Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (1. Kammer) - 1 K 496/18.NW

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Beihilfeberechtigte des beklagten Landes, ihr Ehemann ist als Angehöriger beihilferechtlich berücksichtigungsfähig. Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit einer Behandlung des Ehemanns der Klägerin mittels gerätegestützter Krankengymnastik.

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Durch Beihilfebescheide vom 7. Oktober 2016 und vom 25. Januar 2017 erstattete der Beklagte Beihilfe zu den Aufwendungen der Klägerin für 20 Behandlungen des Ehemannes mit Krankengymnastik am Gerät (KG-Gerät) aufgrund der Diagnose untere Paraplegie. Mit Beihilfeantrag vom 21. März 2017 reichte die Klägerin eine weitere Rechnung der Physiotherapie Privatpraxis X. Y. über 10 x KG-Gerät in Höhe von insgesamt 350,00 € zur Erstattung ein. Die Behandlung ging zurück auf eine Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. A. B. vom 14. November 2016 mit der Diagnose G82.22, untere Paraplegie (beidseitig).

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Mit Beihilfebescheid vom 3. April 2017 erkannte der Beklagte hiervon nur noch fünf Behandlungen an und gewährte darauf eine 70%ige Beihilfe mit der Begründung, Aufwendungen für eine gerätegestützte Krankengymnastik seien gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 2 Beihilfenverordnung (BVO) je Krankheitsfall bis zu 25 Sitzungen beihilfefähig. Die Klägerin erhob hiergegen am 26. April 2017 Widerspruch.

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Mit Beihilfeantrag vom 25. April 2017 begehrte sie Beihilfe für 10 weitere Behandlungen KG-Gerät wegen der Diagnose untere Paraplegie beidseitig, deren Beihilfefähigkeit der Beklagte mit Bescheid vom 16. Mai 2017 unter Verweis auf § 22 Abs. 3 Nr. 2 BVO insgesamt ablehnte. Auch gegen diesen Beihilfebescheid erhob die Klägerin Widerspruch.

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Nachfolgend erstattete der Beklagte Aufwendungen für 20 Sitzungen KG-Gerät beim Ehemann der Klägerin aufgrund einer ärztlichen Verordnung vom 21. April 2017 mit den Diagnosen Schulter-Arm-Syndrom und Skoliose.

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Die Klägerin begründete ihre Widersprüche mit Schreiben vom 4. Dezember 2017: Neben den als Folge der Schwerstbehinderung diagnostizierten Einschränkungen der Schulter und des Bewegungsapparats liege bei ihrem Ehegatten eine Lähmung ab Thoraxwirbel 6 bzw. eine Paraplegie vor, die eine chronische Schwäche der Rumpfmuskulatur und damit einhergehend eine Instabilität zur Folge habe. Der Vergleich mit dem Regelfall sei hier nicht einschlägig, da es sich um eine schwere dauerhafte Schädigung handele, bei der nur durch eine Dauertherapie eine Verschlimmerung bzw. Verschlechterung wirksam verhindert werden könne. Nach den Vorschriften des SGB V und der Heilmittel-Richtlinie gebe es bei dieser Diagnose aufgrund der Schwere und Langfristigkeit der Schädigung eine Ausnahmeregelung. Auch die private Krankenkasse ihres Ehegatten übernehme die in Rede stehenden Behandlungskosten.

