Teilurteil vom Verwaltungsgericht Minden - 1 L 545/20
Tenor
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
2. Die Entscheidung über die folgenden Fragen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten:
- Zwischen welchen Personen der jeweiligen Institution läuft der Austausch (bezogen auf Mitarbeiter des Antragsgegners)?
- Welche Tests wurden konkret verwendet?
- Welche Labore haben die Tests durchgeführt?
- Welche Labore sind mit der Durchführung/Auswertung beauftragt worden?
- Welches Labor hat die Tests bei der Firma U. durchgeführt?
3. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu geben:
- Inwieweit hat der Antragsgegner vom Robert-Koch-Institut (RKI) Warnungen empfangen, dass bei einer Testung von Personen auf Schlachthöfen und in anderen Räumlichkeiten, bei denen diese mit lebenden oder toten Tieren oder Tierbestandteilen in Kontakt kommen, falsch-positive Testergebnisse auftreten können, die zu einer unnötigen Quarantäne führen können?
- Hat der Antragsgegner getestet oder testen lassen, ob der SARS-CoV-2-PCR-Test positiv auf Schweine-Coronaviren anschlägt? Falls ja: Wie ist die Quote bei einer Probe mit Schweine-Coronaviren? Unterscheidet sich diese je nach Hersteller des verwendeten Testkits bzw. bei der Benutzung von hauseigenen Tests? Zu welchen Ergebnissen sind die Labore gelangt (Anzahl Tests, Anzahl klar positive, Anzahl schwach positive Ergebnisse)? Welche Zielsequenzen haben die Tests jeweils angesteuert und bei welchen ergab sich die höchste Rate an falsch positiven Ergebnissen?
- Hat der Antragsgegner sichergestellt, dass die Personen, die bei der Firma U. positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, über einen ausreichend langen Zeitraum ohne Exposition gegenüber Schlachtkörpern von Schweinen oder durch Schlachttätigkeit in möglicherweise mit Schweine-Coronaviren durchsetzten Räumlichkeiten waren, so dass keinerlei falsch-positive Testergebnisse durch Schweine-Coronaviren im Abstrich entstehen konnten? Durch welche Maßnahmen ist dies konkret sichergestellt worden? Welcher zeitliche Sicherheitspuffer zwischen Exposition und Abstrichnahme ist gewählt worden? Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage fußt der konkret gewählte zeitliche Sicherheitspuffer?
- Hat der Antragsgegner Weisungen vom RKI erhalten, einen entsprechenden zeitlichen Sicherheitspuffer zu berücksichtigen? Hat der Antragsgegner die untersuchende Behörde bzw. die mit der Durchführung der Untersuchung vor Ort beauftragten Personen angewiesen, einen entsprechenden zeitlichen Sicherheitspuffer zu berücksichtigen? Wenn nein, aus welchen Gründen ist dies unterlassen worden?
- Hat das RKI den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die (unberechtigte) Verhängung einer Quarantäne aufgrund eines falsch-positiven Testergebnisses z.B. aufgrund von Verunreinigung des Abstriches durch Schweine-Coronaviren zu Amtshaftungsansprüchen führen kann? Falls ja, hat der Antragsgegner auf Basis des entsprechenden Hinweises des RKI die handelnden Behörden oder/und die handelnden Personen vor Ort auf diesen Umstand hingewiesen? Wenn nicht, aus welchen Gründen ist dies unterblieben?
- Haben diese Labore zur Covid-19 Diagnostik Tests aus Eigenherstellung verwendet oder solche, die keine CE-Kennzeichnung haben, so dass sie nach § 3 Abs. 22 MPG als ln-Vitro-Diagnostika aus Eigenherstellung gelten?
- Liegen von den fraglichen Laboren die Erklärungen nach § 5 Abs. 6 MPV mit Versicherung der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen nach Anhang 1 der Richtlinie 98/79/EG vor? Haben diese Labore nachweislich in ihrer Einrichtung eine Dokumentation erstellt, die Angaben enthält zur Validierung der Methode, zur Ermittlung von Leistungsdaten, Spezifität und Sensitivität, zur Beobachtung der der Herstellung nachgelagerten Phase und zur Durchführung von vorgesehenen Korrekturmaßnahmen? Sind die Angaben auf ihre Richtigkeit überprüft worden? Wenn ja von wem?
