Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (1. Kammer) - 1 B 1/21

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin betreibt auf einem gepachteten Grundstück von etwa 15 ha in xxxxx eine Golfübungsanlage. Den größten Teil dieser Fläche nimmt die Driving Range ein, von der aus die Golfspieler übungshalber gemietete Golfbälle auf lange Distanz auf gegenüberliegende Zielareale abschlagen können. Dabei besteht zwischen den einzelnen Abschlagflächen ein Abstand von etwa 2 m. Die Übungsanlage besteht außerdem aus zwei sogenannte Puttinggreens und drei weiteren Rasenflächen, auf denen das kurze Spiel geübt werden kann. Hinter den Abschlagplätzen der Driving Range befindet sich ein langgestrecktes Gebäude, welches unter anderem fünf bis sieben Abschlaghütten aufweist, die vor allem bei schlechtem Wetter zum Schlagen auf lange Distanz genutzt werden können. Die Abschlaghütten sind durch Trennwände seitlich unterteilt, zur Driving Range voll geöffnet und auch von hinten durch Offenhalten von Schiebetüren belüftbar.

2

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die (eilige) Erteilung einer Ausnahmegenehmigung dahingehend, dass sie die Golfübungsanlage unter der Voraussetzung der Einreichung eines Hygienekonzepts nutzen dürfe. Über den Antrag ist bislang nicht entschieden worden. Auf Nachfrage teilte ein Mitarbeiter des Antragsgegners mit, dass kurzfristig nicht mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

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In der Folge hat die Antragstellerin am 6. Januar 2021 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim erkennenden Gericht erhoben, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen vorträgt, dass ihr durch die Schließung erhebliche Einnahmen entgingen, die sie durch die Eintrittsgelder von Gastspieler/innen (Greenfee), Entgelte von Tagesbesucher/innen und Einnahmen aus der Vermietung von Golfbällen aus dem Ballautomaten erwarte. Die Einnahmen hätten im Dezember 2019 circa 4.000 Euro betragen. Die Schließung stelle daher eine besondere Härte dar und rechtfertige eine Ausnahmegenehmigung, weil Belange des Infektionsschutzes nicht überwögen. Die entstehenden Einbußen würden auch durch die Soforthilfeprogramme nicht vollständig kompensiert. Ihr kämen auch keine Mitgliedsbeiträge zum Ausgleich zugute, da es sich um eine rein kommerzielle Anlage handele, weshalb sie stärker als andere Regelungsadressaten belastet sei. Ferner bestehe aufgrund des strengen Hygienekonzepts, nach dem mehrere Schilder auf den Mindestabstand hinwiesen, die Puttingreens nur von einer Person genutzt werden dürften, Markierungen die Laufrichtungen der Besucher so lenkten, dass keine Begegnungen stattfänden, mehrere Desinfektionsmittelspender aufgestellt und das Clubhaus und Umkleiden geschlossen seien, kein gegenüber dem üblichen Leben erhöhtes Infektionsrisiko. Zudem sorge die Weitläufigkeit der Anlage dafür, dass Menschen sich nicht unabsichtlich begegneten. Die zum Ballverleih genutzten Körbe würden nach dem Gebrauch desinfiziert. Mittelbare Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu der Anlage, etwa in öffentlichen Verkehrsmöglichkeiten würden nicht geschaffen, weil die Anlage nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sei und Golfspieler/innen ganz überwiegend mit dem Auto führen, um ihr Golfgepäck mitführen zu können. Fahrgemeinschaften fänden nur mit dem eigenen Haushalt statt. Das Verbot trage daher nicht einmal in geringem Umfang zur Kontaktreduzierung und Viruseindämmung bei. Die durch die Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Corona-BekämpfV) gestattete Sportausübung im Freien allein, gemeinsam Angehörigen des Hausstandes oder einer Person eines anderen Hausstandes berge kein anderes Infektionsrisiko als der Abschlag von Golfbällen in 1,5 m Abstand. Bei den erlaubten Sportarten wie Joggen sei der Aerosolausstoß sogar gegenüber dem Golfen erhöht. Dementsprechend sei Golfen z. B. in B-Stadt auch unter den allgemeinen Einschränkungen der Teilnehmer/innen erlaubt. Für diese Benachteiligung des Golfsports lasse sich kein sachlich vertretbarer Grund anführen. Die Untersagung der Nutzung der Golfanlage füge sich nicht schlüssig in das vom Verordnungsgeber in Wahrnehmung seines Beurteilungs- und Prognosespielraums aufgestellte Gesamtkonzept bzw. Maßnahmenbündel ein, mit dem er dem Infektionsgeschehen begegne. Eine Begründung, warum auch der Golfsport untersagt sei, enthalte die Corona-BekämpfV bezeichnenderweise nicht. Es werde ohne erkennbaren zureichenden Grund wesentlich Ungleiches gleich und wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Diese Ungleichbehandlung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gewährung einer Ausnahme nach § 20 Abs. 1 Corono-BekämpfV könne diese gleichheitswidrige Behandlung kompensieren. Im Übrigen falle das Abschlagen von Golfbällen zu Übungszwecken im Freien auch nicht unter § 11 Abs. 2 Corona-BekämpfV, weil es nicht um ein mit den Regelbeispielen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Corona-BekämpfV vergleichbares Infektionsrisiko handle. Mit § 11 der Corona-BekämpfV verfolge der Verordnungsgeber erkennbar das Ziel, Freizeitsport und die damit einhergehenden Kontakte, insbesondere in Innenräumen zu minimieren, um die Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen. Bei dem auf ihrer Golfübungsanlage ausgeübten Individualsport handle es sich jedoch um eine völlig andere Sachlage als bei Sportarten (insbesondere in geschlossenen Räumen), bei denen es zu persönlichen Kontakten komme. Dies habe sich in der Auslegung der Norm niederzuschlagen, weshalb auch ihr Hilfsantrag Erfolg habe.

