Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 87/15

Tenor

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 19.11.2015 gegen den Zuweisungsbescheid der Antragsgegnerin vom 9.11.2015 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen den Sofortvollzug der vorübergehenden Zuweisung einer Tätigkeit bei einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG.

2

Der 1962 geborene, verheiratete Antragsteller ist Beamter bei der Antragsgegnerin im statusrechtlichen Amt eines technischen Fernmeldeamtsrats (Besoldungsgruppe A 12). Er gehört der Deutschen Telekom AG an und bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau ein Eigenheim in A-Stadt. Seit dem 1.Oktober 2013 ist er ohne dienstliche Beschäftigung.

3

Mit Bescheid vom 9. November 2015 wies die Antragsgegnerin dem Antragsteller befristet für den Zeitraum vom 23. November 2015 bis zum 22. Mai 2016 als vorläufige Maßnahme eine Tätigkeit im Unternehmen T-Systems International GmbH (TSI) am Standort … als „Systemingenieur III“ (Vergütungsgruppe 6 entspricht Besoldungsgruppe A10) mit einer Wochenarbeitszeit von 36,0 Stunden gemäß § 29 Abs. 3 und 4 PostPersRG i.V.m. § 69 Abs. 5 BPersVG i.V.m. § 4 Abs. 4 S. 2 und 3; § 6 S. 1 PostPersRG mit folgenden Aufgaben zu:

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- Unterstützung bei der Aufgabenerfüllung des IT-Professionals bzw. Projektmanagers im Rahmen von Projekten der IT-Entwicklung
5
- Analyse von technischen Rahmenbedingungen und Erarbeitung von Realisierungsalternativen für IT-Projekte
6
- Durchführung von Aufgaben im Rahmen des Bereitstellungsprozesses (IT-Realisierung, Systemtest, Konfigurationsmanagement, Bereitstellung/Betrieb der Entwicklungsumgebung).
7

Gleichzeitig ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Zuweisung an. Zur Begründung des Sofortvollzugs heißt es u.a., dass das Abwarten eines eventuellen Widerspruchs- oder gerichtlichen Verfahrens die Zuweisungsmaßnahme gefährden würde, weil in diesem Fall zur Erfüllung der zugewiesenen Tätigkeit zusätzliches Personal eingestellt werden müsste.

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Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 19. Oktober 2015 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Zuweisungsbescheid über den bislang nicht entschieden worden ist.

9

Mit Anwaltsschreiben vom selben Tag sucht er bei der Kammer um vorläufigen Rechtsschutz nach.

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Er ist der Ansicht, bei der zugewiesenen Tätigkeit handele es sich nicht um eine amtsangemessene Beschäftigung. Überdies sei sein berufliches Fachwissen für die Tätigkeit veraltet und ein entsprechend hoher Qualifizierungsbedarf erforderlich. Eine genaue Tätigkeitsbeschreibung, die eine Zuordnung der Tätigkeit in Laufbahn und Besoldungsgruppe ermögliche, fehle. Die Zuweisung sei zudem ermessensfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin kein Auswahl- oder Entschließungsermessen bezüglich der avisierten Tätigkeit ausgeübt habe. Es sei zu bezweifeln, dass bei der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Personen bei der Antragsgegnerin keine gleichsam geeignete Person für den jetzt avisierten Posten zu finden sei. Die Fahrtzeit nach … sei ihm auch aus familiären Gründen, namentlich aufgrund des noch nicht abbezahlten Hauses in A-Stadt und der örtlich gebundenen Berufstätigkeit der Ehefrau inakzeptabel. Diese leide zudem an Herzrhythmusstörungen und sei auf seine ständige Hilfe angewiesen. Auch sei der Sofortvollzug der Zuweisungsverfügung nicht ausreichend begründet.

