Beschluss vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (5. Kammer) - 5 L 813/19.NW

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine an die Beigeladene gerichtete immissionsschutzrechtliche Ordnungsverfügung.

2

Die Antragstellerin gehört der Gerst Unternehmensgruppe an und ist auf Bauschuttaufbereitung, Herstellung und Vertrieb von Recyclingbaustoffen und Kompost, Übernahme, Aufbereitung und Verwertung von teerhaltigem Straßenaufbruch und PAK-haltigen Böden spezialisiert. Im Oktober 1981 richtete sie im Einvernehmen mit der Beigeladenen im Neustadter Stadtviertel Branchweiler auf dem im Eigentum der Beigeladenen stehenden Gelände der Deponie „Haidmühle – Maifischgraben“ u.a. eine Bauschuttrecyclinganlage ein und nahm den Probebetrieb auf. Auf dem Gelände, das auch unter dem Namen „Abfallwirtschaftszentrum“ (AWZ) bekannt ist, wurden in der Folgezeit ferner eine Anlage zur Kompostierung von Grünabfällen, eine Anlage zur Behandlung von ölkontaminierten Böden, eine Anlage zur Aufbereitung von kontaminierten Böden, eine Anlage zur Sortierung und zum Umschlage gemischter Siedlungsabfälle sowie eine Anlage zur Zwischenlagerung und Aufbereitung von teerhaltigem Straßenaufbruch errichtet.

3

Zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen – diese führt ihre Einrichtung der Abfallentsorgung als Eigenbetrieb unter dem Namen „Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) – besteht eine vertragliche Beziehung, die die Beigeladene inzwischen im Oktober 2018 aufgekündigt hat. Das Räumungsverfahren ist derzeit beim Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 4 O 92/19) anhängig. Der zuletzt geschlossene Vertrag vom 16. März 2010 nimmt weitgehend Bezug auf den zuvor gültigen Vertrag vom 27. Januar 2000. Danach waren die Besitzer von Bauschutt, Straßenaufbruch und Bodenaushub sowie von Grünabfällen in Neustadt an der Weinstraße berechtigt, diesen zur Deponie „Haidmühle – Maifischgraben“ zu bringen. In dem Vertrag heißt es, der ESN bediene sich dabei der Firma als Dritter im Sinne des Abfallrechts. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Vertragstext verwiesen. Die Antragstellerin nimmt im Abfallwirtschaftszentrum ferner gewerblich angefallenen Bauschutt, teerhaltigen Straßenaufbruch, MKW-haltige Böden, Beton und Erdaushub an und bereitet den Bauschutt auf (s. im Einzelnen https://www.gerstbau.de/gerst-recycling/leistungen/ und https://www.gerstbau.de/gerst-recycling/preisliste/).

4

Erstmals mit Bescheid vom 25. Januar 1985 hatte die damalige Bezirksregierung Rheinhessen-Pfalz gegenüber der Beigeladenen u.a. den Plan für die Errichtung und den Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage nach Abfallrecht festgestellt. Weitere Genehmigungsbescheide gegenüber der Beigeladenen ergingen u.a. am 20. März 1987 (Erweiterung des bestehenden Deponiegeländes), am 15. Oktober 1997 (neue Genehmigung der Bauschuttrecyclinganlage auf der Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes) sowie am 23. Januar 1998 (Abhilfebescheid).

5

Nach Beschwerden aus der Nachbarschaft beschränkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 09. April 2013 gegenüber der Beigeladenen die Brecherlaufzeiten an der stationären Brech- und Siebanlage auf 4 Stunden 15 Minuten täglich bei einer 5-Tage-Woche oder auf 3 Stunden 30 Minuten täglich bei einer 6-Tage-Woche. Ferner wurde die Inputmenge von 180.000 t/a auf 68.400 t/a reduziert.

6

Im Sommer 2017 nahm die Staatsanwaltschaft Frankenthal strafrechtliche Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Antragstellerin wegen des Verdachts illegaler Abfallbeseitigung auf. Die Ermittlungen sind bisher nicht abgeschlossen.

