Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 B 31/22
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.544,64 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Beschwerde vom 21.04.2022 gegen die Entlassungsverfügung vom 17.03.2022 anzuordnen, hat keinen Erfolg.
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Er ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde gegen die streitgegenständliche Entlassungsverfügung nach § 23 Abs. 6 S. 3 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Die gerichtliche Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes. Im Rahmen dieser Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfes offensichtlich erscheinen. An der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kann kein besonderes öffentliches Interesse bestehen. Ist der Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, ist ein Aussetzungsantrag regelmäßig abzulehnen. Lässt sich bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Überprüfung weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, muss die Entscheidung in diesem Fall aufgrund einer weiteren (reinen) Interessenabwägung ergehen.
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde unbegründet. Es ist für die Kammer nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung überwiegend wahrscheinlich, dass die Entlassung des Antragstellers aus der Bundeswehr rechtmäßig ist und ihn nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Soldatengesetz (SG). Danach ist ein Soldat auf Zeit zu entlassen, wenn er dienstunfähig ist. Nach der entsprechend heranzuziehenden Bestimmung des § 44 Abs. 3 SG ist der Soldat dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann er auch dann angesehen werden, wenn aufgrund der in Satz 1 genannten Umstände die Wiederherstellung seiner Fähigkeit zur Erfüllung seiner Dienstfähigkeit nicht innerhalb eines Jahres zu erwarten ist. Nach Absatz 4 der genannten Vorschrift wird die Dienstunfähigkeit aufgrund des Gutachtens eines Arztes der Bundeswehr von Amts wegen oder auf Antrag festgestellt. Der Soldat ist verpflichtet, sich von Ärzten der Bundeswehr oder von hierzu bestimmten Ärzten untersuchen und, falls sie es für notwendig erklären, beobachten zu lassen. Die über die Versetzung in den Ruhestand entscheidende Stelle kann auch andere Beweise erheben (Absatz 4 Sätze 3 und 4).
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Die Entlassung des Antragstellers erweist sich als formell rechtmäßig, insbesondere hat die Antragsgegnerin ihn sowie die Vertrauensperson vor der beabsichtigten Entlassung nach § 55 Abs. 6 Satz 1 iVm § 47 Abs. 2 SG bzw. 24 Abs. 1 Nr. 6 Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz (SGB) zu der beabsichtigten Maßnahme angehört.
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Die Entlassung ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 SG liegen vor. Der Antragsteller ist als dienstunfähig anzusehen.
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Der Begriff der Dienstunfähigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten Nachprüfung der Verwaltungsgerichte unterliegt. Für die Feststellung der gesundheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit eines Soldaten kommt dem Dienstherrn kein der Kontrollbefugnis der Gerichte entzogener Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.06.2014 – 2 C 22/13 – juris Rdnr. 17). Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist nicht das von dem Soldaten zuletzt wahrgenommene Amt im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten/Verwendung), sondern das Amt im abstrakt funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Soldat amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt die Dienstunfähigkeit auch voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Soldaten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.2009 – 2 C 73/08 – juris Rdnr. 14).
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Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit müssen regelmäßig die gesundheitlichen Leistungsbeeinträchtigungen festgestellt und deren prognostische Entwicklung bewertet werden. Dies setzt in der Regel medizinische Sachkunde voraus, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 44 Abs. 4 Satz 1 SG auch vor, dass die Dienstunfähigkeit aufgrund des Gutachten eines Arztes der Bundeswehr festgestellt wird.
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Für die Feststellung einer Dienstunfähigkeit genügt indes keine bloße unsichere Prognose, ob der Soldat dienstfähig oder dienstunfähig ist. Die Prognose muss vielmehr mit der gebotenen Sicherheit sachlich gerechtfertigt werden können. Die materielle Rechtmäßigkeit einer solchen Prognose und damit die Entlassung des Soldaten hängen regelmäßig von Kenntnissen ab, die der zuständigen Behörde im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zur Frage der Dienstunfähigkeit zur Verfügung stehen. Das setzt voraus, dass das ärztliche Gutachten zur Frage der Dienstunfähigkeit hinreichend und nachvollziehbar begründet ist. Grundsätzlich muss das Gutachten sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, das heißt die in Bezug auf den Soldaten erhobenen Befunde als auch aus medizinischer Sicht daraus abzuleitende Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Soldaten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben, enthalten. Wie detailliert eine ärztliche Stellungnahme jeweils sein muss, kann allerdings nicht abstrakt beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 2 C 37/13 – juris Rdnr. 12; OVG Schleswig, Beschluss vom 26.06.2018 – 2 MB 4/18 – juris Rdnr. 32).
