Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 8/22
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 25. Februar 2022 gegen den Kostenerstattungsbescheid vom 7. Februar 2022 wird wiederhergestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner und die Antragsteller als Gesamtschuldner tragen die Kosten des Verfahrens zu je 1/2.
Der Streitwert wird auf x € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Kostenerstattung für die Herstellung eines Mischwasseranschlusses.
- 2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks unter der Adresse A-Straße in A-Stadt, Flurstück x, Flur x, Gemarkung A-Stadt, welches aus dem ursprünglichen Flurstück x, Flur x, Gemarkung A-Stadt (xxx) hervorgegangen ist. Die Eintragung des neuen Grundstücks ins Grundbuch erfolgte am 11. März 2021.
- 3
Die Gemeinde A-Stadt betreibt auf Grundlage ihrer Abwasserbeseitigungssatzung vom 22. Juni 2004 (AWBS) die Abwasserbeseitigung des in ihrem Entsorgungsgebiet anfallenden Abwassers (Schmutz- und Niederschlagswasser) als öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung im Misch- und Trennsystem einschließlich des jeweils ersten Grundstücksanschlusses (zentrale Abwasserbeseitigung). Sie erhebt auf Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale und dezentrale Abwasserbeseitigung (Beitrags- und Gebührensatzung) vom 30. November 2004 in der Fassung der 1. Nachtragssatzung vom 28. November 2013 (BGS) Beiträge für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtungen und Kostenerstattung bzw. Aufwendungsersatz für zusätzliche Grundstücksanschlüsse nach Maßgabe der Abwasserbeseitigungssatzung.
- 4
Mit E-Mail vom 17. August 2020 erkundigte sich die Antragstellerin zu 1) bei dem Antragsgegner unter anderem danach, wie eine Grundstücksteilung erfolgen könne und wie der Standort der Versorgungsleitungen des betroffenen Flurstücks x (x) eingesehen werden könnte.
- 5
Am selben Tag teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) mit, dass eine Grundstücksteilung im Zuge des Kaufvertrages oder im Vorwege erfolgen könne. In der Straße x und teilweise in der Straße x sei eine Mischwasserversorgungsleitung sowie in der Straße x eine Regenwasserleitung vorhanden. Im Bereich des abzuteilenden Grundstücks (A-Straße) liege jedoch nur eine Regenwasserleitung und keine Mischwasserleitung, so dass entweder eine Verlängerung der Hauptleitung gegen Übernahme der Gebühren oder eine Verlegung der Abwasserleitung z. B. über das Grundstück x mit Gewährung eines Leitungsrechts erfolgen müsse.
- 6
Im November teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) mit, dass eine Verlängerung des vorhandenen Mischwasserkanals in der Straße x möglich sei. Es sei eine Verlängerung von ca. 20 m erforderlich, wobei bei normalen Baugrundverhältnissen und einer unbelasteten Oberfläche die Kosten rund x € betragen würden. Kontaminiertes Oberflächenmaterial müsse vorschriftsmäßig entsorgt werden, weswegen eine Untersuchung der Oberfläche empfohlen werde.
- 7
Daraufhin schrieb die Antragstellerin zu 1) dem Antragsgegner, dass ihnen eine Verlängerung mehr zusagen würde. Sie bat außerdem um Auskunft, wie eine Oberflächenuntersuchung beauftragt werde, welche Kosten dafür entstehen würden und ob diese zuzüglich der x € zu zahlen seien. Weiter bat sie um Mitteilung, ob ein Festpreis verhandelt werden könne.
- 8
Intern heißt es in einer E-Mail des Antragsgegners, dass zu den Baukosten bei kontaminiertem Asphalt Entsorgungskosten noch x € für den Baugrundgutachter und x € für die Deponierung des Asphalts kalkuliert werden müssten. Die Antragstellerin zu 1) habe mithin mit Kosten in Höhe von x € zu rechnen. Ein Festpreis sei nicht möglich. Die Kosten würden sich nach dem tatsächlichen Aufwand der Fa. D aus dem Jahresvertrag ergeben.
- 9
Mit E-Mail vom 8. Dezember 2020 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Verlängerung der Mischwasserleitung und eine Oberflächenmaterialuntersuchung und erklärten, die Kostenübernahme für die dadurch entstehenden Kosten.
