Beschluss vom Verwaltungsgericht Minden - 1 L 55/14 1 K 2123/13
Tenor
Das Ablehnungsgesuch der Klägerin und Antragstellerin gegen den Richter am Verwaltungsgericht und den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht wird zurückgewiesen.
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Gründe:
2Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
3Gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Beurteilung der Frage, ob ein derartiger Grund besteht, gilt ein objektiver Maßstab. Entscheidend sind nicht die subjektiven Vorstellungen der Verfahrensbeteiligten sondern allein objektive Gründe, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen.
4Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. 07 1986 - 1 BvR 713/83 u. a. -; LSG NRW, Beschluss vom 28.9.2011 - L 11 SF 292/11 AB -.
5Die Besorgnis der Befangenheit des Richters am Verwaltungsgericht wird mit der unterlassenen oder vermeintlich verspäteten Beiziehung entscheidungserheblicher Vorgänge, der nicht in den Gerichtsakten dokumentierten Aktenanforderung per E-Mail, der Setzung einer Stellungnahmefrist bis zum Ablauf der für die Zurückstellung geltenden Befristung sowie insbesondere mit der nicht erfolgten Außervollzugsetzung der Zurückstellung und der dadurch zu erwartenden Belastung mit Verfahrenskosten begründet. Damit beziehen sich die Gründe auf die Art und Weise der Verfahrensführung durch den abgelehnten Richter, die dem Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit zugeordnet und die deshalb grundsätzlich einer Überprüfung im Rechtsmittelverfahren vorbehalten ist. Ein Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit kommt unter diesem Gesichtspunkt nur in Betracht, wenn die Gestaltung des Verfahrens sich so weit von den anerkannten Grundsätzen entfernt, dass sie aus Sicht der Partei nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint und dadurch den Eindruck einer willkürlichen oder sachfremden Einstellung des Richters erweckt.
6Vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.03.2012 - L 8 SF 112/11 AB - m.w. N.
7Ein derartiger Fall liegt hier entgegen der von der Antragstellerin vorgetragenen Auffassung nicht vor.
8Soweit die Antragstellerin sich auf die im Hauptsacheverfahren nach ihrer Ansicht nicht oder nicht rechtzeitig erfolgte Beiziehung von Akten und Stellungnahmen bezieht, ist zu berücksichtigen, dass dieses Verfahren bis zur Anbringung des Ablehnungsgesuchs noch nicht abgeschlossen war. Fehlende Unterlagen konnten noch bis zur mündlichen Verhandlung eingeführt werden. Mit einer Verfahrensdauer von weniger als neun Monaten hielt sich der Rechtsstreit innerhalb des für derartige Verfahren üblichen Maßes. Insofern kann von einer die Annahme der Befangenheit begründenden unzureichenden Förderung keine Rede sein.
9Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.09.2011 - L 11 SF 292/11 AB -.
10Auch die unterbliebene Dokumentation der Aktenanforderung per E-Mail war bei objektiver Betrachtungsweise nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu begründen. Anhaltspunkte für die Annahme, die Aktenanforderung könne einen die Unparteilichkeit des Richters in Frage stellenden Inhalt gehabt haben, bestehen nicht. Das Ergebnis der Anfrage ist der Klägerin und Antragstellerin ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht worden.
11Schließlich vermag auch der Umstand, dass über den Eilantrag nicht bis zum Ablauf der für die Zurückstellung des Bauvorhabens geltenden Befristung (10.02.2014) entschieden worden ist, die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Die Verfahrensdauer rechtfertigt für sich genommen eine dahin gehende Besorgnis nicht. Auch insoweit handelt es sich um ein Element der Verfahrensgestaltung, die dem Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit unterfällt. Eine anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz liegt hier nicht vor. Sie mag bei fristgebundenen Eilanträgen anzunehmen sein, wenn eine absehbare Erledigung der Hauptsache durch Zeitablauf seitens des Gerichts ohne zureichenden Grund abgewartet wird. Hier bestand allerdings die Besonderheit, dass die bereits bei Antragstellung absehbare Erledigung durch das befristungsgemäße Außerkrafttreten der Zurückstellung genau den Zustand herbei führte, den die Klägerin und Antragstellerin mit dem Eilantrag erreichen wollte. Mit der Wirkungslosigkeit der Zurückstellung war vorbehaltlich des Inkrafttretens einer Veränderungssperre lediglich die Rechtsfolge des Wieder- auflebens der Pflicht zur Bearbeitung der Bauvoranfrage verbunden. Weitere materiellrechtliche Vorteile sind insoweit nicht ersichtlich. Sie drängen sich weder im Hinblick auf den begehrten Bauvorbescheid auf noch folgen sie aus der angekündigten Absicht, Schadensersatz geltend machen zu wollen.
