Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 13 S 20.5551

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen Beschränkungen einer für den 1. November 2020 angezeigten Versammlung im Stadtgebiet der Landeshauptstadt M.

Am 14. Oktober 2020 wurde für den 1. November 2020 eine stationäre Versammlung auf der T.wiese zwischen 16:30 und 21:00 Uhr angezeigt. Die Anzahl der gleichzeitig teilnehmenden Personen wurde mit 5.000 angegeben.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2020 beschränkte die Antragsgegnerin die angezeigte Versammlung u. a. damit, dass die Teilnehmerzahl auf 1000 Personen beschränkt wurde (Ziffer 1). Es wurde angeordnet, dass grundsätzlich alle Teilnehmer eine Mund-Nasenbedeckung zu tragen haben (Ziffer 2). Die Dauer der Veranstaltung wurde auf maximal 270 Minuten begrenzt (Ziffer 6). Dem Antragsteller wurde aufgegeben, pro 10 Teilnehmer jeweils einen Ordner bereitzustellen (Ziffer 8). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die infektionsschutzrechtliche Lage in M. und nahezu im gesamten Bundesgebiet sich dramatisch zugespitzt habe. Der infektionsschutzrechtliche Schwellenwert von über 100 für drastische Beschränkungen des öffentlichen Lebens nach § 26 der 7. BayIfSMV sei mit einem am 28.10.20 veröffentlichten Wert des RKI von 122,3 deutlich überschritten, wie sich aus der Gefahrenprognose des Referates für Gesundheit und Umwelt ergebe. In der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung seien derzeit nur Versammlungen bis zu einer Größe von bis zu 200 Personen in der Regel als infektionsschutzrechtlich vertretbar anzusehen, sofern diese ortsfest durchgeführt würde. Hier seien 5000 Personen angezeigt, also eine Überschreitung um das 25-fache. Grundsätzlich dürften für die Gefahrenprognose Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen als Indiz für das Gefahrenpotential herangezogen werden, soweit diese bezüglich des Mottos, des Ortes, des Datums sowie des Teilnehmer- und Organisatorenkreises Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen. Die Versammlung sei Teil eines einheitlichen Versammlungsgeschehens der Initiative „Querdenken“. Deswegen seien entsprechende Erfahrungen aus den einschlägigen Versammlungslagen in der Vergangenheit zu berücksichtigen. Es wurden die Zustände verschiedener Versammlungen aufgeführt. Bei einem Versammlungsgeschehen vom 25. Oktober 2020 in Berlin habe sich der überwiegende Teil der 1500 bis 2000 Anwesenden sich nicht an die Hygieneregeln, insbesondere die Maskenpflicht gehalten. Der Antragsteller habe die Teilnehmer aufgefordert, dennoch loszulaufen und sich damit den polizeilichen Vorgaben zu widersetzen. Es sei zu tätlichen Angriffen und Widerstandshandlungen gegen die Einsatzkräfte gekommen. Über 100 Straf- und Ordnungswidrigkeitenanzeigen seien erstattet worden. Der Antragsteller sei wegen Landfriedensbruchs angezeigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.

Am 31. Oktober 2020 hat der Antragsteller Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gestellt. Er beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Auflagen Nr. 1, Nr. 4, Nr. 6 und Nr. 8 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 30.10.2020 anzuordnen.

Der Antragsteller macht im Wesentlichen geltend, dass die Antragsgegnerin in verfassungswidriger Weise in die Versammlungsfreiheit eingreife. Art. 8 GG dürfe nur bei unmittelbaren Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung beschränkt werden. Eine unmittelbare Gefährdung des Schutzgutes Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) durch das neue Coronavirus (Sars-CoV-2) sei jedoch nicht nachgewiesen. Soweit sich die Antragsgegnerin auf die 7-Tages-Inzidenz von Neuinfektionen im Stadtgebiet Münchens beziehe, könne aus den zugrundeliegenden PCR-Tests nicht zwingend geschlossen werden, dass die getesteten Personen krank oder ansteckend seien. Auch eine Überlastung des Gesundheitssystems sei derzeit nicht festzustellen. Die 7. BayIfSMV müsse im Übrigen dahin ausgelegt werden, dass geringfügige Verstöße gegen den Mindestabstand zulässig seien. Der Mindestabstand müsse nur im Rahmen des Möglichen eingehalten werden; bei kurzen Unterschreitungen genüge das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Für eine ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung sei schließlich ein Ordner-Teilnehmer-Verhältnis von 1:25 ausreichend, was sich aus den Erfahrungen bei Demonstrationen in Hamburg, in Berlin, München und Nürnberg mit jeweils vier- bis fünfstelliger Teilnehmerzahl ergebe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Bescheid vom 30.10.2020 und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die angegriffenen Beschränkungen der Versammlung des Antragstellers ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er führt jedoch in der Sache nicht zum Erfolg.

