Urteil vom Verwaltungsgericht München - M 27 K 20.4570

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der Regierung von Oberbayern vom 21. April 2020 verpflichtet, festzustellen, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG in der bis 31. August 2020 geltenden Fassung erfüllt.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er die Voraussetzungen für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten erfüllt.

Der 1986 geborene Kläger studierte an der Universität … im Fachbereich Humanwissenschaften das Fach „Soziale Arbeit“ und erhielt am 28. Juni 2012 den Bachelorabschluss. Im Anschluss daran studierte er ebenfalls an der Universität … im Fachbereich Humanwissenschaften den Masterstudiengang „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ und schloss am 26. Februar 2016 mit dem Masterabschluss ab.

Mit E-Mail vom 18. Februar 2020 fragte der Kläger bei der Regierung von Oberbayern an, ob er mit diesen Abschlüssen die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten in Bayern erfülle.

Mit E-Mail vom 19. Februar 2020 teilte die Regierung von Oberbayern mit, dass der Kläger die Zugangsvoraussetzungen nicht erfülle, weil er den Bachelor in „Sozialer Arbeit“ erworben habe. Es sei weder ein konsekutiver Aufbau gegeben, noch werde die Studienleistung von 270 ECTS in Psychologie erreicht. Die Zugangsvoraussetzungen seien nur erfüllt, wenn die Gesamtstudienleistung Psychologie (konsekutiv) mindestens 270 ECTS betrage, das Fach Klinische Psychologie mindestens 9 ECTS erreiche und der Master an einer Universität erlangt worden sei.

Mit E-Mail vom 20. Februar 2020 wies der Kläger die Regierung von Oberbayern auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017 - 3 C 12.16 - sowie auf einen Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Landesprüfungsämter vom 15. Mai 2018 hin, wonach für die Zulassung zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ein Masterabschluss in Psychologie ausreichend sei, der zudem nicht auf einem Bachelorabschluss in Psychologie aufbauen müsse. Dieses Masterstudium müsse zwar eine Prüfungsleistung im Fach Klinische Psychologie enthalten, auf die Dauer des Masterstudiums oder auf die Anzahl der erworbenen ECTS komme es jedoch nicht an.

Mit E-Mail ebenfalls vom 20. Februar 2020 führte die Regierung von Oberbayern aus, dass das Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie diesen Beschluss der deutschen Landesprüfungsämter aufgegriffen habe und wie folgt umsetze: 1. Wenn das Masterstudium Psychologie ab dem 1. Juni 2018 begonnen wurde, seien die neuen Vorgaben heranzuziehen. 2. Sollte das Masterstudium am 1. Juni 2018 beendet worden sein, sei das Gesamtstudium nach den bisherigen Vorgaben (konsekutive Abfolge, 270 ECTS, 9 ECTS Klinische Psychologie) zu beurteilen.

3. Wenn das Masterstudium Psychologie am 1. Juni 2018 noch nicht betrieben wurde, sei eine alternative Betrachtung entweder nach den neuen Vorgaben oder der bisherigen Verwaltungspraxis möglich. Eine Vermischung der Kriterien von alt und neu scheide allerdings aus. Da der Kläger sein Masterstudium vor 2018 abgeschlossen habe, komme in seinem Fall in Bayern ausschließlich die konsekutive Betrachtungsweise in Frage.

Mit Schreiben vom 8. April 2020 beantragte er unter Beifügung jeweils einer amtlich beglaubigten Kopie des Bachelorsowie des Masterzeugnisses bei der Regierung von Oberbayern die Überprüfung der Zugangsvoraussetzungen gem. § 5 Abs. 2 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten in Bayern.