- 10
Am 17. Februar 2021 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Genehmigung des Anschlusses an die Abwasseranlagen, wobei sie ein Formular des Abwasserzweckverbandes Wirtschaftraum B-Stadt (X) verwendeten (Bl. 30 ff. der Verwaltungsakte).
- 11
Am 3. März 2021 erteilte der Antragsgegner den Antragstellern für das Grundstück unter der Adresse A-Straße in A-Stadt, Flur x, Flurstück Teil aus x die Genehmigung des Anschlusses ihres Grundstücks an die Ortsentwässerung A-Stadt, wobei als Rechtsgrundlage die Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde x vom 29. November 2004 benannt wurde (Bl. 47 der Verwaltungsakte). Als Auflage wurde unter anderem ausgeführt, dass die Anschlussgenehmigung erst mit betriebsfertiger Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen wirksam sei.
- 12
In der Zeit vom 24. Februar 2021 bis zum 14. Juni 2021 ließ die Gemeinde den Mischwasserkanal, der bislang in der Höhe der Grundstücke xx, x und x (Flurstücke x bzw. x) endete, in der Straße X um ca. 20 m von der Fa. D verlängern. Für die Tiefbauarbeiten rechnete diese am 23. August 2021 Werkleistungen in Höhe von xxx € ab (Bl. 76 ff. der Verwaltungsakte). Adressiert wurde die Rechnung an die Gemeinde A-Stadt über den Antragsgegner. Weiter heißt es „Rechnung A-Stadt x SW-Kanal + SW-GAK“. Danach folgt eine Leistungsauflistung, die unterteilt ist in Abschnitt 1: Zeitvertragsarbeiten für den X“ und „Abschnitt 2: Zeitvertragsarbeiten für das Amt C“.
- 13
Mit Bescheid vom 7. Februar 2022 setzte der Antragsgegner gegen die Antragsteller einen Kostenerstattungsbetrag für die tatsächlichen Kosten der Herstellung des Mischwasseranschlusses auf dem Grundstück unter der Adresse A-Straße in A-Stadt, Flurstück x, Flur x, Gemarkung A-Stadt in Höhe von X € fest. Die Rechnung der Fa. D vom 23. August 2021 war dem Bescheid beigefügt. Als Grundlage des Bescheides wurde § 3 der Beitrags- und Gebührensatzung Schmutzwasserbeseitigung vom 30. November 2004 benannt. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung habe.
- 14
Dagegen erhoben die Antragsteller am 25. Februar 2022 Widerspruch und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führten sie aus, dass die benannte Ermächtigungsgrundlage – § 3 der Beitrags- und Gebührensatzung Schmutzwasserbeseitigung des X – nicht einschlägig sei. Es liege kein Fall eines Zweitanschlusses vor, da das Grundstück nach der Grundstückteilung erstmals 2021 angeschlossen worden sei. Weiter sei § 3 der Satzung zu unbestimmt.
- 15
Die Antragsteller haben am 4. April 2022 um einstweiligen Rechtsschutz ersucht. Der Antragsgegner habe auf den Widerspruch vom 25. Februar 2022 nicht reagiert und es sei vergeblich die Aussetzung der Vollziehung beantragt worden. Der Kostenerstattungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Gemäß der Rechnung vom 23. August 2021 seien die Arbeiten an den Schmutzwasserentwässerungsleitungen „für den X“ durchgeführt worden. Erst ab der Position 02.00.0000 seien Zeitvertragsarbeiten für den Antragsgegner durchgeführt worden. Arbeiten, die für den X durchgeführt worden seien, dürften jedoch nicht über das Satzungsrecht der Gemeinde A-Stadt abgerechnet werden. Soweit der Bescheid mithin x € für Arbeiten für den X enthalte, sei er rechtswidrig. Im Übrigen sei eine Kostenerstattung in Höhe der Herstellungskosten auch nach dem Satzungsrecht der Gemeinde A-Stadt nicht gerechtfertigt, weil § 3 Satz 2 BGS gelte. Dieser schließe eine Erstattung von Zeitvertragsarbeiten für den X aus. Es handele sich auch nicht um einen „zusätzlichen Grundstücksanschluss“ i. S. d. § 3 Satz 2 letzter Halbs. BGS. Das Grundstück sei erstmalig durch Vermessung, Eintragung im Kataster und im Grundbuch im März 2021 entstanden. „Zusätzlich“ bedeute, dass bereits ein Grundstückanschluss vorhanden sein müsse. Dies sei auf ihrem Grundstück nicht der Fall gewesen. Eine Anwendung des § 3 Satz 1 BGS sei mithin ausgeschlossen. Die Satzung selbst hätte definieren müssen, was unter „zusätzlichen“ Grundstücksanschlüssen zu verstehen sei, da eine Gleichsetzung mit einem Erstanschluss nach Teilung dem Wortlaut widerspreche. Insoweit sei die Satzung der Gemeinde A-Stadt zu unbestimmt. Auch § 19 AWBS gelte nur für solche Grundstücke, die nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung seien. Die Leitungen in der öffentlichen Straße x seien aber solche, die auch im Eigentum der Gemeinde stehen würden. Im vorliegenden Fall gelte mithin § 2 BGS.
