Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (2. Kammer) - 2 B 1214/17 SN
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 6. März 2017 zum Az. … über die Erweiterung des Restaurant- und Beherbergungsbetriebes „…“ im Bebauungsplan Nr. … auf dem Grundstück A-Stadt, …(Gemarkung …, Flur …, Flurstücke …, …, … und …) wird angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, mit dem der Antragsteller sich als Nachbar gegen die Erweiterung eines bestehenden Restaurants mit Hotelbetrieb ("…") wendet, ist zulässig und begründet.
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Gemäß §§ 80 Abs. 5 Satz 1, 80 a Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs eines Drittbetroffenen gegen einen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anordnen, wenn das Interesse des Drittbetroffenen, von der Vollziehung vorläufig verschont zu werden, das Interesse des Begünstigten - hier des Beigeladenen - an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung überwiegt. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind zunächst die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller als Drittbetroffener gegen eine erteilte Baugenehmigung nicht bereits dann zur Wehr setzen kann, wenn diese objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit gerade aus einem Verstoß gegen Vorschriften ergeben, die zumindest auch eine nachbarschützende Funktion gerade ihm gegenüber haben, mit der Folge, dass die rechtswidrige Baugenehmigung ihn auch in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung erweist sich am Maßstab der im vorläufigen Rechtschutzverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Nachbarrechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Das Vorhaben beurteilt sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts nicht gemäß § 30 Abs. 2 des Baugesetzbuchs (BauGB) danach, ob es den Festsetzungen eines Bebauungsplans entspricht. Der hier in Rede stehende vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. … "Erweiterung …" vom 12. Mai 2016 (Satzungsbeschluss vom 4. November 2015, Beschlussvorlage 2015/BV/1199) ist aller Voraussicht nach jedenfalls wegen eines nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 BauGB beachtlichen Fehlers unwirksam. Er wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als gemäß § 2 Abs. 3 BauGB abwägungsfehlerhaft erweisen.
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a. Soweit der Beigeladene sich darauf beruft, dass in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig keine inzidente Normenkontrolle durchzuführen sei und allenfalls eine offensichtliche Ungültigkeit des in Rede stehenden Bebauungsplans maßgeblich sein könne, folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Einen solchermaßen eingeschränkten Prüfungsmaßstab hat bereits das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 30. Juli 2013 (Az. 3 M 122/13), mit dem die Beschwerde des Beigeladenen und seiner Ehefrau gegen den stattgebenden Beschluss der Kammer vom 23. April 2013 (Az. 2 B 874/12) im Hinblick auf die ursprünglich für das Vorhaben erteilte Baugenehmigung zurückgewiesen wurde, abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht ging davon aus, dass zwar das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO nicht der vorweggenommenen Normenkontrolle zu dienen bestimmt sei und – von Ausnahmefällen abgesehen – auch nicht eine umfassende und abschließende Rechtskontrolle bieten könne. Dem stehe der summarische und nur eine vorläufige Entscheidung erfordernde Zweck dieser Verfahrensart entgegen. Daraus folge aber zugleich, dass es dem Gericht möglich sei, in diesem Rahmen auch Satzungen auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und dabei die Prüfungsdichte entsprechend den Anforderungen des Einzelfalles zu wählen. Dieser Auffassung schließt das erkennende Gericht sich an.
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b. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. Nr. … beruht auf einer fehlerhaften Abwägung.
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Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind gemäß § 2 Abs. 3 BauGB die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. § 2 Abs. 3 BauGB ist als allgemeine Verfahrensgrundnorm zur Ermittlung und Bewertung der Belange konzipiert, die für die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB von Bedeutung sind. Zum zu ermittelnden Material gehören alle Unterlagen, die in der Abwägung berücksichtigt werden müssen (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Februar 2011 – 2 D 36/09.NE –, juris; VG Schwerin, Beschluss vom 23. April 2013 – 2 B 874/12 –, amtl. Umdruck S. 4).
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Hierzu gehören - sofern der Bebauungsplan (wie hier) einen vom ihm aufgeworfenen Lärmimmissionskonflikt zu bewältigen hat - die Lärmschutzbelange der Nachbarschaft. Der Planungsträger hat diese ausreichend zu ermitteln. (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. Juli 2011 – 15 N 10.582 –, juris; VG Schwerin, Beschluss vom 23. April 2013 – 2 B 874/12 –, amtl. Umdruck S. 4). Regelmäßig müssen Schallschutzgutachten eingeholt werden (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof a.a.O.). Ein Abwägungsdefizit liegt dann vor, wenn zu erwartende Lärmbeeinträchtigungen nur unvollständig ermittelt worden sind (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-A., Urteil vom 21. Februar 2013 – OVG 2 A 9.11 –, juris; VG Schwerin, Beschluss vom 23. April 2013 – 2 B 874/12 –, amtl. Umdruck S. 4).
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So liegt der Fall hier. Die im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens eingeholte Lärmprognose bietet keine geeignete Grundlage für eine den hier in Rede stehenden Immissionskonflikt bewältigende Abwägung. Auch die im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen führen zu keinem anderen Ergebnis.