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Der Antragsteller beantragt,

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aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 19.11.2015 gegen die Zuweisung einer Tätigkeit im Unternehmen T-Systems International GmbH vom 9.11.2015 herzustellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie macht geltend, dass das besondere Vollzugsinteresse ausreichend dargelegt und auch tatsächlich vorhanden sei. Die vorübergehende Zuweisung sei gegenwärtig die einzige Möglichkeit den Antragsteller - wenn auch leicht unterwertig - zu beschäftigen. Langfristig sei eine amtsangemessene Beschäftigung beabsichtigt. Eine wohnortnahe Verwendung des Antragstellers sei nicht möglich. Im Übrigen habe der Antragsteller als Beamter im Grundsatz mit der Möglichkeit einer Versetzung zu rechnen und könne deshalb regelmäßig nur in außergewöhnlichen Härtefällen deren Unzumutbarkeit geltend machen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

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Der Antrag ist zulässig.

18

Bei der Zuweisung einer Tätigkeit zu einem Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG gem. § 4 Abs. 4 S. 2 Postpersonalrechtsgesetz (– PostPersRG –) handelt es sich um einen versetzungsähnlichen Verwaltungsakt, für den allerdings die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nicht bereits gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm § 126 Abs. 3 Nr. 3 Beamtenrechtsrahmengesetz (- BRRG -) entfällt. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt nur, wenn – wie hier – die Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet hat.

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Der Antrag ist indessen unbegründet.

20

Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO entsprechend begründet. Insbesondere weist die Begründung den erforderlichen Bezug zum konkreten Fall auf. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass an einer sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse bestehe, da es gegenwärtig nicht möglich sei, den Antragsteller anderweitig zu beschäftigen. Dieses Vorbringen der Antragsgegnerin zum Nichtvorliegen einer geeigneten Beschäftigungsalternative ist von dem Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Mit der Zuweisung von Tätigkeiten in einem Unternehmen - hier dem gleichen Unternehmen TSI am Standort … - trage die Deutsche Telekom dem verfassungsrechtlich garantierten Rechtsanspruch auf Beschäftigung ihrer Beamtinnen und Beamten Rechnung. Die dem Antragsteller in dem Unternehmen zugewiesene Tätigkeit müsse anderenfalls durch zusätzliches Personal vom Arbeitsmarkt erbracht werden. Dies sei dem Unternehmen nicht zumutbar, zumal der Antragsteller entsprechend seiner Besoldungs- und Laufbahngruppe alimentiert werde. Das Abwarten eines eventuellen Rechtsbehelfs- oder Klagverfahrens würde die gesamte Zuweisungsmaßnahme gefährden.

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Dass die Antragsgegnerin, wie dem Gericht bekannt ist, die Anordnung der sofortigen Vollziehung in gleich gelagerten Fällen ähnlich begründet, ist unerheblich (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 21. November 2011 - 3 MB 55/11; Beschluss der Kammer vom 03. Februar 2014 - 12 B 70/13 -; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 08. November 2011 - 1 B 829/11 - juris).

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Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Falle einer gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes prüft das Verwaltungsgericht im Falle eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO, ob wegen der Besonderheit des Einzelfalles ein privates Interesse an der aufschiebenden Wirkung vorliegt, das gegenüber dem im Gesetz in diesen Fällen unterstellten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Hat die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet, kommt es darauf an, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens den Verwaltungsakt nicht befolgen zu müssen. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen oder anzuordnen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, ist zu differenzieren zwischen dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug und den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde. Im letztgenannten Fall bedarf es neben der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides noch eines besonders öffentlichen Vollziehungsinteresses, das mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist. Dieses besondere öffentliche Vollziehungsinteresse ist gemäß § 80 Abs. 3 VwGO gesondert von der Behörde zu begründen. Lässt sich bei der Prüfung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nach dem oben dargelegten Maßstab weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des Bescheides feststellen, bedarf es zur Entscheidung einer weiteren Interessenabwägung. Dabei sind die Folgen zu würdigen, die eintreten würden, wenn die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagt würde, das Verfahren in der Hauptsache dagegen Erfolg hätte. Diese Auswirkungen sind zu vergleichen mit den Nachteilen, die entstünden, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt würde, dem Rechtsbehelf in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (std. Rspr. der Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichte, vgl. grundlegend: OVG Schleswig, Beschluss vom 06.08.1991 – 4 M 109/91 – SchlHA 1991, 220).

