Urteil vom Verwaltungsgericht Münster - 7 K 2479/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Dezember 2016 und die Veranlagungsjahre 2017 bis 2020.
3Der Kläger hat seinen melderechtlichen Hauptwohnsitz in Q. und ist seit dem 1. Oktober 2016 unter der postalischen Anschrift „M.---------straße 000“ in N. mit einem Nebenwohnsitz gemeldet. Die Wohnung steht in seinem Eigentum und enthält – nach seinen Angaben – unter anderem ein Zimmer, welches ausschließlich als Arbeitszimmer genutzt wird.
4Mit Bescheid vom 17. März 2017 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Dezember 2017 in Höhe von insgesamt 1.386,- Euro fest. Mit Bescheid vom 22. Januar 2018 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Veranlagungsjahr 2018 in Höhe von 1.188,- Euro fest. Mit Bescheid vom 23. Januar 2019 setzte sie die Zweitwohnungssteuer für das Veranlagungsjahr 2019 in Höhe von 1.188,- Euro fest. Mit Bescheid vom 23. Januar 2020 setzte sie die Zweitwohnungssteuer für das Veranlagungsjahr 2020 in Höhe von 1.118,- Euro fest. Dabei legte die Beklagte als Bemessungsgrundlage jeweils eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von 997,04 Euro zugrunde, die sie unter Berücksichtigung des Städtischen Mietspiegels und einer Abfrage eines Online-Wohnungsbörse-Mietspiegels im Wege der Schätzung ermittelt hatte.
5Die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer erfolgte auf der Grundlage der Satzung der Stadt N. über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer vom 8. Dezember 2010 (ZwStS). Diese enthält u.a. folgende Regelungen:
6„§ 1 Steuergegenstand
7Die Stadt N. erhebt eine Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Maßgeblich dafür ist die meldepflichtige Nebenwohnung.
8§ 2 Begriff der Zweitwohnung
9(1) Zweitwohnung ist jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3, die
10a) dem Eigentümer, Hauptmieter oder sonstigen Berechtigten als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen dient, [….]
11(4) Eine Wohnung dient als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person zum Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs bewohnt wird.
12§ 3 Persönliche Steuerpflicht
13(1) Steuerpflichtig ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige/diejenige, dessen/deren melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken oder der Inhaber einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 ist. Als Inhaber/Inhaberin einer Zweitwohnung gilt die Person, der die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer/Eigentümerin oder Mieter/Mieterin oder als sonstige dauernutzungsberechtigte Person zusteht. Dies gilt auch bei unentgeltlicher Nutzung. […]
14(5) Nicht steuerpflichtig ist ein/-e amtierende/-r kommunale/-r Mandatsträger/-in einer anderen Gemeinde, der/die durch die Anmeldung des Erstwohnsitzes in N. sein/ihr Mandat aufgrund Gesetzes verlieren würde. Die Steuerpflicht endet mit der ordnungsgemäßen Aufstellung des/der Bewerbers/-in für das Mandat nach dem jeweiligen Wahlgesetz und beginnt erneut im Falle der Erfolglosigkeit der Wahl des/-r Bewerbers/-in.
15§ 4 Bemessungsgrundlage
16(1) Die Steuer bemisst sich nach der aufgrund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum gemäß § 6 Abs. 1 geschuldeten Nettokaltmiete. […]
17(4) Statt des Betrages nach Abs. 1 gilt als jährliche Nettokaltmiete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zum vorübergehenden Gebrauch unentgeltlich oder unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, die übliche Miete. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
18§ 5 Steuersatz
19Die Steuer beträgt 10 vom Hundert der Bemessungsgrundlage (§ 4).
20§ 6 Besteuerungszeitraum, Entstehung, Beginn und Ende der Steuerpflicht, Fälligkeit
21(1) Die Zweitwohnungssteuer ist eine Jahressteuer. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Die Steuer entsteht mit dem Zeitpunkt des Beginns der Steuerpflicht für den Rest des Kalenderjahres. Im Übrigen entsteht die Steuer mit Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist.
22(2) Besteht die Steuerpflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres, beginnt die Steuerpflicht mit dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitpunkt folgt, mit dem die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung beginnt. […]
23(4) Die Steuer wird zu je einem Viertel ihres Jahresbetrages am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig.