12Derartige Vorteile ergaben sich auch aus dem Antragsvorbringen nicht. Dieses erschöpft sich insoweit in dem Hinweis, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung habe zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes unverzüglich vor dem 10.2.2014 zu erfolgen, damit sie nicht um die Früchte des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gebracht werde. Damit ist erkennbar lediglich das Kosteninteresse der Antragstellerin angesprochen. Insofern räumt sie selbst ein, dass die Stellung des Antrags allein zu dem Zweck erfolgt ist, die daraus entstehenden Kosten bei der Gegenseite geltend zu machen. Dafür spricht auch die Erkenntnis, dass die Klägerin sich mit der Stellung des Eilantrags mehr als sieben Monate seit Erhebung der Klage Zeit gelassen hatte. Unabhängig von der Frage, ob insoweit überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis für das Eilverfahren besteht, können die berechtigten Kosteninteressen im Falle der Erledigung der Hauptsache im Rahmen einer Entscheidung gemäß § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO Berücksichtigung finden. Da nach dieser Vorschrift auf den „bisherigen“ Sach- und Streitstand, d. h. auf die Sach- und Rechtslage bis zum Außerkrafttreten der Zurückstellung bzw. bis zum Wirksamwerden einer Veränderungssperre abzustellen ist, entspricht die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin befürchtete Kostentragungspflicht ohne Sachprüfung nicht der Rechtslage.
13Erweist sich danach das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Verwaltungsgericht als unbegründet, kann auch das gegen den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht gerichtete Gesuch keinen Erfolg haben. Insofern besteht Akzessorietät, weil insoweit lediglich eine unterlassene Einflussnahme auf die Tätigkeit des Berichterstatters geltend gemacht wird.
14Es bedurfte vorliegend auch keiner weitergehenden dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter. Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.04.2014 geltend macht, die dienstlichen Stellungnahmen seien unzureichend und belegten ebenfalls die Befangenheit der abgelehnten Richter, geht auch dies fehl. Gemäߠ §§ 54 Abs. 1 VwGO, 44 Abs. 3 ZPO hat sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern. Der Umfang der dienstlichen Äußerung steht grundsätzlich im Ermessen des Richters. Er kann zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen, soweit ihm das notwendig und zweckmäßig erscheint. Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerung sollen sich nach dem geltend gemachten Ablehnungsgrund richten.
15Vgl. BFH Beschluss vom 12.12.1997 – XI B 34/96 –, juris.
16Steht – wie hier – der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erhebliche Sachverhalt unstreitig fest, bedarf es keiner, bzw. jedenfalls keiner im Einzelnen begründeten dienstlichen Äußerung.
17Sächsisches OVG, Beschluss vom 29.11.2013 – 5 A 108/11 –, juris; LSG NRW, Beschluss vom 01.02.2012 – L 11 SF 4/12 AB –, juris.
18Dieser Beschluss ist gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar.
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Referenzen
- ZPO § 42 Ablehnung eines Richters 1x
- 8 SF 112/11 1x (nicht zugeordnet)
- 11 SF 292/11 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x
- XI B 34/96 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 54 2x
- 11 SF 4/12 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 44 Ablehnungsgesuch 1x
- VwGO § 161 1x
- 5 A 108/11 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 713/83 1x (nicht zugeordnet)