Die Klägerin legte ein ärztliches Attest des Orthopäden Dr. C. vom 14. Juli 2017 vor, wonach die Erkrankung durch eigenständiges Beüben nicht beherrscht werden könne. Es sei eine dauerhafte krankengymnastische Beübung mit Geräteunterstützung erforderlich. Eine Budgetierung der physikalischen Therapien würde zwangsläufig zu einer Instabilität des Achsenskeletts führen, die Folge wäre die Notwendigkeit einer operativen Versteifung der gesamten Wirbelsäule.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2018 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus: Es stehe nicht in seinem Ermessen, ob und in welchem Umfang er Beihilfen gewähre. Er sei vielmehr an die Beihilfenverordnung gebunden, wonach Aufwendungen für eine gerätegestützte Krankengymnastik je Krankheitsfall nur bis zu 25 Sitzungen beihilfefähig seien. Wegen des Krankheitsfalls untere Paraplegie beidseitig seien 25 Behandlungen bewilligt worden, und das Kontingent sei damit erschöpft. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit sei durch Urteile des Verwaltungsgerichts Neustadt im Jahr 2008 bestätigt worden. Ein Training zum Muskelaufbau an Geräten werde im Unterschied zur klassischen Krankengymnastik nicht nur im Krankheitsfall, sondern auch von vielen Personen in Fitnessstudios durchgeführt. Die Abgrenzung sei unabhängig vom jeweiligen Krankheitsbild schwer zu bestimmen, der Dienstherr könne daher typisierend und pauschalierend bestimmen, dass die besondere Form der Krankengymnastik auf 25 Behandlungseinheiten je Krankheitsfall begrenzt sei. Die Beihilfe ergänze lediglich die Bezüge und stelle den Beamten im Krankheitsfall in angemessenem Umfang von Aufwendungen frei. Härten und Nachteile seien in einem solchen System grundsätzlich hinzunehmen, solange nicht ein atypisch gelagerter Ausnahmefall vorliege, bei dem eine Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern eintrete. Dies sei nur der Fall, wenn wegen der Höhe der nicht beihilfefähigen Aufwendungen die amtsangemessene Alimentation nicht mehr gewährleistet sei. Die Kontingentierung gelte nicht für andere physiotherapeutische Heilbehandlungen, so dass der Ehemann der Klägerin, falls erforderlich, auch weiterhin Therapiemöglichkeiten habe. Ob und in welchem Umfang Aufwendungen in anderen Erstattungssystemen anerkannt würden, sei für die Beihilfefähigkeit nicht erheblich.

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Der Widerspruchsbescheid wurde am 23. März 2018 zugestellt.

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Die Klägerin hat am 20. April 2018 Klage erhoben.

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Sie trägt ergänzend vor: Bei ihrem Ehemann komme die Durchführung eines Trainings zum Muskelaufbau im Fitnessstudio nicht in Betracht, die Vorschrift des § 22 BVO sei deshalb nicht anwendbar. Im Gegensatz zu anderen Fällen könne nach 25 Behandlungen nicht mit einer Besserung gerechnet werden, die dauerhafte krankengymnastische Beübung mit Geräteunterstützung sei vielmehr erforderlich zur Vermeidung einer operativen Versteifung der gesamten Wirbelsäule. Die Beschränkung der Beihilfeleistungen sei deshalb nicht angemessen. Andere physiotherapeutische Heilbehandlungen, die gleichermaßen Erleichterung brächten, seien ihr nicht bekannt. Im Hinblick auf die amtsangemessene Alimentation verweise sie darauf, dass die Schwerbehinderung ihres Ehemannes, der lediglich eine Erwerbsminderungsrente beziehe, erheblichen Mehraufwand verursache. Durch den Umzug in eine behindertengerechte Wohnung habe sie sich verschulden müssen. Auch eine ergänzende Versicherung für die gerätegestützte Krankengymnastik sei ihr nicht bekannt.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beihilfebescheide vom 3. April 2017 und vom 16. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2018 insoweit aufzuheben, als hierin 15 Krankengymnastikbehandlungen am Gerät nicht als beihilfefähig anerkannt worden sind, und den Beklagten zu verpflichten, zu weiteren 15 krankengymnastischen Behandlungen am Gerät Beihilfe zu leisten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er wiederholt und vertieft die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor: Der Ehemann der Klägerin führe einmal wöchentlich die gerätegestützte Krankengymnastik durch. Pro Sitzung entstünden Aufwendungen von 35,00 €, somit insgesamt 140,00 € im Monat. Die Klägerin sei in der Besoldungsgruppe A12 beschäftigt mit einem monatlichen Überweisungsbetrag von derzeit 3.880,00 €. Die monatlichen Aufwendungen beliefen sich somit auf 3,61 % ihrer Bezüge. Für andere Krankheitsfälle (Diagnosen) bestehe wiederum die Möglichkeit einer Gewährung von 25 Sitzungen KG-Gerät, falls dies medizinisch notwendig und sinnvoll sei. Ferner stünden andere physiotherapeutische Behandlungen zur Verfügung. Die Belastungen durch die Schwerbehinderung könnten teilweise auch steuerlich kompensiert werden.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihr in Abänderung der angefochtenen Bescheide Beihilfe zu weiteren 15 Behandlungen ihres Ehemannes mittels gerätegestützter Krankengymnastik (KG-Gerät) bewilligt, die dieser aufgrund ärztlicher Verordnungen zur Therapie der bei ihm bestehenden beidseitigen unteren Paraplegie in der Zeit von Dezember 2016 bis April 2017 durchgeführt hat. Der Beklagte hat die Beihilfebewilligung unter Bezugnahme auf § 66 Landesbeamtengesetz – LBG – und § 22 Beihilfenverordnung – BVO – zu Recht abgelehnt, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –.