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Im Genehmigungsverfahren gilt Folgendes: Geeignet sind nur realistische Prognosen. Es ist Sache des Bauherrn, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien der insoweit heranzuziehenden Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl Nr. 26/1998 S. 503) einhält. An die im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung einer Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien sind insoweit hohe Anforderungen zu stellen, als sie in jedem Fall „auf der sicheren Seite“ liegen muss. Anderenfalls würden die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt ist, zu Lasten der zu schützenden Betroffenen gehen. Diese Sichtweise ist angesichts des hohen Werts der Schutzgüter, die mit der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen geschützt werden sollen, auch mit Blick auf die - in erster Linie wirtschaftlichen - Interessen des Bauherrn gerechtfertigt (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 4 B 2379/11 –, juris).
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Diese Anforderungen an die anzustellende Prognose gelten ebenso für den Plangeber. Hätte der Plangeber ausnahmsweise Unsicherheiten in Kauf nehmen wollen, hätte er diese ebenfalls ermitteln und in die Abwägung einstellen müssen. Nach Aktenlage war dies nicht beabsichtigt. Auch kommt angesichts der Festsetzungsdichte des in Rede stehenden vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht in Betracht, die Konfliktbewältigung dem Genehmigungsverfahren zu überlassen (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen a. a. O.).
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Diesen aufgezeigten strengen Anforderungen werden die vorgelegten Lärmprognosen nicht gerecht. Sie beruhen insbesondere bezüglich der durch das streitgegenständliche Vorhaben verursachten Verkehrsgeräusche auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen.
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Die dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu Grunde liegende Schallimmissionsprognose GP1106/15 des Applikationszentrums … vom 12. Januar 2015 ist auf Grundlage der genehmigten bzw. geplanten Zahl, Anordnung und Aufteilung der Stellplätze für das streitgegenständliche Vorhaben erstellt worden. Wie bereits bei der zum ursprünglichen Bebauungsplan vom 5. September 2012 erstellten Schallimmissionsprognose vom 12. März 2010 („Anlage 1 GP536/03“) wurde auch hier vom Gutachter unterstellt, dass die Anzahl der geplanten Stellplätze (15 Stellplätze für das Restaurant, jeweils 1 Stellplatz für die Inhaberwohnung sowie für Schwerbehinderte auf dem Parkplatz P1, 19 Stellplätze für die Pension mit 38 Betten, 7 Stellplätze für den Frühstücks- und Seminarraum, 16 Stellplätze für das Hotel/Wellnessgebäude mit 32 Betten, 4 Stellplätze für 20 Kleiderablagen für hotelfremde Gäste des Wellnessbereiches sowie zusätzliche 2 Stellplätze auf den Parkplätzen P2 und P3) ausreichend ist. Hinsichtlich des methodischen Ansatzes der Lärmprognose kamen u.a. die TA Lärm sowie die 6. Auflage der bayerischen Parkplatzlärmstudie zur Anwendung. Gemäß Nr. A.2.3.2 des Anhangs zur TA Lärm gilt: „Für die Berechnung der Mittelungspegel der Geräusche, die von dem nach Nummer 7.4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage zuzurechnenden Kraftfahrzeugverkehr auf Parkflächen ausgehen, ist bei der Bestimmung der Anzahl der Fahrzeugbewegungen je Stellplatz und Stunde, sofern keine genaueren Zahlen vorliegen, von bei vergleichbaren Anlagen gewonnenen Erfahrungswerten auszugehen.“
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Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 23. April 2013 festgestellt hat, liefert die 6. Auflage der bayerischen Parkplatzlärmstudie allgemeine Erfahrungswerte, allerdings nur bei ausreichend großen Stellplatzanlagen. Sie liefert für deutlich unterdimensionierte Stellplatzanlagen Erfahrungswerte gerade nicht. Vielmehr ist gemäß Ziff. 7.1.2 der Studie Parksuchverkehr, der bei zu gering dimensionierten Parkplätzen ein erhebliches Ausmaß annehmen könne, nicht berücksichtigt.
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Die Unterstellung einer im Wesentlichen ausreichenden Anzahl an Stellplätzen dürfte nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Kammer – auch nachdem der vorhabenbezogene Bebauungsplan auf Grundlage des überarbeiteten Betriebskonzeptes des Beigeladenen nunmehr insgesamt 64 Stellplätze anstatt der vorher geplanten 39 Stellplätze vorsieht – nicht haltbar sein. Nach dem oben ausgeführten Beurteilungsmaßstab müssen Lärmprognosen „auf der sicheren“ Seite liegen. Entsprechend muss auch die Prognose der Zahl der benötigten Stellplätze auf der sicheren Seite liegen. Grundsätzlich gilt hierbei, dass die diesbezügliche Prognose unter Berücksichtigung aller im Zeitpunkt der Ermittlung verfügbarer Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden sein muss. Insbesondere kommt es auf eine geeignete fachspezifische Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zu Grunde gelegten Sachverhalts und auf die Schlüssigkeit der Begründung an (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2015, § 1 BauGB, Rn. 190). Dabei muss sich der Stellplatzbedarf nach dem Betriebszustand richten, bei dem die Anlage unter Ausnutzung der mit der Planung und Baugenehmigung eröffneten Möglichkeiten ausgelastet ist (vgl. VG Schwerin, Beschluss vom 7. April 2016 – 2 B 4394/15 SN –, amtl. Umdruck S. 9).
