Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 89/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 11.122,56 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Beförderung der Beigeladenen auf eine nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO bewertete Planstelle.

2

Sie steht als Steueramtfrau (Besoldungsgruppe A 11 SHBesO) im Dienste des Antragsgegners. Ihre letzte Regelbeurteilung erstellte er zum 01.09.2018. Aus dieser ergibt sich eine Leistungsbewertung „Die Anforderungen werden erfüllt“ mit dem Zahlenwert „2 (oberer Bereich)“. Ihre Befähigungsbewertung weist einen Durchschnittswert von 2,6 auf. Die nächste Regelbeurteilung ist zum 01.09.2021 zu erstellen.

3

In der Zeit vom XX.XX.XXXX bis zum XX.XX.XXXX lag ihr Aufgabengebiet beim Antragsgegner im Dezernat IT 3 (Betreuung von IT-Fachverfahren). Mit Wirkung zum XX.XX.XXXX setzte er sie auf das Dezernat IT 1 um, wo sie Tätigkeiten einer Personalsachbearbeiterin wahrnahm. Seit dem XX.XX.XXXX übernimmt sie u.a. die Bearbeitung von Grundsatzangelegenheiten innerhalb des Dezernats IT 5. Zudem nimmt sie Abwesenheits- und Urlaubsvertretungen wahr.

4

Am 26.10.2020 beantragte sie bei beim Antragsgegner unter Bezugnahme auf ihre Tätigkeitswechsel im Jahr 2019 die Erstellung einer Anlassbeurteilung, um zum Beförderungsstichtag am 01.12.2020 berücksichtigt werden zu können.

5

Der Antragsgegner lehnte ihren Antrag unter dem 29.10.2020 ab und führte zu Begründung an, dass eine Anlassbeurteilung nur in Betracht komme, wenn sich ihr Tätigkeitsbereich in erheblicher Weise geändert habe. Dies setze bei einem dreijährigen Rhythmus der Regelbeurteilung eine Änderung für die Dauer von mindestens zwei Jahren und inhaltlich die Wahrnehmung von Aufgaben eines anderen Statusamts voraus. Diesen Voraussetzungen entspreche sie nicht.

6

Mit Schreiben vom 03.11.2020 teilte der Antragsgegner mit, dass er beabsichtige, zum 01.12.2020 mehrere Beförderungen nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO vorzunehmen. Eine Beförderung setze hierfür in der aktuellen dienstlichen Beurteilung einen Mindestzahlenwert von 3 und einen Mindestdurchschnittswert der Befähigungsbewertung von 2,8 voraus. Die Beigeladenen erfüllten diese Voraussetzungen und seien daher für die Beförderungen auszuwählen gewesen.

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Am 10.11.2020 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrags.

8

Unter dem 20.11.2020 hat sie vor dem erkennenden Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

9

Sie trägt zur Begründung vor, einen Anspruch auf eine Anlassbeurteilung zu haben. Die ablehnende Entscheidung verkenne, dass nach § 39 Abs. 3 der Allgemeinen Laufbahnverordnung (ALVO) sowie den Beurteilungsrichtlinien Beurteilungen aus besonderem Anlass zu fertigen seien, wenn sonstige dienstliche oder persönliche Verhältnisse dies erforderten. Dies sei insbesondere der Fall, wenn seit der letzten Beurteilung erhebliche Änderungen, insbesondere in Bezug auf das Amt des Beamten eingetreten seien.

10

Die von ihr seit der letzten Beurteilung wahrgenommenen Tätigkeiten führten dazu, dass sie diese Voraussetzungen erfülle. Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Dezernat IT 5 sei gegenüber ihrem früheren Dienstposten im Dezernat IT 3 deutlich höherwertiger. Dies ergebe sich daraus, dass sie die meisten Aufgaben in Eigenverantwortung ausübe und auch die Vertretung höherrangiger Dienstposten wahrnehme. Insgesamt entspreche ihre Aufgabenbewältigung Anforderungen, die eine Bewertung ihrer Tätigkeit nach der Besoldungsgruppe A 13 SHBesG rechtfertige. Ihre hierbei gezeigten Leistungen würden sich zudem gegenüber denen im vorherigen Beurteilungszeitraum deutlich abheben. Dies könnten insbesondere die Sachgebietsleitungen der Dezernate IT 5 und IT 1 bestätigen.

11

Im Übrigen habe der Antragsgegner die Beigeladene zu 2., die über einen längeren Zeitraum keine Beurteilung erhalten habe, nunmehr anlassbeurteilt. Insoweit könne sie nicht erkennen, aus welchem Grund ihr eine Anlassbeurteilung verwehrt werde.