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Gemäß § 66 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 LBG kann die Beihilfenverordnung des Beklagten (BVO) die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen begrenzen, insbesondere Höchstgrenzen einführen. Auf dieser gesetzlichen Grundlage begrenzt § 22 Abs. 3 Nr. 2 BVO in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblichen Fassung vom 6. Juli 2016 (GVBl. S. 290) die Anzahl der beihilfefähigen Sitzungen für eine gerätegestützte Krankengymnastik (KG-Gerät) auf höchstens 25 je Krankheitsfall. Wie der Beklagte zutreffend und ausführlich im Widerspruchsbescheid vom 21. März 2018 dargelegt hat, sind die Beihilfeleistungen des Dienstherrn lediglich ergänzende Hilfen im Krankheitsfall neben der gesetzlichen Alimentation sowie einer zumutbaren Eigenvorsorge der Beamtinnen und Beamten und müssen deshalb nicht lückenlos alle krankheitsbedingten Aufwendungen abdecken. Auf diese allgemeinen Ausführungen des Widerspruchsbescheids, die in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte stehen und die sich die Kammer zu eigen macht, wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Höchstbeträge und Höchstgrenzen, wie sie hier in Bezug auf die KG-Gerät getroffen wurden, sind danach im Beihilferecht nicht von vornherein unzulässig.

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Die hier einschlägige Höchstgrenze verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG –, denn sie knüpft an ein sachliches Differenzierungskriterium, nämlich die Art der Behandlung an (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. Februar 2009 – 2 C 23/08 –, juris). Die KG-Gerät unterscheidet sich von anderen physiotherapeutischen Maßnahmen dadurch, dass diese Art des Muskeltrainings üblicherweise von vielen Personen, auch zur Behandlung und Vorbeugung gesundheitlicher Schäden, eigenständig in Fitnessstudios durchgeführt wird. Der Verordnungsgeber darf in Bezug auf die Notwendigkeit und Angemessenheit krankheitsbedingter Aufwendungen regelmäßig davon ausgehen, dass der Betroffene unabhängig vom konkreten Krankheitsbild nach einer gewissen Anzahl von physiotherapeutisch angeleiteten Übungen ein weiteres Training in einem solchen Studio selbst ausführen kann. Da hier die Grenze zu einem Gesundheits- und Fitnesstraining im Rahmen der allgemeinen Lebensführung fließend ist, darf der Dienstherr in typisierender und pauschalierender Weise die Anzahl der beihilfefähigen Sitzungen für die KG-Gerät bei einem Physiotherapeuten begrenzen. Die Begrenzung auf 25 angeleitete Übungseinheiten pro Krankheitsfall begegnet auch in der Höhe keinen Bedenken. Dass durch eine solche generelle Begrenzung der Beihilfefähigkeit im Einzelfall Härten entstehen können, ist der zulässigen pauschalierenden und typisierenden Betrachtung immanent und von den Beihilfeberechtigten grundsätzlich hinzunehmen. Das gilt im vorliegenden Regelungsbereich umso mehr, als andere, ärztlich verordnete Physiotherapieleistungen zur Muskelkräftigung und -stabilisierung ohne Begrenzung ihrer Anzahl beihilfefähig sind, wie z. B. die klassische Krankengymnastik oder eine manuelle Therapie (vgl. zum Ganzen schon die Urteile des Gerichts vom 22. Januar 2008 –m 6 K 851/07.NW –, und vom 20. November 2008 – 6 K 949/08.NW –, noch zur Rechtslage unter Geltung der Beihilfenverordnung in der Fassung vom 1. August 2006, GVBl. S. 303, 362).