23

Die danach vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Die mit Sofortvollzug ausgestatte Zuweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. November 2015 erweist sich bei der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht als offensichtlich rechtswidrig.

24

Rechtsgrundlage der streitigen Zuweisungsverfügung ist § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 6 Satz 1 PostPersRG. Danach ist eine dauerhafte Zuweisung einer dem Amt entsprechenden Tätigkeit auch ohne Zustimmung des Beamten zulässig bei Unternehmen, deren Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, wenn die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar ist.

25

Diese Vorschrift, die ihrem Wortlaut nach dauerhafte Zuweisungen erfasst, erlaubt in Einklang der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung erst recht auch vorübergehende Zuweisungen als vorläufige Maßnahmen, insbesondere wenn einem Beamten dauerhaft eine beamtenrechtlich zumutbare Tätigkeit beim von der Aktiengesellschaft beherrschten Unternehmen zugewiesen werden soll, der Dienstherr aber wegen der (vermeintlich) unzureichenden Beteiligung des Betriebsrats zunächst eine vorläufige, vorübergehende Zuweisung verfügt (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10.10.2006, 12 L 1161/06; VG Köln, Beschluss vom 06.12.2006 - 15 L 1238/06; VG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2007, 17 K 4230/07; OVG NRW, Beschluss vom 09.09.2013, 1 B 748/13; OVG Schleswig, Beschluss vom 29.11.2007, 3 MB 48/07; a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7.12.2012, 5 ME 262/12 - alle juris). Das OVG Schleswig (a.a.O.) führte hierzu aus:

26

„Es spricht Überwiegendes dafür, dass die hier erfolgte nur befristete Zuweisung nicht der Zustimmung der Antragstellerin bedurfte. Allerdings ist der Antragstellerin zuzugeben, dass der Wortlaut des § 4 Abs. 4 PostPersRG insoweit nicht eindeutig ist. Denn während § 4 Abs. 4 Satz 1 PostPersRG die "vorübergehende" Zuweisung des Beamten mit seiner Zustimmung zu "einem Unternehmen" vorsieht, regelt § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG ausdrücklich nur die Möglichkeit der "dauerhaften" Zuweisung zu "Unternehmen, deren Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist". Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürfte hieraus jedoch nicht zu schließen sein, dass die vorübergehende Zuweisung zu Unternehmen im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG der Zustimmung des Beamten bedarf bzw. nicht auf § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG gestützt werden kann. Ob eine Zuweisung zustimmungsbedürftig ist, richtet sich nicht danach, ob sie auf Dauer angelegt oder nur vorübergehender Natur ist. Die Zustimmungsbedürftigkeit hängt vielmehr davon ab, ob eine Zuweisung an ein Tochterunternehmen erfolgt, das sich zumindest mehrheitlich "in der Hand" der Aktiengesellschaft befindet, bei der der Beamte beschäftigt ist. Nur wenn das nicht der Fall ist, bedarf es nach § 4 Abs. 4 Satz 1 PostPersRG der Zustimmung des Beamten. Diese Differenzierung ergibt sich schon aus der Systematik des § 4 Abs. 4 PostPersRG. Sie beruht darauf, dass eine Zuweisung des Beamten zu einem Unternehmen, das die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt, als so wenig gravierender Einschnitt angesehen wird, dass dieser organisatorische Akt nicht von einer Zustimmung abhängig zu machen ist. Der Beamte erscheint insoweit nicht "schutzbedürftig". Denn die beamtenrechtliche Bindung an die die Dienstherrneigenschaft ausübende Aktiengesellschaft wird auch bei der Tätigkeit in einer in deren Hand befindlichen Tochtergesellschaft weitgehend gewahrt. Dem entsprechend ist (sogar) eine dauerhafte Zuweisung zu dieser Tochtergesellschaft zulässig. Dass aber der Beamte, der einem Unternehmen im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG nur vorübergehend zugewiesen wird, gegenüber demjenigen, dessen Zuweisung zeitlich unbegrenzt ist, ein besonderes Schutzbedürfnis genießen sollte, dem nur mit dem Kriterium der Zustimmungsbedürftigkeit Rechnung getragen werden kann, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die nur vorübergehende Zuweisung an ein Tochterunternehmen im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG in dieser Vorschrift als "Minus" enthalten und nicht an die Zustimmung des Beamten gekoppelt ist. Dafür spricht auch die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 432/04 S.10).“

