Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 28/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt Eilrechtschutz gegen den Widerruf einer Erlaubnis zum Betrieb einer Prostitutionsstätte.

2

Der Antragsgegner erteilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 4. November 2019 eine Erlaubnis für eine Betriebsstätte nach dem Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG). Bestandteil dieser Erlaubnis war ein vom Antragsteller eingereichtes Betriebskonzept. Danach sollten die täglichen Öffnungszeiten von 10:00 Uhr bis 1:00 Uhr andauern. Neben dem Antragsteller sollte ein selbstständiger Manager tätig werden, jede Prostituierte ihre Werbung selbstständig schaltet und selbst den Kontakt zum Gast herstellt. Es wurde zudem festgehalten, dass im Betrieb keine Schlafräume vorhanden sind und die Prostituierten nach Betriebsschluss die Räumlichkeiten verlassen. In einer als Anlage aufgenommenen Mustervereinbarung zwischen dem Antragsteller und den Prostituierten war unter anderem vorgesehen, dass von den Prostituierten täglich 60 € Zimmermiete entrichtet werden.

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Der Antragsteller nahm den Betrieb zum Ende des Jahres 2019 auf.

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Mit Bescheid vom 7. April 2020 widerrief der Antragsgegner die Erlaubnis unter Verweis auf §§ 23 Abs. 2 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG und ordnete unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Schließung an. Zur Begründung führte er aus: Der Antragsteller habe sich als unzuverlässig erwiesen. Gemäß § 26 Abs. 1 und 2 ProstSchG regelten die Prostituierten die Ausgestaltung der sexuellen Dienstleistungen in eigener Verantwortung mit den Kunden regeln. Weisungen oder Vorgaben bezüglich Art oder Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen seien unzulässig. Es lägen Gesprächsaufnahmen vor, in denen der Antragsteller entgegen dieser Vorschriften hartnäckig versuche, eine Prostituierte zum Anbieten von bestimmten Sexualpraktiken zu überreden, bei denen sie mehr Geld fordern könne. Wörtlich habe er gegenüber der Prostituierten geäußert: „… Du musst Pisse saufen und Scheiße fressen. Oder vielleicht auch Scheiße hin und her spielen, weißt du. Und vielleicht auch nen Zungenkuss geben mit der Scheiße und Pisse, ne …. Irgendwas müssen wir… Da kannst richtig Geld verdienen… Ich mag auch manche Sachen nicht. Aber ich muss, verstehst du. Und du musst halt den Arsch mal hinhalten oder besser gesagt den Natursekt trinken. Also entweder Natursekt oder AO. Was ist dir lieber? … Aber heute müssen wir mehr machen. Ich versteh nicht, was los ist. Hab dich so oft angeboten, ne. Weiß nicht, vielleicht musst du mehr machen. Heute gibst du gern Urin und trinkst auch mal heute, ok.“. Die Ausübung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Prostituierten werde durch seine Vorgaben derart eingeschränkt, dass es faktisch nicht mehr wahrgenommen werden könne. Es werde deutlich, dass die Prostituierte die verlangten sexuellen Dienstleistungen im Normalfall nicht anbiete und diese auch nicht anbieten wolle. Zudem habe er von der Prostituierten gefordert, die Vorstellungsrunde nur noch nackt zu machen. Diese Weisung stelle einen Eingriff in ihre geschützte Intimsphäre dar. Er habe außerdem Vorgaben über das Ausmaß der sexuellen Dienstleistungen gemacht, indem er mindestens drei Kunden am Tag von ihr gefordert habe. Zudem liege eine Gesprächsaufnahme vor, in der er die Prostituierte darüber informiere, Kenntnis von Hausbesuchen zu haben, bei denen sie kein Geld an ihn abgebe. In der Äußerung „… 1, 2 Tage und dann kommt das schnelle Ende… Das machst du nie wieder… Einmal noch du, dann kommt der Onkel … vorbei und der ist nicht gut auf dich zu sprechen. Wir haben uns verstanden.“ liege zudem eine ausgesprochene, einen Eindruck der Ernstlichkeit erweckende Drohung. Aus dem Auszug der Sprachnachrichten werde zudem deutlich, dass der Antragsteller der Einhaltung der Kondompflicht, auf die er nach § 24 Abs. 2 ProstSchG hinzuwirken habe, entgegenwirke. Zudem habe er eine weitere Prostituierte aufgefordert, einen Anteil von den Einnahmen, die sie durch die Ausübung von Prostitution erwirtschaftet habe, abzugeben bzw. mit der Aussage “Dann muss man dann halt in Naturalien zahlen“ sexuelle Dienstleistungen als Strafe für die Nichtabgabe von Einnahmen eingefordert. Zudem sei er in unzulässiger Weise von den Angaben im Betriebskonzept abgewichen, indem er eine Hausdame für die Überwachung des laufenden Betriebes und die Zahlungsabwicklung eingeführt, von den Prostituierten Prozente statt Tagesmiete verlangt, selbst Werbung geschaltet, und eine Nutzung der Betriebsräume zu Wohnzwecken durch die Prostituierten zugelassen habe.

