Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 48/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Rechtsschutz gegen die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht.

2

Sie ist 1996 geboren, nordmazedonische Staatsangehörige und reiste am 14.03.2014 im achten oder neunten Schwangerschaftsmonat erstmals gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten (dem nordmazedonischen Staatsangehörigen ... ...) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Dabei war sie im Besitz eines bis zum 13.06.2017 gültigen mazedonischen Passes. Sie stellte sodann einen Asylantrag bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt). Am 14.04.2014 gebar die Antragstellerin ihre Tochter, ... .... Diese besitzt ebenfalls die nordmazedonische Staatsangehörigkeit. Den Asylantrag der Antragstellerin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24.06.2014 als offensichtlich unbegründet ab. Daraufhin erhielt die Antragstellerin am 15.07.2014 eine Grenzübertrittsbescheinigung bis zum 05.08.2014, welche in der Folge zweimal verlängert wurde, zuletzt bis zum 19.08.2014. Ab dem 18.08.2014 erhielt die Antragstellerin sodann eine Duldung, welche fortlaufend verlängert wurde.

3

Eine Abschiebung der Familie war für Dezember 2014 geplant. Diese Abschiebung wurde aufgrund der Anordnung der Aussetzung von Abschiebungen gemäß § 60a Abs. 1 AufenthG in ausgewählte Staaten während der Wintermonate des Schleswig-Holsteinischen Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten vom 02.12.2014 nicht durchgeführt.Am 22.04.2015 reiste die Familie auf dem Luftweg nach Mazedonien aus. Darüber hinaus zog die Antragstellerin ausweislich einer AZR-Auskunft außerdem am 26.11.2015 ins Ausland.

4

Am 10.02.2016 reiste die zu jenem Zeitpunkt erneut schwangere Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Familie wieder in das Bundesgebiet ein und stellte dann am 16.03.2016 Folgeanträge beim Bundesamt, welche mit Bescheid vom 17.03.2016 abgelehnt wurden. Ein Attest des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. xx xx-... vom 18.03.2016 stellte eine Schwangerschaft in der 38. Woche fest. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 08.04.2016, aufgrund eines verkürzten Muttermundes könne eine Geburt bei beginnender Wehentätigkeit auch vorher erfolgen. Ab dem 18.03.2016 erhielt die Antragstellerin sodann eine Duldung aus sonstigen Gründen.

5

Am 13.04.2016 kam sodann der Sohn der Antragstellerin, ... ..., zur Welt. Am 28.04.2016 erschien sie gemeinsam mit dem deutschen Staatsangehörigen .. ... vor dem Standesamt der Stadt ...-... in ...-.... Dort erklärte Herr ... der Vater des Kindes ... zu sein. Die Antragstellerin stimmte der Anerkennung der Vaterschaft durch Herrn ... zu. Am 13.05.2016 stellte das Standesamt ... eine Geburtsurkunde für das Kind ... aus, nach welcher der Vater ... ... sei. Außerdem erhielt ... ... einen Kinderreisepass, in welchem die deutsche Staatsangehörigkeit eingetragen wurde.

6

Mit Schreiben vom 19.05.2016 beantragte die Antragstellerin die Aussetzung der Abschiebung sowie die Erteilung einer Duldung. Außerdem beantragte sie, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und ihrer Tochter ... sowie ... ... eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Zur Begründung führte sie aus, ihr Sohn ... sei deutscher Staatsangehöriger, da er einen deutschen Vater habe. Es sei eine Vertiefung der bereits entstandenen Vater-Kind-Beziehung geplant, der regelmäßige Umgang werde durch den Vater ausgeübt. Daher habe sie einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Ihre Tochter ... und ... ... könnten daraus und Herr ... außerdem aus der Personensorge für das gemeinsame Kind ... einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ableiten. Ein Anspruch auf Duldung bestehe, da der deutsche Kindesvater die Ausreise des Kindes ... durch Verweigerung der Zustimmung unmöglich mache. Eine Ausreise ohne ihren Sohn könne von ihr nicht verlangt werden.