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An einer darauf ausgerichteten Ermittlung der Stellplatzzahl fehlt es vorliegend.
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aa. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragsgegners und des Beigeladenen geht die Kammer nach wie vor davon aus, dass bezüglich des tatsächlichen Stellplatzbedarfes nicht auf die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf in Anlage 1 der Stellplatzsatzung der Hansestadt …vom 8. November 2006 abgestellt werden kann.
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Der Antragsgegner und der Beigeladene verkennen, dass mit den gemäß § 49 Landesbauordnung M-V (LBauO M-V) und den jeweiligen Stellplatzsatzungen der Gemeinden herzustellenden notwendigen Stellplätze ausschließlich das bauordnungsrechtliche Ziel verfolgt wird, den von baulichen Anlagen ausgelösten Verkehr auf den Baugrundstücken selbst unterzubringen, um den öffentlichen Verkehrsraum zu entlasten (vgl. Ziffer 49.1 der Handlungsempfehlungen zum Vollzug der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern 2006 – HE LBauO M-V –, Stand: Februar 2013). Vorliegend geht es jedoch um die Frage, ob der durch das Vorhaben des Beigeladenen ausgelöste Stellplatzbedarf den bauplanungsrechtlichen Anspruch des Antragstellers auf Einhaltung der nachbarlichen Rücksichtnahme verletzt (vgl. VG Schwerin, Beschluss vom 7. April 2016 a.a.O., amtl. Umdruck S. 10; Beschluss vom 23. April 2013 – 2 B 874/12 –, amtl. Umdruck S. 6). Die Rahmenwerte der dem Landesrecht zuzuordnenden Stellplatzsatzung der Gemeinde können jedoch keinen verbindlichen Maßstab für das bundesgesetzlich geregelte Gebot der Rücksichtnahme sowie das Verbot schädlicher Umwelteinwirkungen darstellen. Im Tatsächlichen stellt sich zudem das Problem, dass die Stellplatzsatzung mit ihren weit auseinander liegenden Rahmenwerten und vom Einzelfall abhängenden Bestimmungsregeln eine große Streuung zulässt und so verlässliche Zahlen für eine Lärmprognose für das konkrete Vorhaben nicht unmittelbar liefert. Die Kammer hält insoweit an ihrer Auffassung fest, dass in diesem Zusammenhang nicht auf die Stellplatzsatzung der Beigeladenen, sondern auf die bayerische Parkplatzlärmstudie (6. Auflage) abzustellen ist, die für den Parkplatzbedarf allgemeine Erfahrungswerte enthält.
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Soweit der Beigeladene darauf hinweist, dass die Parkplatzlärmstudie nicht tauglich zur Berechnung von Stellplatzbedarfen sei, da sie lediglich als methodischer Rahmen für die Ermittlung der von Parkplätzen ausgehenden Emissionen diene, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, dass es sich bei der Parkplatzlärmstudie in erster Linie um ein Berechnungsverfahren handelt. Allerdings benennt die Parkplatzlärmstudie auch die Bezugsgrößen für die unterschiedlichen Parkplatzarten (z. B. Netto-Gastraumfläche bei Gaststätten, Anzahl der Betten bei Hotels) und macht Angaben zu den ermittelten Durchschnittswerten der Bezugsgrößen und des Verhältnisses von Stellplätzen zur Bezugsgröße. Hiermit wird ein Vergleich zwischen den Werten von Stellplatzrichtlinien und den tatsächlichen Verhältnissen ermöglicht (vgl. S. 22 der Parkplatzlärmstudie). Aus Tabelle 3 auf Seite 21 der Parkplatzlärmstudie ergibt sich dementsprechend ein Wert von 0,25 Stellplätzen je 1 m² Netto-Gastraumfläche bei Gaststätten und 0,50 Stellplätzen je Bett bei Hotels. Gründe, warum diese Werte dem Vorhaben des Beigeladenen nicht zu Grunde gelegt werden könnten, sind weder ersichtlich noch vom Antragsgegner oder dem Beigeladenen selbst substantiiert vorgetragen worden.