7

Im Januar 2018 bat der Antragsgegner die Beigeladene um nähere Angaben zur Betriebsorganisation. Daraufhin antwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 18. April 2018, sie sei nicht die Betreiberin der Anlage zur Aufbereitung von Bauschutt, sondern die Antragstellerin. Die ebenfalls um Erteilung einer Auskunft gebetene Antragstellerin teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 22. Mai 2018 mit, sie sei in der Vergangenheit lediglich Drittbeauftragter gewesen; Betreiber der Bauschuttaufbereitungsanlage sei die Beigeladene.

8

Daraufhin stellte der Antragsgegner mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. Juni 2018 gegenüber der Beigeladenen fest, dass sie Betreiberin der Abfallanlagen des Abfallwirtschaftszentrums Neustadt sei. Die Beigeladene legte dagegen Widerspruch ein, über den bis heute nicht entschieden wurde.

9

Mit Bescheid vom 27. September 2018 verfügte der Antragsgegner gegenüber der Beigeladenen, dass das Eingangslager für genehmigte Abfallarten zur Behandlung im stationären Brecher auf die ursprünglich genehmigten Flächen zurückzuführen sei. Ferner wurde die Nutzung der Fläche „1B“ zur Beschickung der stationären Brecheranlage untersagt. Dagegen legte die Beigeladene „auf Geheiß der Antragstellerin“ Widerspruch ein.

10

Am 11. Juli 2019 erließ der Antragsgegner unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 17 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – gegenüber der Beigeladenen die folgende Anordnung:

11

I. 1. Die auf dem sog. „AWZ“ in Neustadt/Weinstraße befindliche Bauschuttaufbereitungsanlage ist auf den ursprünglich genehmigten Zustand zurückzuführen und an den Stand der Technik anzupassen.

12

2. Prüffähige Unterlagen sind der SGD Süd vorzulegen.

13

3. Bis zur Erfüllung der unter I.1. geforderten Maßnahmen und deren Nachweis nach I.2. wird die Behandlung von Abfällen mittels der Bauschuttaufbereitungsanlage mit sofortiger Wirkung untersagt.

14

II. Die sofortige Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wird hiermit angeordnet.“

15

Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, die auf dem Gelände des sog. „AWZ“ befindliche Bauschuttaufbereitungsanlage weiche offensichtlich von dem ursprünglich genehmigten Zustand ab. Es seien z.B. Änderungen an der Fundamentierung und Motorisierung der Anlage vorgenommen worden. Die ursprünglich in Form einer mobilen Anlage genehmigte Bauschuttaufbereitungsanlage sei durch ein massives Betonfundament als stationäre Anlage umgebaut worden. Die in den Auflagen des Bescheids vom 15. Oktober 1997 geforderten Standsicherheitsnachweise seien nicht aktuell. Es sei vor wenigen Tagen eine neue Böschung angelegt worden, deren Standsicherheit auch in Bezug auf die direkt anschließenden Gebäudeteile baustatisch zu beurteilen sei. Die Zufahrt für einen Kleinbagger auf der geschaffenen Böschungskrone sei erneuert worden. Nachweise über Standsicherheit und Verkehrssicherheit lägen nicht vor. Über die Funktion und den Einsatz des Kleinbaggers mit Betonmeißel und dessen Umhausung im Bereich des Eingabetrichters gebe es keine Erläuterungen oder sonstige Hinweise in den Genehmigungsunterlagen. Alleine die beispielhaft aufgeführten, nicht dem Genehmigungsbescheid entsprechenden Veränderungen an der Anlage geböten, die Rückführung auf den ursprünglich genehmigten Ausgangszustand anzuordnen.

16

Wegen des nicht genehmigungskonformen Zustandes sei nicht gewährleistet, dass von der Anlage keine schädlichen Umweltauswirkungen oder Gefahren für sonstige Rechtsgüter ausgehen. Gegenüber einer Anordnung nach § 20 BImSchG sei die Untersagung der Abfallbehandlung in der Anlage bis zur Erfüllung der Voraussetzungen nach I. Nrn.1 und 2 das mildere Mittel.

