Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (2. Kammer) - 2 B 65/16
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 1.150,11 € festgesetzt.
Gründe
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Das vorläufige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.
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Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in dieser Sache parallel anhängig gemachten Anfechtungsklage (2 A 140/16) stellt die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO iVm § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthafte Rechtsschutzform dar und ist auch im Übrigen nach Ablehnung des zuvor gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung zulässig (§ 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO); er ist jedoch unbegründet.
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In öffentlichen Abgaben- und Kostensachen kommt nach der Rechtsprechung der Kammer die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer erhobenen Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO nur in Betracht, wenn auf Grund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, der mit dem in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO geregelten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten - um eine solche handelt es sich bei der vorliegend streitbefangenen Zweitwohnungssteuerveranlagung - zum Ausdruck gebracht hat, dass eine solche Abgabe regelmäßig zunächst zu erbringen ist, und dass das Risiko, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen, den Zahlungspflichtigen trifft. Dementsprechend ist ein Anordnungsantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur dann erfolgreich, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ernstlichen Zweifeln begegnet oder wenn die Vollziehung für den abgaben- bzw. kostenpflichtigen Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Bei Anwendung dieses Maßstabs unterliegt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 6.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 über die Heranziehung des Antragstellers zur Zweitwohnungssteuer, Festsetzung für 2011 bis 2014 und Vorauszahlung für 2015, nach dem Erkenntnisstand der Kammer keinen ernstlichen Zweifeln. Ein Erfolg der parallel zum Aktenzeichen 2 A 140/16 erhobenen Klage ist nicht überwiegend wahrscheinlich.
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Der angefochtene Steuerbescheid des Antragsgegners vom 6.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
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Rechtsgrundlage der Festsetzung der Zweitwohnungssteuer ist § 3 KAG in Verbindung mit den Bestimmungen der zum 1.01.2000 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde W-Stadt (ZWStS) in der Fassung des 1. und 2. Nachtrags, letzterer mit einer Erhöhung des Steuersatzes auf 12 statt zuvor 10 % ab 1.01.2012
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Nach § 1 dieser Satzung erhebt die Gemeinde W-Stadt eine Zweitwohnungssteuer. Steuergegenstand ist gemäß § 2 ZWStS das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken seines persönlichen Lebensbedarfs oder dem seiner Familienmitglieder verfügen kann.
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Der Antragsteller erfüllt den Steuertatbestand des § 2 ZWStS, denn er war in den Jahren 2011 bis 2015 Inhaber einer Zweitwohnung im Gebiet der Gemeinde S-Stadt, über die er zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs verfügen konnte.
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Da der Antragsteller und seine Ehefrau gemeinschaftlich die Zweitwohnung innehatten, sind sie bezüglich der Zweitwohnungssteuer gemäß § 3 Abs. 2 ZWStS Gesamtschuldner. Dies hat zur Folge, dass jeder von ihnen als Gesamtschuldner zur gesamten Zweitwohnungssteuer veranlagt werden kann. Es ist dann Sache der Gesamtschuldner, sich intern zivilrechtlich hinsichtlich dieser Steuer auseinanderzusetzen.
- 10
Die Zweitwohnungssteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer, die den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfasst. Die Aufwandsteuer besteuert die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Inhabers.
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Ein besteuerbarer konsumtiver Aufwand liegt bei einer Zweitwohnung jedoch dann nicht vor, wenn es sich um eine reine Kapitalanlage handelt, weil diese Wohnung dann zu keinem Zeitpunkt der persönlichen Lebensführung dient und keine Verwendung von Einkommen oder von Vermögen zur Befriedigung eines über den allgemeinen Lebensbedarf hinausgehenden Aufwands darstellt. Auf die Dauer des Innehabens kommt es bei der Abgrenzung zur reinen Kapitalanlage generell nicht an. Auch der vorübergehende Gebrauch stellt einen steuerpflichtigen Aufwand dar, wenn er der persönlichen Lebensführung dient.
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Für die Erfüllung des Steuertatbestandes kommt es auch nicht auf die tatsächliche Nutzung durch den Wohnungsinhaber an. Auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme der Zweitwohnung wird ein besteuerbarer Aufwand betrieben. Es genügt, wenn der Inhaber die Zweitwohnung auch für den eigenen Lebensbedarf oder den Lebensbedarf seiner Angehörigen vorhält und somit jedenfalls für eine zeitweilige Eigennutzung während des Veranlagungszeitraumes offen gehalten wird.