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Im Ergebnis dürften die verwendeten Stellplatzzahlen daher aller Voraussicht nach nicht zutreffend sein. Es spricht vielmehr Überwiegendes dafür, dass der bei Auslastung des Vorhabens zu erwartende Stellplatzbedarf tatsächlich erheblich größer sein wird. So ergäbe sich ein Stellplatzbedarf für das Restaurant von bereits 24 anstatt von 15 Stellplätzen, selbst wenn die Berechnung an Hand einer Netto-Gastraumfläche von nur 96 m² - wie sie der Gutachter der Schallimmissionsprognose entsprechend den Angaben des Beigeladenen ursprünglich angenommen hat und die aufgrund einer Multiplikation der vorhandenen Sitzplätze im Restaurant mit dem von der Parkplatzlärmstudie vorgegebenen Wert von 1,2 m² Netto-Gastraumfläche, den ein Sitzplatz im Mittel beansprucht (vgl. S. 41 der Parkplatzlärmstudie) – errechnet worden ist. Bei der später vom Beigeladenen auf 106 m² (88 Restaurantsitzplätze x 1,2 = 105,6 m²) bzw. vom Antragsgegner auf 110 m² (nach dessen Berechnung der tatsächlich vorhandenen Netto-Gastraumfläche) korrigierten Netto-Gastraumfläche ergäben sich Stellplatzbedarfe von 27 bzw. 28 Stellplätzen. Die Fläche für den Biergarten (60 m² bzw. 30 Sitzplätze) ist hierbei noch nicht eingerechnet. Ob der Biergarten angesichts der vom Gutachter in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. April 2017 angenommenen Wechselnutzung zwischen den Sitzplätzen im Restaurant und der Außengastronomie außer Betracht bleiben kann, ist jedoch zweifelhaft. Zwar dürften die Gäste des Restaurants des Beigeladenen in der warmen Jahreszeit in der Tat vorzugsweise Plätze im Freien anstreben. Nicht ausgeschlossen ist jedoch bereits, dass die Gäste auch die Innenplätze des Restaurants nutzen werden, sofern die Außenplätze voll belegt sind. Hinzu kommt, dass das Restaurant mit Kaminzimmer und Destille auch für Veranstaltungen wie Familienfeste u. ä. genutzt wird. So ist ohne weiteres der Fall denkbar, dass beide Veranstaltungsräume, nämlich das Kaminzimmer mit 40 Sitzplätzen und die Destille mit 20 Sitzplätzen, durch Feierlichkeiten belegt sind, der Biergarten bei warmem Wetter voll besetzt ist und zusätzlich auch Gäste im Restaurant Platz nehmen. Da eine Lärmimmissionsprognose – wie dargelegt – auf der sicheren Seite sein muss, hätte auch diese Konstellation berücksichtigt werden müssen. Damit aber ergäbe sich ein noch höherer Stellplatzbedarf für das Restaurant. Da auf der für das Restaurant vorgesehenen Parkfläche P1 weitere Parkmöglichkeiten nicht vorhanden sind und die übrigen geplanten Stellplätze den Nutzungen Hotel/Pension und Wellness zugeordnet sind, ließe sich das gesamte Stellplatzkonzept, auf dem der vorhabenbezogene Bebauungsplan beruht, nicht mehr verwirklichen.
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Bedenken ergeben sich darüber hinaus auch im Hinblick auf die Berechnung der notwendigen Stellplätze für den Veranstaltungsraum im bestehenden Pensionsgebäude. Für diesen wurden 8 Stellplätze in Ansatz gebracht. Unter Zugrundelegung der Parkplatzlärmstudie müsste demgegenüber von mindestens 15 Stellplätzen ausgegangen werden, sofern die vorhandenen 50 Sitzplätze mit dem Wert von 1,2 multipliziert würde. Bei Annahme der tatsächlichen Netto-Gastraumfläche von 94 m² wären es sogar 23,5 bzw. 24 Stellplätze. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, wie die zusätzlich erforderlichen Stellplätze auf dem vorhandenen Gelände untergebracht werden könnten.
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bb. Doch selbst wenn der Ausgangspunkt, die notwendigen Stellplätze für den Restaurantbetrieb des Vorhabens auf Grundlage der Stellplatzsatzung der Hansestadt … zu errechnen, keinen rechtlichen Bedenken begegnen würde, erweist sich jedenfalls das Ergebnis der Berechnung als nicht haltbar. Nicht nachvollziehbar ist insoweit, dass gemäß Ziffer 6.2 der Anlage 1 der Stellplatzsatzung lediglich die Werte für Gaststätten von örtlicher Bedeutung in Ansatz gebracht wurden.
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Bei dem Restaurantbetrieb des Beigeladenen handelt es sich nach der Größe, dem Einzugsbereich und dem Publikum, auf das der Betrieb abzielt, nicht lediglich um eine Gaststätte von örtlicher Bedeutung. Das Restaurant verfügt im Kaminzimmer, in der Destille und im Tresenraum über 88 Sitzplätze. Hinzu kommen 30 Sitzplätze im Biergarten. Bereits angesichts der Größe des Restaurants kann nicht angenommen werden, dass in erster Linie Gäste aus dem Ortsteil …, der nur über ca. 2.800 Einwohner verfügt (vgl. Wikipedia – Die freie Enzyklopädie, https://de.wikipedia.org/wiki//.............) angesprochen werden. Angesichts des Internetauftritts des … richtet sich das Restaurantangebot mit anspruchsvoller Gastronomie, einer großen Weinauswahl („Vinothek“) und einer Zigarren-Lounge vor allem auch an einen größeren Einzugsbereich aus ganz … und Umgebung sowie an die die Region bereisenden Touristen. Zudem werden im Restaurant mit dem Kaminzimmer und der Destille zwei Bereiche für unterschiedliche Feierlichkeiten wie Familienfeste o. ä. zur Verfügung gestellt. Auch werden in der Destille Schaubrennen für Gruppen ab 10 Personen angeboten. Diese Angebote dürften sich – schon um die entsprechenden Gewinne zu erwirtschaften – in erster Linie an ein überörtliches Publikum richten.