7

Am 07.09.2016 wiederholte die Antragstellerin ihre Anträge aus dem Schreiben vom 19.05.2016. Mit Schreiben vom 05.05.2017 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin darüber, dass das Verfahren aufgrund eines Strafverfahrens wegen einer Scheinvaterschaft ausgesetzt sei.

8

Mit Urteil des Amtsgericht ... vom 02.05.2017 (- 26c Ls 211 Js 8/17 - 41/17 -) wurde der serbische Staatsangehörige ... ... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Dabei wurde er unter anderem wegen mittelbarer Falschbeurkundung in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit Personenstandsfälschung verurteilt. Das Amtsgericht ... stellte fest, dass ... ... in insgesamt zehn Fällen bundesweit Scheinvaterschaften vermittelt habe. Er sei von den Müttern der jeweiligen Kinder angesprochen worden und ihm seien zwischen 3.000 € und 5.000 € für seine Dienste gezahlt worden. Von diesem Geld habe er die falschen Väter für ihre Bereitschaft bezahlt. Bereitwillige Männer habe ... ... im Bereich des Busbahnhofes in ..., in der dortigen Drogenszene gefunden. ... ... habe für die Beurkundung der Vaterschaften die Männer und Frauen vor den jeweiligen Standesämtern zusammengebracht. Unter anderen Fällen sei ... ... als Vermittler der Scheinvaterschaft des ... ..., geboren ..., für das Kind ... ..., geb. am ... in ... (Mutter: mazedonische Staatsangehörige ...) aufgetreten. Durch das Handeln sei es zur beurkundeten Anerkennung des Kindes als deutscher Staatsangehöriger beim Standesamt ... gekommen, wodurch es, zusammen mit der Mutter und deren übrigen Kindern, unter rechtswidrigen Voraussetzungen ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten habe. Daraufhin beantragte der Antragsgegner am 05.09.2017 die Berichtigung der Geburtsurkunde des ... .... Außerdem wurde am 04.10.2017 ein Strafverfahren gegen die Antragstellerin und gegen ... ... wegen mittelbarer Falschbeurkundung sowie wegen Personenstandsfälschung eingeleitet.

9

Am 18.05.2018 wurde eine weitere Tochter der Antragstellerin geboren. Diese Tochter ... ... ist nordmazedonische Staatsangehörige.

10

Mit Bescheid vom 02.11.2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den von Amts wegen am 26.07.2018 eingeleiteten Asylantrag des Kindes ... als offensichtlich unbegründet ab.

11

Am 08.11.2018 erhob die Antragstellerin Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht, mit welcher sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begehrt. Zur Begründung führt sie aus, die Scheinvaterschaft begründe zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu Deutschen. Aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit müsse sie jedoch eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erhalten. Die Klage ist noch unter dem Aktenzeichen 11 A 654/18 anhängig.

12

In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht ... ... am 27.02.2020 stellte das Amtsgericht das strafrechtliche Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Antragstellerin nach § 154b Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 StPO ein, da sie abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen werden solle.

13

Mit Schreiben vom 06.03.2020 gab der Antragsgegner der Antragstellerin die Gelegenheit, sich zur freiwilligen Ausreise einzulassen, wies gleichzeitig auf die vollziehbare Ausreisepflicht hin und drohte die Abschiebung nach Nordmazedonien erneut an. Außerdem sei beabsichtigt, die Antragstellerin abzuschieben, sobald dies pandemiebedingt wieder möglich sei, wie der Antragsgegner mit weiterem Schreiben vom 25.05.2020 mitteilte.

14

Am 03.06.2020 hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Zur Begründung führt sie aus, der Antragsgegner beabsichtige die Durchsetzung der Ausreisepflicht trotz bestehender Fortgeltungsfiktion. Sie sei die leibliche Mutter ihres Sohnes, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Ihr Sohn werde erst dann vollziehbar ausreisepflichtig, wenn ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt werde, was an hohe Hürden gebunden sei. Der Schutz ihres deutschen Kindes werde völlig ausgeblendet.