24§ 7 Festsetzung der Steuer
25(1) Die Stadt N. setzt die Steuer durch Steuerbescheid fest. In dem Bescheid kann bestimmt werden, dass er auch für künftige Zeitabschnitte gilt, solange sich die Bemessungsgrundlagen und der Steuerbetrag nicht ändern.
26(2) Der Steuerbetrag wird auf volle Euro abgerundet. Ergibt sich ein nicht durch 12 teilbarer Betrag, so ist die Steuer auf den nächstniedrigen durch 12 teilbaren vollen Eurobetrag abzurunden.
27(3) Die Steuer wird für ein Kalenderjahr oder - wenn die Steuerpflicht erst während des Kalenderjahres beginnt - für den Rest des Kalenderjahres durch Bescheid festgesetzt.“
28Gegen den Bescheid vom 17. März 2017 legte der Kläger am 20. April 2017, gegen den Bescheid vom 22. Januar 2018 am 12. Februar 2018, gegen den Bescheid vom 23. Januar 2019 am 5. Februar 2019 und gegen den Bescheid vom 23. Januar 2020 am 30. Januar 2020 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er jeweils im Wesentlichen aus, die Bescheide seien bereits mangels hinreichender Bestimmtheit formell rechtswidrig, weil sie über keine Begründung verfügten und nicht erkennen ließen, wie der Wert der Jahresnettokaltmiete ermittelt worden sei. Im Übrigen seien sie auch materiell rechtswidrig, da die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer auf einer Rechtsgrundlage beruhe, die mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei. Die Satzung sei verfassungswidrig, weil mit ihr Vorgänge besteuert würden, die der Einkommenserzielung dienten. Eines der drei Zimmer seiner Wohnung werde als Arbeitszimmer genutzt. Der darauf entfallende Aufwand dürfe daher nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Soweit Mandatsträger anderer Kommunen von der Zweitwohnungssteuer ausgenommen seien, verstoße die Satzung auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Bei direkten Steuern bedürften Steuerbefreiungen einer besonderen Rechtfertigung. Solche Gründe könnten nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts auch in auf Verhaltenslenkung gerichteten Zwecken liegen. Allerdings müsse das so geförderte Verhalten rechtmäßig sein. Im Falle des § 3 Abs. 5 Satz 1 ZwStS seien nur zwei Konstellationen denkbar. Entweder habe der Mandatsträger zu Recht in einem anderen Ort seinen Erst- und in N. seinen Zweitwohnsitz oder er müsse sich melderechtlich eigentlich ummelden. Im erstgenannten Fall sei die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht anders zu beurteilen als diejenige anderer Personen, die ebenfalls einen entsprechenden Aufwand bestritten, um eine Zweitwohnung zu unterhalten. In letzterem Fall werde durch die Vorschrift des § 3 Abs. 5 Satz 1 ZwStS offensichtlich ein Anreiz gegeben, von der an sich rechtlich gebotenen Ummeldung abzusehen, um das Mandat in einer anderen Gemeinde zu erhalten. Der verfolgte Lenkungszweck wäre dann auf ein rechtswidriges Verhalten gerichtet. Damit werde die Steuer nicht gleichmäßig erhoben.
29Die Beklagte half den Widersprüchen des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2020 insoweit ab, als sie die Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. März 2017 auf 940,39 Euro, für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 31. Dezember 2017 auf 939,36 Euro, für das Veranlagungsjahr 2018 auf 939,36 Euro, für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. März 2019 auf 939,36 Euro, für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Dezember 2019 auf 978,50 Euro und für das Veranlagungsjahr 2020 auf 978,50 Euro herabsetzte. Im Übrigen wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie insoweit aus, der Kläger könne mit seinem Vorbringen in Bezug auf die formelle Rechtmäßigkeit der Bescheide nicht durchdringen. Die Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers führten nicht zum Erfolg der Widersprüche. Die Zweitwohnungssteuersatzung sei nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil sie den Aufwand, der der Einkommenserzielung diene, nicht von der Bemessungsgrundlage ausnehme. Denn auf die berufliche Veranlassung dürfe bei der Prüfung der Steuerpflicht nicht abgestellt werden. Die berufliche Nutzung einer Zweitwohnung sei für die Einordnung der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer unerheblich. Auch werde der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG durch die Erhebung der Zweitwohnungssteuer nicht verletzt. Die Befreiung von der Zweitwohnungssteuer für Mandatsträger nach § 3 Abs. 5 ZwStS begründe keine gleichheitswidrige Entlastung gegenüber jenen Steuerpflichtigen, die mit derselben steuerlichen Leistungsfähigkeit einer solchen Pflicht unterlägen, da die Aufwandsteuer unabhängig von dem Grund und Anlass für den betriebenen Aufwand erhoben werde. Der Steuergesetzgeber dürfe mit einer Steuer – neben dem Zweck Einnahmen zu erzielen – auch Lenkungszwecke außerhalb des Steuerbereichs verfolgen, ohne dass es dazu einer besonderen Normgebungskompetenz bedürfe. Voraussetzung sei nur, dass dadurch keine Regelungen getroffen würden, die der Sachmaterie, auf die lenkend eingewirkt werden solle, widersprächen. Dies sei hier nicht der Fall.