Mit Schreiben vom 21. April 2020 teilte das Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie bei der Regierung von Oberbayern mit, dass der Kläger die Zugangsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG für eine Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten nicht erfülle. Der Zeitpunkt des klägerischen Masterabschlusses falle in eine Zeit, zu der das Vorliegen der Zugangsvoraussetzungen nach dem sogenannten bisherigen Verwaltungsvollzug in Bayern beurteilt worden sei. Maßgeblich hierbei sei ein Studium der Psychologie (entweder Diplomstudium oder Bachelor- und Masterstudium Psychologie konsekutiv) mit einer Studienleistung von 270 ECTS in Psychologie, inklusive des Fachs Klinische Psychologie mit mindestens 9 ECTS. Der klägerische Studienverlauf (Bachelor in Sozialer Arbeit, Master in Klinischer Psychologie und Psychotherapie) erfülle diese Anforderungen nicht. Die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten seien in Bayern nicht erfüllt. Eine Rechtsbehelfsbelehrungwar dem Schreiben nicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 19. August 2020 an die Regierung von Oberbayern bat der Kläger um einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Mit E-Mail der Regierung von Oberbayern vom 1. September 2020 teilte diese dem Kläger mit, das Schreiben vom 21. April 2020 sei ungeachtet der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrungals feststellender Verwaltungsakt zu qualifizieren, gegen welchen ein Rechtsbehelf möglich sei. Es folgte im Text der E-Mail-Nachricht eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheids Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben werden könne.

Am 23. September 2020 ließ der Kläger Klage „gegen die Regierung von Oberbayern“ zum Verwaltungsgericht München erheben. Er beantragt,

„den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2020 zum Aktenzeichen … aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zur Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten im Freistaat Bayern zuzulassen.“

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Rechtsauffassung des Beklagten stehe im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017 - 3 C 12.16.

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2020 beantragt der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

In der Sache hat sich der Beklagte nicht geäußert.

Am 5. Mai 2021 haben die Beteiligten schriftsätzlich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten, weil er einen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Erlass des feststellenden Bescheides hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Der Antrag, „den Bescheid der Beklagten vom 21.04.2020 zum Aktenzeichen … aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zur Ausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten im Freistaat Bayern zuzulassen“ ist im Zusammenhang mit den Ausführungen in der Klageschrift vom 19. September 2020 sachgerecht dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass der Kläger vorliegend die Verpflichtung des Beklagten begehrt, festzustellen, dass er die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG vom 16. Juni 1998 in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung (BGBl I S. 1311 - PsychThG a.F.) erfüllt (vgl. VG Hamburg, U.v. 9.7.2020 - 2 K 6046/18 - juris Rn. 33 m.w.N.). Ebenso genügt es nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 VwGO, dass die Klagepartei die Klage - anstelle gegen den Freistaat Bayern - gegen die Regierung von Oberbayern als Ausgangsbehörde gerichtet hat.

2. Der so verstandene Klageantrag ist zulässig.

Der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. lässt sich die Befugnis des Beklagten zum Erlass eines entsprechenden feststellenden Verwaltungsakts jedenfalls durch Auslegung entnehmen (VG Hamburg, U.v. 9.7.2020 - 2 K 6046/18 - juris Rn. 33 m.w.N), sodass der Kläger auch einen Anspruch auf Erlass eines solchen feststellenden Verwaltungsakts haben kann (BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 7). Anspruchsgrundlage ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über das Verpflichtungsbegehren nach Novellierung des Rechts der Psychotherapeuten nunmehr § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. i.V.m. der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten vom 15. November 2019 (BGBl I S. 1604, i.d.F.v. 19.5.2020, BGBl I S. 1018 - PsychThG n.F.), wonach für Personen, die vor dem 1. September 2020 ein Studium, das in § 5 Abs. 2 PsychThG a.F. genannt ist, begonnen oder abgeschlossen haben, die Regelung des § 5 Abs. 2 PsychThG a.F. weiterhin anwendbar ist. Nach dieser Übergangsregelung können diese Personen die Ausbildung zum Beruf u.a. des Psychologischen Psychotherapeuten noch bis zum 1. September 2032 absolvieren.

Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für den feststellenden Klageantrag, auch schon vor der Stellung eines Antrags auf Zulassung zur staatlichen Prüfung, weil dem Kläger hier nicht zugemutet werden kann, zunächst eine mehrjährige Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten aufzunehmen und erst im Anschluss daran zu erfahren, dass er die rechtlichen Vorgaben möglicherweise nicht erfülle. Dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass der Beklagte bereits vorgerichtlich seine Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung nicht erfülle.