- Hat vor der Auswahl der beauftragten Labore eine Ausschreibung stattgefunden? Von welcher Entität bzw. von welchen handelnden Personen ist die Abstrichentnahme durchgeführt worden?
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
4. Die Kostenentscheidung und die Festsetzung des Streitwerts bleiben der Schlussentscheidung vorbehalten.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller, ein Journalist, richtete mit Schreiben vom 28. Juni 2020 mehrere Fragenkomplexe mit insgesamt 42 Einzelfragen an den Antragsgegner. Mit Schreiben vom 2. Juli 2020 erinnerte der Antragsteller an die Beantwortung seiner Fragen.
4Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020 beantragte der Antragsteller beim erkennenden Gericht,
5den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller Auskunft zu folgenden Fragen zu geben:
61. Ist dem Antragsgegner bekannt, dass Tiere wie Rinder, Schweine, Katzen, Hunde etc. Träger einer Vielzahl von Coro-naviren sind, die für den Menschen ohne Gefahrenpotential sind (im Folgenden: Frage 1)?
72. Nach der Studie ''Temporary Carriage of Bovine Coronavirus and Bovine Respiratory Syncytial Virus by Fomites and Human Nasal Mucosa After Exposure to lnfected Calves" vom 22. Januar 2018 (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29357935) lassen sich im Nasenschleim von Menschen Partikel von für Menschen harmlosen Rinder-Coronaviren für einen kurzen Zeitraum nachweisen, nachdem diese mit infizierten Rindern in Kontakt gekommen sind. Ist dieser Sachverhalt dem Antragsgegner bekannt (im Folgenden: Frage 2)?
83. Steht der Antragsgegner bezüglich der tierischen Coronaviren und der möglichen falsch-positiven Reaktion des SARS-CoV-2-PCR-Tests in Austausch mit dem Friedrich-Löffler-Insti-tut oder anderen Institutionen (im Folgenden: Frage 3)? Wenn ja - zwischen welchen Personen der jeweiligen Institution läuft der Austausch (im Folgenden: Frage 4)? Ist insoweit auch die Charité, insbesondere Herr Prof. Drosten, involviert (im Folgenden: Frage 5)? Herr Prof. Drosten hatte sich in einem Pod-cast dahingehend geäußert, dass sein sog. "Drosten-Test" falsch positiv auf Rinder-Coronaviren reagieren könne. Inwieweit hat der Antragsgegner vom Robert-Koch-Institut (RKI) oder von Herrn Prof. Drosten Warnungen empfangen, dass bei einer Testung von Personen auf Schlachthöfen und in anderen Räumlichkeiten, bei denen diese mit lebenden oder toten Tieren oder Tierbestandteilen in Kontakt kommen, falsch-positive Testergebnisse auftreten können, die zu einer unnötigen Quarantäne führen können (im Folgenden: Frage 6)?
94. Bei dem Ringversuch der Deutschen Akkreditierungsstelle ist bei einer Probetestung mit einem harmlosen Menschen-Coronavirus eine falsch-positive Testungsquote von 7,6% herausgekommen. Hat der Antragsgegner getestet oder testen lassen, ob der SARS-CoV-2-PCR-Test positiv auf Schweine-Coronaviren anschlägt (im Folgenden: Frage 7)?
10a) Falls ja: Wie ist die Quote bei einer Probe mit Schweine-Coronaviren (im Folgenden: Frage 8)? Unterscheidet sich diese je nach Hersteller des verwendeten Testkits bzw. bei der Benutzung von hauseigenen Tests (im Folgenden: Frage 9)? Welche Tests wurden konkret verwendet (im Folgenden: Frage 10)? Welche Labore haben die Tests durchgeführt (im Folgenden: Frage 11)? Zu welchen Ergebnissen sind die Labore gelangt (Anzahl Tests, Anzahl klar positive, Anzahl schwach positive Ergebnisse) (im Folgenden: Frage 12)? Welche Zielsequenzen haben die Tests jeweils angesteuert und bei welchen ergab sich die höchste Rate an falsch positiven Ergebnissen (im Folgenden: Frage 13)?