12

Sie beantragt sinngemäß,

13

den Antragsgegner zu verpflichten, die zum 01.12.2020 beabsichtigten Beförderungen der Beigeladenen auf eine nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO bewertete Planstelle bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über ihren Widerspruch betreffend die Erteilung einer Anlassbeurteilung zu unterlassen.

14

Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

16

Er trägt vor, dass die Auswahl der zu befördernden Beamtinnen und Beamten unter Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese erfolgt sei. Die Antragstellerin sei insoweit nicht zu berücksichtigen gewesen, weil sie aufgrund ihrer Regelbeurteilung nicht die Mindestanforderungen für die streitbefangene Beförderung erfülle. Sie habe diesbezüglich auch keinen Anspruch auf Erstellung einer Anlassbeurteilung gehabt. Aus § 39 Abs. 3 ALVO ergebe sich das Erfordernis einer erheblichen Änderung in Bezug auf das Amt. Von der Möglichkeit, Anlassbeurteilungen zu erstellen, sei nach den Beurteilungsrichtlinien zudem nur restriktiver Gebrauch zu machen.

17

Die Antragstellerin habe keine wesentlich anderen Aufgaben während eines erheblichen Zeitraums wahrgenommen, die eine Anlassbeurteilung rechtfertigten. Die Aufgaben aus dem Dezernat IT 3 würden den Aufgaben aus dem letzten Beurteilungszeitraum entsprechen. Bei ihrer über einen Zeitraum von 6,5 Monaten ausgeübten Tätigkeiten im Dezernat IT 1 sowie ihrer seit nunmehr einem Jahr wahrgenommenen Aufgaben im Dezernat IT 5 handele es sich nicht um eine höherwertige Tätigkeit. Die sich aus dem Geschäftsverteilungsplan ergebenden Vertretungsaufgaben seien lediglich Urlaubs- und Abwesenheitsvertretungen. Die Vertretung substantiellerer und inhaltlich anspruchsvollerer Aufgaben werde von anderen Personen wahrgenommen. Insgesamt handele es sich bei den in Rede stehenden Aufgaben um gleichwertige, nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO bewertete Dienstposten.

18

Zudem seien Anlassbeurteilungen aufgrund einer Veränderung des Tätigkeitsbereichs auch nur ausnahmsweise zu erstellen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die organisatorische Grundentscheidung für ein Regelbeurteilungssystem nicht entwertet werden dürfe. Würde jede auch nur teilweise inhaltliche Veränderung einer Aufgabenbeschreibung eine Anlassbeurteilung rechtfertigen, begründe dies eine solche Entwertung und einen unzumutbaren Arbeitsmehraufwand.

19

Anders als die Antragstellerin habe die Beigeladene zu 2. einen Anspruch auf eine Anlassbeurteilung gehabt. Diese seit letztmalig zum 01.09.2009 beurteilt worden. Die Anlassbeurteilung habe sie im April 2020 beantragt, weil ihr Aufgabenbereich künftig von einer anderen Dienststelle betreut werde und sie beabsichtige, sich auf einen anderen Dienstposten zu bewerben. Zu diesem Zeitpunkt sei das streitgegenständliche Beförderungsverfahren noch offen gewesen. Eine Entscheidung sei in dieser Hinsicht erst im Oktober 2020 erfolgt.

20

Das Gericht hat die vom Antragsgegner zur Beförderung ausgewählten Beamtinnen mit Beschluss vom 26.11.2020 beigeladen. Sie haben keine Anträge gestellt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

22

Der Antrag hat keinen Erfolg

23

Er ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber unbegründet.

24

Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, und einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO).

25

Die Antragstellerin hat zwar die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und damit den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn ein Bewerber, der unter Beachtung des sich aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) ergebenden Bewerbungsverfahrensanspruchs ausgewählt wurde, hat einen Anspruch auf die Verleihung des Amtes durch seine Ernennung. Die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber gehen durch die Ernennung unter, wenn das Auswahlverfahren hierdurch endgültig abgeschlossen wird. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 – 2 C 16/09 –, Rn. 27, juris). Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 03.11.2020 mitgeteilt, die ausgeschriebenen Dienstposten mit den Beigeladenen besetzen zu wollen. Dies hätte nach den aufgezeigten Grundsätzen zur Folge, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin durch die Ernennung der Beigeladenen untergehen würde. Insoweit kann die Antragstellerin nur im Wege der einstweiligen Anordnung sicherstellen, dass ihr Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung vorläufig gewahrt bleibt.

