I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung (weiteren) Nachteilsausgleichs für den schriftlichen Teil der Ersten Juristischen Staatsprüfung (EJS) im Zeitraum vom ... 2022 bis zum ... 2022 (Termin 2022/1).
Die Antragstellerin leidet an einer Spinalen Muskelatrophie (SMA) Typ II, einer Skoliose und an Diabetes Typ I.
Mit Attest vom ... 2017 wurde aufgrund einer amtsärztlichen Untersuchung der Antragstellerin am selben Tag bei der Landeshauptstadt M. festgestellt, dass bei der Antragstellerin aufgrund ihrer Gesundheitsstörungen dauerhafte Leistungseinschränkungen vorliegen.
Mit Attest vom ... 2018 teilte ... mit, dass die Gesundheit der Antragstellerin, die seit vielen Jahren in ihrer Praxis betreut werde, durch eine Skoliose und eine verminderte Atemkapazität, die durch die zugrundeliegende Muskelerkrankung bedingt sei, sowie durch einen eingeschränkten Stoffwechsel bei Diabetes mellitus beeinträchtigt sei.
Mit ärztlicher Bescheinigung vom ... 2018 stellte der Gerichtsärztliche Dienst bei dem Oberlandesgericht München fest, dass aufgrund der vorgelegten Informationen (auf eine persönliche Untersuchung wurde nach Rücksprache mit dem Landesjustizprüfungsamt verzichtet) kein Zweifel bestehe, dass die Antragstellerin am 10. und 12. September 2018 nicht in der Lage war, an der Juristischen Staatsprüfung teilzunehmen.
Mit Attest vom ... 2021 bescheinigte die Neurologische Klinik und Poliklinik Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München der Antragstellerin eine Spinale Muskelatrophie Typ II. Aus diesem Attest geht insbesondere hervor, dass das Erscheinungsbild der Antragstellerin in Folge dieser Erkrankung durch eine erhebliche Einschränkung der motorischen Funktion geprägt ist. Sie ist ausweislich des Attestes rollstuhlgebunden und verfügt über eine deutlich reduzierte Kraft in den Händen. Wesentlich mitbetroffen ist hiervon auch die gesamte Skelettmuskulatur (inkl. Atemhilfs- und Rumpfmuskulatur), was in ausgeprägtem Umfang zu einer frühen Ermüdbarkeit und reduzierten Belastbarkeit der Antragstellerin beiträgt.
Mit Attest vom ... 2021 stellte der Gerichtsärztliche Dienst bei dem Oberlandesgericht München fest, dass bei der Antragstellerin eine Mehrfachbehinderung mit deutlichen körperlichen Einschränkungen vorliege.
Mit Antrag vom 12. August 2021 beantragte die Antragstellerin beim Landesjustizprüfungsamt die Gewährung eines Nachteilsausgleichs für ihren Wiederholungsversuch im Termin EJS 2022/1 und listete die nach ihrer Ansicht erforderlichen Maßnahmen auf.
Mit Bescheid vom 12. Januar 2022, an die Antragstellerin „herausgegeben“ am 14. Januar 2022 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Nachteilsausgleich in Form einer Schreibzeitverlängerung von zwei Stunden und 30 Minuten je Prüfungstag (1.) Außerdem wurde der Antragstellerin die Verwendung eines ihr von der Universität München zur Verfügung gestellten Laptops, sowie der darauf befindliche Diktatsoftware und Microsoft Word (2.), sowie die Nutzung der zugelassenen Hilfsmittel auch als CD-ROM gestattet (3). Überdies wurde ihr die Benutzung einer externen Tastatur, einer externen Maus, sowie eines Headsets (7.) und eines von der Universität München zur Verfügung gestellten Druckers, um die Arbeiten nach Beendigung ausdrucken zu können (8.) gestattet. Der Antragstellerin wurde gestattet, den schriftlichen Teil der Prüfung in einem Einzelraum anzufertigen, in dem auch eine selbst mitgebrachte Liege aufgestellt werden kann. Hierfür wurde der Antragstellerin der Raum in der Remise, V. straße in M.; zur Verfügung gestellt (4.). Dieser Einzelraum verfügt über eine rollstuhlgerechte Toilette, die der Antragstellerin zur ausschließlichen Benutzung zur Verfügung gestellt wird (5.). Des Weiteren wurde der Antragstellerin die ständige Anwesenheit ihrer Assistenzperson gestattet, deren vollständigen Namen die Antragstellerin vor Beginn der schriftlichen Prüfung mitteilen und zugleich eine Versicherung der Assistenzperson, dass diese über keine juristischen Vorkenntnisse verfügt, übersenden sollte (6.)
