Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 14/22

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 A 65/22 wird angeordnet, soweit mit Bescheiden vom 18. Dezember 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 für die Wohnung ... (oben) Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2017 von mehr als ... € und für das Jahr 2019 von mehr als ... € sowie für die Wohnung ... (unten) Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2016 und 2017 jeweils von mehr als ... € und für die Jahre 2018 und 2019 jeweils von mehr als ... € festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf ... € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Festsetzung von Zweitwohnungssteuer für zwei Wohnungen (oben und unten) belegen im ... in ... für die Veranlagungszeiträume 2016 bis 2020, Vorauszahlung 2021.

2

Mit Schreiben vom 18. Juni 2018 wurde die Antragstellerin aufgefordert, zur Überprüfung zur Anerkennung als zweitwohnungssteuerfreie Kapitalanlage glaubhafte Angaben hierzu zu machen und benannte Unterlagen für beide Wohnungen im ... (oben und unten) in ... einzureichen.

3

Diesem kam die Antragstellerin mit Schreiben vom 29. August 2018 für das Jahr 2016 nach. Hierin bezog sie sich auf den Mietvermittlungsvertrag mit der ... vom 9. Januar 2015, wonach eine Eigennutzung ausgeschlossen sei. Eigenaufenthalte erfolgten für Instandhaltungszwecke, Reparaturen und Grundstückspflege. Die ... bestätigte für 2016, dass keine Belegungssperren stattgefunden hätten (beide Wohnungen). Die Antragstellerin reichte eine Erläuterung der Eigenaufenthalte betreffend die Zeiträume 9.-10. Januar 2016, 6.-7. Februar 2016, 12.-13. März 2016, 9.-10. Juli 2016, 15.-16. Oktober 2016 und 3.-4. Dezember 2016 (Wohnung unten, Bl. 23 Beiakte A) bzw. 23.-24. Januar 2016, 20.-21. Februar 2016, 3.-4. April 2016, 18.-19. Juni 2016 und 12.11.-13. Dezember 2016 (Wohnung oben, Bl. 24 Beiakte A) ein. Die Vermietung sei in der Wohnung unten zu 98 Tagen und in der Wohnung oben zu 99 Tagen erfolgt.

4

Die Nachweise für das Jahr 2017 übersandte die Antragstellerin nach Erinnerung des Antragsgegners mit Schreiben vom 5. August 2019. Von den Erläuterungen zu den durchgeführten Arbeiten habe sie aufgrund der ausführlichen Erläuterungen für 2016 abgesehen. Es sei von der Vermittlungsagentur für beide Wohnungen eine Belegungssperre für die Zeit 7.-14. Oktober 2017 bescheinigt worden (hierfür wurde auch eine Erläuterung eingereicht, Bl. 36 Beiakte A), wobei die Sperre für die untere Wohnung versehentlich erfolgt sei. Dies sei mit der Agentur besprochen worden; die erfolgte Eintragung habe nicht mehr geändert werden können. In der Vermieterbescheinigung für die Wohnung unten findet sich zudem die Eigenbelegungssperre vom 6.-12. Mai 2016 mit dem handschriftlichen Vermerk „zum Zwecke unbekannt“. Diese erläuterte die Antragstellerin auf separatem Zettel. Die Vermietung sei in der Wohnung unten zu 160 Tagen und in der Wohnung oben zu 114 Tagen erfolgt.

5

Aufgrund der neu erlassenen Zweitwohnungssteuersatzung vom 2. Juli 2020 bat der Antragsgegner um Angaben zur Berechnung der Steuer nach dem neuen Steuermaßstab.

6

Auf Grundlage der Daten des ausgefüllten Antwortbogens der Antragstellerin vom 20. November 2020 setzte der Antragsgegner für die Jahre 2016 bis 2019 mit Bescheid vom 18. Dezember 2020 für die Wohnung ... (oben) die Zweitwohnungssteuer unter Beachtung des Schlechterstellungsverbotes in Höhe von ... € (2016), ... € (2017), ... € (2018) und ... € (2019) fest.

7

Für die Wohnung ... (unten) setzte der Antragsgegner die Zweitwohnungssteuer unter Beachtung des Schlechterstellungsverbotes in Höhe von ... € (2016), ... € (2017), ... € (2018) und ... € (2019) fest.

8

Gegen beide Bescheide legte die Antragstellerin am 28. Dezember 2020 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Diesen begründete sie mit nachfolgendem Schreiben damit, dass sowohl der „Lagewert“ als auch die Verfügbarkeit rechtswidrig seien. In den Jahren 2016 bis 2019 seien die Wohnungen ausschließlich als Kapitalanlage genutzt worden, nämlich nur nach Absprache mit der Vermittlungsagentur für Mängelbeseitigung, Pflege und Reinigung der Wohnungen und Gartenanlagen für nicht mehr als jeweils sieben Tage.

9

Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass bis zur Entscheidung über den Widerspruch die in dem Bescheid geforderten Beträge für die Zweitwohnungssteuer nicht zwangsweise beigetrieben würden. Hierfür würden Aussetzungszinsen anfallen.

10

Mit Bescheiden vom 11. Juni 2021 setzte der Beklagte für die Wohnung ... (oben) Zweitwohnungssteuer in Höhe von ... € für das Jahr 2020 endgültig und eine Vorauszahlung für 2021 in Höhe von ... € fest und für die Wohnung ... (unten) Zweitwohnungssteuer in Höhe von ... € für das Jahr 2020 endgültig und eine Vorauszahlung für 2021 in Höhe von ... € fest.