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Dass das Restaurant des … eine Gaststätte von überörtlicher Bedeutung darstellt, hat im Übrigen der Beigeladene selbst in dem ursprünglichen Bauantrag vom 5. September 2011 so gesehen. So findet sich im grüngestempelten Stallplatznachweis des Architekturbüros … vom 25. Juni 2012 unter Ziffer 3 die Angabe „Gaststätte von überörtlicher Bedeutung“. Erläuternd wird aufgeführt, dass sich die Bedeutung unter anderem aus der Werbung, z. B. Internet in Englisch und aus den Konferenzmöglichkeiten ergibt. Als Schlüssel für die Berechnung wird des Weiteren nach der Anlage der Stellplatzsatzung von 1 Stellplatz je 6 Sitzplätze ausgegangen. Berechnet werden auf dieser Grundlage sodann 13 notwendige Stellplätze, da lediglich 80 Sitzplätze im Restaurant angenommen werden und die Sitzplätze im Biergarten ganz außer Betracht bleiben.
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Warum das Restaurant angesichts dieser Umstände nunmehr nur noch eine Gaststätte von örtlicher Bedeutung sein soll, erschließt sich nicht. Soweit in der Begründung des Bebauungsplans in diesem Zusammenhang auf Seite 21 darauf hingewiesen wird, dass sich der gewählte obere Wert für Gaststätten mit örtlicher Bedeutung gleichermaßen als unterer Wert für Gaststätten mit überörtlicher Bedeutung wiederfände und der gewählte Ansatz vom Grunde her einer Gaststätte zwischen örtlicher und überörtlicher Bedeutung entspreche, was der Realität auch am Nächsten komme, überzeugt dies nicht. Nähere Erläuterungen, warum die Annahme einer Gaststätte zwischen örtlicher und überörtlicher Bedeutung der Realität am nächsten komme, finden sich weder in der Begründung des Bebauungsplans noch im Vorbringen des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren. Wie bereits oben ausgeführt, sprechen Größe und Eigenart des Betriebes des Beigeladenen deutlich für das Vorliegen einer Gaststätte von überörtlicher Bedeutung, was auch der Beigeladene selbst bislang so gesehen hat. Soweit es in der Begründung des Bebauungsplans weiter heißt, dass der Ansatz des oberen Wertes für Gaststätten mit überörtlicher Bedeutung von 1 Stellplatz je 4 Sitzplätzen im Sinne eines worst case Szenarios deshalb nicht notwendig gewesen sei, weil bereits von einer Vollauslastung des Wellnessgebäudes und des Hotels bei gleichzeitiger Nutzung des Seminarraums ausgegangen worden sei, ist dies zwar teilweise nachzuvollziehen. Allerdings gibt der Rahmen in der Anlage zur Stellplatzsatzung Werte zwischen 4 und 8 Sitzplätzen je Stellplatz vor. Nicht zu beanstanden ist insoweit, wenn – sofern nicht besondere Umstände hinzukommen – ein mittlerer Wert als Berechnungsgrundlage gewählt wird. Dies wäre hier 1 Stellplatz je 6 Sitzplätze, wovon auch der Beigeladene im ersten Baugenehmigungsv6 zu Grunde, wie es auch der Beigeladene im Stellplatznachweis vom 14. Januar 2016 zum aktuellen Baugenehmigungsverfahren getan hat, ergeben sich anstatt der vom Bebauungsplan vorausgesetzten 15 richtigerweise 19,66 bzw. 20 notwendige Stellplätze für das Restaurant.
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cc. Darüber hinaus bestehen auch erhebliche Bedenken an der vom Lärmgutachter durchgeführten Berechnung der vom Vorhaben ausgehenden Lärmemissionen auf den Gästeparkplätzen und hierbei vor allem auf den Stellplätzen für das Restaurant.
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Nicht zu beanstanden ist dabei zunächst der Ausgangspunkt der Schallimmissionsprognose GP1106/15, wonach die Geräuschimmissionen durch den Gästeparkverkehr auf dem Betriebsgelände nach dem Berechnungsverfahren der Parkplatzlärmstudie ermittelt worden ist. Hiernach werden die Emissionen der Parkplätze auf Grundlage der Bezugsgröße B0 und den Anhaltswerten N für die Anzahl der Bewegungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Parkplatzart bestimmt. Die Bezugsgröße B0 sei z. B. bei der Parkplatzart „Gaststätte“ die Netto-Gastraumfläche und bei der Parkplatzart „Hotel“ die Anzahl der Betten. Die Höhe der Emissionen werde somit unabhängig von der Anzahl der Stellplätze und für die Vollauslastung der Restaurant- bzw. Hotelkapazität ermittelt. Durch Aufteilung der Bezugsgröße auf die vorhandenen bzw. geplanten Stellplätze der jeweiligen Parkplatzart erfolge eine Verteilung der Emissionen auf die ausgewiesenen Stellplätze (vgl. Ziffer 6.5 auf Seite 16 der Schallimmissionsprognose).