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Allerdings hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für die Beamtinnen und Beamten auszuschließen. Er muss mithin stets im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie durch beihilferechtliche Ausschlussregelungen nicht gefährdet werden darf. Werden krankheitsbedingte Aufwendungen ohne Rücksicht darauf von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen, ob die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind - wie dies hier für eine bestimmte physiotherapeutische Behandlungsart jenseits der festgesetzten Höchstgrenze von 25 Sitzungen geschieht -, mag das zwar die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in Frage stellen. Unter Geltung des „Mischsystems“ aus Beihilfe und Eigenvorsorge kann der pauschale Ausschluss bestimmter Aufwendungen von der Beihilfegewährung aber in Einzelfällen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten oder der Beamtin erheblich übersteigen. Solche Folgen können namentlich bei chronischen Erkrankungen auftreten, wenn deren Behandlung die von der Beihilfe ausgeschlossene (oder wie hier anzahlmäßig begrenzte) Therapieform zwingend (weiterhin) erfordert. Für derartige Fallgestaltungen muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (vgl. zum vollständigen Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2008 – 2 C 2.07 –, juris; zur Höchstbetragsregelung für Hilfsmittel OVG RP, Urteil vom 15. Dezember 2014 – 10 A 10492/14.OVG –; das Erfordernis einer normativen Regelung demgegenüber offen lassend BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 – 5 C 40/12 –, juris).

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Eine Härteregelung für den Fall einer unabwendbaren und mit erheblichen finanziellen Belastungen verbundenen Überschreitung der gemäß § 66 Abs. 5 LBG festgesetzten Höchstgrenzen enthält die Beihilfenverordnung des Beklagten weder generell noch speziell in Bezug auf die hier einschlägige Höchstgrenze des § 22 Abs. 3 Nr. 2 BVO für die gerätegestützte Krankengymnastik. Insoweit liegt eine Lücke der Beihilfenverordnung vor, die auch nicht durch eine analoge Heranziehung anderer, dort vorhandener spezieller Härteregelungen geschlossen werden kann. Denn weder die in § 34 Abs. 7 BVO vorgesehene Entscheidung der obersten Dienstbehörde über einzelne Hilfsmittel noch die gemäß § 58 Abs. 4 BVO ausnahmsweise mögliche Erhöhung des Beihilfesatzes im Fall einer unverschuldeten Notlage oder die in § 61 BVO vorgesehenen Ausnahmefälle zur allgemeinen Kostendämpfungspauschale sind von Regelungsgegenstand und Interessenlage her mit der vorliegenden Fallgestaltung vergleichbar, in der es um die Überschreitung einer anzahlmäßig begrenzten physiotherapeutischen Heilmaßnahme mit dem Ziel einer Dauerbehandlung geht. Auf die von der Klägerin angeführten Ausnahmeregelungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach der gemäß § 92 SGB V erlassenen Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses oder die vertraglichen Tarifregelungen einer privaten Krankenversicherung kann mangels Vergleichbarkeit der Erstattungssysteme ebenfalls nicht zurückgegriffen werden (vgl. dazu OVG RP, Urteil vom 15. Dezember 2014 und BVerwG, Urteil vom 2. April 2014, jeweils a.a.O.).

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Dass im Hinblick auf eine normative Härteregelung eine Lücke im System der Beihilfenverordnung festzustellen ist, bedeutet aber nicht automatisch, dass die Klägerin ohne weiteres einen Anspruch auf Bewilligung von Beihilfeleistungen zur KG-Gerät in unbegrenzter Höhe hat. Wie oben ausgeführt, kann eine Härteregelung nämlich im Ergebnis nur dazu dienen, unabwendbare und für den Beamten untragbare Aufwendungen im Einzelfall abzudecken oder abzumildern, um letztlich eine Beeinträchtigung der amtsangemessenen Alimentation zu verhindern.

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Im vorliegenden Verfahren kann dahinstehen, ob die Aufwendungen für eine gerätegestützte Krankengymnastik des Ehemanns der Klägerin unabwendbar sind in dem Sinn, dass keine andere, anzahlmäßig nicht begrenzte physiotherapeutische Behandlung der vorhandenen Erkrankungen ebenso erfolgreich durchgeführt werden kann. Dazu enthält insbesondere das von der Klägerin vorgelegte ärztliche Attest des Dr. C. vom 14. Juli 2017 keinen hinreichenden Nachweis. Der Orthopäde bestätigt darin zwar, dass eine Budgetierung der „physiotherapeutischen Therapien“ zur Verschlechterung des Krankheitsbildes führen würde. Eine Begründung dafür, warum ausschließlich eine KG-Gerät den notwendigen Behandlungserfolg sicherstellen kann, fehlt dagegen in dem Attest.