11

Hiergegen legte die Antragstellerin am 23. Juni 2021 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Nachweise für eine Kapitalanlage seien eingereicht worden.

12

Mit Schreiben vom 13. Juli 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass bis zur Entscheidung über den Widerspruch die in den Bescheiden geforderten Beträge für die Zweitwohnungssteuer nicht zwangsweise beigetrieben würden. Hierfür würden Aussetzungszinsen anfallen.

13

Aus der von der Vermittlungsagentur ausgefüllten Sperrzeitenbescheinigung für 2018 ergibt sich für die Wohnung oben eine Belegungssperre für die Zeit 30. Mai - 6. Juni 2018, 4.-6. Juli 2018 zum Zwecke der Renovierung und für die Wohnung unten keine Belegungssperre. Als Vermietungszeiten ergeben sich aus den eingereichten Unterlagen für die Wohnung oben 115 Tage und für die Wohnung unten 147 Tage.

14

Für 2019 ergab sich aus den Unterlagen und der Vermietererklärung für die Wohnung oben keine Belegungssperre und 160 Vermietungstage sowie für die Wohnung unten eine Belegungssperre vom 14.-18. März 2019 zum Zwecke der Renovierung und 163 Vermietungstage.

15

Am 10. Februar 2022 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid betreffend die Widersprüche gegen die Bescheide vom 18. Dezember 2020 und 11. Juni 2021 betreffend beide Wohnungen. Die zulässigen Widersprüche seien unbegründet. Die Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde ... vom 9. Juni 2020 sei rechtmäßig, insbesondere der darin enthaltene (neue) Steuermaßstab. Die Antragstellerin sei auch steuerpflichtig. Es handele sich nicht um eine steuerfreie Kapitalanlage. Die Vorhaltung der Wohnungen für den persönlichen Lebensbedarf sei unter Würdigung der eingereichten Unterlagen und der Umstände des Einzelfalls nicht erschüttert worden. Wenn es für die Vergangenheit nicht zu einer Veranlagung gekommen sei, könne nicht gemeint werden, Zweitwohnungssteuer falle für die Zukunft nicht an. Der Eigennutzungsausschluss in dem Vermittlungsvertrag werde nicht gelebt. Dies ergebe sich aus den eingereichten Erklärungen über die Belegungszeiten. Die Angaben der Antragstellerin und der Vermittlungsagentur würden teilweise auch nicht übereinstimmen (z. B. für das Jahr 2016). Bei dem Jahr 2020 seien 44 Tage des pandemiebedingten „Nutzungsverbotes“ im Rahmen des Verfügbarkeitsgrades zu den tatsächlichen Vermietungstagen dazugerechnet worden, weshalb 2020 ein Verfügbarkeitsgrad von 30 % zugrunde gelegt worden sei. Hieran orientiere sich auch die Vorauszahlung 2021. Zudem nahm der Antragsgegner eine neue Vergleichsberechnung der Zweitwohnungssteuer 2018 und 2019 nach dem alten Maßstab unter Berücksichtigung eines Verfügbarkeitsgrades von 60 % (zuvor 100 %) für beide Wohnungen vor, woraus sich für die Wohnung oben ein Betrag von ... € für 2018 (zuvor ... €) und ... € für 2019 (zuvor ... €) und für die Wohnung unten ein Betrag von ... € für 2018 (zuvor ... €) und ... € für 2019 (zuvor ... €) ergab. Dazu wurde ausgeführt, dass die Günstigkeitsprüfung ergeben habe, dass für die Steuerfestsetzung nach dem bisherigen Berechnungsmodell besteuert werde. Die angefochtenen Bescheide vom 18. Dezember 2020 für die Jahre 2016 bis 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 und vom 11. Juni 2021 für die Jahre 2020 und Erhebung der Vorauszahlung 2021 seien daher rechtmäßig.

16

Mit Schreiben vom selben Tag wies der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung zurück, da die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Zeitgleich wurde der Antragstellerin eine Kontoübersicht mitübersandt, in der sich auch die in dem Widerspruchsbescheid geänderten Beträge wiederfinden.

17

Die Antragstellerin hat am 7. März 2022 Klage erhoben (4 A 65/22), die sich gegen die Bescheide vom 18. Dezember 2020 und 11. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 richtet.

18

Am 2. Mai 2022 erging durch den Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin eine Vollstreckungsankündigung über einen Gesamtbetrag in Höhe von ... €, zahlbar innerhalb von 14 Tagen ab Datum der Ankündigung.

19

Im Nachgang hat die Antragstellerin am 11. Mai 2022 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

20

Zur Begründung führt sie aus, sie habe im Klageverfahren als auch im Widerspruchsverfahren ausführlich dargelegt, dass sie die beiden in ... belegenen Wohnungen ausschließlich zum Zwecke der Kapitalanlage vorhalte. Sie habe zum Nachweis auch Rechnungen z. B. des Malerbetriebes Petersen vorgelegt und Zeugnis angetreten durch Vernehmung eines Mitarbeiters der Vermittlungsagentur ... .

21

Die Antragstellerin beantragt,

22

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 7. März 2022 (4 A 65/22) wiederherzustellen bzw. anzuordnen.

23

Der Antragsgegner beantragt,

24

den Antrag abzulehnen.

25

Zur Begründung bezieht er sich auf seinen Widerspruchsbescheid.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners verwiesen.

II.