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Gegen diesen Ansatz des Gutachters, die von den Restaurantgästeparkplätzen ausgehenden Emissionen aufgrund der zu erwartenden Fahrzeugbewegungen zu errechnen, die wiederum nach der vorhandenen Netto-Gastraumfläche ermittelt werden, bestehen – wie bereits erwähnt – keine rechtlichen Bedenken. Dies gilt jedoch nicht für das Ergebnis der Berechnungen, da die Netto-Gastraumfläche als Berechnungsgrundlage nicht ordnungsgemäß ermittelt worden ist.
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Nach der Parkplatzlärmstudie gibt es insoweit zum einen die Möglichkeit der Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Netto-Gastraumfläche, die die Fläche der Gasträume ohne Berücksichtigung der Flächen von Nebenräumen wie Küchen, Toiletten, Flure, Lagerräume u. ä. umfasst. Nach den vorhandenen Grundrissen des Restaurants des Beigeladenen wäre hier grundsätzlich von einer Netto-Gastraumfläche von 161,26 m² auszugehen, die sich aus 57,92 m² für das Kaminzimmer, 71,24 m² für den Tresenraum und 32,10 m² für die Destille zusammensetzt. Ob die ebenfalls vorhandene Raucherlounge zu berücksichtigen ist, wie der Antragsteller meint, ist dagegen zweifelhaft, da diese ausschließlich von Gästen genutzt werden dürfte, die sich ohnehin im Restaurant befinden und ihre Tische lediglich zum Rauchen verlassen. Soweit der Antragsgegner im Schriftsatz vom 7. April 2017 davon ausgeht, dass auch der Thekenbereich sowie der Aufstellort der Destille unberücksichtigt bleiben müssten, ist dies für den Thekenbereich zwar nachvollziehbar, jedoch nicht unmittelbar auch für den Aufstellort der Destille. Selbst wenn man auch diesen Bereich nicht in Ansatz bringen würde, erschließt sich jedenfalls nicht, wie der Antragsgegner zu einer Netto-Gastraumfläche von lediglich 110 m² kommt. Konkrete Berechnungen hierzu hat er nicht vorgelegt.
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Folgt man gegenüber der Ermittlung der tatsächlich vorhandenen Netto-Gastraumfläche zum anderen dem Ansatz der Schallimmissionsprognose und errechnet die Netto-Gastraumfläche an Hand einer Multiplikation der vorhandenen Sitzplätze mit einem Wert von 1,2 m², den ein Sitzplatz im Mittel beansprucht, ergibt sich im Ergebnis ebenfalls eine erheblich höhere zu berücksichtigende Fläche als die, die der Gutachter angenommen hat. Wie bereits vorstehend erwähnt, dürfen bei einer solchen Berechnung die im Biergarten vorhandenen 30 Sitzplätze im Rahmen der notwendigen Worst-Case-Betrachtung nicht außer Betracht bleiben. Bei somit insgesamt 118 Sitzplätzen ergibt sich eine Netto-Gastraumfläche von 141,60 m², die damit erheblich über dem zuletzt vom Gutachter in der ergänzenden Stellungnahme vom 10. April 2017 berücksichtigten Fläche von 106 m² bzw. über der vom Antragsgegner angenommenen Fläche von 110 m² liegt.
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Damit liegen die Schallimmissionsprognosen vom 15. Januar 2015 bzw. die Ergänzung vom 10. April 2017 insgesamt nicht auf der sicheren Seite. Denn bereits bei den – auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruhenden – Berechnungen des Gutachters vom 10. April 2017 werden die vorliegend einzuhaltenden Immissionsrichtwerte in der Nacht von 40 dB(A) an vier Immissionsorten auf dem Grundstück des Antragstellers erreicht. Zwar wird der Biergarten in der Nachtzeit ab 22.00 Uhr nicht mehr bewirtschaftet. Jedoch auch die errechneten Werte zur Tagzeit liegen an sieben Immissionsorten auf dem Grundstück des Antragstellers nur 3 bis 5 dB(A) unter dem maßgeblichen Richtwert von 55 dB(A), so dass jedenfalls nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Richtwerte auch am Tag bei einer rechtsfehlerfreien Berechnung überschritten wären.