15

Die Antragstellerin beantragt,

16

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der rechtshängigen Klage 11 A 654/18 von Abschiebemaßnahmen abzusehen.

17

Der Antragsgegner beantragt,

18

die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

19

Zur Begründung führt er aus, die Geburtsurkunde des Kindes ..., die Gegenstand eines gegen den Vermittler der Scheinvaterschaft geführten und mit Urteil abgeschlossenem Strafverfahrens gewesen sei, genieße hinsichtlich der darin eingetragenen Vaterschaft keine für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches erforderliche Wirkung. Daran ändere weder die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Antragstellerin noch die physische Existenz des Kinderausweises etwas. Das Kind ... sei nordmazedonischer Staatsangehöriger und ebenso ausreisepflichtig wie die Antragstellerin. Sowohl das Kind als auch die Antragstellerin müssten sich die eingetretene Unanfechtbarkeit der asylrechtlichen Entscheidung zurechnen lassen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

21

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

22

Statthaft ist ein Antrag gemäß § 123 VwGO. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) und das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgeblich sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

23

Die Antragstellerin ist auch rechtsschutzbedürftig, obwohl sie zuvor keinen Antrag auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung gestellt hat. Jedenfalls hat sie zuerst beim Antragsgegner angefragt, ob eine Entscheidung des Gerichts im Klageverfahren abgewartet wird und auf die verneinende Antwort hin den Eilschutzantrag gestellt. Damit hat der Antragsgegner zu erkennen gegeben, dass er beabsichtigt, die Abschiebung vorzunehmen (vgl. Dittrich/Breckwoldt in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.6, Stand: 29.09.2019, Rn. 26).

24

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Ein Anordnungsanspruch, der im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens zu sichern wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Ein für § 123 VwGO erforderlicher Anordnungsanspruch ist dann gegeben, wenn eine aufgrund summarischer Prüfung vorzunehmende Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Hauptsacheklage ergibt, dass voraussichtlich ein Anspruch auf Unterlassung der Abschiebung besteht, anders ausgedrückt, es an den Voraussetzungen für eine Abschiebung fehlt (vgl. Dittrich/Breckwoldt in: HTK-AuslR / Rechtsschutz / 2.5.6, Stand: 29.09.2019, Rn. 56).

25

Daran gemessen kann sich die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner nicht auf einen Anordnungsanspruch berufen. Nach summarischer Prüfung erweist sich die beabsichtigte Abschiebung der Antragstellerin durch den Antragsgegner als rechtmäßig.

26

Die Voraussetzungen für eine Abschiebung sind gegeben. Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, die gesetzte Ausreisefrist von einer Woche abgelaufen und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert, § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

27

Weiterhin steht der beabsichtigen Abschiebung kein Duldungsanspruch entgegen. Die Antragstellerin hat keinen sicherungsfähigen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung. Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung einer Ausländerin auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Es besteht kein rechtliches Abschiebungshindernis aus familiären Gründen aufgrund der Staatsangehörigkeit des Sohnes ....

28

Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung, wenn sich aus nationalen Gesetzen, einschließlich Verfassungsrecht, Unionsrecht oder Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Haedicke in: HTK-AuslR / § 60a AufenthG / zu Abs. 2 Satz 1 - rechtl. Unmöglichkeit, Stand: 18.11.2016, Rn. 1, 42). So liegt es hier jedoch nicht. Zwar kann sich bei der Trennung von Familienmitgliedern vor dem Hintergrund des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ein Abschiebungsschutz in Form einer Duldung ergeben. Nach Art. 6 GG hat der Staat die Familie zu schützen und zu fördern. Daraus folgt eine Verpflichtung der Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 01.12.2008 - 2 BvR 1830/08 - juris Rn. 26; Haedicke in: HTK-AuslR / § 60a AufenthG – zu Abs. 2 Satz 1 – rechtl. Unmöglichkeit aus and. Gründen, Stand: 02.01.2019, Rn. 3, m.w.N.).