Die der Antragstellerin zugestandenen Maßnahmen zum Nachteilsausgleich entsprachen den im ärztlichen Attest vom ... 2021 aufgelisteten Vorschlägen der Medizinaldirektorin des Gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht München.
Nicht zugestanden wurde der Antragstellerin die von ihr beantragte „Aufteilung auf zwei Prüfungen pro Prüfungstermin“, wobei die spezifischen Prüfungstage je nach Gesundheitszustand frei wählbar sein und je nach Bedarf zwischen den Prüfungstagen ein oder mehrere Tage frei bleiben sollten. Auch die von der Antragstellerin begehrte „Reduzierung“ des Prüfungsumfangs pro Prüfung, sowie die Gestattung von in Länge und Frequenz frei wählbaren Pausen und die Nutzung einer gebundenen Ausgabe der Gesetzestexte zusätzlich zu den Loseblattsammlungen wurden ihr nicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung zusätzlichen Nachteilsausgleichs erheben (M 4 K 22.668) und beantragte zugleich, den Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten,
noch zusätzlichen Nachteilsausgleich für die EJS 2022/I über die erfolgte Gewährung hinaus wie folgt zuzulassen:
1. Schreibzeitverlängerung um 50% und zusätzliche Pausenzusatzzeiten ergänzend zur Schreibzeit, beschwerdeabhängig frei wählbar;
2. Aufteilung der Prüfungstermine auf insgesamt drei Termine, das Schreiben der jeweiligen Klausuren an zwei Tagen, welche je nach Gesundheitszustand eventuell nicht aufeinander folgen;
3. Reduzierung des geforderten Prüfungsumfangs um 30% innerhalb der jeweiligen Klausurprüfungen;
4. Zulassung von gebundenen Ausgaben der Gesetze statt Loseblattsammlung für das Arbeiten im Sitzen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass der Antragstellerin die unter anderem durch Art. 24 Abs. 5 UN-Behindertenrechtskonvention verbriefte Bildungsteilhabe nur bei umfassender, auch zusätzlicher beantragter Nachteilsausgleichungen ermöglicht werde. Die Antragstellerin benötige zusätzliche Pausenzeiten vor allem zur Normalisierung ihrer Atmung, jedoch auch, um die notwendige Umlagerung der Antragstellerin auf die Krankenliege zu bewerkstelligen, den Blutzucker mit Hilfe der Assistenz zu messen, zu essen und Insulin zu spritzen. Diese Pausen seien zusätzlich zur bereits gewährten Arbeitszeitverlängerung um 50% erforderlich, denn die Pausen würden gemäß § 13 Abs.- 1 Satz 2 JAPO auf die Schreibzeitverlängerung angerechnet werden. § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO stehe der Gewährung nicht entgegen, da die hierin genannte Form des Nachteilsausgleichs ausweislich des Wortlauts „insbesondere“ nicht abschließend sei. wodurch ein weiterer Nachteilsausgleich i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO nicht ausgeschlossen sei. Dieser beeinträchtige auch nicht abzuprüfende das Leistungsbild des § 16 Abs. 1 Satz 2 JAPO, wonach Ziel der EJS sei, festzustellen, ob die Bewerber das Ziel des rechtswissenschaftlichen Studiums erreicht haben und für den Vorbereitungsdienst als Rechtsreferendare fachlich geeignet sind. Auch eine Überkompensation liege mit der Gewährung zusätzlicher Pausenzeiten nicht vor. Die Antragstellerin ziehe hieraus keinen ungerechtfertigten Vorteil.