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Ob dies der Fall ist, ist anhand einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Maßgeblich für die subjektive Bestimmung des Verwendungszweckes der Zweitwohnung ist dabei nicht die unüberprüfbare innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers. Die innere Tatsache ist vielmehr auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände zu beurteilen. In diesem Sinne kommt es für den Nachweis der subjektiven Zweckbestimmung nur auf äußere Kriterien an. Der gesamte objektive Sachverhalt muss deshalb daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt.
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Dabei kann die steuererhebende Gemeinde von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vorträgt, die - wie etwa die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebietes, der Abschluss eines Dauermietvertrages, die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen usw. - die tatsächliche Vermutung erschüttern. Erhobene Einwände können die Gemeinden allerdings ihrerseits gegebenenfalls entkräften und dadurch die ursprüngliche tatsächliche Vermutung zugunsten des Steuertatbestandes wiederherstellen.
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Da die Zweitwohnungssteuer als Jahressteuer ausgelegt ist, lässt sich die Frage, ob und in welchem Umfang konsumtiver Aufwand in Folge des Vorhaltens einer Zweitwohnung im Erhebungsjahr betrieben wurde, nur rückschauend nach Ablauf des Steuerjahres abschließend beurteilen. Entscheidend sind in erster Linie die tatsächlichen Umstände im Erhebungsjahr.
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Hat der Zweitwohnungsinhaber die Zweitwohnung im Erhebungsjahr tatsächlich für den persönlichen Lebensbedarf genutzt, bedarf es nicht erst der Vermutung, dass diese (auch) für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wurde, denn die tatsächliche Nutzung setzt das Vorhalten der Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf voraus. In diesen Fällen besteht die Steuerpflicht, ohne dass es der Ermittlung weiterer Umstände bedarf, dem Grunde nach (OVG Schleswig, Urt. v. 20.04.2005, - 2 LB 61/04 -, Beschl. v. 25.05.2005, – 2 LB 55/04 -).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist für die streitbefangene Wohnung die Zweitwohnungssteuer dem Grunde nach für die Jahre 2011 bis 2014 entstanden.
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Der Antragsteller hat die tatsächliche Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung weder erschüttert noch widerlegt. Vielmehr lassen die zu bewertenden Umstände den Schluss zu, dass der Antragsteller die Zweitwohnung für den eigenen Lebensbedarf oder den seiner Familienangehörigen in den Jahren 2011 bis 2014 vorhielt.
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Hier liegt für den Veranlagungszeitraum zwar ein Vermittlungsvertrag vor, der aufgrund der Regelungen in § 4, dass sich der Eigentümer verpflichtet, „das Appartement an 365 Tagen im Jahr“ dem Vermittler „zur Vermietung zur Verfügung zu stellen und das Appartement ferner nicht selbst zu nutzen“, einen für die Indizwirkung gegenüber der Vermutung des Vorhaltens für den persönlichen Lebensbedarf und zugunsten Annahme einer reinen Kapitalanlage geeigneten Ausschluss der Eigennutzung enthält.
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Ein solcher Eigennutzungs- und damit auch Eigenbelegungsausschluss in einem Vermittlungsvertrag ist jedoch nur dann geeignet, die Vermutung des Vorhaltens der Wohnung für persönliche Zwecke zu widerlegen, wenn dieser Ausschluss auch tatsächlich „gelebt“ wird (OVG Schleswig, Beschl. v. 23.09.2013, - 4 LA 59/13 -). Liegt also ein solcher vertraglicher Eigennutzungs- und Eigenbelegungsausschluss vor, sind grundsätzlich alle eigenen oder von ihm gewährten Nutzungen durch den Eigentümer geeignet, Zweifel daran zu begründen, ob der Ausschluss wirklich angewandt also „gelebt“ wird.
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Im vorliegenden Fall muss festgehalten werden, dass die Regelungen zum Eigennutzungsausschluss im Vermittlungsvertrag in den Jahren 2011 bis 2014 bereits wegen der eingeräumten jeweils 21 Tage umfassenden Eigennutzung zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten tatsächlich nicht gelebt worden sind und schon deshalb ungeeignet sind, die zunächst zugunsten des Antragsgegners geltende Vermutung der Vorhaltung der Zweitwohnung (auch) für Zwecke der persönlichen Lebensführung zu widerlegen, was aber erforderlich wäre, um die Annahme einer reinen Kapitalanlage zu rechtfertigen.