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Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entlassung eines Soldaten auf Zeit kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2013 – 2 C 68/11 – juris Rdnr. 11 m.w.N. zur vergleichbaren Konstellation einer Versetzung in den Ruhestand). Vorliegend ist mithin der Zeitpunkt der Entlassungsentscheidung vom 21.04.2022 maßgebend.
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Die Antragsgegnerin hat zu jenem Zeitpunkt – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die Dienstunfähigkeit des Antragstellers festgestellt.
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Dem Antragsteller ist allerdings zunächst zuzugeben, dass das truppenärztliche Gutachten des Oberstabsarztes ... vom 19.10.2021 zur Feststellung der Dienstunfähigkeit widersprüchlich ist. So heißt es unter Buchstabe B (Untersuchungsbefund), dass die Gesundheitsziffer (GZ) unumstößlich sei, der Soldat für keine Verwendung nach A1-831/0-4000 (Zentralvorschrift Wehrmedizinische Begutachtung) mehr tauglich sei. Demgegenüber heißt es weiter unten, dass fachärztlicherseits bei dem Soldaten keine Dienstunfähigkeit vorliege und er – der Truppenarzt (...) – sich der Empfehlung des Facharztes anschließe und eine Weiterverwendung des Antragstellers auf dem (bisherigen) Dienstposten befürworte. Demgegenüber ist unter Punkt C (Gutachten) unter Ziffer 5 wiederum davon die Rede, dass der Antragsteller nicht dienst- und verwendungsfähig sei. Angekreuzt wurde schließlich das Kästchen „verwendungsunfähig“.
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Die erste zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme des Oberfeldarztes ... vom 03.11.2021 stellt bei dem Antragsteller aktuell keinen Anhalt für eine Dienstunfähigkeit fest. Nach den dortigen Ausführungen ist der Antragsteller gemäß seinen gesundheitlichen Einschränkungen einsetzbar.
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Auch wenn das truppenärztliche Gutachten nicht eindeutig ist, vielmehr Widersprüche aufweist, kann ihm nicht abgesprochen werden, dass der Truppenarzt die maßgeblichen Feststellungen getroffen hat, insbesondere hat er, wie sich aus dem Untersuchungsbefund (Ziffer 3 a) ergibt, die maßgeblichen fachärztlichen Gutachten in seine Bewertung beigezogen.
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Letztlich kommt es nach Auffassung der Kammer aber auf dieses truppenärztliche Gutachten nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr die zweite zusammenfassende gutachterliche Stellungnahme der beratenden Ärztin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr, der die Entlassung verfügenden Stelle. Diese kommt in ihrem Vermerk vom 17.11.2021 nach Prüfung des vorgelegten Dienstunfähigkeitsgutachtens und der ersten zusammenfassenden gutachterlichen Stellungnahme zu der Einschätzung, dass der Antragsteller aus militärärztlicher Sicht nicht dienst- und verwendungsfähig sei. Zusätzlich sei er zur Erfüllung seiner Dienstpflichten unfähig, da er den Anforderungen, die an ihn in seiner gegenwärtigen Dienststellung und in den wesentlichen Dienststellungen seines Dienstgrades gestellt würden, nicht ausreichend gerecht werde. Schließlich sei die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit auf Dauer nicht zu erwarten.
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Diese Aussagen sind eindeutig.