- 16
Mit gerichtlicher Verfügung vom 7. Juli 2022 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, dass kein Fall von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO vorliegen dürfte, woraufhin der Antragsgegner am 18. Juli 2022 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 7. Februar 2022 angeordnet hat. Zur Begründung führt er aus, dass ohne die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine gerichtliche Entscheidung in der Sache nicht ergangen wäre, mithin erst ein sich anschließendes Klageverfahren abgewartet werden müsste. Es bestünden jedoch an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides keine Zweifel, weswegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten sei. Die Verlängerung des Mischwasserkanals sei von den Antragstellern am 8. Dezember 2020 beantragt worden und es sei von ihnen auch erklärt worden, die Kosten tragen zu wollen. Die angefallene Rechnung habe nun die Gemeinde A-Stadt aus den liquiden Mitteln des Haushaltes bezahlen müssen. Die Mittel stünden demnach für andere zu finanzierende Aufgaben nicht mehr zur Verfügung. Die Kostenerstattung diene aber gerade dazu, dass die Finanzierung öffentlicher Aufgaben nicht gefährdet werde. Der Rechnungsausgleich führe bei der Gemeinde A-Stadt zu einer Liquidationseinbuße, die angesichts des Volumens des Gesamthaushaltes der Gemeinde A-Stadt von etwas mehr als x € im Jahre 2020 immerhin einen Anteil von rund 5 v.H. ausmache. Die in den Haushalt eingestellten Mittel würden jedoch dazu dienen, den Finanzbedarf der von der Gemeinde zu erledigenden Aufgaben zu decken, nicht aber der Finanzierung und Verschaffung von Vorteilen für private Grundstückseigentümer. Die Gemeinde sei keine Bank bzw. kein Kreditunternehmen.
- 17
Dagegen führen die Antragsteller an, dass eine erneute Anordnung des Sofortvollzuges nicht erforderlich sei, da der Bescheid vom 7. Februar 2022 eine solche bereits ausdrücklich enthalte. Sie sei jedoch unwirksam, da sie nicht begründet worden sei. Eine Nachholung der Begründung sei im Klageverfahren oder einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht mehr möglich. Außerdem sei die erneute Anordnung des Sofortvollzuges vom 18. Juli 2022 trotz Bevollmächtigung nicht an den Prozessbevollmächtigen versandt worden und daher bereits unwirksam.
- 18
Die Antragsteller beantragen wörtlich,
- 19
1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 23. Februar 2022 gegen den Bescheid über die Kostenerstattung vom 8. Dezember 2020, Az. x, anzuordnen,
- 20
2. hilfsweise die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 23. Februar 2022 gegen den Bescheid über die Kostenerstattung vom 7. Februar 2022 wiederherzustellen,
- 21
3. weiter hilfsweise, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Bescheid vom 7. Februar 2022, Az. x, aufzuheben.
- 22
Der Antragsgegner beantragt,
- 23
den Antrag abzulehnen.
