Beschluss vom Verwaltungsgericht Schwerin (2. Kammer) - 2 B 207/21 SN

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 5. Februar 2021 gegen die Duldungsverfügung des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 (Aktenzeichen 45.2) wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

2. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragstellerin,

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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 5. Februar 2021 gegen die Duldungsverfügung des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 (Aktenzeichen 45.2) wiederherzustellen,

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hat Erfolg.

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Der Antrag ist begründet.

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Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts spricht alles dafür, dass die angefochtene Duldungsverfügung des Antragsgegners vom 2. Februar 2021 rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Die Antragstellerin wird in der Hauptsache voraussichtlich die Aufhebung der Duldungsverfügung erreichen können (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Daher überwiegt im Rahmen der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Ermessensentscheidung das Interesse der Antragstellerin, vorerst vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, das Interesse des Antragsgegners am sofortigen Vollzug der Duldungsverfügung.

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Die angefochtene Verfügung zur Duldung des Betretens näherbezeichneter Grundstücke während stattfindender Tiefbauarbeiten einschließlich deren fotografische Dokumentation erweist sich nach dem Prüfungsmaßstab des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens als rechtswidrig.

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1) Sie kann für das weiterhin vom Antragsgegner beabsichtigte Betreten des Baugeländes nicht auf die Rechtsgrundlage § 9 Abs. 2 des Denkmalschutzgesetzes – DSchG M-V gestützt werden. Danach sind die unteren Denkmalschutzbehörden sowie die Denkmalfachbehörde oder ihre Vertreter berechtigt, Grundstücke und Wohnungen zu betreten sowie Prüfungen und Untersuchungen anzustellen, soweit dies für die Belange der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes, insbesondere zur Eintragung in die Denkmalliste oder anderer Maßnahmen nach diesem Gesetz, dringend erforderlich ist (Satz 1). Das Betreten von Wohnungen ist ohne Einwilligung des Eigentümers oder sonstiger Nutzungsberechtigter nur bei Gefahr im Verzug zulässig (Satz 2).

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Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.

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Weder bei der (gesamten) Altstadt der A-Stadt handelt es sich um ein Bodendenkmal nach § 2 Abs. 5 DSchG M-V (so bereits VG Schwerin, Urteil vom 27. April 2017 – 2 A 3548/15 SN – juris) noch bei der konkreten, hier in Rede stehenden Baugrundstücksfläche, mag das Auffinden eines solchen auch für überwiegend wahrscheinlich gehalten werden.

10

Die Kammer hat bereits entschieden, dass Nebenbestimmungen nach § 7 Abs. 5 DSchG M-V an das tatsächliche Vorliegen eines Denkmals anknüpfen (VG Schwerin, Urteil vom 27. April 2017 – 2 A 3548/15 SN – a.a.O.). Sie hat – für ein Vorhaben in der unmittelbaren Nachbarschaft des hier in Rede stehenden – wie folgt ausgeführt (a.a.O. Rn. 51):

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„Im Ergebnis genügt es für die Annahme einer Grundstücksfläche als Bodendenkmal wegen des mit einer Unterschutzstellung verbundenen Eingriffs in Grundrechtspositionen der Grundstückseigentümer und -nutzer nicht, dass das Vorhandensein eines Bodendenkmals nur vermutet oder auch nur für überwiegend wahrscheinlich gehalten wird. Dies ist anzunehmen trotz der für Bodendenkmale bestehenden Besonderheit, dass eine durch Grabungen vermittelte sichere Anschauung gleichzeitig auch eine zumindest partielle Zerstörung des Denkmals bedeutet. Auch aus dem Umstand, dass ohne einen Eingriff in den Boden häufig keine vollständige Gewissheit über das Vorhandensein eines Bodendenkmals besteht, kann nach hiesigem Landesrecht nicht gefolgert werden, dass die Denkmaleigenschaft schon ohne sichere Kenntnis von dem tatsächlichen Vorliegen tatsächlicher Gegenstände von Denkmalwert anzunehmen ist. Für solche Verdachtsfälle sieht das Gesetz zum Schutz der vermuteten Bodendenkmale eine Erklärung des betreffenden Gebietes zum Grabungsschutzgebiet gemäß § 14 DSchG M-V vor. Von dieser Möglichkeit der Unterschutzstellung wurde vorliegend indes kein Gebrauch gemacht.“