11b) Greift der Antragsgegner nun im Hinblick auf die Frage einer möglichen falsch-positiv Testung der U. -Mitarbeiter durch harmlose Schweine-Coronaviren auf die Expertise des Friedrich-Löffler-lnstituts zurück (im Folgenden: Frage 14)? Zwischen welchen Personen ist konkret in Bezug auf eine mögliche Abstrichkontaminierung durch Schweine-Coronaviren ein Gedankenaustausch erfolgt (im Folgenden: Frage 15)?
125. Hat der Antragsgegner sichergestellt, dass die Personen, die bei der Firma U. positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, über einen ausreichend langen Zeitraum ohne Exposition gegenüber Schlachtkörpern von Schweinen oder durch Schlachttätigkeit in möglicherweise mit Schweine-Coronaviren durchsetzten Räumlichkeiten waren, so dass keinerlei falsch-positive Testergebnisse durch Schweine-Coronaviren im Abstrich entstehen konnten (im Folgenden: Frage 16)? Durch welche Maßnahmen ist dies konkret sichergestellt worden (im Folgenden: Frage 17)? Welcher zeitliche Sicherheitspuffer zwischen Exposition und Abstrichnahme ist gewählt worden (im Folgenden: Frage 18)? Auf welcher wissenschaftlichen Grundlage fußt der konkret gewählte zeitliche Sicherheitspuffer (im Folgenden: Frage 19)?
136. Hat der Antragsgegner Weisungen vom RKI erhalten, einen entsprechenden zeitlichen Sicherheitspuffer zu berücksichtigen (im Folgenden: Frage 20)? Hat der Antragsgegner die untersuchende Behörde bzw. die mit der Durchführung der Untersuchung vor Ort beauftragten Personen angewiesen, einen entsprechenden zeitlichen Sicherheitspuffer zu berücksichtigen (im Folgenden: Frage 21)? Wenn nein, aus welchen Gründen ist dies unterlassen worden (im Folgenden: Frage 22)?
147. Hat das RKI den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die (unberechtigte) Verhängung einer Quarantäne aufgrund eines falsch-positiven Testergebnisses z.B. aufgrund von Verunreinigung des Abstriches durch Schweine-Coronaviren zu Amts-haftungsansprüchen führen kann (im Folgenden: Frage 23)? Falls ja, hat der Antragsgegner auf Basis des entsprechenden Hinweises des RKI die handelnden Behörden oder/und die handelnden Personen vor Ort auf diesen Umstand hingewiesen (im Folgenden: Frage 24)? Wenn nicht, aus welchen Gründen ist dies unterblieben (im Folgenden: Frage 25)?
158. a) Welche Labore sind mit der Durchführung/Auswertung beauftragt worden (im Folgenden: Frage 26)? Aus welchen Gründen (im Folgenden: Frage 27)? Haben diese Labore zur Covid-19 Diagnostik Tests aus Eigenherstellung verwendet oder solche, die keine CE-Kennzeichnung haben, so dass sie nach § 3 Abs. 22 MPG als ln-Vitro-Diagnostika aus Eigenherstellung gelten (im Folgenden: Frage 28)?
16b) Liegen von den fraglichen Laboren die Erklärungen nach § 5 Abs. 6 MPV mit Versicherung der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen nach Anhang 1 der Richtlinie 98/79/EG vor (im Folgenden: Frage 29)? Haben diese Labore nachweislich in ihrer Einrichtung eine Dokumentation erstellt, die Angaben enthält zur Validierung der Methode, zur Ermittlung von Leistungsdaten, Spezifität und Sensitivität, zur Beobachtung der der Herstellung nachgelagerten Phase und zur Durchführung von vorgesehenen Korrekturmaßnahmen (im Folgenden: Frage 30)? Sind die Angaben auf ihre Richtigkeit überprüft worden (im Folgenden: Frage 31)? Wenn ja von wem (im Folgenden: Frage 32)?
