Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 A 339/05
Tenor
Die Kostenbeamtin wird angewiesen, eine Schlusskostenrechnung zu erstellen, die den Ermäßigungstatbestand Nr. 5111 Ziff. 1. a) KV GKG zugunsten des Erinnerungsführers berücksichtigt.
Gründe
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Die mit Schreiben vom 8. November 2008 eingelegte Erinnerung ist zulässig und begründet. Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist die Weigerung der Kostenbeamtin, nach Beendigung des Klageverfahrens 9 A 339/05 zugunsten des Erinnerungsführers eine Gebührenermäßigung auf nur eine Gerichtsgebühr dem Grunde nach anzuerkennen.
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Der Erinnerungsführer erhob am 19. Dezember 2005 Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid in Höhe von 613,02 €. Auf die Kostenrechnung vom 21. Dezember 2005 zahlte er die mit Einreichung der Klage fällig gewordenen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG) drei Gerichtsgebühren (Nr. 5110 KV GKG) in Höhe von insgesamt 135,- €. Im Verlaufe des Klageverfahrens wurde am 28. April 2006 eine erste mündliche Verhandlung durchgeführt, ohne dass eine abschließende Entscheidung erging. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 nahm der Erinnerungsführer seine Klage in Höhe von 452,59 € zurück. Am 4. Juni 2008 erfolgte eine zweite mündliche Verhandlung, die mit dem Beschluss endete, dass eine Entscheidung zugestellt werde. Der Beklagten wurde in Beschlussform aufgegeben, zu einer bestimmten Sachverhaltsfrage weiter vorzutragen. Nach weiterem Schriftverkehr erfolgte am 1. September 2008 eine Ladung zur weiteren mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 2008. Am 22. Oktober 2008 nahm der Erinnerungsführer die Klage insgesamt zurück, woraufhin das Verfahren eingestellt und die Kosten des Verfahrens dem Erinnerungsführer auferlegt wurden.
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Bei diesem Sachverhalt ist gem. Nr. 5111 Ziff. 1. a) KV GKG eine nachträgliche Ermäßigung der Verfahrensgebühren zu gewähren, da die Rücknahme der Klage vor dem „Schluss der mündlichen Verhandlung“ erfolgt ist. Maßgeblich für die Annahme dieses - auch in den anderen Gerichtsbarkeiten geltenden - Ermäßigungstatbestandes ist nicht allein sein Wortlaut, sondern vor allem sein Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Systematik der Prozessordnungen.
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Grundsätzlich endet die mündliche Verhandlung gem. § 104 Abs. 3 VwGO, wenn der oder die Vorsitzende die mündliche Verhandlung schließt, nachdem die Streitsache erörtert ist und weder das Gericht noch die Beteiligten weitere Fragen stellen oder Erklärungen abgeben wollen. Von diesem Zeitpunkt an verlieren die Beteiligten ihr Recht auf weiteres Vorbringen, soweit ihnen nicht noch gem. § 173 VwGO iVm § 283 ZPO eine Schriftsatzfrist eingeräumt worden ist. Bei Bedarf kann das Gericht die mündliche Verhandlung bis zum Erlass des Urteils allerdings jederzeit wieder eröffnen (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 104 Rd. 8 ff.). Dementsprechend wird der Schluss der mündlichen Verhandlung von den entsprechenden Regelungen des Prozessrechts zeitlich verschoben, soweit es etwa um die Frage von Parteierklärungen, ihre Rechtzeitigkeit oder eine Präklusionswirkung geht (dazu ausführlich: FG Nürnberg, Beschl. v. 10.01.2008 - 1 Ko 1583/2007 - mwN, in juris). Zweck des Ermäßigungstatbestandes ist es im Übrigen, einen Anreiz zur Minimierung des verbleibenden richterlichen Arbeitsaufwands zu schaffen (BT-Drs. 15/1971 S. 159, 172). Solange die Phase der Urteilsabfassung noch nicht begonnen hat und der richterliche Arbeitsaufwand noch demjenigen bei Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung entspricht, soll folglich auch eine Kostenprivilegierung erfolgen (vgl. FG Nürnberg a.a.O.). Es reicht von daher aus, wenn die Klagerücknahme noch vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erfolgt, also vor Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die die Endentscheidung ergeht. Eine solche letzte mündliche Verhandlung liegt (noch) nicht vor, wenn nach deren Schluss eine Wiedereröffnung erfolgt oder wenn sich jedenfalls aus der Aktenlage die Notwendigkeit einer nochmaligen mündlichen Verhandlung ergibt, etwa weil nach der mündlichen Verhandlung nur ein Beweisbeschluss verkündet oder der Verkündungstermin aufgehoben und ein neuer Verhandlungstermin anberaumt wird (OLG München, Beschl. v. 27.11.1996 - 11 W 2740/96 - NJW-RR 1997, 639; bestätigt im Beschl. v. 5.4.2000 - 11 W 1073/00 - MDR 2000, 787 und in juris; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Rd. 5 zu Nr. 1211 in Teil 1 des Kostenverzeichnisses zu § 3 Abs. 2 GKG mwN).
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So lag es auch hier. Aufgrund der weiteren Aufklärungsmaßnahmen und der sodann erfolgten Ladung war klar, dass noch keine Endentscheidung ergeht, sondern weiter mündlich verhandelt werden sollte und dass eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung erfolgen würde.
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Referenzen
- 11 W 1073/00 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 104 1x
- Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 A 339/05 1x
- § 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 283 Schriftsatzfrist für Erklärungen zum Vorbringen des Gegners 1x
- § 3 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 W 2740/96 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 173 1x
- 1 Ko 1583/20 1x (nicht zugeordnet)