17

Die Anordnung des Sofortvollzuges begründete der Antragsgegner damit, die ursprünglich als mobile Anlage auf Rädern genehmigte Brecheranlage sei im Laufe der Zeit in eine stationäre Anlage umgebaut und erweitert worden. Eine Gesamtstatik für die Anlage unter Vollastbetrieb liege nicht vor. Aufgrund der von der Anlage ausgehenden Gefahren dürfe diese bis auf weiteres nicht in Betrieb genommen werden. Eine Verzögerung durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs stelle ein nicht zu akzeptierendes Risiko dar.

18

Dagegen legte die Antragstellerin am 22. Juli 2019 Widerspruch ein.

19

Am 23. Juli 2019 hat die Antragstellerin daneben um vorläufigen gerichtlichen Rechtschutz nachgesucht. In dem Erörterungstermin am 12. August 2019 hat der Antragsgegner die Ziffer I.1. des Bescheids vom 11. Juli 2019 aufgehoben und die Ziffer I.2. wie folgt neu gefasst:

20

Prüffähige Unterlagen, die die Anlage und die daraus resultierenden Emissionen der Anlage erkennen lassen, sind der SGD Süd vorzulegen.“

21

Die Antragstellerin trägt vor, sie sei zwar nicht Betreiberin der Bauschuttaufbereitungsanlage und der dazu gehörenden Anlagenteile, aber Betriebsführerin der in ihrem Eigentum stehenden Anlagen sowie der dazu von ihr gepachteten Grundstücke. Ihre Antragsbefugnis folge aus der Möglichkeit der Verletzung des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz – GG – als Schutzrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs i. V. m. dem vorangegangenen begünstigenden Verwaltungsakt in Form der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zugunsten der Beigeladenen und der von ihr genutzten Möglichkeit, gemäß § 16 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG – Dritte mit den nach § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG bestehenden Pflichten als Entsorgungsträger zu beauftragen. Die streitige Anordnung führe zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung ihrer Rechte. Der Umstand, dass sie nicht Genehmigungsinhaberin und damit auch nicht unmittelbare Adressatin der angefochtenen Anordnung sei, sondern nur Eigentümerin der Anlagen und Pächterin der zum AWZ gehörenden Grundstücke an der B... Straße in Neustadt an der Weinstraße, stehe ihrer Antragsbefugnis nicht entgegen. Die der Bauschuttaufbereitungsanlage zu Grunde liegenden Genehmigungsbescheide hätten die Rechtslage auch zu ihren Gunsten als Dritte bestimmt.

22

Die Anordnung sei auch nicht vollziehbar, weil sie von der Beigeladenen etwas verlange, was ohne eine entsprechende Verpflichtung der Antragstellerin nicht ausgeführt werden könne. Ohne eine entsprechende Duldungsverfügung an die Antragstellerin könne die streitige Anordnung nicht von dem Betreiber der Anlage ausgeführt und auch nicht seitens der zuständigen Behörde vollzogen werden.

23

In der Sache sei die streitgegenständliche Anordnung rechtswidrig. Die von dem Antragsgegner festgestellten Abweichungen zum ursprünglich genehmigten Zustand der Anlage bestünden tatsächlich nicht. Soweit augenscheinlich Änderungen der Anlage festgestellt werden könnten, gingen davon keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus.

24

Die Antragstellerin beantragt,

25

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die immissionsschutzrechtliche Anordnung des Antragsgegners vom 11. Juli 2019 in der Gestalt der Prozesserklärung vom 12. August 2019 wiederherzustellen.

26

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

27

den Antrag abzulehnen.

28

Er wendet ein, an der Bauschuttaufbereitungsanlage seien nach Erteilung der Genehmigung zahlreiche Veränderungen vorgenommen worden. Über diese Änderungen sei der Antragsgegner nicht in Kenntnis gesetzt worden. Ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht stehe der Antragstellerin nicht zu. Vielmehr müsse die Antragstellerin ihre Rechte vor dem Zivilgericht geltend machen. Denn sie stehe lediglich in privatrechtlicher Beziehung mit der Beigeladenen. Vor diesem Hintergrund fehle es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis.