- 24
Mit Genehmigungserteilung am 3. März 2021 sei klar gewesen, dass zum Anschluss des Grundstückes der Antragsteller eine Vorstreckung des in der Straße x verlegten Mischwasserkanals erforderlich sein würde. Maßgeblich für die Kostenerstattung sei das Satzungsrecht der Gemeinde A-Stadt, nicht des X, da die Gemeinde A-Stadt nicht Mitglied des Zweckverbandes sei. Nach § 2 Abs. 4 AWBS sei der jeweils erste Grundstückanschluss Bestandteil der zentralen Grundstücksanschlüsse, zusätzliche und/oder nachträglich hergestellte Grundstücksanschlüsse seien nicht Bestandteil der zentralen öffentlichen Einrichtung. Gemäß § 3 Ziff. 4 AWBS sei Grundstücksanschluss der Verbindungskanal/die Verbindungsleitung vom öffentlichen Abwasserkanal (Hauptkanal/Sammler) bis max. hinter der Grenze bzw. bis zum ersten Übergabe-/Reinigungsschacht auf dem zu vermessenden Grundstück. § 19 AWBS bestimme, dass für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Änderung und Unterhaltung der zusätzlichen Grundstücksanschlüsse, die nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung sind, die Gemeinde Erstattung der Kosten bzw. der Ersatz der Aufwendungen in tatsächlicher Höhere fordern könne. Grundstücksanschlüsse, die nachträglich durch die Teilung oder zusätzliche Bebauung von Grundstücken erforderlich würden, würden als zusätzliche Grundstücksanschlüsse i.S.v. § 19 Satz 1 AWBS gelten, wenn kein Herstellungsbeitrag nach § 19 Satz 2 Halbs. 2 AWBS erhoben werde. Grundlage der Kostenerstattung sei hier § 3 BGS. Die Rechnung der Fa. D sei auf die Gemeinde A-Stadt ausgestellt und die Leistungen seien für die Gemeinde A-Stadt erbracht worden, was sich aus den Aufmaßbögen und Tagesberichten ergebe. Das in der Rechnung „Zeitvertragsarbeiten für den X bzw. das Amt C“ bezeichnet seien, sei daher unschädlich. Das ursprüngliche Grundstück X sei zudem in der Beitragskalkulation enthalten gewesen. Als Nachweis reicht der Antragsgegner eine kartographische Flächenübersicht ein. Für das ursprüngliche Grundstück sei mithin die sachliche Beitragspflicht bereits schon einmal entstanden, weswegen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung gelte.
- 25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
II.
- 26
Der Hauptantrag der Antragsteller ist unter Berücksichtigung der Antragsbegründung und ihres Schriftsatzes vom 14. Juni 2022 in Anwendung von §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres mit Schriftsatz vom 23. Februar 2022 erhobenen Widerspruches vom 25. Februar 2022 gegen den Kostenerstattungsbescheid vom 7. Februar 2022 begehren. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2020 haben die Antragsteller die Verlängerung der Mischwasserleitung beantragt, der Widerspruch als Grundlage der aufschiebenden Wirkung richtet sich jedoch gegen den Bescheid vom 7. Februar 2022.
- 27
Der so verstandene Hauptantrag ist bereits mangels Statthaftigkeit unzulässig, da kein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorliegt. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen. Die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Danach entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben oder Kosten. Kosten in diesem Sinne sind nur Gebühren und Auslagen, die den Beteiligten wegen der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens auferlegt werden. Dazu zählen jedoch nicht die Aufwendungen für die Herstellung, Erhaltung und Erneuerung von Anschlussleitungen, die nach dem Kommunalabgabenrecht oder einer Satzung von den Anschlussnehmern zu ersetzen sind (VG Schleswig, Beschluss vom 26. Februar 2018 – 4 B 14/18 – n.v. m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 63).
- 28
Der Hilfsantrag zu 1) ist zulässig und begründet.
- 29
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, weil der Widerspruch vom 25. Februar 2022 gegen den Bescheid vom 7. Februar 2022 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 18. Juli 2022 keine aufschiebende Wirkung hat. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist auch nicht bereits in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 7. Februar 2022 eine Anordnung der sofortigen Vollziehung zu sehen. Vielmehr ist der Antragsgegner irrigerweise davon ausgegangen, dass auch Kostenerstattungsansprüche unter § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO fallen, da es in dem Bescheid wörtlich heißt: „Gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 1 Verwaltungsgerichtsordnung hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung.“ Für die rechtliche Beurteilung kommt es jedoch nicht auf die Annahme des Antragsgegners an, sondern auf die konkrete Rechtslage.