30Mit Zweitwohnungssteuerbescheid vom 29. Oktober 2020 setzte die Beklagte –unter Berücksichtigung der mit dem Widerspruchsbescheid jeweils geänderten Bemessungsgrundlage – die Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Dezember 2016 auf 188,- Euro, für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2017 auf 282,- Euro, für den Zeitraum vom 1. April 2017 bis zum 31. Dezember 2017 auf 837,- Euro, für das Veranlagungsjahr 2018 auf 1.116,- Euro, für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. März 2019 auf 279,- Euro, für den Zeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Dezember 2019 auf 873,- Euro und für das Veranlagungsjahr 2020 auf 1.164,- Euro fest.
31Der Kläger hat gegen die Bescheide vom 17. März 2017, 22. Januar 2018, 23. Januar 2019 und 23. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2020 am 29. Oktober 2020 Klage erhoben, soweit die Beklagte den Widersprüchen nicht abgeholfen hatte. Den Bescheid vom 29. Oktober 2020 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. November 2020 in das Verfahren einbezogen.
32Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger – unter Berufung auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren – ergänzend im Wesentlichen Folgendes vor:
33Die Zweitwohnungssteuersatzung sei nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, sodass die angefochtenen Bescheide einer Rechtsgrundlage entbehrten. Ein rechtfertigender Grund für die mit § 3 Abs. 5 Satz 1 ZwStS verbundene Ungleichbehandlung anderer Inhaber einer Zweitwohnung sei nicht ersichtlich. Für den Mandatsverlust komme es nach dem Kommunalwahlgesetz darauf an, an welchem Ort der Mandatsträger tatsächlich seine Hauptwohnung innehabe. Der in § 3 Abs. 5 Satz 1 ZwStS genannte Mandatsverlust könne nur dann eintreten, wenn der Mandatsträger tatsächlich seine Hauptwohnung in N. und seinen Zweitwohnsitz in einer anderen Gemeinde unterhalte. In diesem Falle trete der Verlust des Mandats in der anderen Gemeinde kraft Gesetzes zu Recht ein. Verfüge der Mandatsträger in N. allerdings tatsächlich über eine Zweitwohnung, dann bringe er damit in gleicher Weise wie andere Inhaber einer Zweitwohnung seine besondere Leistungsfähigkeit durch das Innehaben der Zweitwohnung zum Ausdruck. Der mit der Erhebung der Zweitwohnungssteuer verfolgte Lenkungszweck, die mit Nebenwohnsitz Gemeldeten, tatsächlich aber mit Hauptwohnsitz in N. lebenden Personen zur Anmeldung des Hauptwohnsitzes zu veranlassen, habe bei dieser Personengruppe ein besonderes Gewicht. Nach Art. 28 Abs. 1 GG müsse in den Gemeinden das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen sei. Die örtliche Wohnbevölkerung könne ein Mandatsträger allerdings nur repräsentieren, wenn er dieser angehöre. Entsprechend müsse er seinen Hauptwohnsitz im Gemeindegebiet haben. Diese Personengruppe von der Zweitwohnungssteuer freizustellen, sei daher unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen. Auch der weitere Lenkungszweck der Zweitwohnungssteuer, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen, um dadurch das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung zu erhöhen, rechtfertige die Ausnahme nicht. Angesichts der eklatanten Wohnungsnot in N. – gerade für Studierende – komme dieser Ausnahme auch ungeachtet der geringen Zahl der Steuerbefreiten ein nicht unerhebliches Gewicht zu.
34Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
35die Bescheide der Beklagten vom 17. März 2017, vom 22. Januar 2018, vom 23. Januar 2019 und vom 23. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 2020 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2020 aufzuheben.
36Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
37die Klage abzuweisen.
38Sie tritt der Klage entgegen und führt dazu im Hinblick auf § 3 Abs. 5 Satz 1 ZwStS aus, der Anteil derjenigen Zweitwohnungssteuerverpflichteten, der sich auf die Befreiung berufen habe, habe im Jahr 2016 bei 1,23 Prozent, im Jahr 2017 bei 0,9 Prozent, im Jahr 2018 bei 0,68 Prozent, im Jahr 2019 bei 0,69 Prozent und im Jahr 2020 bei 0,49 Prozent gelegen. Diese Befreiung entlaste die ganz Wenigen, die sich andernorts ehrenamtlich in der Kommunalpolitik engagierten und das mit solcher Leidenschaft täten, dass sie dafür sogar in Kauf nähmen, am Ort ihrer Ausbildung oder beruflichen Tätigkeit eine Zweitwohnung unterhalten zu müssen, an den sie gerade nicht den Lebensmittelpunkt verlegen wollten. Dies leiste keiner Gesetzesübertretung Vorschub, sondern sei als Förderung vorbildlichen Verhaltens sachlich gerechtfertigt.
39Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Juni 2022 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Juni 2022 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
40Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
41E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihr Einverständnis erklärt haben.
43Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
44Die Klage ist – auch soweit sie sich gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2020 richtet – zulässig. Insbesondere konnte der Kläger den Bescheid vom 29. Oktober 2020 in das Verfahren einbeziehen. Denn die gemeinsame Verfolgung des Rechtsschutzes gegen die angefochtenen Bescheide der Beklagten in einem Verfahren stellt einen Fall der – sukzessiven – objektiven Klagehäufung nach § 44 VwGO dar, die jedenfalls als sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO zu erachten ist, weil sie geeignet ist, den sachlichen Streit zwischen den Beteiligten über die Berechtigung zur Veranlagung des Klägers zur Zweitwohnungssteuer endgültig zu klären.
45Vgl. Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 31.
46Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2020 kein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO durchgeführt hat. Denn ein solches war vorliegend ausnahmsweise entbehrlich. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus dann der Fall, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 – 8 C 21.09 –, juris, Rn. 24 m. w. N.; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 68 Rn. 169.
48Daran gemessen ist dem Zweck des Vorverfahrens bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide vom 17. März 2017, 22. Januar 2018, 23. Januar 2019 und 23. Januar 2020 vollumfänglich – und damit auch in dem Umfang, in dem der Kläger mit dem Bescheid vom 29. Oktober 2020 für die streitbefangenen Veranlagungszeiträume zur Zweitwohnungssteuer herangezogen worden ist – in dem bereits durchgeführten Widerspruchsverfahren überprüft hat. Der Streitstoff, der damit Gegenstand eines weiteren Widerspruchsverfahrens betreffend den Bescheid vom 29. Oktober 2020 sein könnte, entspräche diesem Verfahren und stellte sich als bloße Wiederholung der bereits durchgeführten sachlichen Überprüfung dar, ohne dass Anlass bestünde, in eine erneute Überprüfung einzutreten.
49Die Einbeziehung des Bescheides vom 29. Oktober 2020 mit Schriftsatz vom 11. November 2020 wahrt schließlich auch die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
50Die Klage ist jedoch unbegründet.
51Die Veranlagung des Klägers zur Zweitwohnungssteuer für den Zeitraum vom 1. November 2016 bis zum 31. Dezember 2020 mit Bescheiden vom 17. März 2017, 22. Januar 2018, 23. Januar 2019 und 23. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2020 und des Bescheides vom 29. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
52Die Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer findet ihre Rechtsgrundlage in der zum 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Zweitwohnungssteuersatzung der Stadt N. . Gemäß § 1 Satz 1 ZwStS erhebt die Stadt N. eine Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Zweitwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung ist gemäß § 2 Abs. 1 jede Wohnung, die u. a. dem Eigentümer als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen dient. Eine Wohnung dient nach § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStS als Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person zum Zweck des persönlichen Lebensbedarfs bewohnt wird. Steuerpflichtig ist nach § 3 Abs. 1 ZwStS, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung innehat. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige/diejenige, dessen/deren melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken oder der Inhaber einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 ist. Als Inhaber/Inhaberin einer Zweitwohnung gilt die Person, der die Verfügungsbefugnis über die Wohnung als Eigentümer/Eigentümerin oder Mieter/Mieterin oder als sonstige dauernutzungsberechtigte Person zusteht. Die Steuer beträgt nach § 5 ZwStS 10 v. H. der Bemessungsgrundlage. Die Steuer bemisst sich gemäß § 4 Abs. 4 ZwStS – soweit nicht nach § 4 Abs. 1 ZwStS auf die aufgrund des Mietvertrages im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete abgestellt werden kann – nach der üblichen Miete. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
53Diese Regelungen der Zweitwohnungssteuersatzung, gegen deren formelle Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, sind auch materiell beanstandungsfrei, insbesondere sind sie mit höherrangigem Landesrecht vereinbar und entsprechen auch den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen.