179. a) Welche Labore führen in Nordrhein-Westfalen nach Kenntnis des Antragsgegners Corona-Tests durch (im Folgenden: Frage 33)? Wie ist die prozentuale Verteilung der Tests auf die jeweiligen Labore (im Folgenden: Frage 34)? Was sind die absoluten Zahlen (im Folgenden: Frage 35)? Was sind die positiven und negativen Testergebnisse in absoluten und relativen Zahlen (im Folgenden: Frage 36)?
18b) Sofern sich eine besondere Häufung von Tests bei einem oder wenigen Laboren ergibt: Was sind die Gründe für diese Häufung (im Folgenden: Frage 37)?
1910. Nach welchen Kriterien hat der Antragsgegner die von ihm mit der Durchführung der Coronatests beauftragen Labore ausgewählt (im Folgenden: Frage 38)? Hat insoweit eine Ausschreibung stattgefunden (im Folgenden: Frage 39)? Welches Labor hat die Tests bei der Firma U. durchgeführt (im Folgenden: Frage 40)? Wie ist dieses Labor ausgewählt worden (im Folgenden: Frage 41)? Von welcher Entität bzw. von welchen handelnden Personen ist die Abstrichentnahme durchgeführt worden (im Folgenden: Frage 42)?
20Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 hat der Antragsgegner zu den aufgeworfenen Fragen Stellung genommen. Einen Antrag hat er nicht gestellt. Daraufhin hat der Antragsteller den Rechtsstreit in Bezug auf "die Fragen zu 1, 2, 3 Satz 1, 9 und 10 Satz 1" für erledigt erklärt. Der Antragsgegner hat sich dieser Erklärung angeschlossen.
21II.
221. Soweit die Beteiligten das Verfahren mit Schriftsätzen vom 28. und 30. Juli 2020 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Dies betrifft die Fragen 1, 2, 3 und 33 bis 38.
232. Das Gericht entscheidet mit dem vorliegenden Teilbeschluss in entsprechender Anwendung des § 110 VwGO nur über die Fragen 4 (bezogen auf Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts, des Landeszentrums Gesundheit NRW und der Bezirksregierung Detmold), 5 bis 9, 12 bis 25, 27 bis 32, 39, 41 und 42. Bezüglich der Fragen 4 (bezogen auf Mitarbeiter des Antragsgegners), 10, 11, 26 und 40 bleibt die Entscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
24a. § 110 VwGO findet im Verfahren auf Erlass einer einsteiligen Anordnung (§ 123 VwGO) Anwendung. Zwar wird § 110 VwGO in § 122 Abs. 1 VwGO, wonach bestimmte dort aufgeführte Vorschriften des 9. und 10 Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung für Beschlüsse entsprechend gelten, nicht aufgeführt. Jedoch ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Aufzählung in § 122 Abs. 1 VwGO lückenhaft ist und weitere Vorschriften des 9. und 10. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung, darunter auch § 110 VwGO, im Beschlussverfahren entsprechend Anwendung finden.
25Vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 14. November 1989 -4 TG 2987/89 -, HessVGRspr. 1990, 54 (juris Rn. 27); Kraft, in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 110 Rn. 1); W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 110 Rn. 1
26b. Die Voraussetzungen des § 110 VwGO für den Erlass eines Teilbeschlusses liegen vor. Der Streitgegenstand ist teilbar. Zudem ist der Rechtsstreit bezüglich der Fragen 4 (bezogen auf Mitarbeiter des Antragsgegners), 10, 11, 26 und 40 noch nicht entscheidungsreif. Aufzuklären ist, ob der Antragsgegner - und wenn ja mit welchem Ergebnis - diejenigen natürlichen und/oder juristischen Personen, deren namentliche Benennung der Antragsteller mit den vorstehend aufgeführten Fragen verlangt, hierzu angehört und um Mitteilung gebeten hat, ob sie ihre Einwilligung hierzu erteilen. Diese Schritte sind nach der vorläufigen Rechtsansicht des Gerichts zwingend vor der vom Antragsgegner im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG NRW vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Presse und der durch die namentliche Nennung von Mitarbeitern des Antragsgegners, Laboren und Herstellern betroffenen privaten Interessen
27- vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 -, NVwZ 2018, 414, Rn. 18 (zum verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden); OVG NRW, Beschlüsse vom 20. Januar 2017 - 15 B 1289/16 -, AfP 2017, 245 (juris Rn. 21), und vom 3. Mai 2017 - 15 B 457/17 -, ZD 2017 587 (juris Rn. 29) -
28durchzuführen. Zwar enthält das Landespressegesetz NRW keine §§ 8 IFG, 9 Abs. 2 Satz 2 IFG NRW oder 5 Abs. 1 Satz 2 VIG entsprechende Regelung, die eine Anhörung der betroffenen Person ausdrücklich vorsehen. Eine entsprechende Verpflichtung dürfte sich aber schon aus § 28 Abs. 1 VwVfG NRW, jedenfalls aber aus höherrangigem Recht ergeben.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 - 2 BvR 67/06 -, juris Rn. 9 f.; OVG NRW, Urteil vom 16. Januar 2017 - 4 A 1606/16 -, DVBl. 2017, 576 (juris Rn. 67).
303. Der Antrag ist, soweit über ihn mit dem vorliegenden Teilbeschluss entschieden wird, zulässig, aber nur bezüglich der Fragen 6 (bezogen auf das Robert-Koch-Institut), 7 bis 9, 12, 13, 16 bis 25, 28 bis 32, 39 und 42 begründet.
31a. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO bestimmt, dass das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen kann, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO). Dies ist hier der Fall.
32b. Ein Anordnungsanspruch liegt bezüglich der Fragen 6 (bezogen auf das Robert-Koch-Institut), 7 bis 9, 12, 13, 16 bis 25, 28 bis 32, 39 und 42 vor. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 4 Abs. 1 PresseG NRW. Nach dieser Norm sind Behörden verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Diese Voraussetzungen liegen hier bezüglich der vorstehend aufgeführten Fragen vor. Gründe, die den Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 PresseG NRW insoweit ausschließen, liegen nicht vor. Der Auskunftsanspruch ist auch nicht dadurch erloschen, dass der Antragsgegner diese Fragen bereits beantwortet hat.
33aa. Der Antragsteller ist als Journalist ein Vertreter der Presse. Er hat sich vor Einreichung der Antragsschrift beim Verwaltungsgericht mit seinem Auskunftsbegehren schriftlich an den Antragsgegner gewandt. Die vorstehend aufgeführten Fragen stimmen zudem mit den an den Antragsgegner gerichteten Fragen überein.
34Zu diesen Erfordernissen vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 -, NVwZ 2018, 414, Rn. 9, und vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 -, NVwZ 2018, 902, Rn. 10.
35Sie sind darüber hinaus auf die Mitteilung von Tatsachen gerichtet, betreffen die Tätigkeit des Antragsgegners
36- zu diesen Erfordernissen vgl. Burkhardt, in Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 4 LPG Rn. 85 f. m.w.N. -
37und sind hinreichend bestimmt; die vorstehend aufgeführten Fragen lassen klar erkennen, welche Informationen der Antragsteller begehrt.
38Zu diesem Erfordernis vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. April 2018 - 6 VR 1.18 -, NVwZ 2018, 902, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2019 - 15 B 1850/18 -, AfP 2019, 261 (juris Rn. 27).
39Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner nicht
40- zur Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf bei der betroffenen Behörde vorhandene Informationen vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2015 - 1 BvR 1452/13 -, NVwZ 2016, 50, Rn. 15 -
41oder der Antragsteller bereits
42- hierzu vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 - 6 VR 1.17 -, NVwZ 2018, 414, Rn. 15 -
43über die streitgegenständlichen Informationen verfügt, sind weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich.