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Für die Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht für die 2015 (Vorauszahlung) gem. § 6 Abs. 2 S. 2 ZWStS ist von entscheidender Bedeutung, dass sich die maßgebliche Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Jahre beschränken kann, sondern nur eine Gesamtschau über einen mehrjährigen Zeitraum geeignet ist, hinreichend sicher zu beurteilen, ob es sich um eine Kapitalanlage handelt oder nicht.
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Insofern wirkt für die Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht noch nach, was an tatsächlichen Umständen in 2011 bis 2014 durchgreifende Zweifel an der Umsetzung der Eigennutzungsregeln rechtfertigte. Hinsichtlich der Beurteilung des Vorauszahlungsbescheides für 2015 ist zudem zu beachten, dass es insoweit angesichts des Charakters als Vorauszahlung nicht auf eine rückschauende Betrachtung - hier auf das Veranlagungsjahr 2015 -, sondern auf die Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt des Bescheides ankommt, sodass auch für die Vorauszahlung auf die bis zum 6.11.2015 bekannten gemachten Tatsachen abzustellen ist (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 12.11.2014, - 2 A 58/14 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 22.04.2015, - 2 LA 9/15 -). Erst im Rahmen der Beurteilung der endgültigen Festsetzung der Zweitwohnungssteuer für 2015 kann ein inzwischen geändertes Verhalten in Bezug auf die Beachtung des Eigennutzungsausschlusses berücksichtigt werden.
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Auch die Höhe der Festsetzungen und der Vorauszahlung ist hier nicht zu beanstanden.
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Gemäß § 4 Abs. 1 ZWStS bemisst sich die Steuer nach dem Mietwert der Wohnung, multipliziert mit dem Verfügbarkeitsgrad gemäß Abs. 5. § 4 Abs. 5 ZWStS unterscheidet den Umfang der Verfügbarkeit der Zweitwohnung für den Inhaber (Verfügbarkeitsgrad) nach voller/nahezu voller Verfügbarkeit (100 %), mittlerer Verfügbarkeit (65 % = bis zu 219 Tagen) und beschränkter Verfügbarkeit (55 % = bis zu 159 Tage).
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Unter Verfügbarkeitstagen im vorgenannten Sinn ist die Anzahl der Tage des Erhebungsjahres zu verstehen, in denen die Wohnung nicht fremdvermietet ist. Folgerichtig ist bei den vorliegenden Vermietungstagen von maximal 130 Tagen und damit mehr als 219 Tagen ohne Vermietung zu Recht von einer vollen Verfügbarkeit ausgegangen worden.
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Mit der Staffelung der Zweitwohnungssteuer entsprechend der Anzahl der Verfügbarkeitstage sollten Verfassungsverstöße vermieden werden, die eintreten können, wenn ausnahmslos, auch in den Fällen, in denen die Wohnung sowohl fremdvermietet als auch für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird (Mischnutzung), der Jahresmietwert der Steuerberechnung zugrunde gelegt wird. Gem. der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 27.10.2004 - 10 C 2.04 -) sind Leerstandszeiten grundsätzlich (allein) den Zeiträumen zuzurechnen, in denen die Wohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten wird. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 26. September 2001 (- 9 C 1.01 -) erneut entschieden, dass die Erhebung des vollen Jahresbetrages der Zweitwohnungssteuer nicht unverhältnismäßig ist, wenn der Inhaber über eine rechtlich gesicherte Eigennutzungsmöglichkeit der Zweitwohnung von mindestens 2 Monaten im Jahr verfügt.
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Danach kann der Inhaber einer Zweitwohnung, wenn die Eigennutzungsmöglichkeit den Zeitraum von 2 Monaten unterschreitet, nur nicht zur vollen Jahressteuer herangezogen werden. In welcher Weise die Steuererhebung für Zeiträume einer möglichen Eigennutzung von weniger als 2 Monaten gestaffelt wird, unterliegt der Satzungsautonomie der steuererhebenden Gemeinde. Insoweit genügt eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte pauschalierende Aufsplittung des Jahresbetrages in wenige Stufen. Dem trägt die hier anzuwendende Satzung Rechnung.