Die Antragstellerin sei allerdings aufgrund ihrer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit und der Tatsache, dass die darüberhinausgehenden Pausenzeiten komplett für sonstige Tätigkeiten, u.a. zur teilweisen Regeneration, zur Umlagerung und zur Kontrolle und Normalisierung des Blutzuckerspiegels genutzt werden müssten auch bei o.g. Verlängerung der Schreibzeit nicht in der Lage, die Prüfung im vollen Umfang zu bearbeiten.
Deshalb sei es der Antragstellerin durch die Aufteilung der EJS auf drei Blöcke zu je zwei Prüfungen mit jeweils krankheitsbildabhängigen Ruhetagen dazwischen zu ermöglichen, die Prüfung zu absolvieren. Ein Anspruch darauf ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO. Dem stehe der Wettbewerbscharakter der Prüfung nicht entgegen. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass in anderen Bundesländern (z.B. Nordrhein-Westfalen) auch die Möglichkeit bestehe, die Examensprüfungen „aufzuteilen“. Auch die Rechtsfolgen der Verhinderungen in § 29 Abs. 1 Nr. 1 JAPO stünden nicht entgegen, da sich diese Vorschrift auf die „Verhinderung“ i.S.d. § 10 Abs. 1 und 5 JAPO beziehe, sowie auf die Unzumutbarkeit i.S.d. § 10 Abs. 6 JAPO. Dem Gedanken der Chancengleichheit komme im Prüfungsrecht eine herausgehobene Bedeutung zu, sodass in begründeten Ausnahmefällen auch solche Nachteile durch Einräumung entsprechender Prüfungsbedingungen ausgeglichen werden könnten, wenn eine gesetzliche Regelung nicht vorliege (BayVGH B.v. 40.10.2010 - 7 CE 09.2900 Rn. 21).
Der Anspruch auf Benutzung der gebundenen Ausgaben der Gesetze ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO. Dies sei im gerichtsärztlichen Attest als notwendige Maßnahme genannt, um die Nachteile der Antragstellerin zu kompensieren. Die Notwendigkeit der Benutzung gebundener Ausgaben ergebe sich überdies bereits aus der einfacheren Handhabung der Texte.
Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2022 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, dass der Antragstellerin bereits eine Schreibzeitverlängerung um zwei Stunden und 30 Minuten bewilligt worden sei, mithin um die Hälfte der Arbeitszeit nach § 28 Abs. 1 Satz 2 JAPO. Darüberhinausgehende Pausenzeiten könnten der Klägerin nach § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO nicht mehr gewährt werden, da nach dem Wortlaut der Vorschrift eine Verlängerung der Arbeitszeit sowie nicht auf diese anzurechnende Pausen „insgesamt“ maximal im Umfang von bis zur Hälfte der normalen Arbeitszeit bewilligt werden könne. Eine darüberhinausgehende Verlängerung würde eine dem Grundsatz der Chancengleichheit zuwiderlaufende Überkompensation darstellen. Dies gelte auch für zur maximalen Schreibzeitverlängerung hinzukommende Pausen, da auch diese faktisch eine Verlängerung der zur gedanklichen Beschäftigung mit der Prüfungsaufgabe zur Verfügung stehenden Zeit bewirkten.
Der Aufteilung der Prüfung auf insgesamt drei Termine stünden zwingende rechtliche Gründe entgegen. Der Antrag sei bereits zu unbestimmt und praktisch nicht durchführbar. Das beantragte Wahlrecht der Antragstellerin, an welchen Tagen sie Klausuren schreibe und an welchen nicht, führe dazu, dass nicht mehr sichergestellt sei, dass die Antragstellerin gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 JAPO jeweils drei Aufgaben aus dem Zivilrecht, eine Aufgabe aus dem Strafrecht und zwei Aufgaben aus dem Öffentlichen Recht anfertige. Zudem setze § 13 Abs. 1 JAPO voraus, dass die Behinderung nicht das abgeprüfte Leistungsbild betreffe. Insoweit sei es aber hinsichtlich des schriftlichen Teils gerade Wesensgehalt der EJS als die Ausbildung abschließende Blockprüfung, in dichter zeitlicher Reihenfolge eine größere Zahl von Klausuren mit Problemstellungen aus den weit gespannten, unterschiedlichen Rechtsgebieten des Prüfungsstoffs bearbeiten zu müssen. Die von der Antragstellerin beantragte Maßnahme betreffe somit das abgeprüfte Leistungsbild. Außerdem ergäbe sich aus der Aufteilung in drei Prüfungstermine eine Überkompensation der Antragstellerin, die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 a.E. JAPO bzw. im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG unzulässig sei. Der Antragstellerin wäre es bei einer Aufteilung möglich, sich gezielt nur auf einzelne Prüfungsgebiete vorzubereiten, jedenfalls müsste sie sich bei einer Aufteilung auf drei Termine zu jeweils zwei Klausuren auf maximal zwei Rechtsgebiete vorbereiten. Damit werde gerade die Herausforderung beseitigt, sich auf einen umfangreichen Prüfungsstoff vorzubereiten und über einen langen Zeitraum präsentes Wissen zu allen Rechtsgebieten des Pflichtstoffs bereitzuhalten, um dieses an nur sechs zeitlich nah beieinanderliegenden Tagen abzurufen. Die Möglichkeit der „Abschichtung“ sei in Bayern anders als in anderen Bundesländern nicht vorgesehen. Aus diesem Grund regele § 29 Abs. 1 JAPO, dass in einem Termin mindestens vier schriftliche Aufgaben bearbeitet werden müssten. Zwar beziehe sich die Norm nach dem Wortlaut nur auf die Unzumutbarkeit nach § 10 Abs. 6 JAPO. Allerdings sei der darin niedergelegte Regelungsgehalt Ausdruck der Chancengleichheit und des Wettbewerbscharakters der EJS. Die die Gewährung von Nachteilsausgleich durch Aufteilung der Arbeiten in drei Prüfungstermine stelle wie die Einräumung einer Abschichtungsmöglichkeit für einzelne Prüflinge einen Wettbewerbsvorteil dar. Insgesamt stünde der Antragstellerin ein viel längerer Zeitraum zur Verfügung, um sich auf ihren Wiederholungsversuch vorzubereiten. Außerdem wäre die Vergleichbarkeit zu den Mitprüflingen der Antragstellerin innerhalb eines Prüfungstermins nicht mehr gewährleistet. Dies sei allerdings zur Wahrung der Chancengleichheit von zentraler Bedeutung, wie § 29 JAPO zeige.
Auch könne der Antragstellerin nicht im Wege des Nachteilsausgleichs eine Reduzierung des Prüfungsumfangs von 30% gewährleistet werden. Einer derartigen Reduzierung stünden zwingende rechtliche Gründe entgegen; zudem ließen sich diese praktisch gar nicht durchführen. Wegen § 16 Abs. 1 Satz 2 JAPO seien von allen Prüflingen eines Prüfungstermins dieselben Aufgaben zu bearbeiten, sodass für die Antragstellerin nicht gesondert eigene Prüfungsaufgaben angefertigt werden könnten. Auch diese Vorgabe sei Ausfluss des Wettbewerbscharakters der Prüfung, der es ausschließe, bei einzelnen Prüflingen den Umfang oder den Schwierigkeitsgrad der Prüfungsarbeiten herabzusetzen. Es sei ausgeschlossen, im Wege des Nachteilsausgleichs die Prüfungsanforderungen, die eine bestimmte Leistung mit dem Ziel „abfordern“, Aufschluss über Eignung und Befähigung des Prüflings zu erlangen, an seine Leistungsfähigkeit anzupassen; anderenfalls würde die Prüfung ihren Zweck von vorneherein verfehlen. Gleichzeitig sei eine individuelle Reduzierung der in dem jeweiligen Termin gestellten Prüfungsaufgabe für die Klägerin auch praktisch nicht möglich. Regelmäßig sei bei den Prüfungsarbeiten der EJS ein Rechtsgutachten zu einem in sich geschlossenen Sachverhalt zu fertigen. Die in diesem Sachverhalt enthaltenen juristischen Fragestellungen und Probleme dem Umfang nach um 30% zu reduzieren, sei daher aus tatsächlichen Gründen nicht umsetzbar.
Schließlich könne der Antragstellerin auch die beantragte zusätzliche gebundene Ausgabe der als Loseblattsammlung nach der Hilfsmittelbekanntmachung zugelassenen Gesetzessammlungen nicht bewilligt werden. Es sei nach wie vor nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin zusätzlich zu den Hilfsmitteln in digitaler Form sowie den entsprechenden Loseblattsammlungen auch noch eine gebundene Ausgabe benötigen sollte. Der pauschale Hinweis im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 10. Februar 2022, wonach sich die Notwendigkeit bereits aus der einfacheren Handhabung der Texte ergebe, genüge nicht für die erforderliche schlüssige Darlegung der Notwendigkeit zur Kompensation von Nachteilen. Auch aus dem Antrag der Antragstellerin vom 10. August 2021 sowie aus dem ärztlichen Attest vom ... 2021 ergebe sich nicht, weshalb gerade aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin eine dritte Version der Hilfsmittel notwendig sein solle. Im Übrigen nimmt das Gericht Bezug auf die Ausführungen des Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte (§ 117 Abs. 3 VwGO entsprechend).
II.
Der Antrag hat hinsichtlich des im Tenor erkennbaren Umfangs Erfolg. Im Übrigen bleibt der Antrag ohne Erfolg.
I. Die Antragstellerin hat nur teilweise einen Anordnungsanspruch auf vorläufige Gewährung der von ihr beantragten Maßnahmen im Wege des Nachteilsausgleichs.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn andere Gründe vorliegen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete Recht (Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Vorliegend hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch teilweise glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch nur teilweise glaubhaft gemacht. Der Bescheid des Antragsgegners vom 18. August 2021 erweist sich bei der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung überwiegend als rechtmäßig. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf zusätzliche Arbeitszeitverlängerung (1.). Jedoch hat die Antragstellerin keinen Anspruch Verringerung des Prüfungsumfangs (2.), beziehungsweise auf Aufteilung der Prüfung auf insgesamt drei Prüfungstermine (3.). Auch einen Anspruch auf die Verwendung gebundener Ausgaben der Gesetze hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht (4.).
Das Gericht weist, soweit es den Antrag ablehnt, auf die umfassenden, erschöpfenden und überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners hin, folgt ihnen und führt im Übrigen ergänzend aus (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend):
1. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf die Gewährung zusätzlicher Arbeitszeitverlängerung glaubhaft gemacht. Mithin sind der Antragstellerin zusätzlich zur bereits gewährten Arbeitszeitverlängerung weitere zwei Stunden und 30 Minuten als Nachteilsausgleich zu gewähren, sodass die Antragstellerin insgesamt 10 Stunden Zeit für die Bearbeitung der Prüfungsaufgaben hat.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO können zum Nachteilsausgleich eine Verlängerung der Arbeitszeit sowie nicht auf die Arbeitszeit anzurechnende Pausen von insgesamt bis zu einem Viertel der normalen Arbeitszeit, in Fällen einer besonders weitgehenden Beeinträchtigung von insgesamt bis zur Hälfte der normalen Arbeitszeit bewilligt werden.
Die Antragstellerin hat vorliegend über § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO hinaus einen Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit. Zwar hat sie mit einer Arbeitszeitverlängerung um die Hälfte der Arbeitszeit bereits das Maximum dessen zugestanden bekommen, was § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO an Zeitzugabe zum Nachteilsausgleich vorsieht und steht auch der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO steht dem nicht entgegen. Dieser sieht zum Nachteilsausgleich zwar „insbesondere“ eine Verlängerung der Arbeitszeit, beziehungsweise zusätzliche Pausen vor. „Insbesondere“ bezieht sich hierbei jedoch auf die Form des Nachteilsausgleichs, mit Blick auf seine semantische Stellung in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO ganz offensichtlich nicht auf die zeitliche Beschränkung des Satz 2. Diese gilt, wenn gerade diese Maßnahme (Arbeitszeitverlängerung) zum Nachteilsausgleich gewählt wird. Auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin sich in den Pausen tatsächlich aufgrund der in dieser Zeit zu bewerkstelligenden und wegen ihrer Einschränkungen erforderlichen Maßnahmen nicht mit der Aufgabe befassen kann, gelangt die Kammer auf Grundlage des § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO zu keinem anderen Ergebnis. Für die zeitliche Beschränkung des § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO spielt es insofern keine Rolle, wie die zusätzliche Zeit konkret genutzt wird. Unabhängig davon, ob Arbeitszeitverlängerung oder zusätzliche Pausenzeiten gewährt werden, darf die Zeitzugabe die Hälfte der normalen Arbeitszeit nicht überschreiten.
§ 13 JAPO beruht mit den Art. 19 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Satz 2 BayBG auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage (vgl. BayVGH U.v. 19.03.2004 - 7 BV 03.1953 - BeckRS 2004, 25695 Rn. 29). Die Norm trägt gerade dem Umstand Rechnung, dass es Prüflingen mit Beeinträchtigungen nicht ohne weiteres möglich ist, ihr juristisches Potenzial im Rahmen der EJS ebenso darzustellen wie es Prüflingen ohne Beeinträchtigung möglich ist. Die Norm ist ersichtlich von dem Willen getragen, Chancengleichheit im Sinne des Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 und Art. 12 Abs. 1 GG herzustellen. Insbesondere kommt es bei der EJS auch entscheidend darauf an, eine Aufgabe in einer bestimmten Zeit zu bewältigen. Teil des abgeprüften Leistungsbildes und für die Vergleichbarkeit der Arbeiten unerlässlich ist mithin auch die Begrenzung der Arbeitszeit. Die Hälfte der normalen Arbeitszeit, nach § 28 Abs. 1 Satz 2 JAPO zwei Stunden und 30 Minuten als maximal mögliche Zeitzugabe ist auch kein willkürlicher Wert, sondern erscheint mit Blick auf das Erfordernis der Vergleichbarkeit der Arbeiten im EJS grundsätzlich angemessen, um die Chancengleichheit aufseiten nicht beeinträchtigter Kandidaten zu wahren und zugleich aufseiten beeinträchtigter und damit nachteilsausgleichsanspruchsberechtigter Kandidaten herzustellen.
Allerdings verlangt der Grundsatz der Chancengleichheit, wie der Bevollmächtigte der Antragstellerin zutreffend ausführt, Nachteile in begründeten Ausnahmefällen auch ohne ausdrückliche Regelung durch Einräumung entsprechender Prüfungsbedingungen auszugleichen (BayVGH B.v. - 7 CE 09.2900 - juris Rn. 20). Dabei darf der behinderungsbedingte Nachteil durch die Ausgleichsmaßnahmen jedoch nicht überkompensiert werden und nicht zu einer Privilegierung des behinderten Prüflings gegenüber den anderen Kandidaten führen. Dieser darf keinen Vorteil erlangen, der die Chancengleichheit seiner Mitprüflinge verletzen würde (a.a.O.). Dies ist bei einer Zeitzugabe über die Grenze des § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO hinaus vorliegend jedoch ausnahmsweise nicht der Fall. Es ist zur Überzeugung der Kammer ausreichend dargelegt, dass die Antragstellerin durch ihre körperlichen Einschränkungen massiv beeinträchtigt ist und ihr vor dem Hintergrund, dass sie insbesondere aufgrund ihrer eingeschränkten Atemkapazität und Muskelkraft nicht nur langsamer arbeiten kann als gesunde Prüflinge, sondern auch zusätzliche Zeit benötigt, um Pausen zur Regeneration einzulegen, die Umlagerung auf die Krankenliege zu bewerkstelligen, den Blutzucker zu messen, ggf. Insulin zu spritzen und Nahrung zuzuführen aus einer Zeitzugabe über die Grenze des § 13 Abs. 1 Satz 2 JAPO hinaus kein Vorteil entsteht, der die Chancengleichheit der Mitprüflinge verletzen würde. Umgekehrt würde die Nichtgewährung einer weiteren Schreibzeitverlängerung im Falle der Antragstellerin den Grundsatz der Chancengleichheit mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG und Art. 12 Abs. 1 GG verletzen. Die Antragstellerin wird vorliegend erst durch die Gewährung einer weiteren Arbeitszeitverlängerung überhaupt in die Lage versetzt, an der EJS teilzunehmen.