27

Unter den in § 6 PostPersRG genannten zusätzlichen Voraussetzungen kann (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 3 PostPersRG) dem Beamten vorübergehend auch eine Tätigkeit zugewiesen werden, deren Wertigkeit einem Amt mit geringerem Endgrundgehalt entspricht. Der Zweck des § 6 PostPersRG liegt darin, dem privatisierten, zuvor öffentlichen Unternehmen, das grundsätzlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden muss, rechtliche Möglichkeiten zu geben, die erforderliche betriebliche Flexibilität herzustellen. Gemäß § 6 Satz 1 PostPersRG kann ein Beamter unter Belassung seiner Amtsbezeichnung und unter Fortzahlung der Dienstbezüge vorübergehend auf einem Arbeitsposten verwendet werden, dessen Wertigkeit einem Amt mit geringerem Grundgehalt entspricht, wenn betriebliche Gründe es erfordern und die Tätigkeit und der Vorbildung oder Berufsausbildung zumutbar ist. Die Verwendung steht einer Beförderung im Rahmen einer regelmäßigen Laufbahnentwicklung nicht entgegen. Nur wenn die Verwendung länger als zwei Jahre dauert, bedarf sie der Zustimmung des Beamten.

28

Die formellen Voraussetzungen für den Erlass der streitigen Verfügung liegen vor. Der Antragsteller ist insbesondere hinreichend angehört (§ 28 VwVfG) und die Betriebsräte sind ordnungsgemäß beteiligt worden (§§ 28 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1, 4 Abs. 4 S. 2 PostPersRG iVm § 76 Abs. 1 BPersVG; § 99 BetrVG). Der Betriebsrat CSH ist von der beabsichtigten Zuweisung unterrichtet und um Zustimmung gebeten worden. Gemäß § 29 PostPersRG hat der Betriebsrat, wenn er seine Zustimmung zu verweigern gedenkt, dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen. Da der Betriebsrat vorliegend seine Zustimmung nicht verweigert, sondern innerhalb der Frist keine Stellungnahme abgegeben hat, gilt seine Zustimmung als erteilt, vgl. § 29 Abs. 2 S. 2 PostPersRG.

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Auch materiell ist die Zuweisungsverfügung nicht zu beanstanden. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 und § 6 S. 1 PostPersRG liegen vor.

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Bei der TSI handelt es sich um ein Tochterunternehmen der Antragsgegnerin und damit um ein Unternehmen im Sinne von § 4 Abs. 4 PostPersRG.