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Die Antragstellerin beantragt,

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den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, eine Ausnahmegenehmigung nach § 20 Abs. 1 der Ersatzverkündung der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 dahingehend zu erteilen, dass sie berechtigt ist, die von ihr betriebene Golfübungsanlage in xxxxx zu nutzen unter der Voraussetzung, dass nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 der Ersatzverkündung der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 ein Hygienekonzept erstellt ist,

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hilfsweise,

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im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass die Öffnung ihrer Golfübungsanlage in xxxxx, unter der Voraussetzung, dass nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 der Ersatzverkündung der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 ein Hygienekonzept erstellt ist, nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 2 der Ersatzverkündung der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 untersagt ist.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung trägt er vor, es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, weil die Antragstellerin weder ihm noch dem Gericht ein Hygienekonzept vorgelegt habe. Der Antrag habe daher noch nicht konkret geprüft werden können. Im Übrigen nenne die Begründung der Verordnung Golfplätze ausdrücklich als von dem Schließungsgebot in § 11 Abs. 2 Satz 2 Corona-BekämpfV betroffene Sportanlage.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II.

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Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Hauptantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung der Rechte der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen sicherungsfähigen Anspruch (Anordnungsanspruch) voraus. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür sind glaubhaft zu machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und der Antragstellerin nicht schon – wie hier begehrt – das zusprechen, was sie – sofern ein Anspruch besteht – nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieser Grundsatz des Verbotes einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung gilt jedoch im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleisteten wirksamen Rechtschutz dann nicht, wenn die erwarteten Nachteile bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht.

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In Anwendung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht vor.

15

Es kann offen bleiben, ob es bereits am Anordnungsgrund für die hauptantraglich begehrte Ausnahmegenehmigung fehlt, weil die Antragstellerin entgegen der Vermutung, die die Schilderung ihrer Hygienemaßnahmen auf ihrer Golfanlage vermuten lassen, bisher beim Antragsgegner kein Hygienekonzept vorgelegt hat. Ein solches ist aber erforderlich, um den Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung und insbesondere die hierfür maßgeblichen Belange des Infektionsschutzes beurteilen zu können. Mit Blick darauf, dass die Antragstellerin es der Behörde bisher nicht durch Einreichung vollständiger Unterlagen ermöglicht hat, über ihren – eiligen – Antrag auf Gewährung einer Ausnahmegenehmigung zu entscheiden, erscheint das berechtigte Interesse an einer zeitnahen gerichtlichen Entscheidung bereits zweifelhaft.

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Einen Anordnungsgrund unterstellt, fehlt es darüber hinaus an dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad für den Erfolg in der Hauptsache, weil die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat.

17

Rechtsgrundlage für die begehrte Ausnahmegenehmigung ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2, verkündet am 8. Januar 2021, in Kraft ab 11. Januar 2021 (Corona-BekämpfV), wonach die zuständigen Behörden auf Antrag Ausnahmen von den Geboten und Verboten aus §§ 5 bis 18 genehmigen können, soweit die dadurch bewirkten Belastungen im Einzelfall eine besondere Härte darstellen und die Belange des Infektionsschutzes nicht überwiegen.