29

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

30

den Antrag abzulehnen.

31

Sie ist ebenfalls der Auffassung, dass die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Weder könne sie eine Rechtsverletzung aus ihrer Stellung als „Betriebsführerin“ noch als „Betreiberin“ der Bauschuttaufbereitungsanlage noch aus dem Eigentum an der Anlage herleiten. Ungeachtet dessen entspreche die Bauschuttrecyclinganlage offensichtlich nicht dem genehmigten Bestand, da diese inzwischen massive bautechnische Veränderungen erfahren habe.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.

II.

33

Das vorläufige Rechtsschutzgesuch ist unzulässig.

34

1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 22. Juli 2019 gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners vom 11. Juli 2019 in der Gestalt der Protokollerklärung vom 12. August 2019 ist zwar nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft.

35

2. Allerdings ist die Antragstellerin nach Auffassung der Kammer nicht analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.

36

2.1. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass der Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in eigenen Rechten verletzt zu sein, und dass nach seinem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich ist. Die Verletzung eigener Rechte muss hiernach auf der Grundlage des Antragsvorbringens als möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 – 4 C 36/13 –, NVwZ 2015, 1223). Dies ist hier der Fall.

37

2.2. Die immissionsschutzrechtliche Anordnung vom 11. Juli 2019 ist nicht an die Antragstellerin gerichtet, etwa indem sie ihr aufgäbe, die Nutzung der Bauschuttaufbereitungsanlage mit sofortiger Wirkung einzustellen. Adressatin der Anordnung vom 11. Juli 2019 in der Gestalt der Protokollerklärung vom 12. August 2019 ist vielmehr allein die Beigeladene. Inhalt dieser Verfügung ist zum einen das an die Beigeladene gerichtete, ausdrücklich auf § 17 BImSchG gestützte Verlangen, prüffähige Unterlagen, die die Bauschuttaufbereitungsanlage und die daraus resultierenden Emissionen der Anlage erkennen lassen, vorzulegen. Daneben wird der Beigeladenen, die von dem Antragsgegner aufgrund des für sofort vollziehbar erklärten Bescheids vom 29. Juni 2018 als Betreiberin der Bauschuttrecyclinganlage angesehen wird, die Behandlung von Abfällen mittels der genannten Anlage untersagt. Diese Anordnung, zu deren Erlass der Antragsgegner als zuständige Immissionsschutzbehörde trotz des Umstands, dass die Beigeladene ein Hoheitsträger ist, befugt war (vgl. für nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2002 – 7 C 24/01 –, BVerwGE 117, 1; s. auch Scheidler, UPR 2004, 253), entfaltet damit nur gegenüber der Beigeladenen eine unmittelbare Regelungswirkung. Auch könnte sie gegebenenfalls trotz des grundsätzlichen Vollstreckungsverbots gegenüber Hoheitsträgern (vgl. § 7 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz – LVwVG –) unter Einschaltung der Rechts- oder Fachaufsicht gegenüber der Beigeladenen durchgesetzt werden (vgl. Deusch/Burr, in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, Stand April 2019, § 17 Rn. 7). Dagegen ist die Antragstellerin von der an die Beigeladene gerichteten Anordnung vom 11. Juli 2019 nur mittelbar betroffen.

38

2.3. Dass die Anordnung vom 11. Juli 2019 auch gegenüber der Antragstellerin bekanntgegeben wurde, führt für sich betrachtet nicht schon dazu, sie als antragsbefugt anzusehen. Voraussetzung für das Bestehen einer Antragsbefugnis eines Nichtadressaten wie der Antragstellerin ist vielmehr, dass das Begehren auf Normen gestützt werden kann, die nach ihrem Normprogramm auch den Nichtadressaten als Dritten schützen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 6 C 8/01 –, NVwZ 2003, 605; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Februar 2019, § 42 Rn. 336). Dies ist hier zu verneinen.