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c. Der genannte Fehler im Abwägungsmaterial hätte dem Planungsträger bekannt sein müssen, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Die Lärmbelastungen sowie die geringe Anzahl der Stellplätze wurden im Planungsverfahren vom Antragsteller eingewendet. Beispielsweise ließ der Antragsteller im Schriftsatz vom 29. Mai 2015, S. 441 ff. der Verfahrensakte 2 zum Bebauungsplan, vortragen: „…Darüber hinaus wird die Anzahl der vorgesehenen Stellplätze für die angestrebte Nutzung nicht ausreichen, da für die zu erwartende Lärmbelästigung der tatsächlich Bedarf beispielsweise entsprechend der Bayerischen Parkplatzlärmstudie und nicht die von der Stadt mit etwaigen Stellplatzsatzungen als notwendig angesehenen Stellplätze maßgeblich sind. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass der zulässige Grenzwert zumindest in der Nacht von 40 dB(A) im Hinblick auf das Grundstück meines Mandanten deutlich überschritten wird und damit für diesen nicht hinnehmbar ist. „
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Der Fehler ist auch wesentlich. Von der Planung berührte, durch die Gemeinde nicht zutreffend ermittelte oder bewertete Belange betreffen bereits dann "wesentliche Punkte", wenn diese Punkte in der konkreten Planungssituation abwägungsbeachtlich waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. April 2008 – 4 CN 1/07 –, BauR 2008, 1268, juris). So liegt der Fall hier. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan sowie der aus den Behördenakten ersichtlichen Befassung mit den Einwendungen bei der Beteiligung der Öffentlichkeit sind der Lärmschutz des Antragstellers sowie die Zahl und Anordnung der Stellplätze hier auch aus Sicht des Plangebers wesentliche Punkte bei der Planung gewesen. Der Plangeber ging entsprechend den Lärmprognosen nicht von einer Verschlechterung der Lärmbelästigung wegen der Zahl und Anordnung der Stellplätze aus.
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Der Fehler ist auch offensichtlich. Offensichtlich sind Fehler bei der Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, wenn sie ohne Weiteres aus dem Aufstellungsvorgang und der Planbegründung hervorgehen. Das ist bei einer unzureichenden Ermittlung der zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen, sei es wegen des Fehlens von Gutachten oder wegen aus den Gutachten ersichtlicher Fehler, stets der Fall (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-A., Urteil vom 21. Februar 2013 – OVG 2 A 9.11 –, juris).
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Der Fehler hat sich auch auf das Abwägungsergebnis ausgewirkt. Ein Abwägungsfehler ist auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass bei einer Vermeidung des Fehlers ein anderes Abwägungsergebnis zustande gekommen wäre (vgl. BVerwG a.a.O.).
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Konkrete Anhaltspunkte für ein bei richtiger Ermittlung der Lärmimmissionen mögliches anderes Abwägungsergebnis liegen hier vor. Aus der Planbegründung geht hervor, dass der Plangeber nicht von einer Verschlechterung der Lärmsituation beim Antragsteller ausgegangen ist und im Übrigen die Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet zu Grunde gelegt hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Plangeber eine nach allgemeinen Vorschriften rücksichtslose Lärmbelastung zu Lasten des Antragstellers hätte planen wollen. Mangels belastbarer Lärmprognosen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Auslastung des Vorhabens und einer daraus folgenden Überbelegung der Stellplätze zu erheblichen zusätzlichem Parksuchverkehr sowie wildem Parken auf dem Vorhabengrundstück und damit deutlich höheren Lärmimmissionen, als vom Plangeber angenommen, kommt. Dies ist vielmehr wahrscheinlich.
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Dieser Fehler ist auch innerhalb der Jahresfrist gemäß § 215 Abs. 1 BauGB geltend gemacht worden. Der Bebauungsplan wurde am 25. Mai 2016 veröffentlicht. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in dieser Sache ist dem Antragsgegner am 30. März 2017 zugestellt worden. Darin wurden Abwägungsfehler vorgetragen und die Unwirksamkeit des Bebauungsplans geltend gemacht.
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2. Das genehmigte Vorhaben verletzt nach gegenwärtigem Sachstand am Maßstab von § 34 Abs. 1 BauGB oder § 34 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) Nachbarrechte des Antragstellers.
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Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB muss sich ein Vorhaben auch im Hinblick auf den Schutz der Nachbarn vor schädlichen Umwelteinwirkungen in die nähere Umgebung einfügen. Ein Vorhaben fügt sich daher nicht gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es die erforderliche Rücksichtnahme auf die in seiner Nähe vorhandene Bebauung (Nachbarn) durch unzumutbare Immissionen vermissen lässt. Gleiches gilt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, unbeschadet der Regelung nach § 15 Abs. 3 BauNVO. Danach sind Immissionen unzumutbar, die im Sinne des § 3 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 1998 – 4 C 5/98 –, BauR 1999, 152, juris). Bei der Erteilung einer Baugenehmigung ist sicherzustellen, dass bei der Nutzung des genehmigten Vorhabens keine solchen erheblichen Belästigungen entstehen. Ist die Baugenehmigung hinsichtlich dafür relevanter Umstände unbestimmt oder fehlen wirksame Bestimmungen zum Nachbarschutz gänzlich, ist die Baugenehmigung im Regelfall als nachbarrechtswidrig aufzuheben (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. Januar 2012 – 4 B 2379/11 –, juris).
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So liegt der Fall hier. Die mit dem Vorhaben verbundene genehmigte Nutzung kann zu erheblichen Belästigungen des dem Vorhaben unmittelbar benachbarten Antragstellers im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG führen.