27

Die Antragstellerin begehrt bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO die Anordnung ihrer unter dem Aktenzeichen 4 A 65/22 anhängigen Klage gegen die Zweitwohnungssteuerbescheide für beide Wohnungen unter der Adresse ... in Sankt Peter-Ording vom 18. Dezember 2020 (Zweitwohnungssteuer 2016 bis 2019) und 11. Juni 2021 (Zweitwohnungssteuer 2020 und Vorauszahlung 2021) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist hier nicht statthaft, weil es sich bei der von dem Antragsgegner erhobenen Zweitwohnungssteuer um eine öffentliche Abgabe im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO handelt und die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage deshalb bereits kraft Gesetzes entfällt.

28

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. VwGO ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat die Antragstellerin vor Anrufung des Gerichts gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfolglos bei der Behörde um die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide nachgesucht.

29

Der Antrag hat in der Sache teilweise Erfolg.

30

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist begründet, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Interesse am Vollzug der in der Hauptsache anzugreifenden Entscheidung überwiegt. Dies ist regelmäßig nach Durchführung einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage in Abhängigkeit von den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu beurteilen. Den Maßstab für die gerichtliche Entscheidung bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, die sich gegen die Anforderung öffentlicher Abgaben oder Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) richtet, stellt der Maßstab dar, den das Gesetz für das vorgelagerte behördliche Aussetzungsverfahren vorsieht. Nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll die Aussetzung des Sofortvollzuges bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes liegen vor, wenn der Erfolg der Klage zumindest ebenso wahrscheinlich ist wie deren Misserfolg (stRspr, vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 5. Dezember 2018 – 2 MB 26/18 – juris Rn. 5; Beschluss der Kammer vom 26. April 2019 – 4 B 2/19 – juris Rn. 22).

31

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides können sich dabei auch aus sich aufdrängenden Satzungsmängeln der zugrundeliegenden kommunalen Abgabensatzung ergeben. Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabensatzung müssen dann jedoch im Eilverfahren so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist. Eine Klärung offener Fragen zur Gültigkeit der jeweiligen Abgabensatzung kann nicht Aufgabe des Eilverfahrens sein. Vielmehr hat die (Inzident-)Kontrolle der Satzung im dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren stattzufinden (OVG Schleswig, Beschluss vom 23. August 2021 – 5 MB 10/21 – juris Rn. 7 m.w.N.; Beschluss der Kammer vom 31. März 2021 – 4 B 1/21 – juris Rn. 24).

32

Ausgehend hiervon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Zweitwohnungssteuerbescheide für beide Wohnungen ... in ... vom 18. Dezember 2020 (Zweitwohnungssteuer 2016 bis 2019) und 11. Juni 2021 (Zweitwohnungssteuer 2020 und Vorauszahlung 2021) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 dem Grunde nach (1.), sondern lediglich teilweise der Höhe nach (2.).

1.

33

Die der Veranlagung zugrundeliegende Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde ... vom 2. Juli 2020 unterliegt keinen sich aufdrängenden Satzungsmängeln formeller oder materieller Art.

34

Das für die Veranlagung maßgebliche Satzungsrecht der Antragsgegnerin mit dem Steuermaßstab des Wohnwertes der Zweitwohnung, der sich aus dem Lagewert (dem Verhältnis der modifizierten Bodenrichtwerte im Gemeindegebiet, welches als Faktor zugrunde gelegt wird) multipliziert mit der Quadratmeterzahl der Wohnfläche multipliziert mit dem Baujahresfaktor der Wohnung multipliziert mit dem Wertfaktor für die Gebäudeart multipliziert mit dem Verfügbarkeitsgrad gemäß Absatz 7 und multipliziert mit hundert errechnet (vgl. § 4 Abs. 1, 2 ZwStS), verstößt nicht offensichtlich gegen höherrangiges Recht. Insbesondere begegnet die Heranziehung des Verhältnisses der modifizierten Bodenrichtwerte als „Lagefaktor“ gemäß § 4 Abs. 3 ZwStS mit Blick auf den sehr weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum der steuererhebenden Kommune nach der jüngsten Rechtsprechung der Kammer keinen rechtlichen Bedenken (vgl. hierzu ausführlich VG Schleswig, Urteil vom 23. März 2022 – 4 A 178/21 – juris).

35

Die Rechtsanwendung durch den Antragsgegner im konkreten Fall ist dem Grunde nach ebenfalls nicht zu beanstanden.

36

Rechtsgrundlage für den Erlass der Bescheide vom 18. Dezember 2020 und 11. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 10. Februar 2022 für die Jahre 2016 bis 2021 ist § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG i. V. m. der Zweitwohnungssteuersatzung der Gemeinde ... vom 2. Juli 2020, die rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist und mit der die Satzung vom 21. Dezember 1999 und vom 17. Juni 2019 außer Kraft getreten ist.

37

Der Antragsgegner war gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Amtsordnung zuständig für den Erlass der angefochtenen Zweitwohnungssteuerbescheide, als aus dem Bereich der Erhebung der örtlichen Aufwandsteuer als Selbstverwaltungsaufgabe der amtsangehörigen Gemeinde ... stammend. Der Amtsvorsteher ist in Selbstverwaltungsangelegenheiten zuständige Behörde an Stelle der Bürgermeister der amtsangehörigen Gemeinden und führt die Verwaltungsgeschäfte. Der Amtsvorsteher hat die Verwaltungsakte als solche des Amtes zu erlassen; insoweit entfällt die Zuständigkeit der amtsangehörigen Gemeinde bzw. der Gemeindebehörde (OVG Schleswig, Beschluss vom 27. Januar 1999 – 2 L 84/97 – juris Rn. 10; VG Schleswig, Beschluss vom 31. März 2021 – 4 B 1/21 – juris Rn. 40).