39

Die angefochtene Anordnung ist als hoheitliche Maßnahme ausdrücklich auf § 17 Abs. 1 BImSchG gestützt. Danach können zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigten Änderung Anordnungen getroffen werden. Wird nach Erteilung der Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigten Änderung festgestellt, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist, soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen.

40

Als Adressat einer immissionsschutzrechtlichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 BImSchG kommt in erster Linie der jeweilige Betreiber der Anlage in Betracht (vgl. Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2019, § 17 BImSchG Rn. 74). Hier sieht der Antragsgegner die Beigeladene als Anlagenbetreiberin an, denn er hat dies mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 29. Juni 2018 ausdrücklich festgestellt. Zwar hat die Beigeladene gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, über den bisher jedoch nicht entschieden wurde. Mithin liegt eine wirksame, für sofort vollziehbar erklärte Verfügung über die Bestimmung des Anlagenbetreibers vor mit der Folge, dass im Rahmen des vorliegenden Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Anordnung vom 11. Juli 2019 nicht zu prüfen ist, ob der Bescheid vom 29. Juni 2018 seinerseits rechtmäßig ist. Dafür spricht die Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten, die, wie sich aus § 43 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – ergibt, bis zu ihrer eventuellen Aufhebung wirksam sind und ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit von jedermann beachtet werden müssen (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 28. Mai 1998 – 1 S 149/98 –, NVwZ-RR 1999, 101).

41

Die an die Beigeladene als Betreiberin einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage gerichtete Anordnung vom 11. Juli 2019 enthält ausschließlich die Aufforderung an die Beigeladene, die Nutzung der Bauschuttaufbereitungsanlage wegen Abweichung von der Genehmigung vom 15. Oktober 1997 bis auf Weiteres zu unterlassen und Unterlagen zwecks Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 15, 16 BImSchG einzureichen. Die Anordnung regelt damit Pflichten, die der Beigeladenen als Betreiberin der Anlage zu deren sicherem und umweltverträglichem Betrieb obliegen (s. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und zielt darauf, Kongruenz zwischen dem immissionsschutzrechtlich Gebotenen und den tatsächlichen Verhältnissen herzustellen (vgl. Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 17 Rn. 4). Dadurch soll der Schutz der in § 1 Abs. 1 BImSchG genannten Schutzgüter, nämlich Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter, gewährleistet werden.

42

2.4. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus den Auswirkungen, die die streitige Anordnung auf das Pachtverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen unzweifelhaft hat. Zwar kann ein Verwaltungsakt, der ein privatrechtliches Vertragsverhältnis unmittelbar gestaltet, das von dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) auch umfasste Recht verletzen, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlichen Bindungen auszuhandeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1995 – 3 C 34/94 –, DÖV 1997, 120). Doch wirkt die Anordnung vom 11. Juli 2019 nicht unmittelbar auf die bestehenden privatrechtlichen Beziehungen zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin ein. Regelungsgegenstand der Anordnung sind nämlich nicht diese Rechtsverhältnisse, sondern das Verhalten der Beigeladenen als Anlagenbetreiberin, der aufgegeben wird, den Betrieb der Bauschuttaufbereitungsanlage bis auf Weiteres einzustellen. Es fehlt mithin an einer die Antragsbefugnis der Antragstellerin begründenden unmittelbaren Regelungswirkung der Anordnung (auch) dieser gegenüber; ihr nur mittelbares Betroffensein reicht für die Annahme einer möglichen Verletzung in eigenen Rechten nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2002 – 6 C 8/01 –, NVwZ 2003, 605). Es kommt daher vorliegend nicht auf die von den Beteiligten aufgeworfene Frage an, ob das Pachtverhältnis wirksam gekündigt worden ist.