- 30
Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine Zugangsvoraussetzung. Die Antragsteller mussten daher weder einen neuen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen noch stellt es ein Problem dar, dass über den ursprünglichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht entschieden worden ist.
- 31
Der Antrag ist begründet.
- 32
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann durch das Gericht die aufschiebende Wirkung im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 4, also in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederhergestellt werden. Die gerichtliche Entscheidung ergeht bei einer formell rechtmäßigen Anordnung der sofortigen Vollziehung auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse einerseits und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung erlangen. Lässt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherzustellen, weil an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig (vgl. zu diesem Merkmal: BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. September 1995 – 2 BvR 1179/95 – juris Rn. 46), bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall angeordnet wurde, noch eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung, das mit dem Interesse am Erlass eines Verwaltungsaktes in der Regel nicht identisch ist, sondern vielmehr ein qualitativ anderes Interesse ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2003 – 1 BvR 1594/03 – juris Rn. 22). Lässt sich die Rechtmäßigkeit bei summarischer Prüfung nicht eindeutig beurteilen, bedarf es schließlich einer allgemeinen Interessenabwägung im Sinne einer Folgenabwägung (BVerwG, Beschluss vom 22. März 2010 – 7 VR 1/10 – juris Rn. 13; OVG Schleswig, Beschluss vom 6. August 1991 – 4 M 109/91 – juris Rn. 4).
- 33
In Anwendung dieser Maßstäbe ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 18. Juli 2022 nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zwar formell rechtmäßig (1.). Jedoch überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der durch Verwaltungsakt ausgesprochenen Zahlungsaufforderung vorliegend nicht das Interesse, von dem Vollzug der Zahlung vorläufig verschont zu bleiben, weil der Kostenerstattungsbescheid vom 7. Februar 2022 offensichtlich rechtswidrig ist und der Antragsgegner kein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung hat (2.).
- 34
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig.
- 35
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist die Ausgangsbehörde zuständig für die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Vorliegend war der Antragsgegner gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Amtsordnung (AmtsO) zuständig für den Erlass des Kostenerstattungsbescheides vom 7. Februar 2022 und damit auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, da beides zu dem Bereich der Abwasserbeseitigung als Selbstverwaltungsaufgabe der amtsangehörigen Gemeinde A-Stadt zählt. Der Amtsvorsteher ist in Selbstverwaltungsangelegenheiten zuständige Behörde an Stelle der Bürgermeister der amtsangehörigen Gemeinden und führt die Verwaltungsgeschäfte. Der Amtsvorsteher hat die Verwaltungsakte als solche des Amtes zu erlassen; insoweit entfällt die Zuständigkeit der amtsangehörigen Gemeinde bzw. der Gemeindebehörde (OVG Schleswig, Beschluss vom 27. Januar 1999 – 2 L 84/97 – juris Rn. 10; VG Schleswig, Beschluss vom 31. März 2021 – 4 B 1/21 – juris Rn. 40). Unschädlich ist, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zusammen mit dem Bescheid vom 7. Februar 2022 erfolgte, sondern mit Schreiben vom 18. Juli 2022 nachgeholt wurde (Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 41).
- 36
Die sofortige Vollziehung ist auch gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich hinreichend begründet worden. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO setzt insoweit eine auf den konkreten Fall bezogene, nicht nur formelhafte schriftliche Begründung voraus, die aber nicht zwingend inhaltlich richtig sein muss (Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 84 f.; Hoppe, a.a.O., Rn. 55). Mit Schreiben vom 18. Juli 2022 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung mit einer den genannten Anforderungen entsprechenden Begründung an, indem er ausführte, dass die Gemeinde rund 5 v. H. ihrer liquiden Mittel aus ihrem Haushalt eingesetzt habe, die für andere zu finanzierende Aufgaben nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten.