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Er habe sich damit als unzuverlässig erwiesen. Mildere Mittel wie Auflagen oder Anordnungen kämen hier aufgrund der erheblichen Missachtung der Vorgaben des ProstSchG nicht in Betracht. Auch durch die bedrohliche Art und Weise der Kommunikation könne nicht auf seine Einsicht vertraut werden. Von einer Anhörung werde gemäß § 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG abgesehen, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug notwendig erscheine. Die dargelegten Gründe, die zum Widerruf der Erlaubnis führten, seien so gravierend, dass zum Schutze Prostituierten von einer Anhörung abgesehen werde. Der Widerruf solle noch in der wegen der Corona-Krise gesetzlich vorgegebenen Schließzeit ergehen.

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Zudem ordnete der Antragsgegner in dem Bescheid unter Verweis auf § 15 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) die Schließung der Betriebsstätte an. Indem der Antragsteller das Prostitutionsgewerbe in Abweichung von dem erlaubten Betriebskonzept betrieben habe, habe er es ohne Erlaubnis geführt. Zum Zwecke des Schutzes der weiteren Prostituierten sei eine Schließung des Betriebes notwendig. Ein milderes Mittel bestehe nicht. Bei einer Interessenabwägung stünden die Wiederherstellung der gültigen Rechtsnormen sowie der Schutz der Gesundheit und des Lebens der Prostituierten seinem wirtschaftlichen Interesse an dem Weiterbetrieb gegenüber. Der Schutz von Leib und Leben sei das höchste Rechtsgut eines Individuums, sodass sein wirtschaftliches Interesse dahinter zurücktrete. Um eine unbillige Härte zu vermeiden, werde ihm die Möglichkeit gegeben, seinen Betrieb bis zum 19. April 2020 endgültig abzuwickeln. Wegen der SARS-CoV2-Bekämpfungsverordnung sei der Betrieb derzeit bis zum 19. April 2020 geschlossen. Bereits erfolgte Reservierungen sollten daher nicht existieren. Die Frist werde auch gewährt, um eine drohende Wohnungslosigkeit der Prostituierten abzuwenden und die Immobilie vertragsgemäß übergeben zu können.

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Der Antragsteller ordnete zudem die sofortige Vollziehung an. Es bestehe eine anhaltende Störung der Rechtsordnung, hier des ProstSchG, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit und Gesundheit der in der Betriebsstätte tätigen Prostituierten. Durch die Art der Betriebsführung entstehe für diese eine erhebliche Gefahr, Nachteile in Bezug auf ihre Gesundheit oder sexuelle Selbstbestimmung zu erlangen. Die derzeit unerlaubt in der Betriebsstätte wohnenden Prostituierten würden sich immer noch im Einflussbereich des Antragstellers befinden. Es könne nicht darauf vertraut werden, dass er Auflagen oder Anordnungen zum Schutze der Prostituierten Folge leisten werde, was ein erhebliches Risiko für diese darstelle.

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Sodann drohte der Antragsgegner dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 4320 € für den Fall an, dass er die Vermietung an die Prostituierten nicht unverzüglich einstelle. Die Höhe des Zwangsgeldes setze sich aus der durchschnittlichen wöchentlichen Mieteinnahme einer Prostitutionsstelle mit sechs Prostituierten zusammen, die mit dem Faktor zwei multipliziert worden sei. Diese Höhe sei angemessen und geeignet, um ihn zu veranlassen, der Verfügung Folge zu leisten. Für den Fall der Nichtabwicklung des Betriebs bis zum 19. April 2020 drohte der Antragsgegner zudem ein Zwangsgeld in Höhe von 8640 € an. Ein Zwangsgeld in Höhe der durchschnittlichen monatlichen Einnahmen sei angemessen und geeignet, um den Antragsteller zu veranlassen, der Verfügung Folge zu leisten.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 17. April 2020 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass die vom Antragsgegner zur Begründung der Unzuverlässigkeit angeführten Beweismittel ihm nicht bekannt seien und er die Behauptungen mit Nichtwissen bestreite. Der Bescheid verstoße gegen das Willkürverbot und gegen gesetzliche Verwertbarkeitsvorschriften. Beweismittel seien grundsätzlich nur dann verwertbar, wenn es sich um Zeugenaussagen handele oder Beweismittel, die der Überprüfung zugänglich seien. Es sei gar nicht klar, von wem und in welcher Form die angeblichen Aufnahmen getätigt worden seien. Die Echtheit werde bestritten. Bei den Sprachnachrichten handele es sich außerdem um nicht-öffentlich gesprochenes Wort. Nach § 201 StGB sei dessen Abhören oder Mitschneiden strafbar und somit nicht verwertbar, wenn der Betroffene keine Zustimmung erteile. Er vermute, dass die Aufnahmen von einer Prostituierten stammten, die eklatant gegen mietrechtliche Bestimmungen verstoßen und sich nicht an die Schließungsverfügung gehalten habe. Sie habe erhebliche Belastungstendenzen, da er - der Antragsteller - mit ihr nicht weiter zusammenarbeiten wolle. Die Vorwürfe seien auch inhaltlich konstruiert. Aus den im Bescheid enthaltenen Auszügen ergebe sich allenfalls, dass gefragt werde, warum kein Umsatz generiert werde. Es handele sich um Fragen, und keine Vorgaben oder Anweisungen. Die Forderung von drei Kunden pro Tag sei erkennbar nicht zu verlangen, da dieser Erfolg weder von der Prostituierten, noch dem Besitzer des Bordells beeinflussbar sei. Eine ernstliche Drohung liege ebenfalls nicht vor. Einen „Onkel ….“ kenne er nicht. Aus den Aussagen ergebe sich auch kein Verstoß gegen die Kondompflicht. Die Aufforderung, die Zahlung in Naturalien zu leisten, sei ein alter Spruch unter Zuhältern, der nicht ernst gemeint sei. Er habe kein Interesse an einem persönlichen Kontakt. Ein Verstoß gegen das Betriebskonzept liege auch hinsichtlich des Einsatzes einer Hausdame nicht vor. Es sei lediglich geplant gewesen, dass eine solche Hausdame für einen Tag zur Probe arbeite. Es sei auch nicht unzulässig, dass er nicht deutschsprachigen Mieterinnen bei deren Werbung geholfen habe. Ein sog. „Pushen“ von Anzeigen habe es nicht gegeben. Die Prostituierten hätten auch nicht in dem Betrieb übernachtet. Da es keine festen Öffnungszeiten gebe, komme es auch vor, dass nachts Dienstleistungen angeboten würden. In einem Bordellbetrieb sei daher unklar, was unter den Begriff des Übernachtens falle. In einem Fall sei einer wohnungslosen Prostituierten ausnahmsweise aus Fürsorgegründen die Übernachtung gestattet worden. Der Bescheid sei zudem rechtswidrig, weil kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Da der Betrieb wegen der SARS-CoV2-Bekämpfungsverordnung sowieso ruhe, gehe von ihm auch keine konkrete oder abstrakte Gefahr aus. Es hätten auch mildere Mittel zur Verfügung gestanden. Sofern der nächtliche Aufenthalt von Prostituierten im Betrieb nicht mit dem Betriebskonzept vereinbar sei, müsse das Betriebskonzept angepasst werden.