54Vgl. VG N. , Urteil vom 14. Oktober 2015 – 9 K 399/15 –, juris, Rn. 21 ff., nachgehend: OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 14 A 2703/15 – n. v.
55Die Satzung findet ihre rechtliche Grundlage in § 7 und § 41 Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen sowie in § 1, § 2, § 3, § 17 und § 20 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG NRW). Danach sind die Gemeinden berechtigt, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln und Steuern zu erheben. Sie sind u. a. berechtigt, örtliche Aufwandsteuern im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW zu erheben. Bei der auf der Grundlage der Zweitwohnungssteuersatzung erhobenen Zweitwohnungssteuer handelt es sich um eine zulässige Aufwandsteuer in diesem Sinne. Die Aufwandsteuer soll die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen. Ausschlag gebendes Merkmal der Aufwandsteuer ist deshalb der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich. Das Innehaben einer Zweitwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Eine solche Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Zweitwohnung selbst bewohnt. Unerheblich für die Einordnung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG ist, dass das Innehaben der Zweitwohnung durch eine Berufsausübung veranlasst wurde und nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts als Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen ist. Belastungsgrund für den steuerbaren Aufwand ist damit allein der im Konsum bestimmter Güter zum Ausdruck kommende äußere Eindruck einer besonderen Leistungsfähigkeit, ohne Rücksicht auf den persönlichen Anlass, den Grund oder das Motiv für den betriebenen Aufwand.
56Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 1 BvR 2664/09 –, juris, Rn. 50 f. m. w. N.
57Aus diesem Grunde verliert die von der Beklagten auf der Grundlage der Zweitwohnungssteuersatzung erhobene Zweitwohnungssteuer ihren Charakter als Aufwandsteuer nicht deshalb, weil sie durch die Besteuerung des Arbeitszimmers des Klägers die (teilweise) berufsbedingte Nutzung der Wohnung des Klägers nicht von der Besteuerung ausnimmt. Jedenfalls durch Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG wird die Beklagte nicht zu einer entsprechenden Differenzierung bzw. zur Ausnahme solcher Tatbestände von der Besteuerung, die – wie der Kläger unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
58vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 – 9 CN 1.11 –, juris, Rn. 14,
59vorträgt – der Einkommenserzielung dienen, verpflichtet.
60Vgl. nunmehr für beruflich veranlasste Hotelübernachtungen: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 89, 141.
61Die Zweitwohnungssteuersatzung ist auch nicht deshalb mit Verfassungsrecht unvereinbar, weil sie eine Ausnahme von der Besteuerung für kommunale Mandatsträger anderer Gemeinden in § 3 Abs. 5 ZwStS vorsieht. Darin ist – auch ungeachtet der Frage, ob sich der Kläger überhaupt auf einen solchen berufen kann – kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen.
62Der allgemeine Gleichheitssatz ist grundsätzlich schon kein Instrument, das es Steuerpflichtigen erlaubt, die anderen eingeräumte, die eigene Steuerpflicht nicht betreffende Steuervergünstigung zu bekämpfen und so auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht einzelnen Steuerpflichtigen keinen Anspruch auf die verfassungsrechtliche Kontrolle einer Norm im Hinblick auf solche Regelungen, die das eigene Steuerverhältnis nicht betreffen.
63Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 97 und Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 133.