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Unabhängig von dieser Frage, die der Beklagte im Zweifelsfall durch eine amtsärztliche Begutachtung weiter aufklären müsste, ist aber auch nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin durch die Versagung der hier streitgegenständlichen weiteren 15 Sitzungen KG-Gerät in dem maßgeblichen Zeitraum von Dezember 2016 bis April 2017 in ihrer amtsangemessenen Alimentation gefährdet worden wäre. Im Jahr 2016 wurden vom Beklagten bis auf fünf Behandlungen alle Therapiesitzungen aufgrund des Krankheitsfalles „untere Paraplegie beidseitig“ beihilferechtlich erstattet. Im Jahr 2017 hat der Beklagte nach Ablehnung von Beihilfeleistungen in Höhe von 245,00 € (70 % aus 350,00 € für 10 Behandlungen) weitere Sitzungen wegen anderer Diagnosen erstattet. Durch die bei der Klägerin bisher verbliebenen Aufwendungen in Höhe der streitgegenständlichen Beihilfeleistungen von 122,50 € im Jahr 2016 und 245,00 € im Jahr 2017 wurde ihre amtsangemessene Alimentation in diesen Jahren erkennbar nicht beeinträchtigt. Krankheitsbedingte oder behinderungsbedingte Aufwendungen anderer Art, die nicht durch anderweitige Ersatzleistungen abgedeckt oder abgemildert werden konnten, sind von ihr nicht konkret dargelegt worden. Hierzu hat die Klägerin lediglich vorgetragen, sie habe sich wegen des erforderlichen Umzugs in eine behindertengerechte Wohnung verschulden müssen. Diese Belastungen hat sie weder in der Sache noch in der Höhe näher bezeichnet. Dabei ist auch zu sehen, dass die Beihilfenverordnung in § 40 Abs. 2 Nr. 2 BVO mögliche Zuschüsse des Dienstherrn zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds einer pflegebedürftigen Person durchaus vorsieht.

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Ob der Klägerin im Jahr 2017 weitere ungedeckte Aufwendungen für eine ärztlich verordnete gerätegestützte Krankengymnastik des Ehemanns wegen des Krankheitsfalles „untere Paraplegie beidseits“ oder anderer Krankheitsfälle entstanden sind, ist im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlich. Insoweit muss der Beklagte aber – gerade mangels einer einschlägigen Härteregelung in der BVO – den konkreten Einzelfall im Rahmen etwaiger nachfolgender Beihilfeanträge im Blick behalten. Bei einer denkbaren Aufsummierung weiterer nicht erstatteter Aufwendungen für KG-Gerät in 2017 könnte sich die normativ bisher nicht bewältige Frage stellen, bis zu welcher Höhe bzw. welchem Prozentsatz der gesetzlichen Alimentation eine der Beamtin verbleibende finanzielle Belastung noch zumutbar wäre. Bei dieser Betrachtung ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich vom Jahresbruttogehalt der Klägerin in der Besoldungsgruppe A 12 auszugehen, sonstige beihilferechtlich geregelte Eigenbehalte sind außer Acht zu lassen (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Dezember 2014, a.a.O.). Das OVG RP hat in diesem Urteil eine Belastung des Beihilfeberechtigten in Höhe von rund 3 % seiner Jahresbruttobezüge als zumutbar angesehen, wobei diese Entscheidung einmalige Aufwendungen betraf, die über einen längeren Zeitraum verteilt zu einer Belastung von nur 0,61 % der Bezüge führten. Damit ist der vorliegende Fall einer dauerhaften Behinderung des Ehemanns der Klägerin nicht vergleichbar, wenn diese Behinderung bzw. Erkrankung tatsächlich laufende, d.h. zeitlich unbeschränkte, medizinisch unabwendbare Aufwendungen verursacht. Ob und in welcher Form in diesem Fall andere (nachgewiesene und ungedeckte) krankheits- oder behinderungsbedingte Aufwendungen bei der Bestimmung der Grenze einer mit Blick auf den Alimentationsgrundsatz noch zulässigen Belastung zu berücksichtigen wären, ist - soweit erkennbar - bisher von der Rechtsprechung nicht entschieden worden. Auch insoweit wäre eine allgemeine Regelung in der BVO zumindest sinnvoll. Für die vorliegende Klage ist das alles aber, wie bereits ausgeführt, nicht entscheidungserheblich, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Belastungsgrenze der Klägerin im Jahr 2017 bereits bei der Entscheidung über die streitgegenständlichen Aufwendungen überschritten gewesen wäre.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.

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