38

Die von dem Antragsgegner angenommene Steuerpflicht der Antragstellerin für die hier streitgegenständlichen Steuerjahre 2016 bis 2019 und 2020, 2021 ist nicht zu beanstanden.

39

Gemäß § 2 Abs. 1 ZwStS ist Gegenstand der Steuer das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Eine Zweitwohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 ZwStS jede Wohnung, über die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken der persönlichen Lebensführung oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Angehörigen im Sinne des § 15 Abgabenordnung (AO) verfügen kann. Nach § 3 Abs. 1 ZwStS ist steuerpflichtig, wer im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 innehat.

40

Inhaber einer Zweitwohnung kann nur sein, wer für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung dieser Wohnung verfügen, also entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen kann, ob, wann und wie er diese nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten oder sie anderen zur Verfügung stellen will. Er muss Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigter sein (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 9 C 28.15 – juris Rn. 12 f.; Urteil vom 13. Mai 2009 – 9 C 8.08 – Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27 Rn. 23 m.w.N.; BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – juris). Maßgeblich ist mithin das „Innehaben“ einer Zweitwohnung.

41

Diese Voraussetzungen sind hier nach summarischer Prüfung gegeben. Die mit Hauptwohnung in A-Stadt wohnhafte Antragstellerin ist unstreitig Eigentümerin zweier Wohnungen im ... in ... , über die sie trotz des mit der ... geschlossenen Vermietungsauftrages vom 9. Januar 2015 zur Vermietung an Feriengäste in den betreffenden Steuerjahren zumindest auch zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs verfügen konnte.

42

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass eine Zweitwohnung dann zweitwohnungssteuerfrei bleibt, wenn sie allein zum Zwecke der Kapitalanlage angeschafft und gehalten wird; denn dann kommt in dem Innehaben nicht eine Einkommensverwendung im Sinne eines Konsums, sondern die Absicht zum Tragen, Einkünfte zu erzielen. Wegen dieser bereits verfassungsrechtlich aus dem Begriff der Aufwandsteuer gebotenen Differenzierung werfen folglich die Fälle besondere Schwierigkeiten auf, in denen eine Mischnutzung vorliegt, die Zweitwohnung also teilweise selbst genutzt und teilweise vermietet wird. In seinen grundlegenden Entscheidungen zu solchen Sachverhalten hat das Bundesverwaltungsgericht dazu den Standpunkt eingenommen, die im Begriff der Aufwandsteuer i. S. v. Art. 105 Abs. 2a GG angelegte Abgrenzung zwischen zweitwohnungssteuerfreier reiner Kapitalanlage und zweitwohnungssteuerpflichtiger Vorhaltung auch für die persönliche Lebensführung erfordere mit Blick auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles. Die bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Zweitwohnungsinhaber schließe die Annahme einer zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage nicht aus. Allerdings dürfe die steuererhebende Gemeinde von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vortrage, die – wie etwa die Lage der Hauptwohnung innerhalb desselben Feriengebietes, der Abschluss eines Dauermietvertrages, die Übertragung der Vermietung an eine überregionale Agentur unter Ausschluss der Eigennutzung sowie unter Nachweis ganzjähriger Vermietungsbemühungen – die tatsächliche Vermutung erschütterten. Dabei sei es in den Fällen der Mischnutzung von Verfassungswegen nicht geboten, die nach der Jahresrohmiete bemessene Zweitwohnungssteuer bei lediglich zeitweiliger Vermietung nur anteilig zu erheben. Allerdings sei bei einem eklatanten Missverhältnis zwischen von vornherein vertraglich befristeter Eigennutzungsmöglichkeit und Vermietung die Zugrundelegung der gesamten Jahresrohmiete für die Berechnung der Zweitwohnungssteuer unverhältnismäßig und stehe nicht mehr im Einklang mit der grundsätzlichen Trennung des steuerpflichtigen privaten Aufwands und der Vermietung zur Einkommenserzielung. Wenn also eingangs des Steuerjahres eindeutig feststehe, dass eine Eigennutzungsmöglichkeit nur einen erheblich geringeren zeitlichen Umfang haben könne, sei das Festhalten an dem Jahresbetrag als Bemessungsgröße für diesen Aufwand unangemessen. Für die Bewertung einer Zweitwohnung als nach dem Jahressteuerbetrag steuerpflichtig komme es nicht darauf an, dass die Zweitwohnung ausschließlich für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten werde. Ausreichend sei vielmehr, wenn dies jedenfalls auch geschehe. Bereits in dem Begriff des Vorhaltens für Zwecke der persönlichen Lebensführung liege zudem begründet, dass es nicht auf eine tatsächlich realisierte Eigennutzung ankomme, sondern konstitutiv allein auf die rechtlich bestehende Möglichkeit zur Selbstnutzung (bzw. zur unentgeltlichen Nutzung durch Dritte) abzustellen sei. Daraus wiederum ergebe sich unmittelbar, dass Zeiten eines Wohnungsleerstandes, für die eine Eigennutzungsmöglichkeit rechtlich nicht ausgeschlossen worden sei, von Sonderkonstellationen abgesehen, den Zeiträumen zuzurechnen seien, in denen die Wohnung für Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs vorgehalten werde (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 – 9 C 1.01 – juris Rn. 27 ff.; vgl. schon Urteil vom 10. Oktober 1995 – 8 C 40.93 – juris Rn. 13). Ein Vorhalten der Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung ist danach bereits dann gegeben, wenn sich der Wohnungsinhaber die Möglichkeit der Eigennutzung offengehalten hat; auf eine tatsächliche eigene Nutzung kommt es demgegenüber nicht an (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 8. Januar 2019 – 2 LA 213/17 – juris Rn. 6).