Da die Klageerhebung am 23. September 2020 innerhalb der für den Fall einer unterbliebenen bzw. unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrungersatzweise geltenden Jahresfrist (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO) nach Bekanntgabe des ablehnenden Bescheids vom 21. April 2020 erfolgt war, wurde die Verpflichtungsklage auch fristgemäß erhoben.

3. Die Klage ist zudem begründet.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich in den maßgeblichen Gesichtspunkten nicht von derjenigen Fallgestaltung, welche der revisionsgerichtlichen Beurteilung durch das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren Az. 3 C 12.16 unterlag. Dort begehrte die Revisionsführerin die Feststellung, dass ihr absolvierter Masterstudiengang „Klinische Psychologie/Psychoanalyse“ als eine „Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie, die das Fach Klinische Psychologie einschließt“ zu qualifizieren sei und demnach die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. erfülle, ohne dass es auf einen vorherigen Bachelorabschluss in Psychologie ankomme, sondern ihre Zulassung durch die Hochschule zum Masterstudium aufgrund ihres Abschlusses als Diplom-Sozialpädagogin ausreiche. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu aus, dass der Anspruch auf Feststellung unmittelbar aus der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. folge (BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 7). Es sei nicht erforderlich, dass dem Masterabschluss auch ein Bachelorabschluss in Psychologie vorausgehen müsse (sog. konsekutiver Masterstudiengang), weil sich eine solche Vorgabe nicht im Gesetz wiederfinde (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 15 ff.). Sofern die Hochschule den jeweiligen Bewerber zum Masterstudiengang auf Grundlage ihrer Studien- und Prüfungsordnung zugelassen habe, genüge dies (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 19). Inhaltlich komme es zudem ausschließlich darauf an, dass die Abschlussprüfung das Fach Klinische Psychologie einschließt, jedweder anderer inhaltlicher Vorgaben enthalte sich die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F., sodass allein die Zulassungsentscheidung der jeweiligen Hochschule maßgebend sei. Diese Bindung schließe es aus, bei der Prüfung der Zugangsvoraussetzungen die Entscheidung der Hochschule in Frage zu stellen und eigene fachliche Qualifikationen für die Abschlussprüfungen aufzustellen (BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 16).

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat an einer Universität - vorliegend der Universität … - seine Abschlussprüfung im Masterstudiengang „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ bestanden. Wie sich - unzweideutig - aus der Bezeichnung dieses Studiengangs ergibt, beinhaltet dieser Masterstudiengang auch das Fach „Klinische Psychologie“. Weitere formale oder inhaltliche Anforderungen folgen, wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt hat, aus dem Gesetz nicht, sodass es - entgegen der Auffassung des Beklagten - weder entscheidend darauf ankommt, dass der Kläger keinen vorherigen Bachelorabschluss in Psychologie nachweisen kann, noch, dass er den von dem Beklagten geforderten Umfang von 270 bzw. 9 ECTS erfüllt. Hinsichtlich des geforderten ECTS-Umfangs bleibt völlig unklar, auf welcher rechtlichen Grundlage der Beklagte dies überhaupt einfordert. Auch ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage der Beklagte seine Verwaltungspraxis auf eine zeitliche Staffelung dahingehend stützen will, dass er auf das Betreiben des Studiums zum Stichtag 1. Juni 2018 abstellt. Ein gemeinsamer Beschluss der Landesprüfungsämter genügt für die Regelung einer solchen Berufszulassungsschranke im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls nicht (zu den rechtsstaatl. Anforderungen vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 22). Auch die Länderöffnungsklausel des § 27 PsychThG n.F. enthält keine Rechtsgrundlage für die vorliegend praktizierte Stichtagsregelung.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 17. August 2017 - 3 C 12.16 - Bezug genommen, die sich die Kammer zu eigen macht.

4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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