44bb. Gründe, die den Auskunftsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 PresseG NRW ausschließen, liegen bezüglich der Fragen 6 (bezogen auf das Robert-Koch-Institut), 7 bis 9, 12, 13, 16 bis 25, 28 bis 32, 39 und 42 nicht vor. Der Antragsgegner, der grundsätzlich für das Vorliegen derartiger Gründe darlegungspflichtig ist
45- vgl. Schemmer, AFP 2020, 1 (juris Rn. 33) -,
46hat sich bezüglich dieser Fragen selbst nicht auf solche Gründe berufen. Solche Gründe sind insoweit auch nicht ersichtlich.
47cc. Der Auskunftsanspruch ist auch nicht deswegen erloschen, weil der Antragsgegner diese Fragen mit Schriftsatz vom 28. Juli 2020 bereits beantwortet hat.
48Hierzu vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2019 - 15 B 1850/18 -, AfP 2019, 261 (juris Rn. 67).
49Frage 6 ist bezogen auf das Robert-Koch-Institut (anders als bezogen auf Prof. E. . Drosten, s.u. 3. b.) nicht beantwortet. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 28. Juli 2020 zu Fragenkomplex 3 angegeben, dass er u.a. mit dem Robert-Koch-Institut im Austausch stehe. Die Frage, ob er vom Robert-Koch-Institut "Warnungen" erhalten habe, ist damit nicht beantwortet.
50Fragen 7 bis 9, 12 und 13, mit denen nach detaillierten Informationen dazu gefragt wird, ob SARS-CoV-2-PCR-Tests positiv auf Schweine-Coronaviren anschlagen, sind ebenfalls nicht beantwortet. Die pauschal gehaltene Antwort des Antragsgegners zu Fragenkomplex 4 geht auf diese Details nicht ein. Dasselbe gilt bezüglich der vergleichbar detaillierten Fragen 16 bis 19 (Fragenkomplex 5), 20 bis 22 (Fragenkomplex 6) und 23 bis 25 (Fragenkomplex 7). Der Antragsgegner bezieht sich als Antwort auf diese Fragen auf seine pauschal gehaltene Antwort zu Fragenkomplex 4, die auf die angesprochenen Details nicht eingeht.
51Auch die zum Fragenkomplex 8 a) gehörende Frage 28 ist noch nicht beantwortet. Die aus einem Satz bestehende Antwort des Antragsgegners zum gesamten Fragenkomplex 8 geht nicht darauf ein, ob die beauftragten Labore Tests aus Eigenherstellung verwendet haben. Dasselbe gilt bezüglich der vom Antragsteller als Fragenkomplex 8 b) zusammengefassten Fragen 29 bis 32.
52Schließlich sind auch die Fragen 39 und 42 noch nicht beantwortet. Die Antwort des Antragsgegners zu Fragenkomplex 10 geht auf die mit Frage 39 angesprochene Ausschreibung nicht ein. Auch Frage 42 ist mit dem Hinweis, die Testungen seien unter ärztlicher Aufsicht erfolgt, noch nicht vollständig beantwortet, da damit der Rechtsträger ("Entität"), für den diese Ärzte tätig geworden sind, nicht benannt ist.
53c. Soweit der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Geht es - wie hier - nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, setzt die Bejahung des Anordnungsgrunds voraus, dass das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. In Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche darf an die Annahme eines schweren, die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Nachteils mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie das von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mitumfasste Selbstbestimmungsrecht der Presse hinsichtlich der Themenauswahl und der Entscheidung, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll, kein zu enger Maßstab angelegt werden. Demgemäß ist zwar einerseits erforderlich, andererseits aber auch ausreichend, dass für die begehrte Auskunft ein gesteigertes öffentliches Interesse vorliegt und ein starker Gegenwartsbezug besteht. Demnach darf ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren nicht dazu führen, dass eine begehrte Auskunft mit starkem Aktualitätsbezug ihren Nachrichtenwert verliert und allenfalls noch von historischem Interesse ist.
54Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2014 - 1 BvR 23.14 -, NJW 2014, 3711, Rn. 30; OVG NRW, Beschluss vom 3. April 2019 - 15 B 1850/18 -, juris Rn. 80 ff. m.w.N.
55Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich vor. Für die mit den Fragen 6 (bezogen auf das Robert-Koch-Institut), 7 bis 9, 12, 13, 16 bis 25, 28 bis 32, 39 und 42 begehrten Auskünfte besteht sowohl ein gesteigertes öffentliches Interesse als auch ein starker Gegenwartsbezug. Dies bedarf angesichts dessen, dass sich das Auskunftsbegehren des Antragstellers auf die aktuelle Corona-Pandemie bezieht und hier insbesondere die Aussagekraft von Testergebnissen betrifft, keiner weiteren Begründung.
564. Bezüglich der Fragen 4 (bezogen auf Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts, des Landeszentrums Gesundheit NRW und der Bezirksregierung Detmold), 5, 6 (bezogen auf Prof. E. . Drosten), 14, 15, 27 und 41 ist der Antrag unbegründet.
57a. Frage 4 betrifft bezogen auf die Benennung bestimmter Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts, des Landeszentrums Gesundheit NRW und der Bezirksregierung Detmold nicht die Tätigkeit des Antragsgegners, sondern die Tätigkeit anderer Behörden. Ein Anspruch auf die Erteilung von Auskünften über die Tätigkeit anderer Behörden ist aber auch dann ausgeschlossen, wenn diese Informationen bei der Behörde, an die die Anfrage gerichtet ist, vorliegen. Fragen, die sich auf die Tätigkeit einer anderen Behörde beziehen, sind schon aus Gründen der Sachnähe von dieser zu beantworten.
58Vgl. Burkhardt, in Löffler, Presserecht, 6. Auflage 2015, § 4 LPG Rn. 85 f. m.w.N.
59b. In Bezug auf die Fragen 5, 6 (bezogen auf Prof. E. . Drosten), 14, 15, 27 und 41 ist der Auskunftsanspruch des Antragstellers erloschen, weil der Antragsgegner diese Fragen bereits mit seinem Schriftsatz vom 28. Juli 2020 beantwortet hat.
60Fragen 5 und 6 (bezogen auf Prof. E. . Drosten) nach einer Involvierung der Charité und Prof. E. . Drosten sowie Fragen 14 und 15 nach einem Gedankenaustausch mit dem Friedrich-Löffler-Institut sind mit der Antwort des Antragsgegners zu Fragenkomplex 3 beantwortet. Dort wird ausgeführt, dass der Antragsgegner bezüglich der Bewältigung der Corona-Pandemie mit dem Robert-Koch-Institut, dem Landeszentrum für Gesundheit NRW und der Bezirksregierung Detmold im Austausch steht. Aus dieser Antwort folgt im Umkehrschluss, dass der Antragsgegner zum damaligen Zeitpunkt weder mit der Charité noch mit Prof. E. . Drosten und auch nicht mit dem Friedrich-Löffler-Institut in Verbindung stand.
61Frage 27 versteht das Gericht mit dem Antragsgegner dahingehend, dass der Antragsteller die Kriterien ("Gründe") erfahren möchte, aufgrund derer die vom Antragsgegner beauftragten Labore ausgewählt wurden. Dasselbe gilt für Frage 41 ("Wie ist dieses Labor ausgewählt worden?"). Diese Fragen wurden ebenso wie die übereinstimmend für erledigt erklärte Frage 38 bereits beantwortet. Der Antragsgegner hat im Schriftsatz vom 28. Juli 2020 sowohl zu Fragenkomplex 8 als auch zu Fragenkomplex 10 das Auswahlkriterium ("akkreditierte Labore") mitgeteilt.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 5 Abs. 6 MPV 2x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1452/13 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 8 IFG, 9 Abs. 2 Satz 2 IFG 2x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 2 Nr. 3 PresseG 1x (nicht zugeordnet)
- MPG § 3 Begriffsbestimmungen 2x
- § 4 LPG 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 28 Anhörung Beteiligter 1x
- 2 BvR 67/06 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 Abs. 2 PresseG 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 123 3x
- VwGO § 92 1x
- 4 A 1606/16 1x (nicht zugeordnet)
- 4 TG 2987/89 1x (nicht zugeordnet)
- 15 B 457/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 110 5x
- VwGO § 122 2x
- 15 B 1850/18 3x (nicht zugeordnet)
- 15 B 1289/16 1x (nicht zugeordnet)