Beschluss vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (11. Kammer) - 11 B 84/22

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage zum Aktenzeichen 11 A 202/22 anzuordnen,

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ist als neuerlicher Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig, da ihm die Rechtskraft der Entscheidung der Kammer vom 17.05.2022 (Az. 11 B 3/22) entgegensteht (vgl. etwa OVG Bautzen, Beschl. v. 17.09.2020 – 6 B 290/20 –, juris Rn. 1; VG München, Beschl. v. 29.11.2001 – M 1 S 01.70162 –, juris Rn. 15; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 126).

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Der Umstand, dass die Antragstellerin nunmehr Klage erhoben hat (Az. 11 A 202/22), führt vor dem Hintergrund des rechtskräftigen Beschlusses der Kammer vom 17.05.2022 nicht dazu, dass für die gerichtliche Prüfung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage erneut ein Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO eröffnet wäre. Gegenstand des ersten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO war die Frage der Vollziehbarkeit des Bescheides vom 09.12.2021 bis zu seiner Unanfechtbarkeit – beziehungsweise bei Abweisung der Klage im ersten Rechtszug bis zum Ablauf von drei Monaten nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist (vgl. näher zum Gegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO: OVG B-Stadt, Beschl. v. 23.09.2016 – 1 Bs 100/16 –, juris Rn. 17). Mit der rechtskräftigen Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist über diesen Streitgegenstand abschließend entschieden worden. Damit steht zwischen den Beteiligten bindend fest, dass es bei der Vollziehbarkeit des vorgenannten Bescheides bleibt und den dagegen eingelegten Rechtsmitteln der Antragstellerin keine aufschiebende Wirkung zukommt. Der Erlass des Widerspruchsbescheides am 08.06.2022 nach der gerichtlichen Entscheidung am 17.05.2022 und die Erhebung einer Klage ändern daran nichts (vgl. OVG B-Stadt, Beschl. v. 23.09.2016 – 1 Bs 100/16 –, juris Rn. 16). Da der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keinen Erfolg hatte, bleibt es während des gesamten „Schwebezustands“ bei der Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes, so dass eine Korrektur nur nach Maßgabe des § 80 Abs. 7 VwGO möglich ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.03.2012 – OVG 10 S 17.11 –, juris Rn. 5 m.V.a. OVG Magdeburg, Beschl. v. 12.07.1995 – 2 M 18/95 –, juris Rn. 31; Beschl. v. 02.05.2011 – 2 M 34/11 –, juris Rn. 7; OVG B-Stadt, Beschl. v. 23.09.2016 – 1 Bs 100/16 –, juris Rn. 19).

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Selbst wenn man den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als hilfsweise gestellten Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wegen veränderter oder ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände ansieht, bleibt dieser Abänderungsantrag mangels Begründetheit ohne Erfolg. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

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Das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO dient nicht in der Art eines Rechtsmittelverfahrens der Überprüfung, ob die vorangegangene Entscheidung – hier also der Beschluss der Kammer vom 17.05.2022 – formell und materiell richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.08.2008 – 2 VR 1.08 –, juris Rn. 5). Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung über einen zulässigen Abänderungsantrag ist, ob nach der jetzigen Sach- oder Rechtslage die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2011 – 8 VR 2.11 –, juris Rn. 8). Prozessrechtliche Voraussetzung für die Ausübung der dem Gericht der Hauptsache eröffneten Abänderungsbefugnis ist somit eine Änderung der maßgeblichen Umstände, auf welche die frühere Entscheidung gestützt war. Liegt eine derartige Änderung nicht vor, ist dem Gericht eine Entscheidung in der Sache grundsätzlich verwehrt, weil sie auf eine unzulässige Rechtsmittelentscheidung hinausliefe (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 24.07.2019 – 2 BvR 686/19 –, juris Rn. 36).

7

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Antragstellerin keine beachtliche nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage dargelegt, die eine Abänderung der gerichtlichen Eilentscheidung vom 17.05.2022 rechtfertigen würde. Sie hat zudem nicht dargetan, ohne Verschulden gehindert gewesen zu sein, bereits im ursprünglichen Verfahren bestehende Umstände rechtzeitig geltend zu machen.

8

Soweit sich die Antragstellerin zur Begründung ihres Antrages auf die Vorgeschehnisse vor und unmittelbar nach ihrer Einreise stützt und ergänzend heranzieht, dass der Ehemann der Antragstellerin ihre Einreise entgegen dessen Bekundungen im Verwaltungsverfahren gewünscht habe, sich ihr gegenüber insgesamt sehr wechselvoll, teilweise aber auch liebevoll gezeigt habe, mit der Folge, dass vor ihrem Auszug eine eheliche Lebensgemeinschaft i. S. d. § 31 Abs. 1 AufenthG geführt worden sei, so lässt sich hieraus keine berücksichtigungsfähige Veränderung der Sach- und Rechtslage herleiten. Sämtliche Vorgeschehnisse ereigneten sich, wie sich dem Antragsvorbringen entnehmen lässt, vor der Beschlussfassung der Kammer am 17.05.2022 und stellen folglich keine nachträgliche Änderung der Sachlage dar. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Verweis darauf, dass der angefochtenen Verfügung des Antragsgegners und dem Beschluss der Kammer vom 17.05.2022 ein nur teilweise zutreffendes Bild zugrunde gelegen habe, vermag dem Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO damit ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal nicht dargelegt wird, weshalb diese Umstände nicht bereits im Ausgangsverfahren geltend gemacht werden konnten.

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In dem Vorbringen der Antragstellerin zu den durch ihren Ehemann erlittenen schwerwiegenden Demütigungen und entwürdigenden Beeinträchtigungen ihrer schutzwürdigen Belange liegt ebenfalls keine nachträglich geänderte Sachlage, da die Antragstellerin hierzu selbst angibt, sie habe dies bereits ausführlich im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 14.04.2021, mithin deutlich vor der gerichtlichen Entscheidung am 17.05.2022, gegenüber dem Antragsgegner dargelegt. Gleiches gilt, soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass sie von ihrem im Iran lebenden Bruder schwerwiegende und ernstzunehmende Drohungen für den Fall ihrer Rückkehr erhalten habe. Diesbezüglich bleibt schon völlig unklar, wann diese Drohungen erfolgt sein sollen und weshalb dieses Vorbringen nicht bereits vor Erlass des Beschlusses am 17.05.2022 erfolgen konnte.

10

Soweit die Antragstellerin darüber hinaus die Rechtslage in Bezug auf § 31 AufenthG anders wertet, als die Kammer in dem Beschluss vom 17.05.2022 und hierzu unter anderem vorträgt, dass es jedenfalls für den Bereich der schutzwürdigen Belange i. S. v. § 31 Abs. 2 AufenthG einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend bedürfe, dass im Wege der Analogie ein von der Fortdauer der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht auch dann zu gewähren sei, wenn die Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug noch nicht erteilt worden sei, so handelt es sich ebenfalls um kein im Rahmen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO berücksichtigungsfähiges Vorbringen. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Einwänden gegenüber der materiellen Richtigkeit des Beschlusses vom 17.05.2022, die allein im insoweit vorgesehenen Beschwerdeverfahren (vgl. § 146 Abs. 1 und Abs. 4 VwGO) anzubringen gewesen wären.

11

Nach alledem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

12

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nicht gegeben (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Die Kammer nimmt insoweit auf die vorstehenden Ausführungen Bezug.

13

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.


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