- 37
Eine Anhörung war nach § 87 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) nicht erforderlich, weil es sich bei einer Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht um einen Verwaltungsakt handelt (Hoppe, a.a.O, Rn. 42).
- 38
2. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der durch Verwaltungsakt ausgesprochenen Zahlungsaufforderung überwiegt vorliegend nicht das Interesse, von dem Vollzug der Zahlung vorläufig verschont zu bleiben, weil der Kostenerstattungsbescheid vom 7. Februar 2022 offensichtlich rechtswidrig ist (a.) und der Antragsgegner kein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung hat (b).
- 39
a. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist der Kostenerstattungsbescheid vom 7. Februar 2022 offensichtlich rechtswidrig, weil die Beitrags- und Gebührensatzung hinsichtlich des Erstattungsanspruches unwirksam ist. Mithin fehlt es dem Bescheid vom 7. Februar 2022 an einer Rechtsgrundlage.
- 40
Der Antragsgegner stützt den Bescheid vom 7. Februar 2022 auf § 9a KAG i.V.m. § 3 Satz 1 BGS i.V.m. § 19 AWBS. Die Beitrags- und Gebührensatzung ist jedoch in Bezug auf die Kostenerstattung unwirksam. Satzungsmängel sind im Eilverfahren zu berücksichtigen, wenn sie sich aufdrängen, d.h. ein Satzungsmangel muss so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist. Eine Klärung offener Fragen zur Gültigkeit der jeweiligen Abgabensatzung kann nicht Aufgabe des Eilverfahrens sein. Vielmehr hat die (Inzident-)Kontrolle der Satzung im dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren stattzufinden (OVG Schleswig, Beschluss vom 4. März 2022 – 5 MB 44/21 – juris Rn. 16; OVG Weimar, Beschuss vom 23. April 1998 – 4 EO 6/97 – juris Rn. 25 m.w.N.; Beschlüsse der Kammer vom 7. März 2019 – 4 B 105/18 – juris Rn. 8, vom 19. November 2018 – 4 B 83/18 – n.v. und vom 31. März .2021 – 4 B 1/21 – juris Rn. 24). Nur wenn Fehler offen zu Tage treten, ist dies im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu berücksichtigen (VG München, Beschluss vom 15. November 2005 – M 10 S 05.2876 – juris Rn. 18).
- 41
Zwar ist die Beitrags- und Gebührensatzung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung formell wirksam.
- 42
Die Gemeinde A-Stadt war als abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde gemäß der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Fassung von § 31 Abs. 1 Satz 1, § 31 Abs. 3 Satz 2 Landeswassergesetz vom 6. Januar 2004 (LWG a.F.) i.V.m. § 1 Abs. 1 und §§ 6, 8 KAG zuständig für den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung, ebenso wie für den Erlass der Abwasserbeseitigungssatzung (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 LWG a.F.) sowie für die Regelung der Kostenerstattung nach § 9a KAG.
- 43
Die Beitrags- und Gebührensatzung ist auch wirksam erlassen. Die jeweils mehrheitlich von der Gemeindevertretung beschlossene und vom Bürgermeister ausgefertigte Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung der 1. Nachtragssatzung wurde gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Gemeinde A-Stadt vom 23. Oktober 2003 und vom 25. Juni 2009 durch Veröffentlichung im Bekanntmachungsblatt des Amtes C bekannt gemacht.
- 44
Materiell-rechtlich drängt sich jedoch ein Verstoß gegen höherrangiges Recht auf.