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Zwar mag es zutreffen, dass diese ärztliche Stellungnahme (noch) die erforderliche Begründung vermissen lässt. Indes ist diese nach Auffassung der Kammer durch die von der Antragsgegnerin eingereichte Stellungnahme der beratenden Ärztin vom 10.06.2022 zulässigerweise nachgeholt worden (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG). Die Antragsgegnerin hat nicht (fehlende) Gründe nachgeschoben. d.h. sie hat tatsächlich angestellte Erwägungen nicht nachträglich korrigiert oder durch neue oder andere Erwägungen ergänzt oder ausgewechselt. Vielmehr hat sie unter Bezugnahme auf die gleichzeitig eingereichte neunseitige Stellungnahme der beratenden Ärztin vom 10.06.2022, die alle einschlägigen fachärztlichen Stellungnahmen sowie truppenärztlichen Aussagen in ihre Beurteilung einbezogen hat, die Stellungnahme vom 17.11.2021 konkretisiert und vertieft. Es handelt sich damit nicht um eine (unzulässige) vollständige Nachholung oder Auswechslung der maßgeblichen (medizinischen) Gründe.
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Dass eine (nachträgliche) Konkretisierung bzw. Vertiefung der Begründung möglich sein muss, ergibt sich auch daraus, dass der Antragsteller ansonsten bei (objektiv) bestehender, allerdings nicht genügend begründeter Dienstunfähigkeit, weiterhin als (eingeschränkt) dienstfähig gelten würde. Dies würde weder mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (s. dazu auch unten) noch mit den (gesundheitlichen) Interessen des Antragstellers im Einklang stehen.
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Selbst wenn man die Bedenken des Antragstellers gegen die Ordnungsgemäßheit der ärztlichen Gutachten teilte, kommt die Kammer gleichwohl nicht zu der Einschätzung, dass der Antragsteller noch dienst-bzw. verwendungsfähig ist.
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Fest steht - das wird auch vom Antragsteller nicht in Abrede gestellt –, dass er seinen bisherigen Dienstposten aufgrund seiner gesundheitlichen und damit auch verwendungsrelevanten Einschränkungen nicht mehr bekleiden kann. Ein anderer, amtsangemessener (zumutbarer) Dienstposten steht für ihn auch nicht zur Verfügung. Grundsätzlich besteht zwar die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen (Suchpflicht). Dabei ist die Suche nach einer anderweitigen Verwendung regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn (hier: Bundesgebiet) zu erstrecken. Es geht grundsätzlich zu Lasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob er die erforderliche Suche durchgeführt hat (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 19.03.2015 – 2 C 37/13 – juris Rdnr. 17 ff zur vergleichbaren Konstellation der vorzeitigen Zurruhesetzung).
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Ob eine solche bundesweite Suche (vor der verfügten Entlassung des Antragstellers) stattgefunden hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt nicht eindeutig (vgl. aber nunmehr die Anlage „Prüfbericht“ zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 03.08.2022). Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dass sie eine solche Verwendung des Antragstellers geprüft hat. In einer E-Mail vom 10.11.2021 (Bl. 71 der Beiakte B) heißt es insoweit, dass der Verband angewiesen worden sei, mit dem Antragsteller mögliche Verwendungen und Dienstorte abzuklären. Im Ergebnis sei diese Prüfung erfolglos geblieben. Ob auch heimatferne Dienstorte angesprochen worden sind, ist indes nicht ausdrücklich dokumentiert worden. Gegen eine entsprechende Suche könnte auch sprechen, dass der Antragsteller selbst nur heimatnah verwendet werden wollte (s. Seite 9 oben der Antragsschrift) bzw. er „schwerwiegende Gründe“ gegen eine bundesweite Versetzung/Verwendung vorgebracht hat (vgl. das Schreiben der Antragsgegnerin an die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers vom 22.02.2022, Blatt 71 der Beiakte B). In Übereinstimmung damit befinden sich die Aussagen der nächsthöheren Disziplinarvorgesetzten des Antragstellers, die (nur) eine Verwendung des Antragstellers im Umfeld seines Wohnortes befürwortet haben (vgl. Stellungnahme der nächsthöheren Dienstvorgesetzten vom 17.05.2021, Blatt 35, und vom 16. 12.2021, Blatt 57 der Beiakte B). In Anbetracht dieser Umstände dürfte eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, eine bundesweite Verwendung des Antragstellers zu prüfen, problematisch sein.