26

Die Antragstellerin kann gleichwohl keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. In Stellenbesetzungsverfahren kann effektiver Rechtsschutz i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG lediglich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gewährt werden. Ein Anordnungsanspruch ist daher in Verfahren, die die Konkurrenz von Beamten um Beförderungsstellen oder Beförderungsdienstposten betreffen, regelmäßig zu bejahen, wenn nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Sach- und Streitstand nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die vom Dienstherrn getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten der Antragstellerin rechtsfehlerhaft ist. Dies ist der Fall, wenn ihr Bewerbungsverfahrensanspruch gemäß den Vorgaben des in Art. 33 Abs. 2 GG geregelten Prinzips der Bestenauslese keine hinreichende Beachtung gefunden hat. Gleichzeitig müssen die Aussichten der Betroffenen, in einem neuen, rechtmäßigen Verfahren ausgewählt zu werden, offen sein. Ihre Auswahl muss demnach zumindest als möglich erscheinen (OVG Schleswig, Beschl. v. 02.08.2016 – 2 MB 16/16 –, Rn. 16 m.w.N., juris).

27

Bewerber um einen höher bewerteten Dienstposten oder ein Beförderungsamt haben zwar keinen Anspruch auf Übertragung einer bestimmten Stelle. Sie können aber verlangen, dass der Dienstherr über ihre Bewerbung beurteilungsfehlerfrei entscheidet. Dabei dürfen nach Art. 33 Abs. 2 GG öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße die Bewerber den Anforderungen des Amtes genügen und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren werden. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen bei der Auswahl- und Beförderungsentscheidung grundsätzlich eine Bewerberauswahl notwendig, die einzig aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs erfolgt (BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 –, Rn. 21, juris).

28

Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat vor allem anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen. Eine dienstliche Beurteilung ist aufgrund der Erkenntnisse über die von dem jeweiligen Beamten auf dem konkret innegehabten Dienstposten gezeigten Leistungen zu erstellen, die an den (abstrakten) Anforderungen des Statusamtes zu messen sind. Bezugspunkt der dienstlichen Beurteilung ist insoweit nicht der konkrete Dienstposten, sondern das Statusamt des Beamten. Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt insbesondere voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Die Aktualität dienstlicher Beurteilungen bemisst sich nach dem verstrichenen Zeitraum zwischen ihrer Erstellung (bzw. dem Beurteilungsstichtag) und dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 32 f., juris).

29

Hieran gemessen ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden.

30

Der Antragsgegner hat seiner Auswahlentscheidung aktuelle Beurteilungen zugrunde gelegt. Insbesondere stellt sich die letzte Regelbeurteilung der Antragstellerin als hinreichend aktuell dar. Erfolgt eine Auswahlentscheidung auch auf der Grundlage dienstlicher Beurteilungen, besitzen nach § 59 Abs. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) solche Beurteilungen hinreichende Aktualität, deren Ende des Beurteilungszeitraumes zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht länger als drei Jahre zurückliegt. Dieser Dreijahreszeitraum korrespondiert mit dem vom Antragsgegner in seinen Beurteilungsrichtlinien festgelegten Rhythmus eines dreijährigen Beurteilungszeitraums. Die Antragstellerin hat ihre letzte Regelbeurteilung zum 01.09.2018 erhalten, weshalb sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung – dem 26.10.2020 – lediglich zwei Jahre und rund zwei Monate zurücklag. Dadurch war im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung die zeitliche Höchstgrenze des § 59 Abs. 1 LBG nicht überschritten, was die Vermutung der Aktualität der dienstlichen Beurteilung begründet.

31

Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch darauf, eine (aktuellere) Anlassbeurteilung zu erhalten.

32

Bei einem auf turnusgemäßen Regelbeurteilungen beruhenden Beurteilungssystem kann die Notwendigkeit entstehen, die Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf eine zu treffende Auswahlentscheidung zu aktualisieren. Dem trägt § 39 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 ALVO Rechnung, wonach Beurteilungen aus besonderem Anlass dann zu erstellen sind, wenn sonstige dienstliche oder persönliche Verhältnisse dies erfordern.

33

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt in Auslegung des inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 Bundeslaufbahnverordnung (BLV) einen solchen Bedarf an, wenn der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag der letzten Regelbeurteilung während eines erheblichen Zeitraums wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 37 m.w.N., juris).

34

Nach diesem Maßstab, dem sich die Kammer anschließt, stehen keine dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse im Raum, die die Erstellung einer Anlassbeurteilung erfordern.

