Urteil vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße (1. Kammer) - 1 K 1077/19.NW

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Versorgungsempfängerin des Landes. Sie begehrt im vorliegenden Verfahren Beihilfe zu Aufwendungen für die Präparate „Cordyceps“, „Curcumin Loges + Boswellia“ und „BioBran“.

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Mit Beihilfeantrag vom 22. April 2019 beantragte sie u. a. hierfür Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von insgesamt 627,85 € (zwei Rezepte über „Cordyceps“, jeweils ein Rezept über „Curcumin Loges“ und „BioBran“). Der Beklagte begründete seine ablehnende Entscheidung vom 15. Mai 2019 damit, dass es sich um nicht beihilfefähige Nahrungsergänzungsmittel handele.

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Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor: Sie unterziehe sich einer komplementären Brustkrebstherapie. Die angewandten Mittel seien in Deutschland nur als Nahrungsergänzungsmittel zugelassen, ihre positive Wirkung bei Brustkrebs sei jedoch bestätigt.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Wegen der Abgrenzungsprobleme des Arzneimittelbegriffs regele die Neufassung in § 21 Beihilfenverordnung (BVO), dass nur noch zugelassene

oder registrierte Arzneimittel i. S. d. Arzneimittelgesetzes beihilfefähig seien. Demgegenüber seien die nicht beihilfefähigen Nahrungsergänzungsmittel, die im Grenzbereich zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln lägen, in der Nahrungsergänzungsmittelverordnung – NemV – geregelt. Zur Abgrenzung seien allein rechtliche Kriterien maßgeblich, nicht der Umstand, ob die Mittel aus medizinischen Gründen eingenommen würden, vom Arzt verordnet seien oder als Alternative zu Arzneimittel dienten. Wegen der nur ergänzenden Funktion der Beihilfe seien generalisierende Regelungen zulässig, die im Einzelfall auch zu Härten führen könnten.

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Der Widerspruchsbescheid wurde am 4. September 2019 zugestellt.

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Die Klägerin hat am 1. Oktober 2019 Klage erhoben.

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Sie trägt vor: Sie leide unter einem metastasierten Mammakarzinom. Neben der schulmedizinischen Behandlung unterziehe sie sich einer Therapie bei Dr. G., der eine führende Kapazität im Bereich der alternativen Medizin sei. Dieser habe einen Test durchgeführt zur individuellen Wirkung von Mistelpräparaten und anderen Immunstimulanzien, danach wirke bei ihr „BioBran“ besser zur Steigerung der sog. NK-Zellen (Natural-Killer-Cells). Das Mittel stelle ein Heilmittel dar, gleiches gelte für „Curcumin“ und „Cordyceps“. § 21 Abs. 3 Nr. 2 BVO sei rechtswidrig und verstoße gegen die Fürsorge- und Alimentationspflicht des Beklagten, angesichts des notwendigen Kostenaufwands von rund 500,00 € monatlich, zu dem auch die private Krankenversicherung gegenwärtig keine Erstattung leiste.

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Die Klägerin legt zwei Atteste des Dr. G. vom 27. September 2019 und vom 16. Oktober 2019 vor und beantragt,

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den Beihilfebescheid der Beklagten vom 15. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. September 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten an die Klägerin Beihilfeleistungen für

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- das Präparat „“Cordyceps“ in Höhe von 45,00 € und 28,90 €

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- das Präparat „Curcumin Loges + Boswellia“ für 54,95 €

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- das Präparat „BioBran“ in Höhe von 499,00 €

