Beschluss vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (5. Kammer) - 5 N 200/18.NW
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
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Der Vollstreckungsgläubiger führte im Frühjahr 2012 ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren gegen die Vollstreckungsschuldnerin, das nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss vom 8. Mai 2012 eingestellt wurde. Am 5. Dezember 2017 stellte der Vollstreckungsgläubiger in dieser Sache einen Kostenfestsetzungsantrag. Daraufhin setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Januar 2018 die von der Vollstreckungsschuldnerin an den Vollstreckungsgläubiger zu zahlenden Kosten auf 2,90 € fest. Der Beschluss wurde der Vollstreckungsschuldnerin am 17. Januar 2018 zugestellt und dem Vollstreckungsgläubiger am 23. Januar 2018 an seine neue Anschrift übersandt. Dieser forderte die Vollstreckungsschuldnerin am 29. Januar 2018 mit Fristsetzung zum 12. Februar 2018 zur Zahlung auf.
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Am 18. Februar 2018 stellte der Vollstreckungsgläubiger einen Vollstreckungsantrag nach § 170 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und machte geltend, bisher sei keine Zahlung bei ihm eingegangen. Die Vollstreckungsschuldnerin antwortete daraufhin, sie habe einen Betrag von 2,91 € sofort am 19. Januar 2018 auf das Konto bei der S-Bank überwiesen, welches aufgrund der vorherigen Angaben des Vollstreckungsgläubigers hinterlegt gewesen sei. Es handele sich hierbei wohl um das Konto der Mutter des Vollstreckungsgläubigers.
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Mit Schreiben vom 28. Februar 2018 fragte das Gericht den Vollstreckungsgläubiger an, ob der Antrag für erledigt erklärt oder zurückgenommen werde. Hierauf antwortete der Vollstreckungsgläubiger, ihm sei das von der Vollstreckungsschuldnerin bezeichnete Bankkonto nicht bekannt. Im Übrigen sei eine schuldbefreiende Zahlung auf das Bankkonto seiner Mutter nicht möglich. Die Vollstreckungsschuldnerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 4. April 2018 mit, am 27. März 2018 sei eine Rücküberweisung des von ihr auf das Konto der Mutter des Vollstreckungsgläubigers angewiesenen Betrags in Höhe von 2,91 € getätigt worden. Sie werde den genannten Betrag daher nun auf das in der Zwischenzeit vom Vollstreckungsgläubiger als das Seinige mitgeteilte Konto weiterleiten.
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Der Vollstreckungsgläubiger antwortete darauf am 6. April 2018, die Ausführungen der Vollstreckungsschuldnerin seien in ihrer Gesamtheit rechtlich unerheblich. Wie die Schuldnerin in Ihrer Erwiderung höchstpersönlich mitgeteilt habe, habe sie Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei dem Bankkonto bei der S-Bank nicht um das Bankkonto des Vollstreckungsgläubigers gehandelt habe. Er habe dieses auch zu keiner Zeit bei der Schuldnerin „hinterlegen“ lassen. Eine Überweisung ins Blaue hinein könne keine schuldbefreiende Wirkung haben, zumal er, der Vollstreckungsgläubiger, auf seinem Kostenfestsetzungsantrag sowohl eine Telefaxnummer, als auch eine E-Mail-Adresse angegeben habe und die Schuldnerin somit problemlos die Möglichkeit gehabt hätte, sich über die Richtigkeit der Bankverbindung zu vergewissern. Zwar sei inzwischen mit Wertstellung vom 6. April 2018 eine Zahlung der Vollstreckungsschuldnerin in Höhe von 2,91 € eingegangen. Nach der Verrechnung ergebe sich allerdings noch eine offene Restforderung in Höhe von 0,03 € wegen angefallener Zinsen. Nachdem die Schuldnerin nun ca. drei Monate habe verstreichen lassen und eine vollständige Zahlung mithin immer noch nicht angewiesen worden sei, sei antragsgemäß zu entscheiden.
II.
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Dem Vollstreckungsantrag nach § 170 VwGO – nach dessen Abs. 1 Satz 1 verfügt auf Antrag des Gläubigers das Gericht des ersten Rechtszugs die Vollstreckung, sofern u.a. gegen eine Gemeinde wegen einer Geldforderung vollstreckt werden soll – fehlt bereits das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
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1. Nachdem die Vollstreckungsschuldnerin dem Vollstreckungsgläubiger mittlerweile den ursprünglich geforderten Betrag von 2,91 € auf das nachträglich mitgeteilte Bankkonto überwiesen hat und diesbezüglich Erledigung eingetreten ist, steht noch der vom Vollstreckungsgläubiger zuletzt geltend gemachte Betrag in Höhe von 0,03 € im Streit. Ohne näher darauf einzugehen, ob der Vollstreckungsgläubiger einen Anspruch auf diesen Betrag hat, fehlt dem Begehren jedenfalls das Rechtsschutzinteresse.