43

In der Rechtsprechung finden sich vergleichbare, durch ein Privatrechtsverhältnis geprägten Fallkonstellationen der „parallelen Belastung von Erstem und Drittem“ (s. Wahl/Schütz, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 42 Rn. 335), in denen jeweils die Klagebefugnis verneint wurde. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall, in dem sich der Mieter einer öffentlich geförderten Wohnung gegen die an seinen Vermieter gerichtete Kündigungsanordnung wandte, entschieden, dass die Kündigungsanordnung im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter keine Regelung oder Feststellung trifft. Die Kündigungsanordnung greife weder unmittelbar noch mittelbar in Rechte des Mieters ein. Ob das zur wirksamen Kündigung erforderliche berechtigte Interesse des Vermieters bestehe, werde von den zuständigen Zivilgerichten ohne Bindung an eine erlassene Kündigungsanordnung geprüft (s. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 1995 – 8 B 64/95 –, NJW 1995, 2866). Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 24. März 1983 – 3 S 1684/82 – (VBlBW 1984, 19) ausgeführt, der Umstand, dass eine unanfechtbare, nur an den Grundstückeigentümer gerichtete bauordnungsrechtliche Nutzungsuntersagung ein berechtigtes Kündigungsinteresse des Vermieters begründen könne, gebe dem Mieter noch nicht die Befugnis zur Erhebung der Anfechtungsklage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung. Dass der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben könne, sofern die Beendigung zur Herbeiführung eines baurechtmäßigen Zustandes erforderlich sei, beruhe auf den zivilrechtlichen Vorschriften über die Kündigung bestehender Mietverhältnisse; einen unmittelbaren Eingriff in das Mietverhältnis enthalte die Nutzungsuntersagung weder aus diesem Grunde noch sonst. Möge auch eine unanfechtbare Nutzungsuntersagung ein berechtigtes Kündigungsinteresse des Vermieters begründen oder zumindest seine Rechtsstellung in einem Räumungsprozess verbessern, so handele es sich hierbei für den Mieter doch nur um mittelbare Folgen der Nutzungsuntersagung, die zur möglichen Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO nicht ausreichten (vgl. auch VG Frankfurt, Urteil vom 11. April 2013 – 9 K 1208/11.F –, juris zur fehlenden Klagebefugnis einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gegen eine an ein Finanzdienstleistungsinstitut gerichtete Anordnung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, einen anderen Prüfer zu bestellen; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 27. Mai 2019 – 5 K 1361/18.NW – zur fehlenden Klagebefugnis einer Person, die in einem arzneimittelrechtlichen Erlaubnisverfahren des antragstellenden Arzneimittelherstellers nicht als sachkundige Person im Sinne des Arzneimittelrechts berücksichtigt wurde).

44

2.5. Soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, sie sei nicht lediglich obligatorisch Berechtigte an dem gepachteten Grundstück, sondern auch Betriebsführerin der in ihrem Eigentum stehenden Anlagen, kann sie daraus ebenfalls keine Antragsbefugnis herleiten. Insbesondere ergibt sich aus dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 1997 – 4 A 36/96 – (NVwZ 1998, 504; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 9 C 3/08 –, NVwZ 2009, 1047; BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93 –, NJW 1993, 2035 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. September 2017 – 16 A 1920/09 –, juris) nichts für ihre geltend gemachte Rechtsposition. Zwar ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass das Besitzrecht des Pächters Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagebefugnis eines Grundstückspächters gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, der für landschaftspflegerische Begleitmaßnahmen Betriebsgrundstücke des Pächters in Anspruch nehmen wollte, mit der Begründung bejaht, der Planfeststellungsbeschluss entfalte enteignungsrechtliche Vorwirkungen nicht nur für betroffene Eigentümer, sondern in gleicher Weise für Personen, denen ein obligatorisches Recht an einem Grundstück zustehe, auf das sich der Planungsträger den Zugriff sichere (s. BVerwG, Urteil vom 01. September 1997 – 4 A 36/96 –, NVwZ 1998, 504). Ebenso hat das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis eines Pächters von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet gegen einen Flurbereinigungsbeschluss mit der Begründung bejaht, die Unternehmensflurbereinigung wirke sich gegenüber den Pächtern von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet enteignend aus, soweit sie infolge der Beschaffung von Land für das Unternehmen und der Verteilung des Landverlustes auf den Kreis der am Verfahren beteiligten Eigentümer ihr bisheriges Pachtland verlören (BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 9 C 3/08 –, NVwZ 2009, 1047). Mit diesen Fallkonstellationen ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Die Antragstellerin setzt sich als Pächterin von Grundstücken, die im Eigentum der Beigeladenen stehen, gegen eine gegenüber dieser ergangene Ordnungsverfügung des Antragsgegners zur Wehr. Enteignungsrechtliche Vorwirkungen kommen der Anordnung vom 11. Juli 2019 nicht zu. Wie bereits ausgeführt, kann die Antragstellerin als Pächterin ihre Rechte zivilgerichtlich gegen die Beigeladene als Verpächterin und Grundstückseigentümerin verfolgen.