- 45
Die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung der 1. Nachtragssatzung verstößt gegen das Zitiergebot des § 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG, wonach Satzungen die Rechtsvorschriften angeben müssen, welche zum Erlass der Satzung rechtfertigen (vgl. OVG Schleswig, 12. Juni 2020 – 2 KN 2/18 – juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 13. Februar 2020 – 2 LB 16/19 – juris Rn. 23 ff.; VG Schleswig, Urteil vom 26. September 2018 – 4 A 209/17 – juris Rn. 43 ff.). Sie nennt in der Eingangsformel § 4 GO und §§ 1, 2, 6, 8, 9 KAG. Die Zitierung des § 18 AWBS erst in der 1. Nachtragssatzung ist unschädlich, weil § 18 AWBS nicht Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen und Gebühren ist und damit nicht zwingend zitiert werden muss (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – 2 MB 28/18 – n.v.; VG Schleswig, Urteil vom 8. Dezember 2021 – 4 A 282/19 – juris Rn. 63). Weiter zitiert jedenfalls die Abwasserbeseitigungssatzung die §§ 31 und 31a LWG a.F. in der Eingangsformel, weswegen dies in der Beitrags- und Gebührensatzung entbehrlich ist. Insoweit unschädlich ist auch, dass nach der aktuellen Fassung des Landeswassergesetzes nun § 44 LWG zu zitieren wäre (vgl. dazu OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2019 – 2 MB 28/18 – n.v.; VG Schleswig, Urteil vom 24. September 2021 – 4 A 303/19 – juris Rn. 76 ff.; VG Schleswig, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 4 B 245/17 – juris Rn. 21 ff.). Nur in der Eingangsformel der 1. Nachtragssatzung wird § 9a KAG zitiert, ohne das damit auch die Eingangsformel der Ausgangssatzung vom 30. November 2004 rückwirkend geändert worden ist. Auch diese hätte aber nach Einführung des § 9a KAG zum 1. Januar 2004 diese Norm in der Eingangsformel nennen müssen, da die Regelung zu Kostenerstattungen bereits in der Ausgangssatzung enthalten war und nicht erst mit der 1. Nachtragssatzung hinzugefügt worden ist (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 13. Februar 2020 – 2 LB 16/19 – juris Rn. 22; VG Schleswig, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 4 B 8/07 – juris Rn. 28 und zur Erforderlichkeit der rückwirkenden Änderung der Ausgangssatzung, vgl. VG Schleswig, Urteil vom 30. August 2021 – 9 A 10/18 – juris Rn. 25). Auch die Abwasserbeseitigungssatzung zitiert trotz des enthaltenen § 19 AWBS § 9a KAG in der Einleitungsformel nicht, weswegen auch diese gegen das Zitiergebot aus § 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG verstößt. § 3 BGS und § 19 AWBS erweisen sich daher als unwirksam. Im Übrigen sind die Satzungen jedoch wirksam, da es sich bei der Kostenerstattung um einen Verstoß eines einzelnen, abtrennbaren Teils der Satzungen handelt und damit die Zitiergebotsverstöße jeweils nur zur Teilnichtigkeit dieses Satzungsbestandteils führen (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 16. Januar 2020 – 4 A 144/15 – juris Rn. 29).
- 46
Es wird darauf hingewiesen, dass die Beitrags- und Gebührensatzung und die Abwasserbeseitigungsatzung in Hinblick auf die Kostenerstattung außerdem auch nicht die Mindestanforderungen an eine Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erfüllen. Gemäß § 9a Abs. 2 Satz 2 KAG findet dieser bei Kostenerstattungsansprüchen entsprechende Anwendung. Demnach muss eine Satzung den Gegenstand der Kostenerstattung, den Schuldner des Anspruchs, die Höhe und die Bemessungsgrundlage sowie den Zeitpunkt der Entstehung und Fälligkeit des Anspruches angeben (Habermann in: Praxis der Kommunalverwaltung, KAG, Stand: Januar 2016, § 9a Rn. 11). Weder die Beitrags- und Gebührensatzung noch die Abwasserbeseitigungssatzung regeln jedoch den Zeitpunkt der Entstehung, den Schuldner und die Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruches.
- 47
Es sind auch keine anderen Rechtsgrundlagen ersichtlich auf die der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch gestützt werden könnte. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist seit der Einführung des § 9a KAG nicht (mehr) anwendbar. § 9a KAG ersetzt diesen seit In-Kraft-Treten zum 1. Januar 2004 abschließend (VG Schleswig, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 4 B 8/07 – juris Rn. 28; Habermann, a.a.O, Rn. 5).
- 48
Auch kann der Bescheid nicht auf die Kostenübernahmeerklärung der Antragsteller gestützt werden, weil darin kein Schuldanerkenntnis gesehen werden kann und sich die Kostenerstattung daher nach den Reglungen der Satzung richtet (vgl. zum Schuldanerkenntnis im öffentlichen Recht VG Cottbus, Urteil vom 18. Januar 2022 – 6 K 2078/18 – juris).