43

Gemessen an diesen Vorgaben bestehen nach den Erkenntnissen der Kammer im Eilverfahren jedenfalls keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Antragstellerin die gegenständlichen Zweitwohnungen in den Erhebungszeiträumen 2016 bis 2021 innegehabt hat. Es handelt sich um einen Fall der sog. Mischnutzung und nicht um eine reine Kapitalanlage.

44

Dies ergibt sich im Rahmen der gebotenen umfassenden Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalles. Die im Ausgangspunkt bestehende tatsächliche Vermutung, die Zweitwohnung werde auch für die private Lebenshaltung vorgehalten, hat die Antragstellerin für den streitgegenständlichen Zeitraum durch die Vorlage des Vermietungsauftrages vom 9. Januar 2015 mit der ... nicht erschüttert – zu Gunsten der Antragstellerin annehmend, dass der Auftrag sich auf beide Wohnungen bezieht. Zwar findet sich darin der uneingeschränkte Ausschluss der Eigenbelegung, was zunächst für die Annahme einer reinen Kapitalanlage spricht. Die Antragstellerin hat die tatsächliche Vermutung der Vorhaltung der Zweitwohnung auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung aufgrund der trotz vertraglichem Eigennutzungsausschluss tatsächlich erfolgten Eigennutzung jedoch nicht widerlegen können. Die von der Antragstellerin selbst eingeräumte Eigennutzung der Wohnungen belegt, dass sie trotz des Eigennutzungsausschlusses weiterhin die Möglichkeit hatte, die Wohnungen auch tatsächlich zu nutzen. Besonders deutlich wird dies aus dem Umstand, dass sie schriftsätzlich mehrfach geäußert hat, die Wohnungen jährlich nicht mehr als sieben Tage zu Renovierungszwecken aufzusuchen und daraus deutlich wird, dass sie quasi über eine Art „Freikontingent“ verfügt, von welchem sie jederzeit Gebrauch machen kann. Damit wurde der Eigennutzungsausschluss in dem Vertrag nicht „gelebt“.

45

Zunächst hat die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 12. März 2021 (Blatt 63 Beiakte A) angegeben, dass sie sich in den Veranlagungszeiträumen nicht mehr als sieben Tage in der jeweiligen Wohnung zum Zwecke von Reparaturen pp. aufgehalten habe. Konkret hat sie für das Jahr 2016 Eigenaufenthalte für die Wohnung unten mit den Daten 9.-10. Januar 2016, 6.-7. Februar 2016, 12.-13. März 2016, 9.-10. Juli 2016, 15.-16. Oktober 2016 und 3.-4. Dezember 2016 bzw. 23.-24. Januar 2016, 20.-21. Februar 2016, 3.-4. April 2016, 18.-19. Juni 2016 und 12. November-13. Dezember 2016 (hierbei dürfte es sich um eine Monatsverwechslung handeln) für die Wohnung oben angegeben. Hingegen hat die Vermittlungsagentur hierzu im Widerspruch jeweils „keine Belegungssperre“ angekreuzt. Für das Jahr 2017 hat die Klägerin konkret den Zeitraum 7.-14. Oktober 2017 (Wohnung oben) und 6.-13. Mai 2017 (Wohnung unten) angegeben. Dies stimmt mit den Angaben der Vermittlungsagentur überein, allerdings nur bis zum 12. Mai 2017 und mit dem zusätzlichen Zeitraum 7.-14. Oktober 2017 für die Wohnung unten. Dass es sich – wie die Antragstellerin angibt – um einen Fehler handeln soll, der nicht mehr korrigiert werden konnte, ist weder plausibel noch in irgendeiner Weise glaubhaft gemacht. Allerdings erscheint es lebensnah, dass die Antragstellerin nicht zeitgleich beide Wohnungen tatsächlich nutzen kann, wenngleich wiederum nicht ausgeschlossen ist, dass Angehörige (ggf. auch zur Durchführung von Reparaturen pp.) sich zeitgleich in der von der Antragstellerin nicht genutzten Wohnung aufhalten. Eine konkrete Einzelaufstellung für die folgenden Jahre 2017 bis 2021 hat die Antragstellerin nicht eingereicht bzw. sie finden sich nicht in dem Verwaltungsvorgang, der mit der Postzustellungsurkunde vom 11. Februar 2022 über den Widerspruchsbescheid endet. Es finden sich allerdings die Vermieterbescheinigungen für 2018 (Wohnung oben: Belegungssperre vom 30. Mai-6. Juni 2018 und 4.-6. Juli 2018, Zweck: „Renovierung“ und „unbekannt“; Wohnung unten: keine Belegungssperre) und 2019 (Wohnung oben: keine Belegungssperre; Wohnung unten: Belegungssperre vom 14.-18. März 2019 und 30. September-3. Oktober 2019, Zweck: „Renovierung“ und „unbekannt“) (Blatt 79 ff. Beiakte A).