31

Obgleich dies nicht mehr Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 4 PostPersRG in der aktuell anzuwendenden Fassung vom 28.05.2015 ist, hat sich die Antragsgegnerin überdies auch auf das Vorliegen eines dringenden betrieblichen oder personalwirtschaftlichen Interesses der Aktiengesellschaft berufen. Die Zuweisung ist jedenfalls geeignet, den Anspruch des Antragstellers auf Übertragung einer - wenn auch vorübergehend unterwertigen - Beschäftigung zu erfüllen und diente deshalb zumindest auch einem personalwirtschaftlichen Interesse. Dem steht nicht entgegen, dass man seitens des Tochterunternehmens - offenbar aufgrund des gerichtlichen Eilverfahrens - nicht mit einem Erscheinen des Antragstellers rechnete und ihm am ersten Arbeitstag keinen Computer zuteilen konnte. Der Antragsteller, dessen Arbeitsplatz bei der Antragsgegnerin ersatzlos weggefallen ist, konnte bisher nicht wieder dauerhaft beschäftigt werden. Ohne die vorübergehende Zuweisung wäre der Antragsteller unter Verstoß gegen die beamtenrechtlichen Grundsätze (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22.06.2006 - 2 C 26/05 - juris.) weiterhin ohne tatsächliche Beschäftigung. Das Gebot, einem beschäftigungslosen Beamten bei Tochter- oder Enkelgesellschaften eine Tätigkeit zuzuweisen, folgt für die Antragsgegnerin aus der betriebswirtschaftlichen Erwägung, dass die von ihr weiter alimentierten Beamten auch eine Arbeitsleistung für den Konzern erbringen sollen. Hierdurch sind zugleich die nach § 6 PostPersRG erforderlichen betrieblichen Gründe belegt, die die vorübergehende Beschäftigung auf einem nicht amtsangemessenen Posten zulassen.

32

Der Antragsteller als Inhaber des Statusamtes eines Technischen Fernmeldeamtsrats (Besoldungsgruppe A 12) kann gemäß Art. 33 Abs. 5 GG beanspruchen, dass ihm ein abstrakt–funktionelles Amt sowie ein amtsangemessenes konkret-funktionelles Amt, d.h. ein entsprechender Dienstposten übertragen werden. Das statusrechtliche Amt wird grundsätzlich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn und Laufbahngruppe, durch das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe und durch die dem Beamten verliehene Amtsbezeichnung gekennzeichnet. In abstrakter Weise wird dadurch seine Wertigkeit in Relation zu anderen Ämtern zum Ausdruck gebracht. Das Amt im funktionellen Sinne bezieht sich auf die dienstlichen Aufgaben des Beamten. Das konkret–funktionelle Amt, der Dienstposten, bezeichnet die dem Beamten tatsächlich übertragenen Funktionen, seinen Aufgabenbereich (BVerwG, Urteil vom 22.Juni 2006, a.a.O.). Da es weder bei den Postnachfolgeunternehmen noch bei den Tochter- und Enkelunternehmen Dienstposten, Laufbahnen und Laufbahngruppen für die dort beschäftigten Beamten gibt, ist der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung in diesen privatrechtlich organisierten Unternehmen als verwirklicht anzusehen, wenn er dauerhaft in eine Organisationseinheit eingegliedert wird (vgl. dazu VGH München, Beschluss vom 26.April 2010 - 15 CS 10.419 -; VG Regensburg, Beschluss vom 10.November 2010 - RN 1 S 10.1854 - beide juris) und ihm ein abgrenzbarer abstrakter und konkreter Kreis von Aufgaben des Unternehmens übertragen wird, der dem innegehabten beamtenrechtlichen Status jeweils nach seiner Wertigkeit entspricht (vgl. § 8 PostPersRG, § 18 BBesG). Die Übertragung eines abstrakten Tätigkeitsbereichs erfordert die Zuweisung eines Kreises von bei dem aufnehmenden Unternehmen eingerichteten Arbeitsposten, deren Zuordnung zu dem Statusamt des Beamten nach ihrer Wertigkeit möglich ist. Der konkrete Aufgabenbereich ist der Arbeitsposten, der dem Beamten zur Bearbeitung bzw. Erledigung bestimmter Angelegenheiten seiner Beschäftigungsdienststelle, d.h. der Organisationseinheit des aufnehmenden Unternehmens aktuell übertragen wird. Die Übertragung des abstrakten wie auch des konkreten Aufgabenbereichs muss bereits in der Zuweisungsverfügung selbst erfolgen, damit hinreichend gewährleistet ist, dass die Ausübung der dienstrechtlichen Befugnisse bei dem Postnachfolgeunternehmen selbst verbleibt und nicht dem aufnehmenden Unternehmen überlassen wird (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 08.Februar 2011 - 12 L 1212/10 -; VG Ansbach, Beschluss vom 02.Juni 2010 - AN 11 S 10.00953 -, beide juris).

33

Dies ist in der angefochten Verfügung in ausreichendem Maße geschehen.

34

Die dem Antragsteller zugewiesene Tätigkeit entspricht nach summarischer Prüfung einer lediglich leicht unterwertigen Tätigkeit im Vergleich zu seiner innegehabten Besoldungsgruppe und des ihm verliehenen statusrechtlichen Amtes (Besoldungsgruppe A 12). Die Antragsgegnerin hat bereits in der Zuweisungsverfügung den skizzierten Aufgabenbereich und die einzelnen Tätigkeiten des Antragstellers als „Systemingenieur III“ – operativ – im Einzelnen beschrieben. Sie hat überdies in ihrer Erwiderung vom 7. Dezember 2015 dargelegt, dass die Tätigkeit dem Antragsteller aufgrund seiner Vorbildung und Berufsausbildung zumutbar ist. Entgegen der Ansicht des Antragstellers steht sein für die auszuübende Tätigkeit vermeintlich veraltetes Fachwissen der streitgegenständlichen Zuweisung nicht entgegen. Der Einwand verdeutlicht vielmehr die Dringlichkeit einer umgehenden Rückführung des Antragstellers in den Arbeitsprozess. Die Kammer pflichtet der Antragsgegnerin auch darin bei, dass - soweit der Antragsteller gegenwärtig noch nicht über ausreichende Kenntnisse für die avisierte Tätigkeit verfügen sollte - als Beamter verpflichtet ist, sich entsprechend fortzubilden bzw. schulen zu lassen.

35

Die Zuweisung ist schließlich auch nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar. Sie stellt insbesondere keinen Verstoß gegen die Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin dar und ist ermessensfehlerfrei ergangen.

36

Als Beamter hat der Antragsteller im Grundsatz mit der Möglichkeit einer Versetzung - und damit auch mit einer wesensgleichen Maßnahme wie einer Zuweisung - zu rechnen und kann deshalb regelmäßig nur bei Vorliegen schwerwiegender persönlicher Gründe oder außergewöhnlicher Härten geltend machen, dem dienstlichen Interesse sei in unzumutbarer Weise gegenüber den privaten Belangen der Vorrang gegeben worden. Solche schwerwiegenden persönlichen Gründe oder außergewöhnlichen Härten, die der Zuweisung ausnahmsweise entgegenstehen und das Interesse der Antragsgegnerin an einer Besetzung des zugewiesenen Arbeitspostens mit dem Antragsteller überwiegen könnten, vermag die Kammer vorliegend nicht zu erkennen.

37

Die Entfernung des neuen Dienstortes zum Wohnort begegnet weder rechtlichen Bedenken noch begründet diese eine unzumutbare Belastung. Die Antragsgegnerin ist nicht dazu verpflichtet, dem Antragsteller in jedem Fall einen Dienstposten in der Nähe seines Wohnortes zur Verfügung zu stellen. Ein Einsatz an einem anderen Ort kommt auch nicht nur dann in Betracht, wenn der dort zur Verfügung stehende Dienstposten anderweitig nicht besetzt werden kann. Die Auffassung des Antragstellers, die Antragsgegnerin müsse prüfen, ob nicht in … ansässige beschäftigungslose Beamte mit gleicher Qualifikation für den ihm übertragenden Aufgabenbereich zur Verfügung stünden, geht bereits deshalb fehl, weil die Antragsgegnerin verpflichtet ist, dem Antragsteller amtsangemessen zu beschäftigen. Im Rahmen des § 4 Abs. 4 PostPersRG ist daher grundsätzlich keine Auswahlentscheidung zu treffen, sondern eine Entscheidung, die eine amtsangemessene Beschäftigung intendiert. Dies schließt es aus, den Antragsteller weiterhin im Zustand der Untätigkeit zu belassen. Ebenso wie die Möglichkeit der Versetzung aufgrund eines dienstlichen Bedürfnisses ist auch die Zuweisung eines anderen Aufgabenbereiches an einem anderen Ort dem Beamtenverhältnis immanent. Jeder Beamte hat daher unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen mit einer solchen Maßnahme zu rechnen und daraus etwa im persönlichen Bereich entstehende Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen. Es ist dem Antragsteller anheimgestellt, die Distanz zwischen Wohn- und Dienstort täglich zu pendeln oder - wie auch von der Antragsgegnerin vorgeschlagen - sich kurzfristig eine Zweitwohnung in der Nähe der Dienststelle zu suchen.