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Die Antragstellerin ist als Betreiberin der Golfanlage Adressatin des Gebotes in § 11 Abs. 2 Satz 2 Corona-BekämpfV, wonach Sportanlagen für die Sportausübung zu schließen sind. Dies ergibt sich sowohl aus dem eindeutigen Wortlaut als auch der Systematik des § 11 Corona-BekämpfV. Es besteht zunächst kein Zweifel daran, dass es sich bei der von der Antragstellerin betriebenen Golfanlage um eine Sportanlage im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 Corona-BekämpfV handelt. Dies spiegelt sich auch in der diesbezüglich eindeutigen Verordnungsbegründung wieder, die zu Absatz 2 Satz 2 Folgendes ausführt:

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„Sämtliche Sportanlagen einschließlich Golf- und Bolzplätzen und Skateparks sind ebenfalls geschlossen. Eine Ausnahme gibt es lediglich für Tiersportanlagen. Diese müssen geöffnet bleiben, da zum Beispiel Pferden aus Gründen des Tierschutzes die Möglichkeit zur Bewegung eingeräumt werden muss.“

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Auch die Systematik des § 11 Corona-BekämpfV stützt dieses Ergebnis. Zunächst regelt der Verordnungsgeber in § 11 Abs. 1 Corona-BekämpV die zulässige Sportausübung allein, gemeinsam mit im selben Haushalt lebenden Personen oder einer anderen Person. Dies gilt allerdings nur unter der Maßgabe der in Absatz 2 vorgenommenen Beschränkungen durch Untersagung des Betriebs von Schwimm- und Spaßbädern, Fitnessstudios und ähnlichen Einrichtungen. Zur Schließung dieser Einrichtungen hat den Verordnungsgeber ausweislich der Verordnungsbegründung der Umstand bewogen, dass dort regelmäßig mehrere Personen gleichzeitig Sport in geschlossenen Räumen ausüben und sich zum Teil zwischen den Sportgeräten oder den Gemeinschaftseinrichtungen wie Umkleiden und Duschen hin und her bewegen bzw. diese zeitnah oder gar zeitgleich benutzen, sodass sich Aerosole besonders gut verbreiten können, wodurch das Infektionsrisiko steigt. Durch die Schließung auch der nicht über derartige gemeinschaftlich genutzte Räume verfügenden (Außen-)Sportanlagen (bzw. solcher, die diese Räume ohne Funktionsbeeinträchtigung schließen können) hat der Verordnungsgeber hinreichend deutlich gemacht, dass er die Unterschiede zwischen den jeweiligen Anlagen und damit ggfs. einhergehende Unterschiede des Infektionsrisikos gesehen, hierfür aber dennoch eine einheitliche Rechtsfolge gewählt hat.

21

In dieser Schließung von Sportanlagen drinnen und draußen liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wonach der Normgeber wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln hat. Der Gleichheitssatz gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 –, juris Rn. 76). Der Schutzbereich von Art. 3 Abs. 1 GG ist folglich eröffnet, wenn unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, obwohl die tatsächliche Ungleichheit von Gewicht ist (BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08 –, juris Rn. 124 m. w. N.). Ebenfalls betrifft es den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 –, juris Rn. 40).

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Vor dem Hintergrund des Infektionsschutzes dürfte es sich bei Gruppensport in Außen- und Innensportanlagen um bereits nicht um wesentlich ungleiche Sachverhalte von einigem Gewicht handelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gleichheitssatz den Gesetzgeber beauftragt, für seine jeweilige Regelung den angemessenen Grad der Verallgemeinerung zu finden. Hat der Gesetzgeber ein Regelungsbedürfnis festgestellt, dessen Gegenstand bestimmt und das Regelungsziel definiert, bemisst sich der Grad der gebotenen Verallgemeinerung nach der den Tatbestand rechtfertigenden Gemeinsamkeit. Dabei trifft der Gesetzgeber den gebotenen Grad der Allgemeinheit, wenn er die Wirklichkeit sachgerecht erfasst, sie in ihrer Ähnlichkeit und Verschiedenheit vertretbar beurteilt, rechtserhebliche Gemeinsamkeiten wertend in das Licht seiner Regelung rückt und mit der dementsprechenden Rechtsfolge verknüpft und rechtlich Unerhebliches im Dunkel des hier tatbestandlich Belanglosen belässt (vgl. Kirchhof in: Maunz/Dürig, 92. EL August 2020, GG Art. 3 Abs. 1 Rn. 10).