46

Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Instandhaltung, Reparaturen und Grundstückspflege je Wohnung von nicht mehr als sieben Tage sei „zweitwohnungssteuerunschädlich“, unterliegt sie hier einer Fehlvorstellung; dies entspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Schleswig.

47

Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Durchführung von Renovierungsarbeiten und die Teilnahme an Eigentümerversammlungen der Erhaltung beziehungsweise der Verwaltung der Zweitwohnung dienen und damit der Einkommenserzielung zuzuordnen sind. Ob auch der Aufenthalt des Wohnungsinhabers in der Zweitwohnung aus Anlass dieser Tätigkeiten der Einkommenserzielung dient, ist anhand der konkreten Fallumstände zu beurteilen. Das gilt auch dann, wenn der Aufenthalt in der Zweitwohnung die Dauer eines Tages überschreitet. Es kann nicht unwiderleglich vermutet werden, dass der Wohnungsinhaber bei einem mehrtägigen Aufenthalt in der Zweitwohnung stets konsumtive Zwecke zum Beispiel der Erholungssuche verfolgt. Ihm ist vielmehr auch in diesem Fall von Verfassungswegen die Möglichkeit eröffnet, diese Vermutung zu erschüttern, etwa indem er in geeigneter Weise belegt, dass sein Aufenthalt in der Zweitwohnung sich auf das zur Durchführung der Renovierungsarbeiten oder zur Teilnahme einer Eigentümerversammlung Notwendige beschränkt hat und er sich ansonsten eine andere Unterkunft hätte suchen müssen. Es ist nicht erkennbar, dass es insoweit keine Möglichkeiten zur Glaubhaftmachung gibt (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2008 – 9 C 16.07 – juris Rn. 15).

48

Von diesen Maßstäben ausgehend ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig anerkannt, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise mehrtägige Aufenthalte in der Wohnung eher die Vermutung bestätigen, dass die Wohnung auch der persönlichen Lebensführung dient, als dass solche sie widerlegen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zweck des Aufenthaltes erläutert und die Vornahme von Instandsetzungsarbeiten beziehungsweise die Teilnahme an Eigentümerversammlungen oder Ähnlichem belegt werden. Der Zweck dieser Aufenthalte bedarf keiner Aufklärung. Es ist Sache des Klägers, nicht der Beklagten, die aufgrund der faktischen Anwesenheitszeiten in der Wohnung greifende Vermutung, die Wohnung werde auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung gehalten, zu erschüttern. Dabei reicht der Umstand allein, dass in einem geschlossenen Vermietungsvertrag ein Ausschluss möglicher eigener Nutzung durch den Eigentümer und seine Familienangehörigen vereinbart wurde, für sich genommen nicht aus, um die Vermutung, die Wohnung werde auch für Zwecke der persönlichen Lebensführung gehalten, zu erschüttern. Entscheidend ist vielmehr, ob der Vertrag tatsächlich im Sinne dieser Bestimmung gelebt wird (OVG Schleswig, Beschluss vom 23. September 2013 – 4 LA 59/13 –, S. 3 f. des Abdrucks, n. v.; vgl. auch Beschluss vom 18. April 2012 – 4 LA 21/12 –, S. 4 f. des Abdrucks n. v., Urteil vom 23. September 2009 – 2 LB 11/09 –, S. 6 des Abdrucks, n. v.).

49

Liegt also ein solcher vertraglicher Eigennutzungs- und Eigenbelegungsausschluss vor, sind grundsätzlich alle eigenen oder von ihm gewährten Nutzungen durch den Eigentümer geeignet, Zweifel daran zu begründen, ob der Ausschluss wirklich angewandt also „gelebt“ wird. Davon sind auch Aufenthalte, die ansonsten „zweitwohnungssteuerunschädlich“ wären, also etwa zu Renovierungszwecken, erfasst. Gerade weil der Eigennutzungsausschluss als Indiz für eine reine Kapitalanlage dienen soll, was voraussetzt, dass der Eigentümer oder Besitzer rechtlich gehindert ist, über die Wohnung zu verfügen, kann ein Eigennutzungsausschluss nicht so verstanden werden, als seien nur Eigennutzungen zu Erholungszwecken, nicht aber solche zu Renovierung oder Erhaltung der Vermietbarkeit ausgeschlossen. Bereits deshalb sind regelmäßig bei erfolgten Nutzungen trotz vollständigen Eigennutzungsausschlusses die Einwände der Zweitwohnungssteuerpflichtigen, sie hätten die Wohnung nur zu Renovierungszwecken genutzt, nicht ausreichend, um die o. g. Vermutung zu widerlegen (VG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2017 – 2 A 162/16 – juris Rn. 31, 32).

50

Anders ist dies nur dann zu beurteilen, wenn der Vermittlungsvertrag einen Eigennutzungs- und Eigenbelegungsausschluss vorsieht, der gleichzeitig Aufenthalte, die allein Renovierungs- oder anderen die Vermietung fördernden Zwecken dienen, von diesem Ausschluss ausnimmt und entsprechende Aufenthalte auch tatsächlich nur solchen Zwecken gedient haben (VG Schleswig, a. a. O., Rn. 33).