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Am 24. April 2020 hat der Antragsteller bei Gericht um Eilrechtsschutz ersucht.

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Er wiederholt zur Begründung im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Zudem trägt er vor, dass eine mietrechtliche Auseinandersetzung mit dem Vermieter bestehe, der Belastungstendenzen gegen ihn - den Antragsteller - habe. So habe der Vermieter sich im Winter geweigert, ausreichend Heizöl bereitzustellen. Zudem bestehe ein privates Verhältnis zwischen dem Vermieter und der Prostituierten, die ihn beim Antragsgegner angezeigt habe. Die Echtheit der Nachrichten werde weiterhin bestritten. Der Antragsgegner habe nicht ausreichend dargelegt, warum er den Zeugenangaben folge. Sofern eine Nutzung nur von 22:00 Uhr bis 1:00 Uhr nachts erlaubt sei, sei dies sinnlos, benachteiligend und unüblich, sodass ein Anspruch auf Anpassung des Betriebskonzeptes bestehe. Ein Aufenthalt der Prostituierten auch nachts müsse zur sinnvollen Ausübung des Gewerbes erlaubt werden. Der Widerruf der Erlaubnis sei auch unverhältnismäßig, weil er zu Folge habe, dass eine Neuerteilung dauerhaft ausgeschlossen sei. Zudem sei die verfügte Abwicklungsfrist zu kurz, da ihm eine Räumung von 250 m² mangels Lager in der Kürze der Zeit nicht möglich sei. Er habe zudem den Mietvertrag zu erfüllen und viel Geld in den Betrieb investiert.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

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die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 17. April 2020 gegen den Konzessionswiderruf und die Schließungsverfügung vom 7. April 2020 wiederherzustellen sowie die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zwangsgeldandrohung vom 7. April 2020 anzuordnen.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung führt er ergänzend zu der Begründung des Ausgangsbescheides aus: Bei den zur Akte gelangten Nachrichten handele es sich nicht um abgehörte bzw. mitgeschnittene mündliche Äußerungen, sondern um vom Antragsteller und dem Mitarbeiter Herrn A. an die Prostituierte verschickte WhatsApp-Sprachnachrichten. Die Prostituierte habe die Nachrichten dann an den Eigentümer und Vermieter der Räumlichkeiten weitergeleitet. Sie sei zur Aussage bereit gewesen, halte sich aber aufgrund der Corona-Situation in ihrem Heimatland Bulgarien auf. Der Vermieter habe die Sprachnachrichten ihm - dem Antragsgegner - übergeben. Nach Umwandlung des Dateiformats seien die Stimmen abgehört und eindeutig wiedererkannt worden. Beide Personen seien seinen zuständigen Mitarbeitern aufgrund von Ortsterminen bekannt. Entgegen der Darstellung des Antragstellers handele es sich bei den Nachrichten nicht um unverbindliche Vorschläge an die Prostituierte, sondern um eindeutige Aufforderungen hinsichtlich der anzubietenden sexuellen Dienstleistungen, der Vorstellungsrunde und der Zahl der täglichen Kunden. In Bezug auf die Ankündigung eines Besuchs von „Onkel …“ sei eindeutig zu erkennen, dass damit der Betriebsleiter Herr A. gemeint sei und es sich um eine Drohung handele. Die Einstellung einer Hausdame und eine Umstellung von einer Tagesmiete auf eine prozentuale Teilhabe des Antragstellers verstießen gegen das Betriebskonzept. Zudem gehe aus verschiedenen Nachrichten hervor, dass Werbung auf Erotikportalen für die Prostituierten gemacht werde und dabei auch die Art der Dienstleistungen angepriesen werde. Auch trotz der Corona-bedingten Schließung des Betriebs bestehe eine konkrete Gefahrensituation für die Prostituierten. Diese hätten sich trotz der Schließung in dem Betrieb aufgehalten und würden dort wohnen, obwohl dies weder baurechtlich noch nach dem Betriebskonzept erlaubt sei. Zudem müsse gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 7 ProstSchG mindestens gewährleistet sein, dass die für sexuelle Dienstleistungen genutzten Räume nicht zur Nutzung als Schlaf- oder Wohnraum bestimmt seien. § 23 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG sehe hinsichtlich der Rücknahme der Erlaubnis kein Ermessen vor, sondern sei eine gebundene Entscheidung. Wegen des im Bescheid dargestellten Gefahrenpotenzials sei auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtmäßig.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

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Der hinsichtlich des Widerrufs und der Schließungsverfügung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 248 Abs. 1 Satz 2 LVwG statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet.

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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfes offensichtlich erscheinen. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes öffentliches Interesse bestehen. Erweist sich der angefochtene Bescheid dagegen als offensichtlich rechtmäßig, so bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, noch eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses. Dieses ist von der Behörde gemäß § 80 Abs. 3 VwGO besonders zu begründen.

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1. In formeller Hinsicht genügt die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, wonach es eines gesondert zu begründenden öffentlichen Vollzugsinteresses bedarf.

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Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde, die sich des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst werden und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüfen und abwägen soll.

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Daran gemessen ist die im Bescheid gegebene Begründung ausreichend. Der Antragsgegner hat sich in genügender Weise auf die hier widerstreitenden Interessen des betroffenen Antragstellers und der Allgemeinheit bezogen. Seine Ausführungen in Bezug auf die angeführte anhaltende Störung der Rechtsordnung, hier des ProstSchG, und sein Verweis auf die Sicherheit und Gesundheit der sich immer noch im Einflussbereich des Antragstellers befindenden, in der Betriebsstätte tätigen Prostituierten sowie auf die bedrohliche Art und Weise seiner Kommunikation lassen erkennen, dass der Antragsgegner sich mit dem konkreten Einzelfall ausreichend befasst und seine Entscheidung im Hinblick darauf getroffen hat.

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2. Ob die nach § 87 Abs. 1 LVwG grundsätzlich erforderliche Anhörung wegen Gefahr im Verzug hier unterbleiben durfte, kann dahinstehen. Denn jedenfalls wird dem Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör hier im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Eilverfahrens genüge getan, sodass ein etwaiger Verfahrensfehler nach § 114 Abs. 1 Nr. 3 LVwG geheilt ist.

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3. Es bestehen nach der hier gebotenen summarischen Prüfung auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Betriebserlaubnis. Der Widerruf erweist sich als offensichtlich rechtmäßig und das öffentliche Interesse am Vollzug überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

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Der Antragsgegner hat den Widerruf auf § 23 Abs. 2 ProstSchG gestützt. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung nach § 14 Absatz 1 Nr. 2 ProstSchG rechtfertigen würden. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die antragstellende Person oder eine als Stellvertretung, Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes vorgesehene Person nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche Zuverlässigkeit besitzt.

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Unzuverlässig ist, wenn nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er das von ihm ausgeübte Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird. Dabei beinhaltet die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit eine Prognose, ob in Zukunft ein Fehlverhalten des Gewerbetreibenden wahrscheinlich ist. Grundlage der Prognoseentscheidung sind die in der Vergangenheit und Gegenwart liegenden Tatsachen, die die nicht ordnungsgemäße Gewerbeausübung in der Zukunft wahrscheinlich erscheinen lassen. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 07. November 2012 – 8 C 28/11 –, Rn. 18 - 19, juris).

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Bei der Prognoseerstellung ist nicht jedes Verhalten zu berücksichtigen. Vielmehr ist maßgeblich nur auf ein gewerbebezogenes Fehlverhalten und den vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter des Gewerbetreibenden abzustellen (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – 3 C 22/09 –, Rn. 10, juris). Bei schweren Verstößen kann auch ein einmaliges Fehlverhalten ausreichend sein. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei der Erteilung und dem Widerruf von personengebundenen Konzessionen - und damit auch hier - für eine Beurteilungsermächtigung kein Raum besteht, selbst wenn die Beurteilung der Zuverlässigkeit auch ein prognostisches Element beinhaltet, sondern diese der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33/03 –, Rn. 18, juris).

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Daran gemessen erweist sich der Antragsteller bei der gebotenen summarischen Prüfung als unzuverlässig. Mit den Sprachnachrichten liegen konkrete Tatsachen vor, aus denen sich ergibt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit seinen gewerbebezogenen Pflichten nicht nachgekommen ist, und die auch befürchten lassen, dass er in Zukunft sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß betreiben wird.

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a) Die an die Prostituierte versendeten Sprachnachrichten bieten konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die sexuelle Selbstbestimmung der in seinem Betrieb tätigen Prostituierten auch in Zukunft nicht in ausreichendem Umfang gewährleisten wird.

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Nach § 26 Abs. 2 ProstSchG 1 dürfen der Betreiber eines Prostitutionsgewerbes sowie die für den Betreiber handelnden Personen den Prostituierten keine Weisungen im Sinne des § 3 Absatz 1 des Prostitutionsgesetzes erteilen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind sonstige Vorgaben zu Art oder Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen ebenso unzulässig. Dementsprechend ist auch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG die beantragte Erlaubnis zu versagen, wenn aufgrund des Betriebskonzepts, aufgrund der Angebotsgestaltung, aufgrund der vorgesehenen Vereinbarungen mit Prostituierten oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Umstände Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Art des Betriebes mit der Wahrnehmung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung unvereinbar ist oder der Ausbeutung von Prostituierten Vorschub leistet.

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Daneben ist die Achtung der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten durch den Betreiber auch im Rahmen der (erneuten) Zuverlässigkeitsprüfung bei einem Widerruf nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG zu berücksichtigten, auch wenn § 23 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG nicht auf § 14 Abs. 2 Nr.1 ProstSchG verweist. Dies ergibt sich aus der zentralen Stellung der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten im Regelungsgefüge des Prostitutionsschutzgesetzes. So heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG (Bundestagsdrucksache 18/8556 vom 25. Mai 2016, juris): „Zentrales Erfordernis für die Erteilung einer Erlaubnis ist der Nachweis der Zuverlässigkeit des Betreibers. Angesichts der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit von Prostituierten und Kunden sind an die Zuverlässigkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Der Ausschluss unzuverlässiger Personen aus verantwortlichen Positionen im Bereich des Prostitutionsgewerbes bildet ein entscheidendes Instrument zur Erreichung der gesetzlichen Ziele, Prostituierte vor Ausbeutung zu schützen und Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt gegen Prostituierte und Zuhälterei zu bekämpfen.“

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(1) Die Sprachnachrichten, auf die sich hier der Vorwurf der Unzuverlässigkeit maßgeblich stützt, unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot.

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Selbst im strafgerichtlichen Verfahren führt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht jeder Rechtsverstoß bei der strafprozessualen Beweisgewinnung zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der so erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Bedeutsam sind dabei insbesondere die Art des etwaigen Beweiserhebungsverbots und das Gewicht des in Rede stehenden Verfahrensverstoßes, das seinerseits wesentlich von der Bedeutung der im Einzelfall betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots ein wesentliches Prinzip des Strafverfahrensrechts ─ den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind ─ einschränkt. Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08 –, Rn. 47, juris). Diese Grundsätze sind auf das verwaltungsrechtliche Verfahren ohne weiteres übertragbar, wobei zu berücksichtigen ist, dass im Straf- und Bußgeldverfahren ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt geahndet wird, während der gewerberechtliche Konzessionswiderruf als eine Maßnahme auf Grund einer Prognoseentscheidung zur zukünftigen Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers erfolgt. Ausnahmen von der Verwertbarkeit bestehen danach bei der vorzunehmenden Interessenabwägung insbesondere, wenn eine (heimliche) rechtswidrige Beweiserhebung auf staatliche Veranlassung erfolgte, sie gegen die Menschenwürde verstößt oder den Schutz der Intimsphäre verletzt (VG Magdeburg, Urteil vom 28. Januar 2020 – 15 A 6/19 –, Rn. 37, juris, m.w.N.; vgl. zur Verwertbarkeit von heimlich beschafften Beweismitteln unter verfassungsrechtlichen und prozessualen Gesichtspunkten auch ausführlich ArbG Düsseldorf, Urteil vom 14. Dezember 2018 – 14 Ca 5613/18 –, Rn. 106 - 115, juris, m.w.N.).

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Nach diesen Maßstäben kann hier die Weitergabe der Sprachnachrichten nicht zu einem Verwertungsverbot führen. Denn es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verwertung, ohne dass ein gesetzliches Verwertungsverbot entgegensteht. Mit dem Widerruf der Betriebserlaubnis sollen die zukünftige nicht ordnungsgemäße Ausübung des Prostitutionsgewerbes durch den Antragsteller und die davon ausgehenden Gefahren für die sexuelle Selbstbestimmung und die Gesundheit der Prostituierten sowie die Gesundheit der Kunden verhindert werden. Die Verwertung der nicht etwa heimlich oder gar durch eine Straftat nach § 201 StGB - der Antragsteller hat hier als Betroffener selbst die Aufzeichnungen seines gesprochenen Wortes hergestellt -, sondern durch eine freiwillige Weitergabe durch die Adressatin der Nachrichten gewonnenen Information war erforderlich und geeignet und auch angemessen zum Schutz von Leben und Gesundheit der Prostituierten und ihrer Kunden. Das Interesse der Allgemeinheit hieran und die Gefährdung höchstrangiger Rechtsgüter sind in der Abwägung stärker zu gewichten, als das Interesse des Antragstellers daran, dass seine in einem geschäftlichen Kontext erstellten Sprachnachtrichten ohne Folgen bleiben.

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(2) Das Gericht ist bei der gebotenen summarischen Prüfung auch von der Echtheit der Nachrichten überzeugt. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Sprachnachrichten um Fälschungen handeln könnte. Etwaige Belastungstendenzen der Prostituierten oder des Vermieters vermögen derartige Zweifel an der Echtheit nicht zu begründen. Der Vortrag des Antragstellers hierzu beschränkt sich auf bloße Behauptungen und ist daher unsubstantiiert.

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(3) Bei der gebotenen summarischen Prüfung steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsteller entgegen § 26 Abs. 1 und 2 ProstSchG in der Vergangenheit zumindest versucht hat, auf die Art und Weise Einfluss zu nehmen, wie die Prostituierte die Dienstleistungen ausübt, und damit gegen seine gewerberechtlichen Pflichten verstoßen hat. Bei den Äußerungen des Antragstellers in Bezug auf die anzubietenden Dienstleistungen handelt sich um Versuche, Einfluss zu nehmen, und gerade nicht um bloße Fragen oder Anregungen. Aus der Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 2 ProstSchG ergibt sich, dass insoweit ein strenger Maßstab gilt:

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„Ebenfalls als unzulässig gelten echte oder angemaßte Weisungen, wenn sie in ihrer Ausrichtung und Intensität einen vergleichbaren Eingriff in die geschützte Intimsphäre der Prostituierten bewirken. So stellen Vorgaben des Betreibers, dass Prostituierte sich nur vollständig unbekleidet z. B. in einem „FKK-Club“ aufhalten oder präsentieren dürfen, einen Grenzfall dar, in dem die Anweisung so sehr in den Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreift, dass diese einer verbotenen Weisung über die Art und Weise sexueller Handlungen gleichkommt und damit unzulässig ist. […] Vorgaben, die in den Bereich sexueller Dienstleistungen hineinreichen, sind nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn sie im Betrieb ausschließlich zur Gewährleistung des Arbeits- oder Gesundheitsschutzes, aus Gründen der Sicherheit oder zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte Dritter oder sonstiger bedeutender Rechtsgüter erforderlich sind. So dürfte der Betreiber zum Beispiel sexuelle Verhaltensweisen in den sogenannten Arbeitszimmern, die mit gesteigerter Brandgefahr oder Sachschäden an der Einrichtung einhergehen, auch dann verbieten, wenn diese zwischen Prostituierten und Kunden als Teil einer sexuellen Dienstleistung verabredet würden. Ebenso dürfte er beispielsweise verbieten, dass im Kontext sexueller Dienstleistungen heimlich Videoaufnahmen von Dritten erstellt werden oder Vorgaben zur Begrenzung von Lärmbelästigungen aufstellen.“ (Bundestagsdrucksache 18/8556 vom 25. Mai 2016, juris)

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Insbesondere die Äußerungen in den Nachrichten WA0014 und WA0015 enthalten die Aufforderung an die Prostituierte, mindestens drei Kunden am Tag zu haben. Die in den Nachrichten WA0016, WA0017 und WA0018 enthaltenen Aufforderungen („du musst…“, „du machst alles“, „Ich mag auch manche Sachen nicht. Aber ich muss, verstehst du.“) des Antragstellers zum Anbieten von bestimmten, von der Prostituierten bisher nicht angebotenen Praktiken greifen in die Selbstbestimmung der Prostituierten ganz erheblich ein. Die Sprachnachrichten erhalten im Kontext mit den von der Prosituierten verlangten Geldzahlungen auch einen erheblichen Nachdruck, sodass es sich nicht, wie vom Antragsteller behauptet, um reine Anregungen handelt, wie sie gewinnbringender arbeiten könnte.

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bb) Darüber hinaus ergibt sich eine Prognose der Unzuverlässigkeit des Antragstellers aufgrund von Verstößen gegen das Betriebskonzept.

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Nach § 16 Abs. 1 ProstSchG sind die wesentlichen Merkmale des Betriebes und die Vorkehrungen zur Einhaltung der Verpflichtungen nach diesem Gesetz in einem Betriebskonzept zu beschreiben. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG sollen im Betriebskonzept die typischen organisatorischen Abläufe sowie die Rahmenbedingungen, die die antragstellende Person für die Erbringung sexueller Dienstleistungen schafft, dargelegt werden. Nach § 12 Abs. 2 ProstSchG wird die Erlaubnis für das Betreiben einer Prostitutionsstätte für dieses bestimmte Betriebskonzept und für bestimmte bauliche Einrichtungen, Anlagen und darin befindliche Räume erteilt, sodass die Rahmenbedingungen hier verbindlicher Teil der widerrufenen Betriebserlaubnis waren.

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Es bestehen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller in der Vergangenheit gegen dieses Betriebskonzept verstoßen hat und die Einhaltung auch in Zukunft nicht gewährleisten wird.

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Bereits aus der ersten, vom Mitarbeiter Herrn A. stammenden Sprachnachricht geht hervor, dass die Prostituierten jedenfalls zeitweise das eingenommene Geld nach jedem Kunden an die Hausdame abzuführen hatten und ihren Anteil am Abend des Tages oder am nächsten Tag ausgezahlt bekommen sollten. Ebenso hat der Antragsteller selbst in der Sprachnachricht WA0004 kundgegeben, dass eine weitere Prostituierte von jeder Einnahme 40 % abzuführen habe. Auch in der Sprachnachricht WA005 ist erneut von Prozenten die Rede. Hierin liegen Verstöße gegen das Betriebskonzept, nach dem eine Tagesmiete vorgesehen ist und auch keine Hausdame tätig werden soll. Zudem legt die dritte Sprachnachricht (WA0001) nahe, dass teilweise eine Tagesmiete von 300 € verlangt wurde („Du, ich geb dir noch einen Tag mehr für 300 €“). Dies weicht von der Mustervereinbarung, die Teil des Betriebskonzepts ist und in der Tagesmieten von 60 € vorgesehen waren, erheblich ab. Zudem würde in einer solchen Miethöhe auch ein Verstoß gegen § 26 Abs. 4 ProstSchG liegen, wonach es dem Betreiber eines Prostitutionsgewerbes verboten ist, sich von Prostituierten, die in seinem Prostitutionsgewerbe sexuelle Dienstleistungen erbringen oder erbringen wollen, für die Vermietung von Räumen, für die Vermittlung einer Leistung oder für eine sonstige Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder zu deren Vermittlung stehen.

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Die in der vorletzten Nachricht (WA0023) enthaltene Formulierung „Ich bin bestens im Bilde über deine Hausbesuche, ne. Und da gibst du uns gar kein Geld. Du, mach das nicht, das sag ich dir. 1,2 Tage unter kommt das schreckliche Ende, ne. Verstehst du. Du gibst heute mal schön was ab. Verstehst du, das machst du nie wieder. Einmal noch du, dann kommt der Onkel … vorbei und der ist nicht gut auf dich zu sprechen, ne. Wir haben uns verstanden.“ legt zudem nahe, dass die Prostituierten jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt für jegliche Tätigkeit - auch außerhalb der Betriebsräume des Antragstellers - Anteile an den Antragsteller abzuführen hatten. Hinzu kommt, dass sich die letzte der dokumentierten Sprachnachrichten in Bezug auf „Onkel …“ - gemeint ist, auch wenn der Antragsteller dies bestreitet ohne Zweifel der Manager …. - als Drohung darstellt. Auch hierin liegt - unabhängig von einem Verdacht der Zuhälterei nach § 181a StGB - ein erheblicher Verstoß gegen das Betriebskonzept.

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cc) Des Weiteren ergibt sich aus den Sprachnachrichten, dass der Antragsteller zumindest versucht hat, darauf hinzuwirken, dass die Prostituierte ungeschützten Geschlechtsverkehr anbietet, um mehr Umsatz zu erzeugen. Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 ProstSchG ist der Betreiber eines Prostitutionsgewerbes aber gerade verpflichtet, auf eine Verringerung des Übertragungsrisikos sexuell übertragbarer Infektionen hinzuwirken; insbesondere hat er auf die Einhaltung der Kondompflicht durch Kunden und Kundinnen und Prostituierte hinzuwirken. Es steht zu erwarten, dass der Antragsteller auch in Zukunft nicht auf die Einhaltung der Kondompflicht hinwirken wird.

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In Anbetracht dieser erheblichen Verstöße kann es hier dahinstehen, ob zudem auch noch entgegen § 18 Abs. 2 Nr. 7 ProstSchG und dem Betriebskonzept Prostituierte in den Arbeitsräumen übernachtet haben und der Antragsteller Werbeanzeigen für die Prostituierten geschaltet hat.

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b) Die Schwere der Vorwürfe rechtfertigt auch einen Vorwurf der Unzuverlässigkeit.

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Bei der Vorschrift des § 23 Abs. 2 ProstSchG handelt es sich zwar um eine gebundene Vorschrift, die der Behörde keinen Ermessensspielraum eröffnet. Als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes ist der Verhältnismäßigkeit allerdings bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unzuverlässigkeit Rechnung zu tragen. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung zu der berufsregelnden Vorschrift des § 3 Abs. 2 Gesetzes über den Beruf des Logopäden (LogopG) ausgeführt:

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„Angesichts der strikten Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 LogopG muss dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit bereits bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden, um das Übermaßverbot zu wahren. Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit der Maßnahme bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Das setzt voraus, dass der Betreffende wesentliche Berufspflichten missachtet hat und die anzustellende Prognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er auch künftig seine Berufspflichten nicht beachten wird. Liegen diese Voraussetzungen für die Bejahung der Unzuverlässigkeit vor, so ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs aus der vom Gesetzgeber selbst mit § 3 Abs. 2 LogopG getroffenen Wertung, dass in einem solchen Fall der Widerruf der unteilbaren Erlaubnis das erforderliche und angemessene Mittel ist, um die damit verbundenen Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden. Andernfalls muss der Widerruf unterbleiben. Der Hinweis des Klägers, dass das Berufsrecht der Logopäden anders als das ärztliche Berufsrecht für Fehlverhalten unterhalb der Schwelle der Unzuverlässigkeit kein abgestuftes Sanktionssystem bereithalte, führt deshalb nicht weiter. Dieser Umstand begründet keine Unverhältnismäßigkeit der Widerrufsregelung, sondern führt lediglich dazu, dass auf derartiges Fehlverhalten eines Logopäden nicht mit den Mitteln des Berufsrechts reagiert werden kann. Bei diesem Verständnis kann § 3 Abs. 2 LogopG mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit nicht in Konflikt geraten.“ (BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 – 3 C 22/09 –, Rn. 16, juris, m.w.N.)

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Daran gemessen ist ein Widerruf der Betriebserlaubnis kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG. Der Antragsgegner war nicht gehalten, zunächst ein milderes Mittel - bspw. in Form von Auflagen - anzuwenden. Die mit dem Widerruf bezweckte Gefahrenabwehr steht nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu den allerdings einschneidenden Folgen, die der Widerruf für den Antragsteller zeitigt. Den vom Gesetzgeber vorausgesetzten hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit von Prostitutionsgewerbetreibenden zum Schutz der sensiblen Rechtsgüter der persönlichen Freiheit, der sexuellen Selbstbestimmung, der körperlichen Integrität und der persönlichen Sicherheit von Prostituierten und Kunden hat der Betreiber einer Prostitutionsstätte im vollen Umfang Rechnung zu tragen. Dem legitimen Anspruch des Antragstellers, nicht für alle Zeiten vom Prostitutionsgewerbe ausgeschlossen zu werden, ist aufgrund der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG genüge getan, wonach in der Regel nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt, wem innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung die Erlaubnis zur Ausübung eines Prostitutionsgewerbes entzogen wurde. Der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift eine Regelung getroffen, wonach nach Ablauf von fünf Jahren die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit bei einer erneuten Beantragung einer Erlaubnis nicht mehr gelten soll.

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c) Nach alldem überwiegt auch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Betriebserlaubnis das private Interesse des Antragstellers an der Fortführung seines Betriebes. Die Aufrechterhaltung des Sofortvollzuges im Eilverfahren ist auch unter Beachtung des damit verbundenen Eingriffs in die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten, weil konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Antragsteller bei einem Aufschub der Vollziehung seine Gewerbeausübung in der beanstandeten Form fortsetzt und dadurch Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter drohen. Es steht zu befürchten, dass in dem Betrieb des Antragstellers auch weiterhin gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Prostituierten verstoßen wird. Im Hinblick auf dieses besonders hochstehende Rechtsgut hat die Berufsfreiheit des Antragstellers hier zurückzustehen.

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4. Die Schließungsverfügung erweist sich danach ebenfalls als rechtmäßig. Der Antragsgegner hat zurecht mangels spezialgesetzlicher Regelung § 15 Abs. 2 GewO als Ermächtigungsgrundlage herangezogen. Auch die gesetzte Abwicklungsfrist ist ausreichend lang gewählt. Der Antragsteller kann sich hier nicht darauf berufen, einen Mietvertrag erfüllen zu müssen. Zum einen hat er selbst vorgetragen, dass der Vermieter ein Interesse an der Auflösung des Mietvertrages hat. Zum anderen muss sein wirtschaftliches Interesse am vorübergehenden Weiterbetrieb hier zurücktreten. Nicht nachvollziehbar ist auch sein Verweis auf fehlende Lagermöglichkeiten. Denn die Schließungsverfügung verpflichtet ihn nicht dazu, den Betrieb bis zum festgesetzten Datum vollständig zu räumen. Erforderlich war nur die endgültige Schließung. Die Anordnung war auch nicht etwa wegen der SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung und dem daraus folgenden temporären Betriebsverbot überflüssig. Vielmehr war eine spezifische gewerberechtliche Regelung erforderlich, da nicht absehbar war, wie lange und in welcher Gestalt die Regelungen nach dem Infektionsschutzgesetz andauern würden.

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6. Ebenso erweisen sich die Zwangsgeldandrohungen gemäß §§ 235, 236, 237 LVwG danach als rechtmäßig. Insbesondere ist die Orientierung an den durchschnittlichen wöchentlichen bzw. monatlichen Mieteinnahmen einer Prostitutionsstätte mit sechs Prostituierten entsprechend der Betriebsvereinbarung bei der Festsetzung der Höhe des angedrohten Zwangsmittels durch den Antragsgegner angemessen.

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei für den Widerruf der gewerberechtlichen Erlaubnis 15.000,- Euro zugrunde gelegt werden. Dieser Betrag ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Ziffern 54.2.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).


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