- 49
b. Weiter fehlt es dem Antragsgegner am besonderen öffentlichen Interesse zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung des Kostenerstattungsbescheides vom 7. Februar 2022.
- 50
Bei dem besonderen öffentlichen Interesse muss es sich um ein besonderes Vollzugsinteresse handeln, welches über das Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (OVG Magdeburg, Beschluss vom 22. Oktober 2012 – 2 M 22/12 – juris Rn. 36; Beschluss vom 29. November 2017 – 3 M 271/17 – juris Rn. 17). Fiskalische Interessen können dabei nur ausnahmsweise ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung begründen. Es bedarf einer über das bloße Haushaltsinteresse hinausgehenden, eigenständigen Rechtfertigung, die sich auch nicht in dem Kostenerstattungsinteresse erschöpfen darf, das jedem Leistungsbescheid immanent ist und daher keine besondere Eilbedürftigkeit begründet. Eine Ausnahme ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die fiskalischen Interessen hinreichend gewichtig sind und die Verwirklichung einer öffentlichen-rechtlichen Geldforderung ohne den sofortigen Vollzug (erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens) ernstlich gefährdet erscheint. Dabei muss die Gefährdungslage im Einzelfall festgestellt werden; gegenläufige Gesichtspunkte dürfen nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 29. November 2017 – 3 M 271/17 – juris Rn. 18; OVG Münster, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 9 B 79/14 – juris Rn. 12)
- 51
Nach diesen Maßstäben sind mit Blick auf die Forderungshöhe von x € die fiskalischen Interessen der Gemeinde A-Stadt zwar hinreichend gewichtig. Der Antragsgegner hat jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Verwirklichung des Kostenerstattungsbescheides nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens ernsthaft gefährdet erscheint. Anhaltspunkte sind dafür auch nicht ersichtlich. Der Hinweis des Antragsgegners in der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 18. Juli 2022, dass die Gemeinde A-Stadt keine Bank bzw. Kreditunternehmen sei, ist zwar richtig, jedoch ist die Vorfinanzierung die Konsequenz der vom Gesetzgeber im Fall von Kostenerstattungsansprüchen geregelten aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO und der Grund für die Erforderlichkeit eines besonderen öffentlichen Interesses zur Rechtfertigung einer sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 2 VwGO.
- 53
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO und – wie hier – bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten ¼ des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes, hier also ¼ von x €.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- §§ 31 und 31a LWG 2x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Bundesverwaltungsgericht (4. Senat) - 4 B 14/18 1x
- § 66 Abs. 1 Nr. 2 LVwG 2x (nicht zugeordnet)
- 6 K 2078/18 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 83/18 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 1179/95 1x (nicht zugeordnet)
- 2 L 84/97 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 17x
- 2 LB 16/19 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 155 1x
- VwGO § 159 1x
- 4 EO 6/97 1x (nicht zugeordnet)
- 7 VR 1/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 44 LWG 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 105/18 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 1594/03 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 144/15 1x (nicht zugeordnet)
- 2 MB 28/18 2x (nicht zugeordnet)
- 4 B 1/21 2x (nicht zugeordnet)
- 4 A 282/19 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 9 B 79/14 1x
- § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9a Abs. 2 Satz 2 KAG 1x (nicht zugeordnet)
- § 9a KAG 7x (nicht zugeordnet)
- 4 B 245/17 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 209/17 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (3. Senat) - 3 M 271/17 2x
- Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (4. Kammer) - 4 B 8/07 1x
- 5 MB 44/21 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 6, 8 KAG 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 1, 2, 6, 8, 9 KAG 5x (nicht zugeordnet)
- 4 B 8/07 1x (nicht zugeordnet)
- 4 A 303/19 1x (nicht zugeordnet)
- 2 KN 2/18 1x (nicht zugeordnet)
- 4 M 109/91 1x (nicht zugeordnet)
- § 4 GO 1x (nicht zugeordnet)
- 2 M 22/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 31 Abs. 3 Satz 1 LWG 1x (nicht zugeordnet)
- 9 A 10/18 1x (nicht zugeordnet)