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Ob erhebliche Belästigungen vorliegen, ist grundsätzlich anhand der TA Lärm zu beurteilen. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der unzumutbaren Belästigung oder Störung konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren prinzipiell zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Zumutbarkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt, vgl. § 48 BImSchG. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Zumutbarkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm – abgesehen von der ergänzenden Prüfung im Sonderfall nach Nr. 3.2.2 – nur insoweit Raum, als die TA Lärm, insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen, Spielräume eröffnet (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfahlen, Urteil vom 01. Juni 2011 – 2 A 1058/09 –, BauR 2012, 476, juris).
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Für die Bestimmung der maßgeblichen Richtwerte sind gemäß Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm Zwischenwerte zu bilden, wenn – wie hier – eine immissionsschutzrechtliche Gemengelage vorliegt (vgl. insoweit VG Schwerin, Beschluss vom 23. April 2013 a.a.O., amtl. Umdruck S. 9). Für den vorliegenden Fall ist das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in dem Beschluss vom 13. Juli 2013 (Az. 3 M 122/13, amtl. Umdruck S. 12) dabei davon ausgegangen, dass bereits die für das … im Jahr 2003 erteilte Baugenehmigung vom 10. Dezember 2003 das Maß der Immissionsbelastung ausgehend vom … regele. Danach sei sicherzustellen, dass der Betrieb der Gesamtanlage in der Nachbarschaft die Immissionsrichtwerte der TA Lärm nachts in der lautesten Stunde von 40 dB(A) nicht überschreite und einzelne kurze Geräuschspitzen die IRW in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschritten. Damit werde das zulässige Maß der Vorbelastung verbindlich geregelt. Dementsprechend legt auch der Bebauungsplan Immissionsrichtwerte von 40 dB(A) in der Nacht und 55 dB(A) am Tag fest. Wie bereits dargelegt, ist es mindestens unklar, ob die Nutzung des Vorhabens diese Richtwerte einhält. Da die vom Gutachter in der Schallimmissionsprognose vom 12. Januar 2015 sowie der Ergänzung vom 10. April 2017 errechneten Immissionswerte unter Zugrundelegung des zu niedrigen Stellplatzbedarfs mit 36, 39 und 40 dB(A) für die Nachtzeit lediglich knapp unter dem zulässigen Immissionsrichtwert von 40 dB(A) liegen bzw. diesen erreichen, ist zu erwarten, dass die sich aufgrund der richtigerweise zugrunde zu legenden Fahrzeugbewegungen tatsächlich ergebenden Werte den zulässigen Richtwert überschreiten werden. Unabhängig davon ließe sich angesichts der für das Restaurant nicht ausreichenden Stellplatzzahl – selbst bei Zugrundelegung der Stellplatzsatzung fehlen 5 Stellplätze, bei Berechnung nach der Parkplatzlärmstudie noch wesentlich mehr – das gesamte Stellplatzkonzept, auf dem der vorhabenbezogene Bebauungsplan beruht, nicht mehr verwirklichen. Dies gilt umso mehr, als, wie ebenfalls oben dargelegt, auch der Stellplatzbedarf für den Veranstaltungsraum im Pensionsgebäude um mindestens 7 Stellplätze zu niedrig angesetzt worden ist.
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3. Bei der im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
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Je größer die Erfolgsaussichten einer Klage in der Hauptsache sind, umso eher ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung geboten. Kann eine zu erwartende spätere Veränderung der Sach- oder Rechtslage noch für die Hauptsacheentscheidung relevant werden, ist auch dies abwägungsbeachtlich. Die mit den Folgen der Entscheidung verbundenen Folgen müssen verhältnismäßig sein.
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Die Erfolgsaussichten einer Klage beurteilen sich nach dem gegenwärtigen Sachstand als gut. Eine zeitnahe beachtliche Veränderung der Sach- und Rechtslage ist nicht zu erwarten. Das Stellplatzproblem kann nicht ohne Weiteres gelöst werden, auch nicht durch das vom Antragsgegner angekündigte rückwirkende Inkraftsetzen des Bebauungsplans im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB. Ob und wann dies begonnen und zum Abschluss gelangen wird, ist nicht absehbar.
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4. Auf die übrigen durch den Antragsteller geltend gemachten Fehler des Bebauungsplans kam es angesichts des vorstehenden Ergebnisses entscheidungserheblich nicht mehr an.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG sowie Ziffern 9.7.1 und 1.5 Streitwertkatalog 2013.
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Referenzen
- 2 B 4394/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80a 1x
- § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 80 3x
- § 34 Abs. 1 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- § 214 Abs. 4 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- BImSchG § 48 Verwaltungsvorschriften 1x
- VwGO § 3 1x
- § 2 Abs. 3 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- 2 A 1058/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 52 Abs. 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- 4 C 5/98 1x (nicht zugeordnet)
- § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 2x
- § 1 Abs. 7 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 4 B 2379/11 2x (nicht zugeordnet)
- 4 CN 1/07 1x (nicht zugeordnet)
- § 215 Abs. 1 BauGB 2x (nicht zugeordnet)
- 2 D 36/09 1x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen 2x
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Senat) - 3 M 122/13 2x
- 2 B 874/12 5x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 3 Begriffsbestimmungen 1x