64Anderes gilt nur dann, wenn die Dritten gewährten Steuervergünstigungen für eine gleichheitsgerechte Belastung durch die betreffende Steuer insgesamt übergreifende Bedeutung haben. Dies ist der Fall, wenn die nur einer Gruppe gewährten Vergünstigungen nach Zahl oder Umfang ein solches Ausmaß erreichen oder nach ihrer strukturellen Bedeutung für die Steuer solches Gewicht haben, dass im Falle der Verfassungswidrigkeit der Privilegierungsnorm die lastengleiche Besteuerung auch derjenigen in Frage gestellt ist, die von dieser Privilegierungsnorm an sich nicht erfasst werden.
65Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 98 und Beschluss vom 22. März 2022 –1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 133.
66Daran gemessen ist der Ausnahmetatbestand mit Blick auf eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG hier schon nicht rügefähig. Denn ihm kommt eine tatsächliche übergreifende Bedeutung nicht zu. Die Beklagte hat dargelegt, dass in den streitbefangenen Veranlagungsjahren der Anteil derer, die von dem Ausnahmetatbestand profitierten, deutlich unterhalb von zwei Prozent aller Zweitwohnungssteuerpflichtigen, in den Veranlagungsjahren 2017 bis 2020 sogar unterhalb von einem Prozent (2016: 1,23 %; 2017: 0,9 %; 2018: 0,68 %; 2019: 0,69 %; 2020: 0,49 %), lag. Das Gericht kann angesichts dieses geringen Anteils nicht erkennen, dass der Ausnahmetatbestand für die Besteuerungsgrundlage prägend ist und im Falle der Gleichheitswidrigkeit des § 3 Abs. 5 ZwStS die Verfassungsmäßigkeit der gesamten Besteuerungsgrundlage in Frage stünde. Vielmehr handelt es sich bei der Ausnahme um einen isolierbaren Einzelpunkt der Steuer. Entfiele die Ausnahme, hätte die Beklagte ersichtlich keinen Anlass, erneut zu prüfen, ob und wie sie das Innehaben einer Zweitwohnung in Zukunft besteuern möchte.
67Vgl. hingegen zur Annahme einer übergreifenden Bedeutung für beruflich veranlasste Hotelübernachtungen: BVerfG, Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 –, juris, Rn. 134.
68Ungeachtet dessen wahrt die Regelung des § 3 Abs. 5 ZwStS die an sie zu stellenden Maßstäbe des Gleichheitssatzes im Steuerrecht. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen.
69Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 121 und Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 122.
70Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Normgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern.
71Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 122 und Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 123.
72Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gleichheitssatz belässt dem Normgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und Ausmaß der Abweichung.
73Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 123 und Beschluss vom 22. März 2022 – 1 BvR 2868/15 u. a. –, juris, Rn. 124.
74Der Normgeber ist nicht gehindert, mit Hilfe des Steuerrechts außerfiskalische Förder- und Lenkungsziele zu verfolgen. Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Normgeber das Verhalten der Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will.
75Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 124.
76In der Entscheidung darüber, welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der Normgeber weitgehend frei. Insbesondere verfügt er über einen großen Spielraum bei der Einschätzung, welche Ziele er für förderungswürdig hält. Er darf Verschonungen von der Steuer vorsehen, sofern er ansonsten unerwünschte, dem Gemeinwohl unzuträgliche Effekte einer uneingeschränkten Steuererhebung befürchtet. Allerdings bleibt er auch hier an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet zunächst aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen ihm in weitem Umfang zu Gebote, solange die Regelung sich nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Umstände stützt und insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist.
77Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris, Rn. 125.