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zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich auf den Widerspruchsbescheid und verweist auf die Urteile der Kammer vom 28. Februar 2018 (1 K 560/17.NW) und vom 28. Mai 2019 (1 K 1611/18.NW) sowie auf die Entscheidungen des OVG RP vom 11. Januar 2017 (2 A 11072/16) und vom 18. Januar 2017 (2 A 11195/16). Danach sei hier keine Härteregelung geboten wie bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Die monatlichen Aufwendungen der Klägerin von umgerechnet 511,50 € aufgrund der Kosten und Dosierungsangaben (16,25 % der Bruttobezüge), seien mithin auch im Rahmen der Fürsorgepflicht nicht berücksichtigungsfähig.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen verweist die Kammer auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte des Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfeleistungen zu ihren Aufwendungen für die streitgegenständlichen Präparate „Cordyceps“, „Curcumin Loges + Boswellia“ und „BioBran“. Der Beklagte hat die geltend gemachten Beihilfeansprüche zu Recht wegen fehlender Beihilfefähigkeit dieser Produkte abgelehnt, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO.

19

Die nach dem 1. Januar 2019 entstandenen Aufwendungen sind gemäß § 66 Landesbeamtengesetz – LBG – i.V.m. § 21 Abs. 1 Beihilfenverordnung Rheinland-Pfalz vom 22. Juni 2011 (GVBl. S. 199), in der Fassung der Verordnung vom 26. Juli 2018 (GVBl. 205) beihilfefähig, soweit sie aus Anlass einer Krankheit im Rahmen einer Behandlung nach § 11 Abs. 1 S. 1 BVO von einer Ärztin oder einem Arzt verbraucht oder vor der Beschaffung schriftlich verordnet worden sind und es sich um (Nr.1) registrierte oder zugelassene Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 Arzneimittelgesetz – AMG – , um (Nr. 2) Zubereitungen, die mindestens einen arzneilich wirksamen Bestandteil nach § 4 Abs. 19 AMG enthalten, um (Nr. 3) Medizinprodukte nach Anlage 8 oder um – hier nicht in Betracht zu ziehende – (Nr. 4) Verbandmittel handelt. Gemäß 21 Abs. 3 BVO sind demgegenüber u. a. Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel (§ 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung – NemV – in der jeweils geltenden Fassung) ausdrücklich nicht beihilfefähig.

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Die hier streitgegenständlichen Präparate sind nicht in Deutschland als Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG registriert oder zugelassen, sie enthalten keinen arzneilich wirksamen Bestandteil nach § 4 Abs. 19 AMG und sind auch keine Medizinprodukte. Vielmehr handelt es sich dabei sowohl nach ihrer Präsentation und Darreichungsform durch die Hersteller am Markt als auch mit Blick auf ihre Inhaltsstoffe (im Wesentlichen Pilze, Weihrauch, Pflanzenwurzeln und Reiskleie) unzweifelhaft um Nahrungsergänzungsmittel gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 2 BVO, § 1 NemV (vgl. ausführlich zum Begriff der Nahrungsergänzungsmittel zuletzt auch Urteil der Kammer vom 4. Dezember 2019 – 1 K 729/19.NW –, m.w.N.).

21

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Beschränkung der Beihilfeleistungen auf zugelassene bzw. registrierte Arzneimittel und der damit einhergehende vollständige Beihilfeausschluss für andere Präparate, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, wie namentlich Nahrungsergänzungsmittel – unabhängig davon, ob diese ärztlich verordnet und aus medizinischen Gründen im Krankheitsfall, als Ergänzung oder Ersatz für zugelassene bzw. registrierte Arzneimittel eingenommen werden – rechtlich nicht zu beanstanden.

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Die Begrenzung von Beihilfeleistungen findet ihre einfach-gesetzliche Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2, Abs. 5 Satz 3. Danach kann insbesondere durch die Beihilfenverordnung die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln begrenzt oder ausgeschlossen werden (Nr. 2d). Die Beihilfenverordnung hat durch den Bezug auf die zugelassenen und registrierten Arzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 AMG ausdrücklich eine Änderung des bisher im Beihilferecht des Landes vertretenen Arzneimittelbegriffs vorgenommen und damit die Nahrungsergänzungsmittel ausnahmslos von der beihilferechtlichen Arzneimitteleigenschaft ausgenommen; das ist dem Verordnungsgeber ohne Weiteres möglich (vgl. VGH BaWü, Urteil vom 2. August 2012 – 2 S 2631/10 –, juris Rn 18).