23

Diesen Maßgaben wird der Verordnungsgeber vorliegend gerecht, denn aus der Systematik des § 11 Corona-BekämpfV wird deutlich, dass es dem Verordnungsgeber vor allem darum ging, das Infektionsrisiko, welches mit dem gemeinsamen Sportreiben aufgrund besonders hohen Aerosolausstoßes sowie der regelmäßigen Ausübung ohne Mund-Nasen-Bedeckung einhergeht, zu verringern (Regelungsziel). Dabei ist das Risiko bei Sport im Innen- und Außenbereich gleichermaßen erhöht, wenn es bei Sport im Außenbereich auch regelmäßig leichter fallen dürfte, Abstandsregelungen einzuhalten und den potentiell gefährlichen Aerosolen „auszuweichen“. Auch bei Sport im Außenbereich ist eine Ansteckung jedoch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit möglich.

24

Bei den Untersagungen geht es aber nicht bloß um das konkrete Infektionsrisiko, sondern auch um eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage (vgl. Begründung der Verordnung unter „Allgemeines“). Dabei stellt der Verordnungsgeber eher auf ein aufgrund vieler Bewegungen und menschlicher Kontakte erhöhtes abstraktes Infektionsrisiko ab. Im Rahmen dieser Risikoabwägung spielen Sportanlagen im Innen- und Außenbereich im Wesentlichen die gleiche Rolle. Im Falle einer Öffnung zögen sie gleichermaßen Menschen an, die dort potentiell in Kontakt miteinander kämen. Insoweit geht es dem Verordnungsgeber insgesamt um eine Reduzierung von Freizeitangeboten, die andernfalls Bürger/innen zu Bewegungen im Landesgebiet motivieren und damit das Infektionsrisiko abstrakt steigern würden. Dass der Verordnungsgeber dabei diese beiden Gesichtspunkte wertend ins Licht gerückt und dabei keine Einzelbeurteilung der jeweiligen (Außen)Sportanlagen abhängig von der konkreten Sportart (Mannschafts- vs. Einzelsport) bzw. der Vereinskultur vorgenommen hat, bewegt sich im Rahmen des durch Art. 3 Abs. 1 GG eingeräumten Gestaltungsspielraums.

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Ungeachtet einer etwaigen Ungleichheit der Sachverhalte ist ihre Gleichbehandlung jedenfalls nach den vorstehenden Ausführungen sachlich gerechtfertigt. Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht schon dann verletzt, wenn der Normgeber Differenzierungen, die ihm gestattet sind, nicht vornimmt, sondern erst dann, wenn ein vernünftiger Grund für diese Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte fehlt (vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08 –, a.a.O.). Die vom Normgeber bezweckte Beschränkung menschlicher Bewegungen und Kontakte außerhalb des eigenen Hausstandes und die damit verbundene Verringerung von Infektionsrisiken zur Vermeidung einer Überbelastung des schleswig-holsteinischen Gesundheitssystems stellt jedoch einen die Gleichbehandlung rechtfertigenden sachlichen Grund dar.

26

Auch liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass der Verordnungsgeber Sport grundsätzlich nach Maßgabe des § 11 Abs. 1 Corona-BekämpfV zulässt, aber (Außen)Sportanlagen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Corona-BekämpfV zu schließen sind. Hierin liegt keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, denn die Adressaten der Regelung sind mit Bürger/innen auf der einen und Sportanlagenbetreibenden auf der anderen Seite bereits wesentlich ungleich. Darüber hinaus lassen sich auch bei Vergleich der Art und Weise des Sporttreibens mit Blick auf das Infektionsrisiko wesentliche Unterscheide feststellen. Dabei kommt es nicht so sehr auf die konkrete Infektionsträchtigkeit der Sportart (z. B. Joggen vs. Golfabschläge üben) an, sondern vielmehr darauf, wie hoch das Risiko des zufälligen Zusammentreffens mehrerer im Rahmen von § 11 Abs. 1 Corona-BekämpfV zugelassener Sportgruppen/-paare ist. Dieses Risiko menschlicher Kontakte und damit potentieller Neuinfektionen ist wesentlich geringer, wenn Sport nur „im Park“ (oder gar im eigenen Wohnzimmer) betrieben wird, als wenn durch die Öffnung von Außensportanlagen ein entsprechender Zielanreiz für sportliche Aktivität geschaffen würde in dessen Folge sich Sportler/innen auf dem Gelände der geöffneten Anlagen „tummelten“.

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Im Übrigen wäre eine – unterstellte – Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem sachlich gerechtfertigt. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dies ist vorliegend der Fall, denn der durch Öffnung einer/der Außensportanlage/n gesetzte Anreiz führt nicht lediglich dazu, dass das Risiko menschlicher Kontakte vor Ort erhöht wird, sondern hat voraussichtlich auch zur Folge, dass angesichts der Attraktivität des Angebotes und des (derzeitigen) Mangels an Alternativen insgesamt mehr Menschen die geöffneten Außensportanlagen aufsuchen. Diese Entwicklung hat die Antragstellerin selbst durch entsprechend gestiegenen Umsatz im Jahr 2020 festgestellt und beschrieben. Diesen Anreiz und die damit einhergehende Steigerung menschlicher Bewegungen und Kontakte gilt es aber laut Verordnungsbegründung gerade zu verhindern.