51

Das Oberverwaltungsgericht Schleswig (Beschluss vom 21. September 2006, – 2 LA 27/06 –) hat zu dieser Frage u. a. Folgendes ausgeführt:

52

„Dem Vorhalten für den persönlichen Lebensbedarf stehen nicht schon die vertraglichen Regelungen ... entgegen, nach denen die Klägerin für die angegebene Zeit der zur Verfügungstellung der Wohnung – also ganzjährig – ausdrücklich auf eventuell bestehende eigene Nutzungsrechte oder Nutzungsmöglichkeiten verzichtet hat. Dieser vertraglichen Klausel kommt angesichts der Tatsache, dass die Klägerin die Wohnung – wenngleich auch nur kurzzeitig – genutzt hat, keine Bedeutung zu. Dass diese Aufenthalte ... zu Renovierungs-, Instandhaltungs- und Kontrollzwecken stattfanden, ist rechtlich unerheblich. ... Die Klägerin hat Aufenthalte in der veranlagten Wohnung eingeräumt, allerdings dabei die fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten, der Aufenthalt zur Durchführung von Reparaturen, Renovierungen und Instandsetzungsarbeiten sei unerheblich, da sie schon auf Grund der Kürze der Aufenthalte keine Zeit zur Erholung gehabt habe. Die hieraus von ihr gezogene Schlussfolgerung, es habe damit keine Eigennutzung stattgefunden und die daran anknüpfende weitere Kritik beruhen auf einer rechtlichen Fehlwürdigung des Begriffs der Eigennutzung. ... Maßgeblich ist lediglich, dass die Klägerin auf Grund der gelebten Verhältnisse die Möglichkeit hat, die erforderlichen Renovierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen selbst durchzuführen und die Wohnung damit auch bestimmungsgemäß zu nutzen, wenn sie nicht über das Vermittlungsbüro an Dritte vermietet ist. Damit ist die Vermutung des tatsächlichen Bestehens der Eigennutzungsmöglichkeit nicht widerlegt (vgl. insoweit Urteil des Senats vom 13. Oktober 2005, – 2 LB 27/05 –).“

53

Diese Auffassung wird in ständiger Rechtsprechung weiterhin auch von der jetzt zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts vertreten und führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Regelungen des Vermittlungsvertrages gerade nicht gewährleisten, dass die Antragstellerin über die Wohnung nicht verfügungsberechtigt ist. Vielmehr fehlt diesem Eigennutzungsausschluss die rechtlich verbindliche Wirkung, da er nicht „gelebt“ wird, wie die eingeräumten Eigennutzungszeiten gezeigt haben. Wie vom Oberverwaltungsgericht in o. g. Entscheidung dargestellt, ist insofern irrelevant, ob es sich bei den Aufenthalten im Wesentlichen um solche für Renovierungszwecke o. ä. handelte.

54

Für die Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht für die Jahre 2020 und 2021 (Vorauszahlung), für die die Antragstellerin keine konkreten Angaben gemacht hat, ist von entscheidender Bedeutung, dass sich die maßgebliche Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht nicht auf eine isolierte Betrachtung einzelner Jahre beschränken kann, sondern nur eine Gesamtschau über einen mehrjährigen Zeitraum geeignet ist, hinreichend sicher zu beurteilen, ob es sich um eine Kapitalanlage handelt oder nicht. Insofern wirkt für die Beurteilung der Zweitwohnungssteuerpflicht noch nach, was an tatsächlichen Umständen in 2016 bis 2019 durchgreifende Zweifel an der Umsetzung der Eigennutzungsregeln rechtfertigte (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 9. Januar 2017 – 2 A 162/16 – juris Rn. 39, 40).

55

Auch der Umstand, dass die Antragstellerin Eigentümerin von zwei Wohnungen (in demselben Haus) ist, steht der Steuerpflicht nicht entgegen. Denn wie sich aus den zeitlichen Aufstellungen ergibt, hat sie sich wechselnd in beiden Wohnungen aufgehalten, 2016 in den Monaten Januar, Februar, März, April, Juni, Juli, Oktober und November (bzw. Dezember), 2017 in den Monaten Mai und Oktober, 2018 in den Monaten Mai/Juni und Juli sowie 2019 in den Monaten März und September/Oktober. Mithin teilweise über das gesamte Jahr verteilt, sowohl in der Haupt- als auch in der Nebensaison und außerhalb etwaiger üblicher Instandhaltungsmonaten vor oder nach der Hauptsaison. Sie hat es auch nicht dabei belassen, sich auf den Aufenthalt in einer Wohnung zu beschränken und die Renovierung der anderen Wohnung und Gartenarbeiten quasi „stundenweise“ von jener durchzuführen. Zudem ist allein maßgeblich die rechtlich bestehende Möglichkeit zur Selbstnutzung und nicht die tatsächlich realisierte Eigennutzung (der jeweils anderen Wohnung im Ort).

2.

56

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zweitwohnungssteuerbescheide vom 18. Dezember 2020 und vom 11. Juni 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 ergeben sich allerdings teilweise aus den Berechnungen, auch wenn die Antragstellerin hiergegen keine Einwände geltend gemacht hat.

57

Konkret ergeben sie sich für beide Wohnungen für die Jahre 2016 bis 2019 aus der fehlerhaften Anwendung des Gebäudeartfaktors „1,1“, gemäß § 4 Abs. 6 ZwStS also demjenigen für ein Zweifamilienhaus bzw. Reihenhaus. Die Antragstellerin hat jedoch in ihrem Erklärungsbogen vom 20. November 2020 nicht diese – dort aufgeführte – Gebäudeart angegeben, sondern „Mietwohnung“ (Blatt 47, 48 Beiakte A). Der Gebäudeartfaktor hierfür beträgt jedoch nur „1,0“. Dieser wurde von dem Antragsgegner auch für die Jahre 2020 und 2021 berücksichtigt.