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Zwar gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Dennoch kann der Zugang zu den Gerichten von bestimmten Zulässigkeitsvoraussetzungen, namentlich von einem bestehenden Rechtsschutzbedürfnis, abhängig gemacht werden. Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Sie verlangt vom Rechtsschutzsuchenden, dass er ein Mindestmaß an berechtigtem Rechtsverfolgungsinteresse geltend machen kann, das dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Rechtspflege gegenüber gestellt werden kann. Letztlich geht es um das Verbot des institutionellen Missbrauchs prozessualer Rechte zu Lasten der Funktionsfähigkeit des staatlichen Rechtspflegeapparats (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 35/12 R –, BSGE 111, 234 m.w.N.). Der Rechtsschutzsuchende darf daher das Gericht nicht für unnütze oder unlautere Zwecke in Anspruch nehmen (Bay. VGH, Beschluss vom 14. März 1990 – 5 B 89.3542 –, NJW 1990, 2403; VG Neustadt/Wstr, Beschluss vom 17. November 2017 – 5 K 777/17.NW –, juris). Nicht schutzwürdig ist ein Interesse, das nach allgemeiner Anschauung als so gering anzusehen ist, dass es nicht die Inanspruchnahme der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen, nämlich der Gerichte, rechtfertigt (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 2004 – VII 22/04 –, juris; AG Stuttgart, Urteil vom 10. Oktober 1989 – 8 C 7155/89 –, NJW 1990, 1054).
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Die Kammer ist vorliegend der Meinung, dass es sich bei einem Betrag von 0,03 €, um den es nach Zahlung der 2,91 € nur noch geht, um einen wirtschaftlich so geringen Wert handelt, der die Inanspruchnahme von gerichtlichem Rechtschutz objektiv nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lässt. Das Rechtswesen ist für die Gemeinschaft ein kostbares und zugleich sehr kostspieliges Gut. Bei 0,03 € geht es dem Vollstreckungsgläubiger ersichtlich nicht mehr um wirtschaftliche Interessen, sondern um das Prinzip des Rechthabens. Dies allein ist jedoch nicht schutzwürdig.
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2. Darüber hinaus hat der Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungsantrag nach § 170 Abs. 1 Satz 1 VwGO hier verfrüht gestellt. Auch damit fehlt dem Begehren das Rechtsschutzinteresse.
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Der Vollstreckungsgläubiger hat die Vollstreckung aus dem im Verfahren 5 L 352/12.NW ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Dezember 2017 begehrt, der der Vollstreckungsschuldnerin am 17. Januar 2018 zugestellt wurde (Bl. 62a der Gerichtsakte im Verfahren 5 L 352/12.NW). Der vorliegende Antrag ist dann am 18. Februar 2018 gestellt worden.
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Zwar ist die Frage, wann ein Vollstreckungsgläubiger berechtigt ist, einen Vollstreckungsantrag zu stellen, gesetzlich nicht geregelt. In § 170 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist lediglich festgelegt, dass die vom Gericht nach der Stellung eines Vollstreckungsantrags dem Vollstreckungsschuldner einzuräumende Frist zur Abwendung einer Vollstreckungsverfügung einen Monat nicht übersteigen darf. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass ein Vollstreckungsantrag erst zulässig ist, wenn dem Vollstreckungsschuldner Gelegenheit geben wurde, die Vollstreckung durch freiwillige Leistung abzuwenden, wobei ihm hierzu eine angemessene Frist einzuräumen ist, deren Länge sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1998 – 2 BvR 1516/93 –, juris). In der Regel wird insbesondere unter Hinweis auf den Rechtsgedanken in § 170 Abs. 2 Satz 2 VwGO eine den Behörden einzuräumende Frist von einem Monat als angemessen angesehen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 2. März 2004 – 13 A 01.2055 –, juris).
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Diese Frist beginnt nach Auffassung der Kammer (s. zuletzt Beschluss vom 17. Oktober 2017 – 5 N 1101/17.NW –, juris) allerdings nicht bereits mit der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses (so aber VG Cottbus, Beschluss vom 1. Februar 2010 – 6 M 15/09 –, juris), sondern erst mit dessen Unanfechtbarkeit. Nach der neueren Rechtsprechung zur Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile und Beschlüsse beginnt die vor einem Antrag nach § 170 VwGO der Behörde einzuräumende Frist frühestens mit der Kenntnis des Vollstreckungsschuldners von der Rechtskraft und damit der Vollstreckbarkeit des Urteils zu laufen (vgl. VG Neustadt/Wstr., Beschluss vom 29. Juni 2017 – 3 N 708/17.NW –, juris; VG Freiburg, Beschluss vom 7. Juni 2017 – A 7 K 2879/17 –, juris). Zur Begründung wird darauf abgestellt, dass erst die Rechtskraft die Vollstreckbarkeit eines Urteils bewirkt und vor Eintritt der Rechtskraft nicht feststeht, ob das Urteil letztendlich überhaupt Bestand hat.