12

Daran hält die Kammer fest. Auch wenn im Wortlaut des § 9 Abs. 2 anders als in § 7 DSchG M-V nicht ausdrücklich von einem Denkmal die Rede ist, folgt das Erfordernis eines Denkmals aus der Gesetzessystematik und der Stellung der Vorschrift im Dritten Abschnitt des Gesetzes, der mit „Maßnahmen für Denkmale“ betitelt ist. Hinzu kommt, dass auch in der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung (Drucksache 1/2993 Seite 9) in der Einzelerläuterung zu § 9 auf die des § 8 verwiesen wird, wo es heißt, dass „Den Denkmalbehörden (...) die Informationen über ein Denkmal optimal möglich sein (müssen), um zutreffende und zweckmäßige Entscheidungen fällen zu können.“ Auch insoweit wird mithin das Vorliegen eines Denkmals vorausgesetzt, auch wenn das zu betretende Grundstück oder die zu betretende Wohnung nicht zwingend selbst Denkmale sein müssen (so Martin in: Denkmalschutzgesetz Mecklenburg-Vorpommern, 2007, § 9 Anm. 3.2). Bei Bejahung eines sich aus § 9 DSchG M-V ergebenden Rechtes zum Betreten bereits bei bloßer Vermutung eines Denkmals würde das für solche Fälle speziellere Instrumentarium des § 11 DSchG M-V ins Leere gehen. Zwar setzt auch die Befugnis nach § 11 Abs. 4 DSchG M-V voraus, dass nach § 11 Abs. 1 DSchG M-V „Sachen, Sachgesamtheiten oder Teile von Sachen entdeckt werden“; anders als bei § 9 DSchG M-V folgt indessen aus § 11 Abs. 1 DSchG M-V, dass die Denkmaleigenschaft noch nicht feststeht (vgl. die Formulierung „von denen anzunehmen ist, daß an ihrer Erhaltung gemäß § 2 Abs. 1 ein öffentliches Interesse besteht“).

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Soweit beim Betreten der Baustelle am 5. Februar 2021 „außerhalb der ehemaligen Bestandskeller (Abbruch 2007/08) Bodenstrukturen und Mauerreste erkannt (wurden), die den Charakter von Bodendenkmale aufweisen können“, dürften – abgesehen von der Frage, ob es sich tatsächlich um Denkmale handelt – einzelne aufgefundene Artefakte kaum zu einer Klassifizierung des gesamten von den Bodenarbeiten betroffenen Grundstücksbereichs als (Boden-)Denkmal führen (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 27. April 2017 – 2 A 3548/15 SN – Juris). Davon abgesehen ist für die Kammer auch nicht erkennbar, wie die mit Amtshilfe der Polizei bereits erfolgte Durchsetzung des mit Verfügung vom 2. Februar 2021 angeordneten Betretensrechtes am 5. Februar 2021 in Übereinstimmung mit dem (lediglich) angedrohten Zwangsgeld zu bringen ist. Der „Hinweis“ am Ende des Bescheides vom 2. Februar 2021 ist jedenfalls in den Bescheidtenor als Zwangsmittelandrohung nicht mit aufgenommen worden.

14

2) Die streitgegenständliche Duldungsverfügung kann voraussichtlich auch nicht auf § 16 DSchG M-V als denkmalrechtliche Generalklausel gestützt werden. Das folgt bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass regelmäßig nicht auf die Generalklausel zurückgegriffen werden kann, wenn die Voraussetzungen der spezielleren Norm (hier § 9 DSchG M-V) nicht erfüllt sind. Es fehlt zudem – abgesehen davon, dass auch der Wortlaut dieser Vorschrift ein Denkmal voraussetzen dürfte – an der Erforderlichkeit der Duldungsverfügung. Außerhalb von Grabungsschutzgebieten wird der Schutz der im Boden vermuteten Bodendenkmale (sofern sie sich in einer Tiefe befinden, die von den Bauarbeiten betroffen ist) im DSchG M-V (lediglich) durch die denkmalbezogenen Auskunfts-, Anzeige- und Erhaltungspflichten des Bauherrn gemäß § 11 Abs. 3 DSchG M-V und die entsprechenden Verpflichtungen der Denkmalfachbehörde gewährleistet. Ob eine solche, gegebenenfalls auf § 11 Abs. 4 Satz 2 DSchG M-V zu stützende Maßnahme für den konkreten Bereich des o.g. aktuellen Fundes vom 5. Februar 2021 (einer ca. 10 m x 15 m großen Fläche in der Nordwestecke der Baugrube) möglich wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Die für eine solche Maßnahme der unteren Denkmalschutzbehörde nach § 11 Abs. 4 Satz 1 DSchG M-V erforderliche Genehmigung der Denkmalfachbehörde jedenfalls ist (zumindest bislang) nicht ersichtlich.

15

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. § 53 Abs. 2 GKG, wobei das Gericht den Hauptsachestreitwert halbiert hat (Ziffer 1.5 Streitwertkatalog 2013).

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