29

Allerdings ist eine Trennung der Familie im Falle einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht zu erwarten. Bereits die Ausreise der Familie im Jahr 2015 erfolgte gemeinsam. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsgegner eine Abschiebung nur der Antragstellerin, getrennt vom Familienverbund, in Erwägung zieht.

30

Die Familieneinheit kann auch in Nordmazedonien gewahrt werden, da die gesamte Familie vollziehbar ausreisepflichtig ist und jedes Familienmitglied die mazedonische Staatsangehörigkeit besitzt. Dies gilt auch für den Sohn .... Sein Asylverfahren ist abgeschlossen, auch er ist vollziehbar ausreisepflichtig. Außerdem ist ... entgegen der Ansicht der Antragstellerin nach der im Eilverfahren allein möglichen, aber auch erforderlichen summarischen Prüfung nicht deutscher Staatsangehöriger.

31

Die deutsche Staatsangehörigkeit kann nach § 3 StAG auf verschiedene Weise erworben werden. Der Erwerb erfolgt automatisch kraft Gesetzes. Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 StAG erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, denn ... ist nicht Kind eines deutschen Staatsangehörigen. Der deutsche ... ... ist nicht der biologische Vater des Kindes ..., es handelt sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts ... um eine sog. Scheinvaterschaft. Auch die Antragstellerin selbst trägt im Klageverfahren vor, dass die Vaterschaft nur zum Schein angegeben wurde. Daher hat kein Elternteil des Kindes die deutsche Staatsangehörigkeit und ... kann diese von keinem seiner Elternteile ableiten.

32

Auch ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach §§ 3 Abs.1 Nr. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 StAG kommt nicht in Betracht, da kein Elternteil ... seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (Nr. 1) oder ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt (Nr. 2).

33

... hat die deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin auch nicht nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG erworben. Danach erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Diese Voraussetzungen sind bereits in zeitlicher Hinsicht nicht erfüllt. ... wurde am 13.04.2016 geboren und ist somit erst vier Jahre alt. Eine zwölfjährige Behandlung als deutscher Staatsangehöriger ist aus diesem Grund ausgeschlossen. Außerdem endete eine solche Behandlung spätestens mit der vom Amts wegen erfolgten Einleitung eines Asylverfahrens für ... am 26.07.2018.

34

Die übrigen Erwerbstatbestände nach §§ 5, 6, 7, und 8 StAG sind ebenfalls ersichtlich nicht verwirklicht. Allein die Existenz eines Identitätsdokumentes, in welchem die Staatsangehörigkeit eingetragen ist, führt nicht zu der Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Eintragung hat keine konstitutive Wirkung und begründet nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Erwerb erfolgt unmittelbar auf der Grundlage der gesetzlichen Regelungen. Die Eintragung wirkt lediglich deklaratorisch. Dies gilt umso mehr, da diese Eintragung ausschließlich aufgrund der vorangegangenen Scheinvaterschaft vorgenommen wurde.

35

Demnach hat ... die deutsche Staatsangehörigkeit nie erhalten und ist - wie seine Mutter - nordmazedonischer Staatsangehöriger.

36

Es ist zudem zu berücksichtigen, dass es vorliegend nicht um die Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG geht. Der sachliche Schutzbereich ist schon nicht eröffnet. Art. 16 Abs. 1 GG regelt nicht den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, sondern setzt deren Bestehen voraus (vgl. Giegerich in: Maunz/Düring, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 90. EL Februar 2020, Art. 16 Abs. 1 GG Rn. 112). Die Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit setzt notwendigerweise zunächst einmal den Erwerb derselben voraus. Vorliegend hat der Sohn ... der Antragstellerin die deutsche Staatsangehörigkeit aber nie erworben, wie oben gezeigt. Die Entziehung einer Staatsangehörigkeit, die er nie erworben hat, ist schon gar nicht möglich, sodass der sachliche Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG nicht berührt ist.

37

Andere Gründe, aus denen die Antragstellerin zu dulden sein könnte, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 AufenthG, die Entscheidung über den Streitwert auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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