58

Die übrigen Daten (Lagewert, Wohnfläche, Baujahresfaktor) stimmen mit den Angaben der Antragstellerin vom 20. November 2020 überein. Auch der danach von dem Antragsgegner in die Berechnung eingestellte Verfügbarkeitsgrad von 60 % als „mittlere Verfügbarkeit“ (90- 180 Vermietungstage) gem. § 4 Abs. 7 ZwStS bei den unstreitig angegebenen Vermietungstagen in den Jahren 2016 bis 2019 in einer Bandbreite von 98 bis 163 Tagen ist nicht zu beanstanden. Bezüglich der Jahre 2018 und 2019 hat der Antragsgegner die zunächst volle Verfügbarkeit von 100 % (Bescheide vom 18. Dezember 2020) ebenfalls auf 60 % (Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2022) korrigiert. Für die Jahre 2020 und 2021 hat der Antragsgegner laut Widerspruchsbescheid zu Gunsten der Zweitwohnungsinhaber aufgrund des pandemiebedingten „Nutzungsverbotes“ in der Zeit vom 21. März 2020 bis 3. Mai 2020 (44 Tage) als tatsächliche Vermietungstage hinzugerechnet, weshalb er den geringsten Verfügbarkeitsgrad von 30 % als „eingeschränkte Verfügbarkeit“ (über 180 Vermietungstage) berücksichtigt hat (vgl. zum Einreiseverbot aufgrund der Landesverordnungen über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-BekämpfV) vom 17. März 2020 und Folgefassungen: Urteil der Kammer vom 23. März 2022 – 4 A 178/21 – juris Rn. 74 ff.).

59

Im Übrigen legt die Kammer den Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2022 dahingehend aus, dass aufgrund der darin enthaltenen neuen Vergleichsberechnung der Zweitwohnungssteuer 2018 und 2019 nach dem alten Maßstab unter Berücksichtigung eines Verfügbarkeitsgrades von 60 % (zuvor 100 %) für beide Wohnungen eine geänderte Festsetzung der Zweitwohnungssteuer für die Wohnung oben für 2018 in Höhe von ... € und für 2019 in Höhe von ... € und für die Wohnung unten für 2018 in Höhe von ... € und für 2019 in Höhe von ... € erfolgt ist. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Antragsgegners, dass die Günstigkeitsprüfung ergeben habe, dass für die Steuerfestsetzung nach dem bisherigen Berechnungsmodell besteuert werde, sodann auf die angefochtenen Bescheide vom 18. Dezember 2020 für die Jahre 2016 bis 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2022 abgestellt wurde und aus der zeitgleich mitübersandten Kontoaufstellung, der diese neuen Beträge zu entnehmen sind, wenngleich der Antragsgegner es unterlassen hat, diese geänderte Festsetzung im Widerspruchsbescheid ausdrücklich auszusprechen und die Widersprüche in Gänze zurückgewiesen hat (trotz teilweiser Abhilfe in der Höhe).

60

Unter Anwendung der Maßstabsformel in § 4 Abs. 2 ZwStS mit dem Gebäudeartfaktor „1,0“ und des Steuersatzes von 5 % (§ 5 ZwStS) errechnet sich danach die Zweitwohnungssteuer für die Jahre wie folgt:

61

Wohnung oben:

        

2016 und 2017:

 ... = ... € (anstatt bisher ... €)

2018 und 2019:

 ... = ... € (anstatt bisher ... € laut Widerspruchsbescheid)

2020 und 2021:

 ... = ... € (wie bisher)

Wohnung unten:

        

2016 und 2017:

 ... = ... € (anstatt bisher ... €)

2018 und 2019:

 ... = ... € (anstatt bisher ... € laut Widerspruchsbescheid)

2020 und 2021:

 ... = ... € (wie bisher)

62

Danach ist gegen die Festsetzung 2020 und Vorauszahlung 2021 für beide Wohnungen rechnerisch nichts zu erinnern, ebenso wenig wie gegen die Festsetzungen 2016 in Höhe von ... € und 2018 in Höhe von ... € für die Wohnung oben unter Berücksichtigung des Schlechterstellungsverbotes in § 11 Abs. 2 ZwStS. Denn nach dem alten Maßstab der Jahresrohmiete hätte die Zweitwohnungssteuer für diese Jahre unbestritten ... € (2016) und ... € (2018) betragen.

63

Für die übrigen Festsetzungen 2017 und 2019 für die Wohnung oben und 2016 bis 2019 für die Wohnung unten ergeben sich allerdings keine „günstigeren“ Ergebnisse nach dem alten Maßstab, sondern vielmehr nach dem neuen Maßstab:

64

Wohnung oben:

                          

2017: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

2019: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

                                   

Wohnung unten:

                          

2016: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

2017: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

2018: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

2019: 

alter Maßstab = ... €,

neuer Maßstab = ... €,

Differenz = ... €

65

In diesem Umfang (Differenzbeträge) hat der Eilantrag der Antragstellerin erfolgt.

3.

66

Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder dafür ersichtlich, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

4.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da der Antragsgegner nur zu einem geringen Teil (3,48 %) unterliegt.

68

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ¼ des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes, hier also ¼ von ... € (Wohnung oben: ... und Wohnung unten: ... = ... €), mithin ... €.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen