Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 B 25/16

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag,

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1. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Reisepass der Antragstellerin mit der Nr. xxxxxxxxxx, gültig vom xx.03.2010 bis zum xx.03.2020, einzuziehen und

3

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr vorläufig einen Bundespersonalausweis mit folgendem Inhalt auszustellen und zu übergeben:

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A. A., geborene C.

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A-Straße

6

A-Stadt

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Staatsangehörigkeit: Deutsch

8

Geburtstag xx.xx.19xx

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hat keinen Erfolg.

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Der Antrag zu 1. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Unterlassung der Einziehung des Reisepasses ist unzulässig.

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Bei der von der Antragstellerin befürchteten Einziehung des Reisepasses nach § 12 Passgesetz handelt es sich um einen Verwaltungsakt (vgl. Medert/Süßmuth, Passrecht, 3. Aufl. § 12 Rn. 3; VG Stuttgart, B. v. 17.07.2008 - 11 K 1270/08 -, VG Ansbach, B. v. 17.05.2000 - AN 5 E 00.00364 -, beide juris). Gegen belastende Verwaltungsakte ist nach der Systematik der VwGO vorläufiger Rechtsschutz allein nachträglich im Wege des § 80 VwGO vorgesehen; dies ergibt sich aus der Vorrangregelung in § 123 Abs. 5 VwGO. Die Antragstellerin muss daher die Einziehungsverfügung abwarten und kann dann dagegen Widerspruch einlegen, der aufschiebende Wirkung hätte. Sollte die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung anordnen, wäre ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig.

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Das Gleiche gilt für die von der Antragstellerin zwar im Antrag nicht ausdrücklich bezeichnete, aber ebenfalls befürchtete Sicherstellung des Reisepasses nach § 13 PassG. Darunter ist die in der Regel mündlich angeordnete Beendigung des Gewahrsams des Eigentümers und Begründung neuen Gewahrsams durch die Verwaltung zu verstehen; die Sicherstellung kommt einer Beschlagnahme gleich (vgl. Medert/Süßmuth, a.a.O., § 13 Rn. 2). Diese ist gem. § 13 Abs. 2 PassG schriftlich zu bestätigen ist. Auch hierbei handelt es sich entgegen der Ansicht der Antragstellerin um einen Verwaltungsakt. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach § 14 PassG Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Sicherstellung (aufgrund ihres Charakters als vorübergehende Sicherungsmaßnahme) keine aufschiebende Wirkung haben. Auch hier wäre vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO möglich, der bei bereits erfolgter Sicherstellung auch im Wege der Aufhebung der Vollziehung erfolgen könnte.

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Auch bei einer von der Antragstellerin angeregten entsprechenden Umdeutung des Antrages wäre dieser unzulässig. Denn eine Sicherstellung ist bislang nicht erfolgt; die Antragstellerin ist - wie die Antragsgegnerin am 09.08.2016 nochmals telefonisch bestätigt hat - nach wie vor im Besitz ihres Reisepasses. Bei dem vom Prozessbevollmächtigen der Antragstellerin geschilderten Telefonat, in dem dieser einen mündlichen Verwaltungsakt gesehen hat, dürfte es sich um eine vorbereitende Ankündigung gehandelt haben. Das gleiche gilt für das Schreiben der Antragsgegnerin vom 21.04.2016, mit dem die Antragstellerin zur Vorsprache und Vorlage ihrer Ausweisdokumente aufgefordert wurde. Auch dies stellt eine nicht eigenständig anfechtbare Verfahrenshandlung dar. Der von der Antragstellerin inzwischen eingelegte Widerspruch ist deshalb wie auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig.

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Für den von der Antragsstellerin der Sache nach beantragten vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz fehlt das erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse. Dies ist nur dann gegeben, wenn der Verweis auf den nachträglichen Rechtsschutz des § 80 Abs. 5 VwGO mit unzumutbaren, nicht mehr rückgängig zu machenden Nachteilen verbunden ist (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. Rn. 104 m.w.N.). Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, denn auch ein sichergestellter oder eingezogener Pass könnte der Antragstellerin nach einer entsprechenden positiven Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kurzfristig wieder ausgehändigt werden.

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Der Antrag zu 2. ist nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet.

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Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen. Erforderlich ist danach das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs. Dabei sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes und eines Anordnungsanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die - wie hier - die Entscheidung in der Hauptsache teilweise vorwegnimmt, kommt nur dann in Betracht, wenn Rechtsschutz in der Hauptsache nicht rechtzeitig erlangt werden kann und dies zu schlechthin unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteilen für die Antragsteller führt, die sich auch bei einem Erfolg in der Hauptsache nicht ausgleichen lassen. Zudem muss mindestens eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache bestehen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 30.09.1994 - 3 M 49/94 - SchlHA 1995, 22 und v. 30.08.2005 - 3 MB 38/05 - juris).

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Es fehlt hier an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin macht insoweit geltend, sie könne ihrer Ausweispflicht aus § 1 Personalausweisgesetz nicht nachkommen, da ihr Personalausweis abgelaufen ist und die Antragsgegnerin ihr den beantragten neuen Ausweis noch nicht ausgestellt hat. Die Ausweispflicht kann jedoch auch durch Vorlage des Passes erfüllt werden (§ 1 Abs. 2 Satz 3 PAuswG). Da sie diesen derzeit in Besitz hat, fehlt es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit.

18

Es fehlt im Übrigen auch an der erforderlichen sehr hohen Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache. Die Antragstellerin beantragt die Ausstellung eines Bundespersonalausweises unter dem im Antrag genannten Namen. Maßgeblich dafür, welcher Name eingetragen wird, sind die Angaben im Personenstandsregister und den darüber ausgestellten Personenstandsurkunden (vgl. z.B. BVerwG Urteil vom 29.09.1992 - 1 C 41/90 - juris Rn. 21; VG Düsseldorf Urteil vom 13.12.2012 - 24 K 3230/12 - juris Rn. 17). Wenn - wofür die Aktenlage spricht - sich der beantragte Name (schon wegen der fehlenden Ehenamenserklärung) nicht aus den Personenstandsurkunden ergibt, besteht auch kein Anspruch auf Ausstellung eines entsprechenden Personalausweises. Vertrauensschutzgesichtspunkte dürften dem nicht entgegenstehen, denn die Verwaltung ist grundsätzlich berechtigt, als rechtswidrig erkanntes Verwaltungshandeln zu beseitigen und durch rechtmäßiges Handeln zu ersetzen, d.h. bei Beantragung eines neuen Personalausweises auf der Verwendung des zutreffenden Namens zu bestehen (VG Düsseldorf a.a.O. Rn. 21 f.) Ein Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises, der unrichtige Angaben enthält, dürfte sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht herleiten lassen.

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Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.


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