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Die Interessenlage der Behörde ist im Fall der Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen letztlich vergleichbar. Die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss darf nämlich nur beginnen, wenn der Vollstreckungstitel mindestens zwei Wochen vorher zugestellt worden ist (§ 798 Zivilprozessordnung – ZPO –, vgl. Pietzner/Möller in: Schoch/Schneider/Bier/ VwGO, Stand Juni 2017, § 168 Rn. 26-28) und damit die zweiwöchige Rechtsbehelfsfrist gemäß § 165 in Verbindung mit § 151 VwGO abgelaufen ist. Auch im Fall der Durchsetzung einer Verpflichtung der Behörde aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss kann daher eine angemessene Frist zur freiwilligen Leistung nicht bereits an die Zustellung, sondern erst an die Vollstreckbarkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO anknüpfen.
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Hiervon ausgehend erweist sich der vorliegende Antrag als verfrüht gestellt, denn der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Januar 2018 war nach der am 17. Januar 2018 erfolgten Zustellung erst mit Ablauf der zweiwöchigen Rechtsbehelfsfrist am 31. Januar 2018 vollstreckbar. Eine anschließend zu bemessende Monatsfrist war damit bei Antragstellung am 18. Februar 2018 noch nicht abgelaufen.
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Zu diesem Zeitpunkt hatte die Vollstreckungsschuldnerin den Betrag von 2,91 € bereits auf das ihr bekannte Konto bei der S-Bank überwiesen. Soweit der Vollstreckungsgläubiger in diesem Zusammenhang geltend macht, diese Überweisung „ins Blaue hinein“ habe keine schuldbefreiende Wirkung gehabt, da es nicht sein eigenes Konto gewesen sei, mag dies zutreffen. Der Vollstreckungsgläubiger muss sich aber entgegenhalten lassen, dass der Vollstreckungsschuldnerin zum Zeitpunkt der Anweisung des Geldbetrags nur die Kontonummer bei der S-Bank bekannt war. Es wäre insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Vollstreckungsgläubiger sich nach Abschluss des Verfahrens 5 L 352/12.NW über fünfeinhalb Jahre Zeit mit dem Kostenfestsetzungsantrag gelassen hatte, an ihm gewesen, in seinem Schreiben an die Vollstreckungsschuldnerin vom 29. Januar 2018, mit dem er diese mit Fristsetzung zum 12. Februar 2018 zur Zahlung aufforderte, seine aktuellen Bankdaten von sich aus anzugeben. Denn nur dann kann dem Zahlungspflichtigen bei einer kurz gesetzten Zahlungsfrist zugemutet werden, der Aufforderung umgehend nachzukommen. Die hier geäußerte Rechtsansicht des Vollstreckungsgläubigers, die Vollstreckungsschuldnerin hätte problemlos die Möglichkeit gehabt, sich über die Richtigkeit der Bankverbindung zu vergewissern, da er in seinem Kostenfestsetzungsantrag sowohl eine Telefaxnummer als auch eine E-Mail-Adresse angegeben habe, hält die Kammer für schlicht abwegig.
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Dem Vollstreckungsantrag fehlt daher das Rechtsschutzbedürfnis.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Bei dem von dem Vollstreckungsgläubiger eingeleiteten Vollstreckungsverfahren gegen die öffentliche Hand nach § 170 VwGO handelt es sich um ein selbstständiges Beschlussverfahren, auf das die kostenrechtlichen Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 154 ff. VwGO) und nicht etwa unmittelbar die Vorschriften der Zivilprozessordnung wie § 788 ZPO anwendbar sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2014 – OVG 3 I 1.14 –, juris m.w.N.; Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 170 Rn. 29).
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Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil die Gerichtsgebühr als fester Betrag in Höhe von 20 € erhoben wird (Nr. 5301 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 146 Abs. 3 VwGO).
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Referenzen
- 5 L 352/12 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 788 Kosten der Zwangsvollstreckung 1x
- VwGO § 168 1x
- 5 N 1101/17 1x (nicht zugeordnet)
- 14 AS 35/12 1x (nicht zugeordnet)
- 6 M 15/09 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 2 BvR 1516/93 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 154 ff. VwGO 1x (nicht zugeordnet)
- 5 K 777/17 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 151 1x
- VwGO § 170 6x
- 7 K 2879/17 1x (nicht zugeordnet)
- 3 N 708/17 1x (nicht zugeordnet)
- 8 C 7155/89 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 146 1x