45

2.6. Dementsprechend erscheint es auch von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin durch die streitgegenständliche Verfügung des Antragsgegners in ihren Rechten als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb verletzt sein könnte.

46

2.7. Eine Antragsbefugnis der Antragstellerin kann schließlich auch nicht aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Ausnahmsweise kann eine Klagebefugnis des Nichtadressaten in Fällen dieser Art angenommen werden, wenn der Betroffene plausibel geltend machen kann, das behördliche Handeln sei willkürlich, weil es beispielsweise von der Absicht getragen sei, ihn gezielt zu benachteiligen (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 11. April 2013 – 9 K 1208/11.F –, juris; BSG, Urteil vom 29. September 1999 – B 6 KA 30/98 –, juris). Verstöße des Staates gegen das Willkürverbot lösen, weil sie zugleich eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes darstellen (BVerfG, Beschluss vom 07. Februar 2013 – 1 BvR 639/12 –, NJW 2013, 1588), immer auch die Klagebefugnis des hiervon Betroffenen aus, selbst wenn er nicht im förmlichen Sinn Adressat der Maßnahme ist. Derartige Umstände liegen hier aber nicht vor. Der Anordnung des Antragsgegners liegen ausweislich ihrer Begründung nur solche Motive zu Grunde, die vom Bundesimmissionsschutzgesetz gebilligt werden.

47

2.8. Die Antragstellerin ist durch die Verneinung ihrer Antragsbefugnis nicht rechtsschutzlos gestellt. Wie ausgeführt, ergeben sich aus der Anordnung vom 11. Juli 2019 für sie unmittelbar keine Verpflichtungen. Der Antragsgegner kann aus der angefochtenen Verfügung zu Lasten der Antragstellerin nicht vollstrecken, solange dieser gegenüber der Beigeladenen ein Recht zum Besitz des Pachtgeländes zusteht. Über die Frage, ob der geschlossene Pachtvertrag wirksam von der Beigeladenen gekündigt worden ist, wird demnächst das zuständige Landgericht Frankenthal entscheiden. Das sich aus dem Pachtrecht ergebende Vollstreckungshindernis kann öffentlich-rechtlich gegebenenfalls nur durch eine gegen die Antragstellerin gerichtete Nutzungsuntersagung oder durch eine Duldungsanordnung ausgeräumt werden (vgl. Hansmann/Ohms, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 17 BImSchG Rn. 77; Jarass, in: Jarass, BImSchG, 12. Auflage 2017, § 17 Rn. 11). Erst durch eine dieser gegen sie selbst gerichteten Maßnahmen wäre die Antragstellerin unmittelbar betroffen und möglicherweise im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. März 1983 – 3 S 1684/82 –, VBlBW 1984, 19).

48

Ist die Antragstellerin im Ergebnis in diesem Verfahren aber nicht antragsbefugt, brauchte die Kammer nicht mehr, wie von der Antragstellerin zuletzt begehrt, vom Antragsgegner den Ordner ... der Akte ... anfordern und der Antragstellerin im Anschluss an die Vorlage dieses Ordners Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu einräumen.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

50

Die Wertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –.

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