I.

Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse am Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs vorzunehmen. Nach herrschender Meinung trifft das Gericht dabei eine eigene Ermessensentscheidung, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs maßgeblich sind. Bei offener Erfolgsprognose ist eine Interessenabwägung durchzuführen. Dem Charakter des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht dabei in der Regel eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (Gersdorf, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2019, § 80 Rn. 176). Zum Schutz von Versammlungen ist indes schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt (BVerfG, B.v. 12.5.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 18 m.w.N.).

II.

Die Begrenzung der Teilnehmerzahl der angezeigten Versammlung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten; insoweit bestehen in der Hauptsache keine Erfolgsaussichten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Nach § 7 Abs. 1 7. BayIfSMV hat die zuständige Behörde durch Beschränkungen der Versammlung sicherzustellen, dass bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel im Sinne des BayVersG zwischen allen Teilnehmern ein Mindestabstand von 1,5 m gewahrt wird, dass Körperkontakte, auch mit Dritten, vermieden werden und dass die von der Versammlung ausgehenden Infektionsgefahren auch im Übrigen auf ein vertretbares Maß beschränkt bleiben. Erforderlichenfalls ist die Versammlung zu verbieten. Diese Bestimmung konkretisiert die versammlungsrechtliche Befugnisnorm des Art. 15 BayVersG auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite, soweit die von einer Versammlung unter freiem Himmel ausgehenden Infektionsgefahren in Rede stehen (BayVGH, B.v. 19.09.2020 - 10 CS 20.2103 - juris Rn. 7). Unmittelbar gefährdet ist die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung, wenn eine Sachlage vorliegt, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge den Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt (vgl. Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl. 2016, § 15 Rn. 53). Wird eine versammlungsbehördliche Verfügung auf eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit gestützt, erfordert die anzustellende Gefahrenprognose hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BayVGH, U. v. 10.07.2018 - 10 B 17.1996 - juris Rn. 26). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfG, B. v. 12.05.2010 - 1 BvR 2636/04 - juris Rn. 19 m.w.N.; SächsOVG, U. v. 31.05.2018 - 3 A 199/18 - juris Rn. 23). In die Prognose können Ereignisse im Zusammenhang mit früheren Versammlungen einbezogen werden, soweit sich hinsichtlich des Versammlungsthemas, des Ortes, des Datums oder des Teilnehmer- und Organisatorenkreises bei verständiger Würdigung Ähnlichkeiten zu der geplanten Versammlung aufweisen (vgl. BVerfG, B.v. 4.9.2009 - 1 BvR 2147/09 - NJW 2010, 141).

2. Hieran gemessen bestand für die Antragsgegnerin vorliegend hinreichender Anlass, eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auszusprechen. Die Antragsgegnerin hat unter maßgeblicher Berücksichtigung der Stellungnahmen des Polizeipräsidiums und des Referats für Gesundheit und Umwelt nachvollziehbar ausgeführt, dass bei einer Versammlung mit 5.000 Teilnehmern am gewünschten Versammlungsort die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewährleistet wäre.

a) Bei den aufgrund der thematischen und organisatorischen Überschneidungen als Bezugsfälle herangezogenen Versammlungen u.a. am 12. September 2020 in M., am 11. Oktober 2020 in N., am 19. Oktober 2020 in St. und am 25. Oktober 2020 in B. ist es neben Unterschreitungen des in § 7 Abs. 1 Satz 1 7. BayIfSMV vorgegebenen Mindestabstands insbesondere zu zahlreichen Verstößen gegen die in § 7 Abs. 1 Satz 3 BayIfSMV (bzw. nach Berliner Landesrecht) angeordnete Maskenpflicht gekommen. Polizeiliche Einwirkungsversuche gestalteten sich schwierig; seitens der Versammlungsleiter wurde teilweise sogar dazu aufgerufen, auf den Versammlungen keine Masken zu tragen. Im Rahmen der Versammlung auf der Theresienwiese am 12. September 2020 konnte die überwiegende Befolgung der Beschränkung nur durch polizeiliches Eingreifen und die Ahndung zahlreicher vollendeter einzelner Verstöße erreicht werden. Diese Erfahrungen erlauben den Schluss darauf, dass es auch bei der nunmehr angezeigten Versammlung auf der Theresienwiese in erheblichem Umfang zu Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch infektionsschutzrechtlich unerwünschte Zustände kommen würde, sollten keine geeigneten Beschränkungen der Versammlung angeordnet werden. Die Heranziehung von Erkenntnissen aus den genannten früheren Versammlungen ist rechtlich nicht zu bestanden. Die seitens der Antragsgegnerin insoweit konkret dargestellten Überschneidungen hinsichtlich Versammlungsthema und des Teilnehmer- und Organisatorenkreises wurden vom Antragsteller nicht infrage gestellt. Der Einwand des Antragstellers, kurzfristige Unterschreitungen des Mindestabstands im Rahmen einer Versammlung dürften nicht zu Beschränkungen einer Versammlung führen, liegt neben der Sache. Die angeordneten Beschränkungen der Versammlung dienen erkennbar nicht der Verhinderung von ganz untergeordneten und geringfügigen Abstandsunterschreitungen, sondern auf die Abwendung einer Vielzahl nachhaltiger Verstöße gegen infektionsschutzrechtliche Vorgaben.