78Daran gemessen konnte die Beklagte in Wahrnehmung des dargelegten weitreichenden Entscheidungsspielraums kommunale Mandatsträger anderer Gemeinden von der Besteuerung ausnehmen, ohne dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Bei diesem Ausnahmetatbestand handelt es sich zwar um eine Abweichung von der – mit der Wahl des Steuergegenstandes „Innehaben einer Zweitwohnung“ – einmal getroffenen Belastungsentscheidung. Die Ausnahmeentscheidung erfolgt jedoch aus sachgerechten Gründen der Förderung des Gemeinwohls und verfolgt damit einen legitimen Zweck. Der Normgeber kann das Innehaben eines kommunalen Mandats als Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung bei der Aufwandbesteuerung wählen und Zweitwohnungen von kommunalen Mandatsträgern von der Besteuerung ausnehmen, mit dem Ziel, den mit der Zweitwohnungssteuer zulässigerweise,
79siehe dazu BVerwG, Urteil vom 17. September 2008 – 9 C 17.07 –, juris, Rn. 19 und Beschluss vom 27. Oktober 2003 – 9 B 102.03 –, juris, Rn. 5,
80auch verfolgten Zweck, den Betroffenen zur Verlegung seines Erstwohnsitzes in die Gemeinde, in der er bislang nur einen Zweitwohnsitz unterhält, zu bewegen, nicht auch auf Mandatsträger anderer Gemeinden zu erstrecken. Derjenige, der in einer anderen Gemeinde ein politisches Ehrenamt innehat, soll – zur Erhaltung und Förderung dieses, dem Gemeinwohl dienenden Verhaltens – gerade nicht zu einer Verlegung seines Erstwohnsitzes – und damit auch seines Lebensmittelpunktes – aufgrund einer zusätzlichen Abgabenlast bewegt werden. Der Betroffene soll sich nicht unter dem Druck der Abgabenlast dazu entschließen müssen, seinen Erstwohnsitz zu verlegen und so – etwa auf der Grundlage von § 37 Nr. 2 i. V. m. § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen – sein von der Beklagten aus Gemeinwohlgesichtspunkten für erhaltenswürdig erachtetes politisches Mandat verlieren. Insoweit soll die Regelung ihrem Zweck nach gerade nicht solche Personen privilegieren, die – wie sie der Kläger mit seiner Argumentation ausschließlich im Blick hat – ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt bereits in N. haben und diesen melderechtlich nur deshalb nicht als solchen angeben, weil ihnen in der Folge der Mandatsverlust drohte. Die Ausnahme von der Besteuerung knüpft zeitlich viel früher an, indem sie bereits diesem Auseinanderfallen von tatsächlichem und melderechtlich zum Ausdruck gebrachten Lebensmittelpunkt zuvorkommt. Auf diese Weise ermöglicht sie dem Mandatsträger, sich für die Gemeinde zu engagieren, der er sich am stärksten verbunden fühlt und dort auch seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt zu unterhalten, und zwar unbelastet von der Abgabenlast, die ihm für eine – etwa aus beruflichen Gründen – in N. gehaltene Zweitwohnung auferlegt würde. Dieser Sachgrund erlaubt eine unter Art. 3 Abs. 1 GG zulässige Differenzierung bei der Aufwandbesteuerung. Er rechtfertigt, die durch das Innehaben einer Zweitwohnung zum Ausdruck gebrachte Leistungsfähigkeit ausnahmsweise nicht zu besteuern und angesichts der äußerst geringen Anzahl der durch die Regelung Privilegierten die mit der Zweitwohnungssteuer verfolgten Zwecke – auch die vom Kläger angeführte Eindämmung der Wohnungsnot der einheimischen Bevölkerung,
81vgl. VGH BW, Beschluss vom 28. Dezember 1992 – 2 S 1557/90 –, juris, Rn. 31, –
82zurücktreten zu lassen.
83In Ansehung von Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich schließlich für die Beklagte auch keine strengeren Bindungen an den Gleichheitssatz.
84Die danach wirksame Satzung wurde auch rechtsfehlerfrei angewandt. Die Bescheide vom 17. März 2017, 22. Januar 2018, 23. Januar 2019 und 23. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2020 und der Bescheid vom 29. Oktober 2020 sind sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. In formeller Hinsicht genügen sie den Anforderungen der § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i. V. m. § 119 Abs. 1 Abgabenordnung an ihre hinreichende Bestimmtheit. Den diesbezüglichen Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2020, auf den das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug nimmt, kann mit der erforderlichen Genauigkeit die Berechnung des Wertes der Jahresnettokaltmiete entnommen werden. Die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hatte für die Zeit, die der Steuerfestsetzung hier zu Grunde gelegt worden ist, eine melderechtlich als Zweitwohnung gemeldete Wohnung unter der postalischen Bezeichnung „M.---------straße 000“ in N. inne. Als Eigentümer stand ihm die erforderliche Verfügungsbefugnis zu. Die Veranlagung ist auch der Höhe nach – soweit sie noch streitbefangen ist – nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Vorgaben der § 4 Abs. 4 und § 7 ZwStS. Dass die danach von der Beklagten unter Rückgriff auf den städtischen Mietspiegel vorgenommene Schätzung der für die klägerische Wohnung erzielbaren Nettokaltmiete in fehlerhafter Weise erfolgt wäre, etwa weil sie auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen oder unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hätte, ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen.
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- VwGO § 117 1x