35

Die von der Antragstellerin begehrte Beurteilung würde sich bereits ungeachtet der statusrechtlichen Wertigkeit der von ihr in den Dezernaten des Antragsgegners wahrgenommenen Aufgaben nicht auf einen erheblichen Zeitraum beziehen. Denn ein solcher ist anzunehmen, wenn der Beamte nach dem Beurteilungsstichtag bei einem dreijährigen Regelbeurteilungszeitraum die anderen Aufgaben während des deutlich überwiegenden (mit zwei Dritteln anzusetzenden) Teils des Beurteilungszeitraums – also über zwei Jahre – wahrgenommen hat (BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 38, juris).

36

Dies trifft auf die Antragstellerin nicht zu. Denn sie hat nach dem letzten Beurteilungsstichtag – dem 01.09.2018 – ihre Aufgaben im Dezernat IT 3 noch bis zum 30.04.2019 und damit über einen Zeitraum von acht Monaten wahrgenommen. Diese Tätigkeiten können in diesem Zusammenhang jedoch bereits deshalb keine Berücksichtigung finden, weil es sich um dieselben Aufgaben wie zuvor handelte. Die hieran anschließenden Tätigkeiten in den Dezernaten IT 1 und IT 5 nahm sie demgegenüber bis zur Auswahlentscheidung über eine Zeit von 18 Monaten war. Diese erreicht damit lediglich den hälftigen Teil des dreijährigen Beurteilungszeitraums des Antragsgegners und stellt sich daher nicht als erheblicher, deutlich überwiegender Zeitraum dar.

37

Zutreffend ist in diesem Zusammenhang zwar die Kritik der Antragstellerin, dass sich diese zeitliche Grenzziehung § 39 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 ALVO nicht ausdrücklich entnehmen lässt. Die Kammer hält sie jedoch in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgerichts für erforderlich, um die verfassungsrechtlichen Interessen des Antragsgegners an einer leistungs- und funktionsfähigen Verwaltung einerseits sowie der Antragstellerin an der Gewährleistung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs andererseits in einen schonenden Ausgleich zu bringen (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 44, 49, juris).

38

Die von ihr wahrgenommenen Aufgaben stellen sich auch nicht als wesentlich anders dar. Wesentlich andere Aufgaben in diesem Sinne liegen nur vor, wenn der Beamte in seinem veränderten Tätigkeitsbereich Aufgaben wahrnimmt, die einem anderen (regelmäßig höherwertigen) Statusamt zuzuordnen sind. Maßgeblich ist insofern der Vergleich zu der Tätigkeit, die während des vorangegangenen Beurteilungszeitraums ausgeübt wurde (BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 38, 52, juris).

39

Voraussetzung dafür, dass eine Änderung des Tätigkeitsbereichs als wesentlich eingestuft werden kann, ist, dass sie leistungs- und beurteilungsrelevant ist. Diese Relevanz ergibt sich daher noch nicht aus der bloßen Veränderung des konkreten Tätigkeitsbereichs. Denn die dienstliche Beurteilung ist zwar auf der Grundlage der auf dem jeweiligen Dienstposten gezeigten Leistungen zu erstellen. Ihr Maßstab und Bezugspunkt ist hingegen das innegehabte Statusamt. Die neuen Aufgaben sind einem anderen Statusamt daher nur dann zuzuordnen, wenn sie ausschließlich anderen Besoldungsgruppen entsprechen als die vorherigen Aufgaben des Beamten (BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 52, juris).

40

Hieran gemessen ist hinsichtlich der Antragstellerin keine wesentliche Änderung ihres Tätigkeitsbereichs festzustellen. Zutreffend ist zwar, dass sie im Statusamt einer Steueramtfrau in der Besoldungsgruppe A 11 SHBesO im Dezernat IT 3 eine höherwertige Funktion ausgeübt hat, da diese ausweislich der ihrer Regelbeurteilung anliegenden Aufgabenbeschreibung nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO bewertet war (vgl. Bl. 12 d.A.). Indessen setzt die Frage, ob sich die Tätigkeit nach dem Beurteilungsstichtag als wesentlich anders darstellt, einen Vergleich zum vorherigen Beurteilungszeitraum voraus. Wie aufgezeigt, hat die Antragstellerin ihre Tätigkeit im Dezernat IT 3 jedoch nicht erst nach dem Beurteilungsstichtag, sondern auch bereits während des vorherigen Beurteilungszeitraums ausgeübt, weshalb sich ihre dortigen Aufgaben von vornherein nicht als wesentlich anders darstellen können.