b) Soweit der Antragsteller rügt, die Antragsgegnerin hätte die sog. 7-Tages-Indizenz, d.h. die Anzahl der Neuinfektionen im Stadtgebiet M. der letzten sieben Tage, nicht berücksichtigen dürfen, weist die Kammer auf Folgendes hin: Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass dieser Inzidenzwert im Rahmen der Prognose von Infektionsrisiken ergänzend herangezogen wird, auch wenn sich aus dem Wert allein jedoch noch keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2020 - 10 CS 20.2103 - juris Rn. 10). Der Einwand des Antragstellers, positive PCR-Virusnachweise genügten nicht für die Diagnose einer (übertragbaren) Erkrankung, übersieht, dass die Antragsgegnerin ihre Gefahrenprognose nicht allein auf solche Nachweise abstellt, sondern darüber hinaus die umfassende Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts (RKI) berücksichtigt hat. Das RKI, dem der Gesetzgeber im Bereich des vorbeugenden Infektionsschutzes besonderes Gewicht einräumt (§ 4 IfSG; vgl. BayVGH, B.v. 11.09.2020 - 10 CS 20.2064 - Rn. 25 m.w.N.), schätzt die Lage in Deutschland auch in seiner aktuellen Risikoeinschätzung zu Covid-19 als sehr ernst und dynamisch ein. Das Risiko für die Bevölkerung sei weiterhin hoch, seit Ende August würden wieder vermehrt Übertragungen des neuen Coronavirus in Deutschland beobachtet. Die Ressourcenbelastung des Gesundheitssystems könne örtlich sehr schnell zunehmen. (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; abgerufen am 31.10.2020). Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller zumutbar, die geplante Versammlung mit einer geringeren Teilnehmerzahl durchzuführen. Er kann seinen Anliegen gleichwohl an einem zentralen Ort öffentlichkeitswirksam Ausdruck verleihen und damit an der öffentlichen Meinungsbildung teilhaben. Der Risikobewertung des RKI, die sich die Antragsgegnerin zu eigen gemacht hat, ist der Antragsteller nicht substanziiert entgegengetreten. Der bloße Zweifel an den durch die Gesundheitsämter gemeldeten „Fallzahlen“ durch Hinweis darauf, dass ein PCR-Nachweis von Virus-RNA nicht stets bedeute, dass der Virusträger ansteckend erkrankt sei, genügt nicht, um die Gesamteinschätzung der Lage durch das RKI, in die neben der Anzahl positiv getesteter Personen auch die Entwicklung der gemeldeten Fälle, das Schwereprofil der Krankheitsverläufe und die Ressourcenbelastung des Gesundheitswesen in Deutschland und anderen Ländern einfließen (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung_Grundlage.html), durchgreifend infrage zu stellen.

c) Dem (sinngemäßen) Vorbringen des Antragstellers, „Störer“ im Rahmen des § 28 Abs. 1 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), auf dem die 7. BayIfSMV beruht, seien nur nachweislich an Covid-19-Erkrankte und sonstige Träger des Virus, von denen eine individuelle Infektionsgefahr ausgehe, folgt die Kammer nicht. Wer zulässiger Adressat einer Maßnahme aufgrund des § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ist, wird im IfSG nicht ausdrücklich bestimmt. Die Auslegung der Norm nach ihrer Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck ergibt jedoch, dass die Behörde auch Maßnahmen gegen die Allgemeinheit ergreifen darf (vgl. BayVGH, B.v. 11.09.2020 - 10 CS 20.2064 - juris Rn. 27; Martini/Thiessen/Ganter, NJOZ 2020, 929, 932 m.w.N.).

d) Die Begrenzung der Teilnehmer der geplanten Versammlung ist geeignet und erforderlich, um die überwiegende Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Vorgaben der 7. BayIfSMV sicherzustellen. Für die Eignung genügt insoweit, dass die Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Zwecks zu fördern (vgl. Greszick, Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand April 2020, Art. 20 Rn. 112). Dies ist aus Sicht der Kammer nicht zweifelhaft. Es liegt auf der Hand, dass eine Versammlung mit 1000 Teilnehmern besser überblickt und beherrscht werden kann als eine Versammlung mit 5000 Teilnehmern. Bereits in der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 6. BayIfSMV kommt zum Ausdruck, dass Versammlungen mit zunehmender Teilnehmerzahl unübersichtlicher und schwerer beherrschbar werden. Sowohl für die Veranstalterseite als auch für die polizeilichen Einsatzkräfte wird es bei hohen Teilnehmerzahlen immer schwieriger, auf die Einhaltung von infektionsschutzrechtlichen Vorgaben hinzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2020 - 10 CE 20.1236 - juris). Die Erforderlichkeit wäre nur zu verneinen, wenn sich andere Maßnahmen eindeutig als gleich geeignet und weniger belastend darstellten (vgl. Greszick, a.a.O., Art. 20 Rn. 114). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Im Gegenteil legen die Erfahrungen mit den Versammlungen am 19. Oktober 2020 in St. und am 23. Oktober 2020 in M. nahe, dass schon bei weniger als 1000 Teilnehmern die Umsetzung einer auf § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BayIfSMV gestützten Anordnung auf erhebliche Vollzugsschwierigkeiten stößt. Eine Auflösung der Versammlung durch die Polizei nach Beginn ist nicht in gleicher Weise geeignet, Infektionsgefahren abzuwehren, da diese Maßnahme erst nach Eintritt der unerwünschten Gefahrensituation wirksam würde (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2020 - 10 CS 20.2103 - juris Rn. 10).

e) Die Schwere des durch die Begrenzung der Teilnehmerzahl bewirkten Eingriffs in die grundrechtliche geschützte Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) steht nicht außer Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen des Infektions- bzw. Gesundheitsschutzes. Bei Durchführung der Versammlung wie angezeigt wären grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Interessen einer großen Anzahl Dritter von hohem Gewicht betroffen. Vor diesem Hintergrund ist es dem Antragsteller zumutbar, die geplante Versammlung mit einer geringeren Teilnehmerzahl durchzuführen. Er kann seinen Anliegen gleichwohl an einem zentralen Ort öffentlichkeitswirksam Ausdruck verleihen und damit an der öffentlichen Meinungsbildung teilhaben.

III.

Auch die in Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin ausgesprochene Verpflichtung der Teilnehmer der Versammlung, aus Gründen des Infektionsschutzes eine Maske zu tragen, begegnet keinen Bedenken. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 7. BayIfSMV ist bei Versammlungen jedenfalls ab einer Teilnehmerzahl von 200 Personen in der Regel Maskenpflicht anzuordnen. Das Gericht sieht im vorliegenden Eilverfahren keinen Anlass, von der Einschätzung des Verordnungsgebers abzuweichen, dass das Tragen von Mund und Nase bedeckenden Masken in bestimmten sozialen Situationen einen Beitrag zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie leisten kann (vgl. u. a. § 5 Abs. 3 Nr. 3, § 6 Satz 1 Nr. 2, § 8 Satz 1 7. BayIfSMV). Dass durch die einschlägigen Bestimmungen der 7. BayIfSMV der insoweit bestehende Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers überschritten worden wäre, wurde nicht substanziiert aufgezeigt und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.09.2020 - 10 CS 20.2064 - juris Rn. 36 mit Nachweisen zur Einschätzung des RKI).

IV.

Soweit sich die Klage in der Hauptsache gegen die zeitliche Beschränkung der Versammlung auf maximal 270 Minuten richtet (Ziffer 6 des Bescheides der Antragsgegnerin), hat sie keine Aussicht auf Erfolg. Die Beschränkung kann sich auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 BayIfSMV stützen. Bei der Bewertung der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit orientiert sich die Kammer insoweit an der fachlichen Stellungnahme des Referats für Gesundheit und Umwelt, die sich die Antragsgegnerin zu eigen gemacht hat, wonach eine zeitliche Begrenzung notwendig sei, um die Infektionsgefahr zu verringern. Auf den Bescheid wird verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) des Antragstellers im Rahmen der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite aus Sicht der Kammer hinreichend Rechnung getragen wurde, da er die Versammlung zur gewünschten Zeit mit der angezeigten Dauer durchführen darf.

V.

Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des in Ziffer 8 des Bescheides angeordneten Ordnerschlüssels. Nach der infektionsschutzrechtlichen Einschätzung des Referats für Umwelt und Gesundheit erfordert die Überwachung der Einhaltung der gebotenen Mindestabstände Ordnerpersonal von mindestens einem Ordner pro zehn Personen, da die erforderlichen Kontaktminimierungen als wirksamstes Mittel zur Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV-2 entsprechend kontrolliert werden müssen. Wie die Antragsgegnerin zu Recht ausgeführt hat, dient die Verpflichtung der Ordner zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung der Gewährleistung eines ausreichenden Infektionsschutzes, da diese bei der Ausübung ihrer Funktion unter Umständen in nahen Kontakt zur anderen Versammlungsteilnehmer treten müssen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen