Beschluss vom Verwaltungsgericht München - M 13L DK 21.5972

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG vorliegen.

III. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist eine Disziplinarklage der Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde vom 15. November 2021 mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten als Beamten auf Lebenszeit aus dem Beamtenverhältnis. Darin legt der Kläger dem am … Mai 1971 geborenen Beklagten, zuletzt seit Oktober 2018 Studiendirektor an einem Gymnasium, zur Last, an und mit einer noch minderjährigen siebzehnjährigen Schülerin als ihr Mathematiklehrer in drei Fällen (einvernehmlich) sexuelle Handlungen vollzogen zu haben. Auf die Disziplinarklage wird im Übrigen gemäß § 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.

Nachdem der Beklagte auf seinen Antrag hin mit Ablauf des 6. März 2022 entlassen wurde, beantragt der Kläger mit Schriftsatz vom 7. März 2022,

das Disziplinarverfahren gemäß Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Var. 1 BayDG durch Beschluss einzustellen und gemäß Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 letzter Halbsatz i.V.m. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayDG das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG festzustellen.

Die Bevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 18. März 2022 das Einverständnis zur Entscheidung im Beschlusswege durch den Vorsitzenden erklärt und im Übrigen keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Disziplinarakte der Landesanwaltschaft Bayern - LAB 3 DV … die Personalakte sowie die gerichtlicherseits beigezogene Strafakte der Staatsanwaltschaft Augsburg - 201 Js … - Bezug genommen.

II.

Das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ist einzustellen (Nr. 1), das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) wird festgestellt (Nr. 2) und dem Beklagten sind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (Nr. 3).

1. Das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ist gemäß 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Var. 1 BayDG einzustellen, da der Beklagte durch seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis mit Ablauf des 6. März 2022 nicht mehr dem Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes unterfällt.

Nach Erhebung der Disziplinarklage obliegt die Einstellung - nicht nur des Klageverfahrens, sondern auch Disziplinarverfahrens - dem zuständigen Disziplinargericht gemäß Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 BayDG, das im Beschlusswege und nach Art. 43 Abs. 2 BayDG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO durch den Vorsitzenden ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entscheidet.

2. Wäre das Disziplinarverfahren nicht einzustellen, wäre der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, so dass die Einstellung mit der Feststellung gemäß Art. 11 Abs. 6 BayDG verbunden wird, dass dessen Voraussetzungen vorliegen, mit der Folge, dass der Beklagte nicht mehr bei einem bayerischen Dienstherrn erneut zum Beamten ernannt werden darf und auch kein anderes Beschäftigungsverhältnis begründet werden soll.

Die Zuständigkeit für eine solche Feststellung ergibt sich aus Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 a.E. i.V.m. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayDG.

a) Dem Beklagte war nach dem formell fehlerfrei geführten Disziplinarverfahren, im Laufe dessen dem Beklagten insbesondere im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wurde, zur Last zu legen, ein sehr schweres innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen zu haben.

b) Dabei war dem Beklagten der in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 21. Februar 2021 - 201 Js … wiedergegebene Sachverhalt gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG zur Last zu legen, der sich im Übrigen auch aus den beigezogenen Strafakten mit insbesondere der nach Art. 26 Abs. 2 BayDG verwertbaren Zeugenaussage der betroffenen Schülerin ergibt und dem der Beklagte in Bezug auf die einvernehmliche Ausübung sexueller Handlungen bis hin zum Geschlechtsverkehr nicht entgegengetreten ist.

c) Zwar ist das Strafverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, da dem Beklagten - insbesondere mangels Ausnutzen eines Abhängigkeitsverhältnisses - kein sexueller Missbrauch der Schülerin als Schutzbefohlene gemäß § 174 StGB zur Last gelegt wurde. Der Beklagte hat jedoch durch sein Verhalten in erheblicher Weise gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten nach § 34 Satz 3 BeamtStG und seine Dienstpflicht zur ordnungsgemäßen Dienstausübung i.S.v. § 34 Satz 1 BeamtStG i.V.m. § 2 LDO verstoßen. Die erhebliche Distanzverletzung des Beklagten im Rahmen des Lehrer-Schüler-Verhältnisses durch den - wenngleich einvernehmlichen - Geschlechtsverkehr ist zudem mit der Vorbildfunktion des eigenen Verhaltens i.S.v. Art. 131 der Bayerischen Verfassung und den in Art. 1 und 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) nicht in Übereinstimmung zu bringen. Auch dann, wenn hierdurch kein Straftatbestand erfüllt wird, verletzt ein Lehrer, der sich sexueller Übergriffe schuldig macht oder der sexuelle Handlungen zwischen ihm und Schülern zulässt, seine Dienstpflichten. Dies gilt unabhängig vom Alter der betroffenen Schüler sowie davon, ob die Handlungen mit deren (vermeintlichem) Einverständnis erfolgen (OVG Koblenz, U.v. 24.2.2012 - 3 A 11426/11 - beck-online). Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen persönlichen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Eltern darauf, dass Lehrer das - auf Grund der allgemeinen Schulpflicht letztlich erzwungene - Obhuts- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt - in Wort wie in Tat - zu verhalten. Körperliche Distanz hat daher das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern auch dann zu prägen, wenn der Schüler mit deren Aufgabe vordergründig einverstanden ist (OVG Koblenz a.a.O.; vgl. a. VGH München, Urt. v. 27. 10. 2004 - 16 a D 03.2067 - juris).

d) Das Dienstvergehen wiegt derart schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten ist. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wäre keine andere Maßnahme als die Höchstmaßnahme in Betracht gekommen. Der Beklagte hat durch sein sexuell motiviertes und übergriffiges Verhalten im Kernbereich seiner beamtenrechtlichen Pflichten versagt und daher ein sehr schweres Dienstvergehen begangen (vgl. hierzu VG München, U.v. 8.10.2021 - M13L DK 18.3891 - beck-online Rn. 26 ff.). Durchgreifende Milderungsgründe sind auch angesichts der im Verfahren vorgelegten Persönlichkeitsbilder, der Stellungnahme des Personalrats, der herausragenden Beurteilungen des Beklagten und des Aspekts, dass der Beklagte bislang disziplinarisch und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, nicht ersichtlich. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wäre auch nicht unverhältnismäßig, sondern zweckmäßig, geeignet, erforderlich und auch angemessen gewesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Disziplinarklage Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.

e) Unter Ausübung des gesetzlich eingeräumten gerichtlichen Ermessens in Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayDG hält es das Gericht vorliegend für angezeigt, von der Feststellung nach Art. 11 Abs. 6 BayDG Gebrauch zu machen. Dem liegt insbesondere zugrunde, dass vorliegend ein innerdienstliches Dienstvergehen vorgelegen hat, das mit dem (Status) Amt und dem Lehrerberuf in keiner Weise vertretbar und daher ein deutliches Signal des Dienstherrn diesbezüglich geboten ist.

3. Über die Kosten des Verfahrens ist nach Art. 72 Abs. 4 Satz 2 BayDG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu entscheiden. Danach ergibt sich die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, da gegen ihn ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich eine Disziplinarmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG, ausgesprochen worden wäre (s.o.).

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