38

Die Einschätzung des Antragsstellers, dass ein Zweitwohnsitz trotz beamtenrechtlicher Alimentation nicht finanzierbar sei, entbehrt jeglicher Grundlage und erscheint realitätsfern. Gleiches gilt in Bezug auf die kunsthandwerkliche Nebentätigkeit der Ehefrau, die der Familie als finanziell unverzichtbare Einnahmequelle diene. Zum einen sind die Bezüge eines Beamten auf die gesamte Familie ausgelegt, zum anderen erscheinen die Ausführungen zum wirtschaftlichen Ertrag der Ehefrau unsubstantiiert und wenig plausibel.

39

Die Zuweisung ist schließlich auch nicht deshalb unzumutbar, weil die Ehefrau des Antragstellers an schweren Herzrhythmusstörungen leidet und nach den Ausführungen des Antragsstellers auf dessen ständige Hilfe angewiesen ist. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dürfte es dem Antragsteller ungeachtet des Dienstortes bereits schwer fallen seinen beamtenrechtlichen Dienstpflichten nach § 61 Abs. 1 S. 1 BBG nachzukommen. Denn auch bei einer wohnortnäheren Zuweisung wäre der Antragsteller 7,2 Stunden an seinem Arbeitsplatz zuzüglich der Zeit für An- und Abreise, so dass er einen wesentlichen Teil des Tages auch dann nicht für die Betreuung seiner Ehefrau zur Verfügung stünde. Von der Möglichkeit der „ständigen“ Betreuung seiner Ehefrau, die ihm durch die Zuweisung nach … genommen wird, kann daher nicht die Rede sein. Eine solche ist nur möglich bei der gegenwärtigen Beschäftigungslosigkeit des Antragstellers. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass private oder professionelle Hilfe zumindest unter der Woche durch Dritte geleistet werden kann.

40

Den Bedenken des Antragstellers, seine Zuweisung nach … sei eine Schikanemaßnahme, entbehrt ebenfalls der Grundlage. Das seitens der Tochtergesellschaft am ersten Arbeitstag nicht mit einem Erscheinen des Antragstellers gerechnet wurde, liegt nach hiesiger Auffassung eher an dem hiesigen Eilverfahren, dessen Ausgang die Antragsgegnerin zunächst abwarten wollte.

41

Das von der Antragsgegnerin dargelegte und begründete Sofortvollzugsinteresse trägt auch materiell die Anordnung des Sofortvollzuges. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es nach dem Vortrag der Antragsgegnerin nicht möglich ist, den Antragsteller zurzeit anderweitig zu beschäftigen. Mit der Zuweisung von Tätigkeiten in einem Tochterunternehmen trägt die Antragsgegnerin dem verfassungsrechtlich garantierten Rechtsanspruch des Antragstellers auf amtsangemessene Beschäftigung Rechnung. Darüber hinaus liegt das besondere öffentliche Interesse an der Zuweisung des Antragstellers darin, dass anderenfalls zusätzliches Personal auf dem Arbeitsmarkt rekrutiert werden müsste und auf der anderen Seite der Antragsteller als Bundesbeamter eine Dienstleistungsverpflichtung hat, über die er entsprechend seiner Besoldungsgruppe auch alimentiert wird.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1; der Wert des Streitgegenstandes ist gem. §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden.


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