allerdings rechtlich nicht möglich, da die abschließenden Regelungen des Beamtenrechts einem Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten entgegenstehen. Im Beamtenrecht ist § 49 VwVfG nicht nur hinsichtlich der Rückgängigmachung von Ernennungen, sondern auch hinsichtlich anderer rechtsgestaltender, statusverändernder Verwaltungsakte durch die beamtenrechtlichen Sonderregelungen (§§ 12, 21 ff. Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – i.V.m. dem Landesbeamtengesetz – LBG –) verdrängt (vgl. BeckOK VwVfG, Bauer/Ronellenfitsch, § 49 Rn. 8.5, Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz 2. Auflage 2019, § 49 Rn. 178). § 49 VwVfG bleibt im Beamtenrecht nur für „sonstige“ Verwaltungsakte des Beamtenrechts, wie z.B. für Beihilfebescheide, anwendbar. Unstreitig handelt es sich bei der Ernennung und der Versetzung in den Ruhestand um rechtsgestaltende, statusverändernde Verwaltungsakte, die die Anwendung des § 49 VwVfG ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2014 – 2 C 65/11 –, juris Rn. 25). Nach Auffassung der Kammer gilt dies aber auch für den Verwaltungsakt über das Hinausschieben des Ruhestandes (a.A. – allerdings ohne Begründung – BeckOK, Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, § 53 BBG Rn. 58). Denn er verändert den im Gesetz bestimmten Wechsel vom Aktivbeamtenverhältnis in das Ruhestandsbeamtenverhältnis (vgl. Spitzlei in GKÖD, Band I § 53 Bundesbeamtengesetz – BBG – Rn. 5) und ist damit unmittelbar statusrelevant. Der Beamte tritt nicht wie gesetzlich vorgesehen in den Ruhestand, sondern verbleibt in Abweichung von der gesetzlichen Altersgrenze weiter im aktiven Beamtenverhältnis.

4

Der damit ausgeschlossene Rückgriff auf § 49 VwVfG ergibt sich auch noch unter einem weiteren Gesichtspunkt. Dieser betrifft den Umstand, dass unmittelbare Folge des Widerrufs des Verwaltungsakts über das Hinausschieben des Ruhestands die Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses und der Eintritt in den Ruhestand ist. Dieser Eintritt in den Ruhestand stellt sich im Hinblick auf das Enddatum des Hinausschiebens des Ruhestands als eine vorzeitige Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses dar. Die vorzeitige Beendigung des Beamtenverhältnisses ist jedoch im Beamtenrecht abschließend geregelt. Eine Beendigung – gegen den Willen des Beamten – kommt nur in den Fällen des § 21 BeamtStG in Betracht. Im Hinblick auf die vom Antragsgegner genannten nachträglich eingetretenen Tatsachen – Verschlechterung des Gesundheitszustandes sowie „korrekturbedürftige Verhaltensweisen“ – wäre hier an eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit und/oder an eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen zu denken. Für beide Beendigungstatbestände sind eigene Verfahren gesetzlich vorgesehen, die zwingend einzuhalten sind und nicht durch einen Widerruf nach § 49 VwVfG umgangen werden können. Denn der Beamte, der sich auf Grund eines Hinausschiebens des Ruhestands noch im aktiven Beamtenverhältnis befindet, ist kein Beamter 2. Klasse, dessen aktives Beamtenverhältnis ohne Einhaltung der einschlägigen beamtenrechtlichen Verfahren aufgrund eines einfachen Widerrufs – z.B. schon bei Erkrankungen unterhalb der Schwelle der Dienstunfähigkeit auf Dauer – beendigt werden könnte. Dafür spricht auch die Kommentierung zu § 41 BBG (a.F.) in Plog/Wiedow, BBG, Stand Juni 2013, Rn. 4f. Danach hat das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand nämlich die Rechtsfolge, dass das aktive Beamtenverhältnis für den ausgesprochenen Zeitraum mit allen Rechten und Pflichten fortbesteht, und bei zwischenzeitlicher erheblicher Verschlechterung des Gesundheitszustands oder sonst des Leistungsvermögens die Möglichkeit zur Zurruhesetzung auf Antrag oder wegen Dienstunfähigkeit in Betracht kommt. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Zurruhesetzungsverfahren wegen Dienstunfähigkeit (zeit-)aufwändig ist und in dem für das Hinausschieben des Ruhestands maßgeblichen Zeitraum von jeweils nur einem Jahr (vgl. § 38 Abs.1 Satz 1 LBG) möglicherweise nicht zu schaffen ist. Insofern unterscheidet sich die Situation nämlich nicht von der, in der ein Beamter im letzten Jahr vor Erreichen der Altersgrenze länger erkrankt. Im Übrigen begrenzt gerade auch die angesprochene gesetzliche Regelung, wonach der Ruhestand um eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr und insgesamt drei Jahre nicht überschreiten darf, das Risiko des Dienstherrn, das er beim Hinausschieben des Ruhestands insbesondere hinsichtlich der Dienstfähigkeit des Beamten eingeht, muss bei lebensälteren Beamten doch eher mit längeren Erkrankungen gerechnet werden. Die Begrenzung des Hinausschiebens des Ruhestands auf jeweils ein Jahr kompensiert zudem – bis zu einem gewissen Grad – die fehlende Widerrufsmöglichkeit nach § 49 VwVfG und ist zugleich ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass eine Widerrufsmöglichkeit nach den allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts besteht.

5

Letztlich ist noch festzustellen, dass sich auch aus der Systematik des § 38 LBG die Zulässigkeit des Widerrufs gemäß § 49 VwVfG nicht herleiten lässt. In § 38 Abs. 5 LBG wurde lediglich im speziellen Fall des Hinausschiebens des Ruhestands bei Altersteilzeit aus Fürsorgegesichtspunkten eine Widerrufsmöglichkeit zu Gunsten des Beamten aufgenommen, die sich mit dem – in der Regel für den Beamten belastenden – Widerruf gemäß § 49 VwVfG nicht vergleichen lässt. So kommt insoweit ein Widerruf nur in Betracht, wenn die Teilzeitbeschäftigung dem Beamten nicht mehr zugemutet werden kann. Aus einer solchen Widerrufsmöglichkeit kann nicht der Schluss gezogen werden, dass im Fall des § 38 Abs. 1 LBG die allgemeine Widerrufsmöglichkeit des § 49 Abs. 2 VwVfG gelten soll.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

7

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im Eilverfahren die Hälfte des Betrags anzusetzen war.

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