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Auch die Auffassung, dass eine Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2011 wegen Ablauf der Festsetzungsverjährung unzulässig sei, ist unzutreffend. Gemäß § 15 KAG beträgt die Festsetzungsfrist abweichend von § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO vier Jahre. Gemäß § 11 KAG findet auf die Festsetzung und Erhebung von kommunalen Abgaben das Landesverwaltungsgesetz Anwendung. Im Übrigen ist die Abgabenordnung sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist aber erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist, mithin im vorliegenden Fall für die Forderung für 2011 erst am 1.01.2012, sodass die Festsetzung für 2011 mit Bescheid vom 6.11.2015 noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist erfolgte.
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Der Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für den Hausteil S-Straße 17 b kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die bestandskräftige Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die ebenfalls im Eigentum des Antragstellers stehende Wohnung im Hausteil S-Straße 17 c zu Unrecht erfolgt sei, da seit 2010 jene Wohnung nicht - mehr - vom Antragsteller genutzt worden sei.
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Soweit der Antragsteller mit seinem Einwand eine etwaige Aufrechnung mit Rückzahlungsansprüchen geltend machen wollte, fehlt es sowohl an der erforderlichen Aufrechnungserklärung als auch an den Voraussetzungen für eine zulässige Aufrechnung. Ein Schuldner kann gem. § 387 BGB nur eine ihm gebührende Leistung mit der Aufrechnung durchsetzen. Seine Forderung muss vollwirksam und fällig und in jeder Beziehung begründet sein (MüKoBGB/Schlüter BGB § 387 Rn. 36, beck-online). Dem steht bereits die Bestandskraft der Heranziehungsbescheide für den Hausteil S-Straße 17 c entgegen. Zudem hätte der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin allenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen eventuellen Antrag auf Rücknahme der bestandskräftigen Zweitwohnungssteuerbescheide für den Hausteil S-Straße 17 c. Selbst dies würde zunächst die Rechtswidrigkeit der Heranziehung voraussetzen.
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Insoweit sei vorsorglich zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten für den Antragsteller bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Zweitwohnungssteuerpflicht nicht erst durch eine tatsächliche Nutzung, sondern bereits durch das Vorhalten und damit das Bestehen der Nutzungsmöglichkeit einer Zweitwohnung ausgelöst wird. Eine gegenüber der zuvor ausgeübten Praxis ab 2010 etwaig unterbliebene Eigennutzung des Hausteils S-Straße 17 c würde für sich allein genommen noch keine Freistellung von der Zweitwohnungssteuer rechtfertigen, zumal der Antragsteller in den Folgejahren keine entsprechenden Angaben über eine geänderte Nutzung gegenüber dem Antragsgegner gemacht hat.
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Außerdem ist selbst bei einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen eventuellen Antrag auf Rücknahme der bestandskräftigen Zweitwohnungssteuerbescheide für den Hausteil S-Straße 17 c zu beachten, dass im Regelfall das Ermessen rechtsfehlerfrei dahingehend ausgeübt werden kann, dass aus Gründen der Rechtssicherheit dem Fortbestand Vorrang eingeräumt wird. Eine Pflicht zur Rücknahme durch die Behörde aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null kommt nach ständiger Rechtsprechung nur in Betracht, wenn die Aufrechterhaltung des Bescheides schlechthin unerträglich wäre, die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit des Bescheides gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben verstieße oder die Behörde durch ihre Verwaltungspraxis in anderen Fällen in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zur Rücknahme verpflichtet wäre. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ist hierbei nur notwendige Bedingung dafür, eine Ermessensentscheidung überhaupt zu ermöglichen, jedoch keine hinreichende Begründung für eine Rücknahmepflicht.
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Dem Vorbringen des Antragstellers lassen sich schließlich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Forderungen von insgesamt 4.600,46 € eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, sodass der einstweilige Rechtsschutzantrag nach alledem mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen war.
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Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG und berücksichtigt entsprechend der ständigen Spruchpraxis der Kammer in vorläufigen Rechtsschutzverfahren der vorliegenden Art den maßgeblichen Wert mit ¼ des Wertes der streitbefangenen Abgabenforderung iHv 4.600,46 €.
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Referenzen
- § 170 Abs. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 4 LA 59/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 169 Abs. 2 Nr. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 7x
- BGB § 387 Voraussetzungen 1x
- 2 A 140/16 2x (nicht zugeordnet)
- 2 LB 61/04 1x (nicht zugeordnet)
- § 11 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- 2 LA 9/15 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG 3x (nicht zugeordnet)
- 2 A 58/14 1x (nicht zugeordnet)
- 2 LB 55/04 1x (nicht zugeordnet)