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Die Beschränkung der Beihilfeansprüche auf zugelassene und registrierte Arzneimittel und der vollständige Beihilfeausschluss u. a. von Nahrungsergänzungsmitteln, auch wenn sie im Einzelfall wie ein Arzneimittel eingesetzt werden, verletzen auch kein höherrangiges Recht, insbesondere auch nicht die Fürsorge- oder Alimentationspflicht des Beklagten.

24

Beihilfeleistungen des Dienstherrn haben nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Bundesverfassungsgerichts nur ergänzenden Charakter neben der gesetzlichen Besoldung und Versorgung sowie der zumutbaren Eigenvorsorge der Beamtinnen und Beamten. Die ergänzenden Leistungen sind damit von Vornherein nicht auf eine vollständige Abdeckung aller denkbaren Krankheitskosten ausgerichtet. Die Beihilfevorschriften konkretisieren abschließend und in pauschalierender Weise die im Bereich von Krankheit, Geburt, Gesundheitsvorsorge, Pflege und ähnlichen persönlichen Belastungssituationen bestehende Fürsorgepflicht des Dienstherrn, weshalb über die Beihilfevorschriften hinausgehende Ansprüche im Einzelfall grundsätzlich nicht geltend gemacht werden können.

25

Unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG lassen sich Beihilfefansprüche nur in eng begrenzten Ausnahmefällen herleiten, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Das setzt voraus, dass der Beamtin oder dem Beamten im Einzelfall trotz ausreichender Eigenvorsorge und der ggf. zustehenden Beihilfeleistungen unabwendbare und mit Blick auf die amtsangemessene Alimentation unzumutbare finanzielle Belastungen verbleiben (vgl. zum Ganzen z.B. OVG RP, Urteil vom 15. Dezember 2014 – 10 A 10492/14.OVG -, juris; Beschlüsse vom 11. und 18. Januar 2017 – 2 A 11072/16.OVG – und 2 A 11195/16.OVG –, jeweils m.w.N.).

26

Nach Überzeugung des Gerichts ist es nicht erforderlich, dass der Beklagte im Bereich des generellen Ausschlusses von Nahrungsergänzungsmitteln eine allgemeine Härteregelung für die beschriebenen Ausnahmefälle in der Beihilfenverordnung verankert. Denn im Gegensatz zum Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel, für den das BVerwG (Urteil vom 5. Mai 2010 – 2 C 12/10 –, juris) und das OVG RP (Urteil vom 13. April 2012 – 10 A 10039/12.OVG) eine normative Härteregelung gefordert hat, geht es bei Nahrungsergänzungsmitteln nicht um Präparate, die im Regelfall zur Behandlung einer Krankheit eingesetzt werden. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass Nahrungsergänzungsmittel im Grenzbereich zu Lebensmitteln liegen. Sie gehören damit nicht zum Kernbereich des in § 66 LBG niedergelegten Hilfeprogramms, die medizinisch notwendige und angemessene Versorgung des Beamten im Krankheitsfall sicherzustellen. Eine Regelung zur Vermeidung von Härten, wie sie beim Ausschluss grundsätzlich beihilfefähiger, d. h. typischerweise im Krankheitsfall benötigter und vom Arzt verordneter Arzneimittel für erforderlich gehalten wird, ist im Hinblick auf Nahrungsergänzungsmittel nicht in gleicher Weise geboten. Dementsprechend wurden auch vom BVerwG bei der Ermittlung der zumutbaren Belastungsgrenze lediglich die Aufwendungen des Betroffenen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, nicht aber solche für Nahrungsergänzungsmittel oder andere nicht beihilfefähige Produkte einbezogen (vgl. Urteil vom 5. Mai 2012, a.a.O., Rdnr. 20 und jetzt auch § 50 Abs. 1 Satz 5 Bundesbeihilfenverordnung; Urteile der Kammer vom 28. Mai 2019 – 1 K 1611/18.NW zum Nahrungsergänzungsmittel „Boswellia“ bei einem Kurzdarmsyndrom und vom 6. November 2019 1 K 569/19.NW – zum Präparat „Eryfotona®“ zur Behandlung und Vorbeugung gegen Hautkrebs).