Die Gewährung unbegrenzter, frei wählbarer Pausenzeiten verstößt jedoch gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Deshalb war auch die zusätzliche Arbeitszeitverlängerung zeitlich zu begrenzen. Es ist vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der Arbeiten, sowie mit Blick auf die praktische Durchführbarkeit nicht denkbar, dass die Antragstellerin über den eigentlichen Prüfungs- und Arbeitstag hinaus an einer Prüfungsaufgabe arbeitet. Mit Blick auf die gravierenden Einschränkungen der Antragstellerin erscheint eine weitere Arbeitszeitverlängerung um zwei Stunden und 30 Minuten, mithin insgesamt um fünf Stunden, also 100% der üblichen Arbeitszeit vorliegend aber angemessen.
2. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Nachteilsausgleich durch Reduzierung des Prüfungsumfangs glaubhaft gemacht.
Es wäre mit dem sich aus § 16 Abs. 1 Satz 2 JAPO ergebenden Wettbewerbscharakter der EJS unvereinbar, der Antragstellerin eigene, weil im Umfang reduzierte Prüfungsaufgaben zu stellen. Eine Vergleichbarkeit der Arbeiten im Sinne des Art. 3 Abs. 1, Abs. 3, 12 Abs. 1 GG mit denen der anderen Kandidaten wäre damit nicht mehr gewährleistet. Die Reduzierung des Prüfungsumfangs betrifft unmittelbar und originär das abgeprüfte Leistungsbild im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO.
Ein Prüfling, dessen Unvermögen, innerhalb der festgesetzten Prüfungszeit oder unter regulären Prüfungsbedingungen zumindest ausreichende Ergebnisse zu erzielen, nicht in der geistigen Leistungsfähigkeit, sondern in körperlichen Beeinträchtigungen begründet ist, hat grundsätzlich Anspruch auf Ausgleich dieses Nachteils. Denn in diesem Fall liegen Behinderungen der Darstellungsfähigkeit vor, die dem Prüfling lediglich den Nachweis der möglicherweise durchaus vorhandenen Befähigung erschweren und deren Auswirkungen auch später im Berufsleben ausgeglichen werden können. In diesen Fällen gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit, den Nachteil der Darstellungsfähigkeit insoweit auszugleichen, dass die Prüfungsbedingungen des Prüflings denen nichtbehinderter Mitprüflinge entsprechen, er mithin in der Lage ist, seine geistige Leistungsfähigkeit so wie diese darzulegen (vgl. VG Ansbach, B.v. 26.04.2013 - AN 2 E 13.00754 - juris Rn. 19). Im Wege des Nachteilsausgleichs soll Kandidaten mit Beeinträchtigungen somit die Teilnahme an der Prüfung und damit einhergehend die Darstellung ihrer Leistungsfähigkeit ermöglicht werden.
Die von der Antragstellerin beantragte Reduzierung des Prüfungsumfangs betrifft jedoch gerade nicht die Darstellungsfähigkeit ihrer Leistungsfähigkeit, sondern die Leistungsfähigkeit selbst. Dem kann auch nicht mit dem Argument begegnet werden, dass die Antragstellerin die ihr zusätzlich gewährte Zeit zur Verrichtung infolge ihrer Beeinträchtigungen erforderlicher Tätigkeiten benötigt. Gerade für die Verrichtung dieser Tätigkeiten ist der Antragstellerin eine Arbeitszeitverlängerung gewährt worden. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass es ihr auch dann nicht möglich ist, die Aufgaben in der dafür verbleibenden Zeit zu bearbeiten, betrifft dies das abgeprüfte Leistungsbild und wird zudem durch die bereits durch den Beklagten gewährten Maßnahmen zum Nachteilsausgleich wie die Verwendung eines Diktiergerätes etc. ausgeglichen.
Es wird außerdem insofern auf die Ausführungen des Beklagten Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO), als bereits nicht ersichtlich ist, wie eine solche Reduzierung praktisch umgesetzt werden soll.
3. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf die Aufteilung der EJS auf drei Termine zu je zwei Klausuren glaubhaft gemacht.