28

Nach alledem hat die Antragstellerin die für die benötigte Ausnahmegenehmigung erforderliche „besondere Härte“ nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

29

Auftretende Belastungen können nur dann besondere Härten bedeuten, wenn sie über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinausgehen, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen nicht alle Regelungsadressat/innen gleichermaßen betroffen sind. Der unsubstantiierte, nahezu ins Blaue getätigte Vortrag der Antragstellerin, ihr im Dezember 2019 erwirtschafteter Umsatz in Höhe von etwa 4.000 Euro werde aller Voraussicht nach von den staatlichen Soforthilfeprogrammen – sofern diese überhaupt einschlägig seien – nicht vollständig aufgefangen, stellt schon keine solche Härte dar. Diese Problematik trifft alle von Anlagen- und Geschäftsschließungen betroffenen Regelungsadressat/innen gleichermaßen. Dabei mag es jenen in der Organisationsstruktur des Vereins aufgrund der fortlaufend entrichteten Mitgliedsbeiträge wirtschaftlich noch besser gehen. Dies trifft jedoch bei Weitem nicht auf alle Sportanlagenbetreiber/innen zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch die in § 11 Abs. 2 Satz 1 Corona-BekämpfV genannten Fitnessstudios u.a. berücksichtigt werden. Der Vortrag genügt auch nicht dem von § 123 Abs. 3 VwGO geforderten Darlegungsmaß, weil die Antragstellerin offenbar bisweilen nicht einmal in Erfahrung zu bringen versucht hat, ob sie Anspruch auf staatliche Soforthilfen hat und – wenn ja – welche Höhe diese in etwa erreichen.

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Weil die Voraussetzungen der Härtefallregelung nicht glaubhaft gemacht sind, kommt es auf konkrete Infektionsrisiken beim Betrieb der Golfanlage der Antragstellerin nicht an. Im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung wäre aber u. a. zu berücksichtigen, wie ein Besucherandrang verhindert und die zulässige Besucher/innenanzahl kontrolliert werden könnte.

31

Der danach maßgebliche Hilfsantrag ist zwar statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch ebenfalls unbegründet.

32

Die Statthaftigkeit des Hilfsantrags folgt aus dem vorrangigen Begehren der Antragstellerin, mit ihrem Feststellungsbegehren durch die Corona-BekämpfV in der (nunmehr) geltenden Fassung vom 8. Januar 2021, in Kraft seit dem 11. Januar 2021 unmittelbar in ihren subjektiven Rechten betroffen zu sein. Im Verfahren der Hauptsache wäre daher die Feststellungsklage statthaft. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren einer der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – 8 C 19.94 –, juris). Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987– 3 C 53.85 –, juris). So liegt es hier, weil zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner als zuständiger Gesundheitsbehörde streitig ist, ob die Corona-BekämpfV in ihrer nunmehr in Kraft getretenen Fassung auf die Antragstellerin Anwendung findet und der Antragstellerin folglich der Betrieb ihrer Golfanlage untersagt wird. Die durch die Verordnung begründete Pflichtenbeziehung zwischen den Beteiligten hat sich durch den offensichtlich gegenteiligen Rechtsstandpunkt des Antragsgegners und die damit verbundene Behauptung der rechtlichen Unzulässigkeit des beabsichtigten Anlagenbetriebs zu einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet. Die Antragstellerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, da sie die kommerzielle Nutzung ihrer Golfanlage wieder anbieten will und eine Entscheidung über das (Nicht)Bestehen des Verbotes in der Hauptsache aufgrund des dann zu besorgenden endgültigen Rechtsverlustes nicht abwarten muss.

33

Dem Antrag bleibt in der Sache nach den bereits zum Hauptantrag gemachten Ausführungen jedoch der Erfolg versagt, weil eine verfassungswidrige (Un)Gleichbehandlung der Antragstellerin mit innenliegenden Sportanlagen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 Corona-BekämpfV bzw. mit der durch die Verordnung zugelassenen Sportausübung nach § 11 Abs. 1 Corona-BekämpfV nicht vorliegt.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 und 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt die ständige Rechtsprechung des OVG Schleswig-Holstein, nach der der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG im summarischen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner Herabsetzung unterliegt.


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