27

Auch eine Härteregelung im Einzelfall der Klägerin in Form der Erstattung ihrer Aufwendungen für die eingenommenen nicht beihilfefähigen Nahrungsergänzungsmittel über die BVO hinaus ist hier nicht aus Alimentations- und Fürsorgegründen geboten.

28

Die von ihr angegebene monatliche Belastung in Höhe von rd. 511,00 € beläuft sich zwar – aufs Jahr gesehen – auf rd. 1/7 ihrer Jahresbruttoversorgung. Sie liegt damit nicht mehr in dem von der Rechtsprechung bereits als unproblematisch angesehenen Rahmen von rund 3 % der gesetzlichen Alimentation (vgl. OVG RP, Urteil vom 15. Dezember 2014, a.a.O.). Abgesehen davon, dass damit nicht entschieden ist, in welchem Umfang auch eine höhere Quote zumutbar wäre, verbleiben der Klägerin aber hier nach Auffassung des Gerichts keine unabwendbaren finanziellen Belastungen, denen sie sich nicht entziehen kann. Der grundsätzlich mögliche Verweis der Beihilfenverordnung auf zugelassene oder registrierte Arzneimittel zur Behandlung einer Erkrankung ist vielmehr auch in ihrem konkreten Fall möglich. Denn es stehen geeignete und auch bei ihr wirksame, erstattungsfähige Arzneimittel zur Verfügung, um das von ihrem Arzt formulierte Behandlungsziel einer Steigerung der sog. NK-Zellen zu fördern. Die nach dem AMG zugelassenen Mistelpräparate (z. B. Iscador®) erfüllen ebenfalls diesen speziellen, über die Chemotherapie hinausgehenden therapeutischen Zweck bei einer Brustkrebserkrankung. Die Beamtin hat demgegenüber keinen Anspruch darauf, dass die von ihr gewählte bzw. von ihrem Arzt als bestmöglich empfohlene alternative Behandlungsvariante durch den Dienstherrn kostenneutral ermöglicht wird (vgl. Urteile der Kammer vom 28. Mai 2018 und vom 6. November 2019, a.a.O., mit Hinweis auf OVG RP, Beschluss vom 11. Januar 2017, a.a.O.). Dabei ist nämlich zu sehen, dass bei Prüfung einer unzumutbaren Härte ein objektiver Prüfungsmaßstab geboten ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 11 Januar 2017, a.a.O. m.w.N.). Im Verweis auf einen solchen objektiven Maßstab liegt insbesondere keine Verletzung des subjektiven Rechts des Beamten oder der Beamtin auf freie Arztwahl. Nach objektiven Maßstäben wird indessen gerade durch das strenge Zulassungs- und Registrierungsverfahren des AMG eine angemessene, den allgemeinen medizinischen Standards entsprechende Behandlung von Krankheiten sichergestellt. Demgegenüber kann die Wirksamkeit anderer Produkte, wie z. B. von Nahrungsergänzungsmitteln im Rahmen der sog. Komplementärtherapie bei einer Krebserkrankung, im Einzelnen medizinisch sehr umstritten sein. Wegen dahingehender Bedenken lehnt nach Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung offenbar auch ihre private Krankenversicherung eine Kostenübernahme derzeit ab.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

30

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

31

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 439,50 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 VwGO, 70 v. H. der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 627,85 €).

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