Die Kammer sieht auch hier einen Hinderungsgrund für die begehrte Aufteilung der Prüfungsablegung darin, dass diese entgegen § 13 Abs. 1 Satz 1 JAPO das abgeprüfte Leistungsbild beträfe. Insoweit sieht die Kammer aber einen Wesensgehalt gerade der EJS - in ihrem schriftlichen - Teil darin, in dichter zeitlicher Reihenfolge eine größere Zahl von Klausuren mit Problemstellungen aus den weit gespannten, unterschiedlichen Rechtsgebieten des Prüfungsstoffs bearbeiten zu müssen. Die geltend gemachte Behinderung mit der Folge, dass der Antragstellerin nicht zugemutet werden könne, in einem Termin mehr als zwei Klausuren abzulegen, berührt daher, wie der Antragsgegner zutreffend erwidert, das dargestellte abgeprüfte Leistungsbild beim schriftlichen Teil der EJS (vgl. VG Ansbach, B.v. 21.11.2014 - AN 2 E 14.01775 - juris Rn. 29).
Eine Aufteilung der EJS auf drei Prüfungstermine würde auch zu einer Überkompensation zum Vorteil der Antragstellerin führen, da diese wie der Antragsgegner zutreffend ausführt, zum einen mehr Zeit zur Vorbereitung hätte und zudem in einem Termin jeweils lediglich Klausuren aus maximal zwei Rechtsgebieten schreiben müsste. Zusätzlich würde bei Zulassung einer derartigen Gestaltung der Leistungsdruck durch sechs hintereinander anzufertigende Aufsichtsarbeiten wesentlich gemindert (vgl. VG Ansbach B.v. 21.11.2014 - AN 2 E 14.01775 - juris Rn. 30). Mithin wäre die Möglichkeit, die Arbeiten zeitlich abgeschichtet in mehreren Blöcken zu schreiben, mit einem Wettbewerbsvorteil verbunden.
Die Tatsache, dass eine solche Abschichtung in anderen Bundesländern möglich ist führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sieht § 5d Abs. 2 Satz 3 DRiG die Möglichkeit, durch Landesrecht zu bestimmen, dass die Prüfungsleistungen auch während des Studiums (mithin nicht „en bloc“) erbracht werden können, ausdrücklich vor. Der Freistaat Bayern hat von dieser Möglichkeit aber gerade keinen Gebrauch gemacht. Dass die Antragstellerin wie alle anderen Kandidaten für die EJS in Bayern damit eventuell einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Kandidaten aus anderen Bundesländern hat, spielt auf dieser Ebene keine Rolle. Die für die Bewertung der EJS im Falle der Antragstellerin maßgebliche Vergleichsgruppe sind Kandidaten, die in Bayern die EJS ablegen und somit die Möglichkeit der Abschichtung gerade auch nicht haben.
4. Die Notwendigkeit der Verwendung gebundener Textausgaben zusätzlich zu den Hilfsmitteln in digitaler Form und den Loseblattsammlungen ist zu ihrer Glaubhaftmachung nicht ausreichend schlüssig dargetan. Sie ergibt sich auch nicht aus der Feststellung im ärztlichen Attest vom ... 2021. Der dortige Verweis darauf, dass die gebundenen Texte für das Arbeiten im Sitzen benötigt würden, überzeugt nicht, da die Examenskandidaten typischerweise alle im Sitzen arbeiten. Es ist insofern nicht glaubhaft gemacht, dass gebundene Texte für die Antragstellerin zum Nachteilsausgleich erforderlich sind.
II. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Kammer ist bei der Quotelung der Kosten von drei Anträgen ausgegangen. Der Antrag, der Antragstellerin zusätzlich die Verwendung gebundener Textausgaben zu gestatten, hat nach Auffassung der Kammer im Verhältnis zu den übrigen Anträgen nur geringes Gewicht.
Die Antragstellerin obsiegt im Rahmen des Antrags auf Schreibzeitverlängerung und zusätzliche, beschwerdeabhängig frei wählbare Pausenzeiten hinsichtlich einer zusätzlichen Arbeitszeitverlängerung, unterliegt jedoch dahingehend, dass ihr nicht unbegrenzt zusätzliche Pausen gewährt werden können. Mithin obsiegt die Antragstellerin zu insgesamt 1/6.
III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog.