Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 107/20
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
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Die Kammer legt den vorläufigen Rechtsschutzantrag entsprechend der erkennbaren Interessenlage des Antragstellers dahingehend aus, dass dieser im Hauptantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines noch einzulegenden Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17. August 2020 und im Hilfsantrag die Verpflichtung der Antragsgegnerin erstrebt, eine Ausnahmegenehmigung für die Durchführung der Veranstaltung zu erteilen.
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Die Antragsgegnerin konkretisiert in der Verfügung die Verpflichtung aus § 5 Abs. 4 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2. Diese durch Einzelanordnung erfolgte Konkretisierung kann ihre Rechtsgrundlage nur in § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG in der Fassung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587), insoweit am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft getreten, finden. Danach trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29-31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1). Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstiger Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen (Satz 2). Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden (Satz 3). Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt (Satz 4). Rechtsbehelfe gegen Anordnungen auf dieser Rechtsgrundlage haben nach § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung, sodass im Hauptantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alternative VwGO ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft ist.
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Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.
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Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das Aufschubinteresse der Antragsteller einerseits und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des streitbefangenen Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, Bedeutung erlangen, allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Lässt sich bei der summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, weil an einer sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich nach der genannten Überprüfung der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so führt dies in Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges regelmäßig dazu, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen ist.
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Die Untersagungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig.
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Bei der Untersagung handelt es sich um eine notwendige und erforderliche Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 IfSG zur Begrenzung der Ausbreitung des Coronavirus und sie dient der Durchsetzung des Verbots des § 5 Abs. 4 Satz 3 Corona-BekämpfVO. Die vorgesehene Veranstaltung macht für den Antragsteller nur Sinn, wenn dort auch Alkohol ausgeschenkt wird. Dies ist jedoch nach der genannten Vorschrift untersagt. Nach § 5 Abs. 4 der Verordnung dürfen Märkte und vergleichbare Veranstaltungen mit wechselnden Teilnehmerinnen und Teilnehmern im öffentlichen Raum wie Messen, Flohmärkte oder Landmärkte eine gleichzeitige Teilnehmerzahl von 500 Personen außerhalb geschlossener Räume und 250 Personen innerhalb geschlossener Räume nicht überschreiten. Die grundsätzliche Einhaltung des Abstandsgebots ist auch durch eine angemessene Anzahl an Ordnungskräften sicherzustellen. Alkohol darf nicht ausgeschenkt werden. Wochenmärkte sind keine Veranstaltungen im Sinne dieser Vorschrift.
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Es handelt sich bei der vorgesehenen Veranstaltung nicht um eine solche nach § 5 Abs. 5 der Verordnung. Danach dürfen Veranstaltungen im öffentlichen Raum, bei denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer feste Sitzplätze haben, die sie höchstens kurzzeitig verlassen, (Sitzungscharakter) wie Konzerte, Vorträge, Lesungen, Theater, Kinos und Autokinos eine gleichzeitige Teilnehmerzahl von 500 Personen außerhalb geschlossener Räume und 250 Personen innerhalb geschlossener Räume nicht überschreiten. Die vorgesehene Veranstaltung hat keinen Sitzungscharakter in diesem Sinne, sondern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bewegen sich bei einem solchen Fest regelmäßig wesentlich häufiger als die Besucher von Konzerten, Vorträgen, Lesungen oder Theater und es findet ein hohes Maß an Interaktion/Dialog zwischen den Menschen statt.
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Die Kammer hat auch angesichts der gegenwärtigen Entwicklung der Pandemie keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit des in der Verordnung angeordneten Verbots des Ausschanks von alkoholischen Getränken für die in § 5 Abs. 4 der Verordnung genannten Veranstaltungen, da Alkoholkonsum das Maß an Interaktion und Dialog regelmäßig noch steigert und folglich zu einem höheren Infektionsrisiko führt.
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Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO auf Erteilung einer erforderlichen Ausnahmegenehmigung. Nach § 20 Abs. 2 der Verordnung können die zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmen von den Geboten und Verboten aus §§ 5 bis 18 genehmigen, soweit die dadurch bewirkten Belastungen im Einzelfall eine besondere Härte darstellen und die Belange des Infektionsschutzes nicht überwiegen. Es liegt schon keine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift vor. Der Umstand, dass Veranstaltungen dieser Art ohne Alkoholausschank stattfinden müssen, stellt allenfalls eine allgemeine Härte dar, die die Verordnung jedem Veranstalter zumutet. Umstände, die auf eine besondere Situation des Antragstellers im Gegensatz zu anderen möglichen Veranstaltern hindeuten könnten, sind nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung sind deshalb schon nicht gegeben. Die Ablehnung der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung erfolgte im Übrigen ermessensfehlerfrei mit einer schlüssigen Begründung. Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ausgeführt, dass nach Bewertung des Antrages auf die Zulässigkeit einer öffentlichen Veranstaltung mit 13 Bierständen und Alkoholausschank und bis zu 600 Besucherinnen und Besuchern unter Berücksichtigung der epidemiologischen Lage und des gegenwärtigen Anstiegs der Fallzahlen und der Nichtvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung durch die Urlaubsrückkehrer sowie der Wiederaufnahme des Schulbetriebes keine Ausnahmen erteilt werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers, bei lediglich 6 der Bierstände werde Alkohol ausgeschenkt. Der Alkoholgenuss kann aufgrund von Erfahrungswissen zu einer gewissen Enthemmung führen. Die Einhaltung von Mindestabständen kann dadurch erheblich beeinträchtigt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt.
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Referenzen
- § 5 Abs. 4 Satz 3 Corona-BekämpfVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 123 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 80 2x
- IfSG § 16 Allgemeine Maßnahmen der zuständigen Behörde 1x
- IfSG § 28 Schutzmaßnahmen 2x