41

Nichts Anderes gilt für ihre Tätigkeiten in den Dezernaten IT 1 und IT 5, die sie bis zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Auswahlentscheidung wahrgenommen hat. Denn auch hierbei handelte es sich nach Auskunft des Antragsgegners um gleichwertige, nach der Besoldungsgruppe A 12 SHBesO bewertete Dienstposten, die sich gegenüber den Aufgaben im vorherigen Beurteilungszeitraum nicht als höherwertiger darstellen. Zwar können neue Aufgaben auch dann einem anderen Statusamt zuzuordnen sein, wenn sie derselben Besoldungsgruppe entsprechen, anders als die vorherigen Aufgaben des Beamten nicht aber derselben Laufbahn zuzuordnen sind (BVerwG, Urt. v. 09.05.2019 – 2 C 1/18 –, Rn. 55, juris). Dies trifft auf die Antragstellerin jedoch nicht zu.

42

Es kann offenbleiben, ob sich ihre Tätigkeit gegenüber der Aufgabenbeschreibung als wesentlich höherwertiger darstellt, weil sie die meisten Aufgaben in Eigenverantwortung ausübe, überdies Vertretungsaufgaben wahrnehme und ob dies eine Bewertung nach der Besoldungsgruppe A 13 SHBesO rechtfertige. Denn wie eine Stelle zu bewerten ist, unterfällt grundsätzlich alleine dem Organisationsermessen des Dienstherrn.

43

Sofern die Antragstellerin darauf verweist, ihr stehe ein Anspruch auf Erstellung einer Anlassbeurteilung auch aus § 39 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 ALVO zu, verfängt dieser Einwand nicht. Nach dieser Norm ist eine Beurteilung abweichend von § 39 Abs. 3 S. 2 ALVO dann zu fertigen, wenn seit der letzten Beurteilung erhebliche Änderungen, insbesondere in Bezug auf das Amt des Beamten, eingetreten sind. Unabhängig von der Frage, ob der Anwendungsbereich dieser Norm aufgrund ihrer Verweise in Satz 2 sowie Satz 1 eröffnet ist, sind aus den vorgenannten Gründen bereits keine erheblichen Änderungen in Bezug auf das Amt der Antragstellerin festzustellen, die die Vermutung der Aktualität ihrer Regelbeurteilung widerlegen würden.

44

Die Kammer vermag auch keinen Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichbehandlungsgrundsatz erkennen. Die Antragstellerin kann einen Anspruch auf Erstellung einer Anlassbeurteilung insbesondere nicht daraus herleiten, dass der Antragsgegner die Beigeladene zu 2. antragsgemäß anlassbeurteilt hat. Denn das Begehren der Antragstellerin unterscheidet sich von dem insoweit zugrundeliegenden Sachverhalt schon dadurch, dass die Beigeladene zu 2. aufgrund ihres Alters gemäß Ziff. 4.2.7 der Beurteilungsrichtlinien letztmalig zum 01.09.2009 eine Regelbeurteilung erhalten hat und daher nach § 59 Abs. 1 S. 2 LBG – anders als die Antragstellerin – keine aktuelle Beurteilung vorweisen konnte. Es wirkt sich daher auch nicht entscheidungserheblich aus, dass der Antragsgegner die Beigeladene zu 2. anlass- und nicht nach Ziff. 4.2.7 auf Antrag regelbeurteilt hat.

45

Im Übrigen ist auch kein Ermessensausfall seitens des Antragsgegners zu erkennen. Denn die Norm des § 39 Abs. 3 ALVO sieht für die Erstellung von Beurteilungen aus besonderem Anlass bei Vorliegen der Voraussetzungen gerade kein Ermessen, sondern eine gebundene Entscheidung vor. Dies ist – wie aufgezeigt – bei der Antragstellerin nicht der Fall.

46

Da sie aufgrund ihrer Regelbeurteilung nicht die für eine Beförderung notwendigen Kriterien des Antragsgegners erfüllt, war der Antrag abzulehnen.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

48

Außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil sie keine eigenen Anträge gestellt und damit auch kein eigenes Kostenrisiko auf sich genommen haben.

49

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2 S. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 6 S. 4 und S. 1 Nr. 1 sowie Abs. 1 Gerichtskostengesetz i.V.m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach beträgt der Streitwert ein Viertel der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des angestrebten Amtes mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Daraus ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 11.122,56 € (Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 12, Erfahrungsstufe 4: 3.707,52 € x 12 : 4 = 11.122,56 €). Die beantragte Anzahl der freizuhaltenden Stellen wirkt sich vorliegend nicht streitwerterhöhend aus (OVG Schleswig, Beschl. v. 30.10.2020 – 2 O 3/20 –, Rn. 5, juris).


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