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Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob seitens der Antragsgegnerin vor der Entlassung tatsächlich eine Prüfung der bundesweiten Verwendungsmöglichkeiten des Antragstellers durchgeführt worden ist bzw. sie eine entsprechende Pflicht getroffen hat. Denn in Bezug auf die Suchpflicht kann sich im Einzelfall unter Fürsorgeaspekten eine räumliche Begrenzung ergeben. Die Suchpflicht entfällt, wenn ihr Zweck von vornherein nicht erreicht werden kann (BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 – 2 A 5/16 – juris Rdnr. 34). Sofern feststeht, dass der Beamte generell nicht mehr oder nur mit erheblichen Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist, besteht keine Suchpflicht (BVerwG, Beschluss vom 06.11.2014 – 2 B 97/13 – juris Rdnr. 15). Eine solche generelle Dienstunfähigkeit ist anzunehmen, wenn die Erkrankung des Beamten von solcher Art und Schwere ist, dass er für sämtliche Dienstposten im gesamten Bereich des Dienstherrn der betreffenden oder einer anderen Laufbahn, in die der Beamte/Soldat wechseln könnte, ersichtlich gesundheitlich ungeeignet ist (BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 a.a.O. Rdnr. 34; Beschluss vom 16.4.2020 – 2 B 5.19 – juris Rdnr. 43) oder wenn bei dem Beamten keinerlei Restleistungsvermögen mehr festzustellen ist (BVerwG, Urteil vom 16.11.2017 a.a.O.). Scheidet eine Weiterverwendung des Beamten/Soldaten wegen dessen körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen aus, besäße eine gleichwohl durchzuführende Suche nach einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit keinen Sinn mehr.
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So liegt es im Ergebnis hier.
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Unter Fürsorgeaspekten bedurfte es keiner Prüfung der Antragsgegnerin, ob der Antragsteller auf einem alternativen Dienstposten heimatfern und damit ggf. im gesamten Bundesgebiet verwendet werden könnte; die Suche durfte vielmehr auf heimatnahe Dienstposten begrenzt werden.
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Sämtliche militärärztlichen Gutachten empfehlen durchgehend (unter der Rubrik „Verwendungseinschränkungen“) für den Antragsteller eine „möglichst geringe örtliche Versetzung“. In der ersten Begutachtung der Stabsärztin ... vom 02.02.2021 findet sich solch eine Formulierung zwar nicht. Es heißt dort, dass eine Verwendung nur „maximal eine Stunde einfache Fahrstrecke vom Wohnort“ in Frage komme. Diese Aussage ist im Ergebnis aber genauso zu verstehen, wie die übrigen ärztlichen Einschätzungen. Mit „Wohnort“ kann nur der derzeitige Wohnort des Antragstellers in A-Stadt gemeint sein (und nicht ein solcher nach einer Versetzung). Das bedeutet aber praktisch, dass nur eine heimatnahe, namentlich eine Verwendung des Antragstellers im nördlichen Teil Schleswig–Holsteins ärztlicherseits empfohlen wurde.
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Die ärztlichen Vorgaben haben insoweit Auswirkungen auf die Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin, als dadurch die Suche nach einer anderweitigen Verwendung räumlich begrenzt worden ist. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass sich der Dienstherr grob fürsorgepflichtwidrig verhielte, wenn er entgegen den ärztlichen Ratschlägen, die im Sinne der Gesunderhaltung oder Gesundheitsverbesserung eines Soldaten erteilt worden sind, handelt und den Antragsteller (nach vorheriger Suche) zu einer heimatfernen Dienststelle versetzt hätte. Insoweit traf die Antragsgegnerin keine bundesweite Suchpflicht.
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Da eine heimatnahe Verwendung des Antragstellers, insbesondere eine solche, bei der er nicht mehr als eine Stunde reine Fahrzeit auf sich nehmen müsste, von der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden konnte, ist der Antragsteller aufgrund seiner zahlreichen Einschränkungen nicht mehr verwendungsfähig und damit dienstunfähig.
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Insoweit hat die Antragsgegnerin im Ergebnis zu Recht seine Entlassung verfügt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ist gemäß §§ 63 Abs. 2, 63 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges festgesetzt worden und beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nichtruhegehaltfähiger Zulagen (von der Antragsgegnerin mit 34.178,58 € angegeben). Hieraus ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 8.544,64 € (34.178,58 €: 2: 2 = 8.544,64 €).
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