Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 4 K 786/20

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage 4 K 6252/19 gegen den Bescheid des Landkreises R. vom 29. Juli 2019 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 27. November 2019 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behalten.

Der Streitwert wird auf 50.000 festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofort vollziehbare Rahmenvorgabe zur Sammlung von sogenannten Leichtverpackungen (LVP).
Die Antragstellerin ist ein System nach § 3 Abs. 16 des „Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen“ (Verpackungsgesetz – VerpackG). Als solches kann sie den Herstellern von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen Beteiligungen an dem von ihr betriebenen System zur Erfassung der LVP vermitteln. Sie ist eines von derzeit neun genehmigten Systemen in Deutschland.
Im Landkreis der Antragsgegnerin wird bisher hinsichtlich der LVP ein Bringsystem betrieben, bei dem es dem Endverbraucher ermöglicht wird, die LVP zu einem der 29 vorhandenen Wertstoffhöfe oder zu „rollenden Wertstoffkisten“ (mobile Annahmestationen) zu bringen. Seit 01.01.2019 besteht keine Abstimmungsvereinbarung mehr. Im Jahr 2018 erfolgte eine Ausschreibung durch die Antragstellerin für den Zeitraum 2019 bis 2021 unter Vorbehaltung eines Kündigungsrechts zum 31.12.2020 für den Fall, dass eine Rahmenvorgabe erlassen wird.
Mit Schreiben vom 13.05.2019 wurden die Antragstellerin und die übrigen Systeme zum Erlass einer Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 VerpackG angehört. Die Antragstellerin nahm hierzu mit Schreiben vom 03.07.2019 Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass die Vorgabe eines kombinierten Bring- und Holsystems rechtswidrig sei. Sie sei unverhältnismäßig. Der Bedarf, der bestehe, werde nämlich bereits durch die Erfassung mit den Säcken als Leitsystem gedeckt. Durch die parallele Abgabemöglichkeit an allen 29 Wertstoffhöfen – was im Prinzip der derzeitigen Praxis entspreche – komme es zu einer Verdopplung des zur Verfügung zu stellenden Volumens; § 14 VerpackG verlange jedoch lediglich, dass durch das System die anfallenden und restentleerten Verpackungen bei regelmäßiger Leerung aufgenommen würden. Auch die Vorgabe der einzusetzenden Sammelbehälter sei rechtswidrig. Der mit der Rahmenvorgabe vorgegebene „Sack in Tonne“-Behälter sei kein Standardbehälter, welcher allein von dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vorgeschrieben werden könne. Die Anordnung einer Mitbenutzungspflicht eines Behälters, der im Rahmen der öffentlichen Abfuhrentsorgung benutzt werde, könne nicht erfolgen. Auch sei diese Mitbenutzung gebührenrechtlich unzulässig, denn die gebührenpflichtige Nutzung der Behälter zur unentgeltlichen Abfuhr der LVP führe zu einer falschen Kalkulation der Abfallgebühren. Die Vorgabe eines bestimmten Abfuhrzeitpunkts – wie in der Rahmenvorgabe durch den Passus „direkt nach der Papiersammlung“ vorgesehen – sei ebenfalls rechtswidrig. Eine solche Vorgabe ergebe sich aus dem Gesetz nicht. Dies gelte insbesondere deshalb, da es sich bei der Rahmenvorgabe um eine Ausnahme von dem das Verpackungsgesetz bestimmenden Grundsatz der Kooperation handle, welche daher eng auszulegen sei. Durch die Anordnung der Mitbenutzung der Tonne für Papier, Pappe und Karton (PPK-Tonne) komme es zu weitreichenden Folgewirkungen, für welche § 22 Abs. 2 VerpackG jedoch keine ausreichende Rechtsgrundlage bilde. Die Kontrolle der PPK-Tonne auf Vorhandensein von PPK führe zu einer erheblichen Verlängerung der Sammelzeit und schließlich zu einer Verkleinerung der Sammelgebiete. Die Größe eines Sammelgebiets könne aber nicht – auch nicht indirekt – vorgeschrieben werden. Des Weiteren müssten kostenintensivere Fahrzeuge als bei einer reinen Sacksammlung eingesetzt werden, die eine entsprechende Schüttvorrichtung vorhielten. Die Rahmenvorgabe sei auch ungeeignet, weil sie weder effektiv noch umweltverträglich sei. Es sei zweifelhaft, ob sogenannte Littering-Effekte (Verwehen eines Sacks) vermieden würden. Jedenfalls werde die Effektivität aufgrund der o.g. Implikationen unter der Rahmenvorgabe leiden. Durch die Abholung würden außerdem mehr Emissionen durch die Fahrzeuge als bisher entstehen. Das bisher überdurchschnittlich gute Sammelsystem (hoher Grad des Recyclings) werde nicht aufrechterhalten werden können. Zum einen werde die Qualität fallen, da keine Kontrolle der Säcke mehr stattfinde. Zum anderen bestehe eine Gefahr der Vermischung mit PPK, was aufgrund der Schädlichkeit von Papierfasern für das Kunststoffrecycling zu einer schlechteren Gesamtökobilanz führe. Schließlich sei die Rahmenvorgabe aufgrund der vorstehenden Erwägungen auch wirtschaftlich unzumutbar.
Mit Bescheid vom 29.07.2019, zugestellt am 30.07.2019, erließ der Antragsgegner eine Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 VerpackG gegenüber der Antragstellerin und sieben weiteren Systemen. Der Antragstellerin wurde u.a. auferlegt, die Sammlung der restentleerten Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen bei privater Haushaltungen (Leichtverpackungen – LVP) im Gebiet des Landkreises R. mit Ausnahme der Städte I. und W. ab dem 01.01.2021, spätestens jedoch acht Monate nach Bestandskraft des Bescheides in einer Kombination aus Hol- und Bringsystem durchzuführen (Ziffer 1 Buchstabe a)), wobei die detaillierte Festlegung der Anlage I zu diesem Bescheid, welche Bestandteil des Verwaltungsakt ist, entnommen werden kann (Ziffer 1 Buchstabe b)). Zugleich wurde ein Zwangsgeld bei Nichtbefolgung der Ziffer 1 i.H.v. 50.000 EUR, hilfsweise Ersatzzwangshaft angedroht (Ziffer 2). In Anlage I wird u.a. grundsätzlich eine vierwöchige Sacksammlung im Holsystem mit Option der Mitbenutzung der Papiertonne als Bereitstellungsgefäß festgelegt. Dabei muss die Sammlung direkt nach der Papiersammlung und innerhalb von zwei Tagen nach dieser Sammlung erfolgen, wobei in Gemeinden mit Einkaufsbereich im Stadtkern eine Abfuhr an Montagen zu vermeiden ist. Im Dezember ist eine Grundverteilung von Gelben Säcken durchzuführen. Bei dem parallel aufrechtzuerhaltenden Bringsystem ist grundsätzlich eine Sammlung nach Bedarf durchzuführen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits seit dem 02.05.2018 kein abgestimmtes System zur Erfassung der Abfallfraktion LVP habe vereinbart werden können. Auch eine auf dem VerpackG basierende und dessen Anforderungen genügende Abstimmungsvereinbarung habe nicht getroffen werden können; entsprechende Verhandlungen seien erfolglos geblieben. Von den Systemen werde das vormals abgestimmte System derzeit entgegen des ausdrücklichen Wunschs des Landkreises durchgeführt. Allerdings bestehe ein Sonderkündigungsrecht zum 31.12.2020 für den Fall, dass der Landkreis ab dem 01.01.2021 eine Rahmenvorgabe erlasse. Aus diesen Gründen sei der Erlass einer Rahmenvorgabe erforderlich gewesen. Deren Voraussetzungen nach § 22 Abs. 2 VerpackG seien auch gegeben. Ein Hinausgehen über den Entsorgungsstandard erfolge nicht. Es würden in einem zweiwöchentlichen Rhythmus die gemischten Siedlungsabfälle abgefahren, so dass eine vierwöchentliche Abfuhr nicht darüber hinausgehe. Zudem sei eine Sacksammlung für das konkrete Gebiet das sinnvollste, was auch den Systemen entgegenkomme, weil es erfahrungsgemäß kostengünstig sei und eine höhere Sammelqualität verspreche. Das kombinierte System sei ebenfalls zulässig. Das Sammelsystem sei das vom Bürger besser akzeptierte System, weswegen es die Grundlage für das hiesige System bilde. Aufgrund der bisherigen Übung würde es aber nachteilige Auswirkungen haben, wenn die rege genutzte Entsorgungsmöglichkeit über Wertstoffhöfe entfiele. Die Möglichkeit der Nutzung der Papiertonne als Bereitstellungsgefäß wirke einer Beschädigung der Säcke oder Verwehungen entgegen. Eine solche Ausgestaltung sei jedoch nur möglich, wenn die Abfuhr der LVP in direkte Abfolge zur Leerung der PPK erfolge, da ansonsten eine Vermischung der Abfälle erfolgte. Es werde hierdurch kein neues Sammelgefäß festgelegt. Das neue System sei geeignet, eine effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle sicherzustellen. Durch die Rahmenvorgabe werde eine höhere Menge an LVP erfasst. Eine Verschlechterung der Qualität der Sammlung sei nicht zwingend. Durch Öffentlichkeitsarbeit lasse sich dem entgegenwirken. Hierdurch und durch den Umstand, dass das Holsystem serviceorientierter sei, komme es zu einer Effektivitätssteigerung. Effektivität sei nicht mit Effizienz gleichzusetzen. Die generelle Umstellung auf das Holsystem führe zu einer Verringerung der Fahrten mit Privatfahrzeugen. Eine Nutzung des Wertstoffhofs werde nur von Personen erfolgen, die aus anderen Gründen den Wertstoffhof aufsuchten. Eine wirtschaftliche Unmöglichkeit liege nicht vor. Allein die Einführung eines neuen Systems mit entsprechenden Mehrkosten führe noch nicht zu einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit. Durch eine Sacksammlung und eine Mitnutzung der PPK-Tonne seien kostengünstige Modalitäten in die Rahmenvorgabe eingeflossen. Im Übrigen sei eine Unzumutbarkeit nicht substantiiert dargetan.
Am 22.08.2019 legte die Antragstellerin – wie sechs weitere Systeme gegen die jeweils an sie adressierten Bescheide – Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Zur Begründung führte sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens im Wesentlichen ergänzend aus, dass das derzeit etablierte System eine außerordentlich hohe Qualität bei der Erfassung von LVP aufweise, was wiederum zu einer hohen Recyclingquote führe. Durch die Kontrolle bei der Abgabe würden Fehlwürfe so gut wie vollständig vermieden. Es sei darauf hinzuweisen, dass durch die hohe Anzahl an „rollenden Wertstoffkisten“ eine Entsorgung bei Gelegenheit erfolge und es kaum zu zusätzlichen Fahrten für die Entsorgung komme. Die Rechtswidrigkeit des kombinierten Systems ergebe sich neben dem bisher Ausgeführten auch daraus, dass die zur Rechtfertigung herangezogenen Gründe lediglich Mutmaßungen seien. Es komme nicht auf mögliche Entwicklungen der Erfassungen im Bundesgebiet an, sondern auf die Erfassungsmengen vor Ort, welche bereits sehr hoch seien (25 kg / EW/a). Die in der Begründung aufgeführte Menge von 60 kg / EW/a sei nur in Ausnahmefällen und bei Einbezug der Fehlwürfe zu erreichen. Reine Mutmaßungen seien nicht dazu geeignet, einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Unternehmensfreiheit zu rechtfertigen. Dass durch die Festlegung der Mitbenutzung der PPK-Tonne in zeitlichem Zusammenhang mit dessen Leerung eine unzulässige Vorgabe an die Festlegung der Abgabegebiete gemacht werde, ergebe sich bereits allein aus der Tatsache, dass eine strikte Übereinstimmung der Erfassungsgebiete der LVP mit denen des Altpapiers umgesetzt werden müsse, da andere Konstellationen operativ nicht umsetzbar seien. Zwar dürfe der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bestimmte Behälterarten vorgeben, jedoch sei es nicht zulässig, diese Anordnung dadurch zu konterkarieren, dass er zusätzliche Vorgaben verfüge wie hier. Durch die Leerungspflicht für die Tonne bedürfe es eines Fahrzeugs, das eine Schüttvorrichtung habe, was aber dazu führe, dass die Öffnung zum Einwurf des Sacks kleiner als sonst ausfalle, so dass nicht rationell gesammelt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2019, zugestellt am 03.12.2019, wurde dem Widerspruch insoweit abgeholfen, als dass er die Städte W. im A. und I. im A. aus der Anlage 1 strich, im Übrigen wurde er zurückgewiesen. Zur Begründung der Ablehnung im Übrigen wurde im Wesentlichen unter Berufung auf die Begründung im Ausgangsbescheid und unter Vertiefung der bisherigen Ausführungen ausgeführt, dass die Rahmenvorgabe hinreichend bestimmt sei. Die Vorgaben entsprächen den üblichen Formulierungen. Insbesondere lasse sich eine genaue Anzahl an zu verteilenden Gelben Säcken nie genau vorhersagen. Aufgrund von Einwohnerzahl und Erfahrungswerten sei die Zahl jedoch ermittelbar und damit bestimmbar. Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG lasse ausdrücklich eine Kombination aus Hol- und Bringsystem zu. Die in § 14 Abs. 1 VerpackG enthaltenen Anforderungen stellten lediglich Mindestanforderungen dar, welche auf die Regelungsbefugnis des § 22 VerpackG ohne Einfluss blieben. Das Sacksystem sei gängig. Eine Erfassung über eine Tonne als alleiniges Erfassungssystem wäre ohne Weiteres zulässig gewesen. Das System mit Tonne stelle ein System mit hoher Akzeptanz und mangels Verwehungs- und Zerstörungsgefahr wie bei den Säcken auch ein umweltfreundlicheres dar. Durch die Mitbenutzung der PPK-Tonne würden die Vorteile beider Systeme vereint. Den Systemen würden höhere Kosten für die Einführung eines neuen Behälters erspart. Sowohl Sack als auch Tonne stellten jeweils Standardsammelbehälter dar. Der Gesetzgeber verlange lediglich, dass die Behälter einer technischen Norm entsprächen und mit üblichen Sammelfahrzeugen geleert werden könnten; dies sei bei der PPK-Tonne der Fall. Im benachbarten Landkreis werde überdies ein entsprechendes System praktiziert. Durch die Festlegung, dass die Abfuhr spätestens nach zwei Tagen nach der Papiersammlung zu erfolgen habe, liege keine Vorgabe eines Abfuhrtages vor. Die Möglichkeit der Nutzung der PPK-Tonne wirke sich gebührenrechtlich nicht aus. Auch komme es nicht zu einer Einschränkung von Sammelgebieten. Zwar sei es richtig, dass mittelbar eine Vorgabe über die Einteilung gemacht werde, allerdings sei durch das System keine erhebliche Verlängerung der Sammelzeit durch etwaige Kontrollen zu erwarten. Der Entsorgungsstandard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei höher, da eine zweiwöchentliche Leerung anstelle der hier angeordneten vierwöchigen Leerung erfolge. Zwar werde keine zusätzliche Annahme von Säcken auf den Wertstoffhöfen angeboten, jedoch führe der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine Abholung von Rest-, Bio- und PPK-Abfällen in den deutlich kostenintensiveren Tonnen im Holsystem durch – auf diesen Kostenunterschied komme es allein an. Nur wenn deutlich höhere Kosten bei den Systemen durch die Vorgabe entstünden, würde der Entsorgungsstandard überschritten.
Eine entsprechende Entscheidung erging gegenüber den übrigen Widerspruchsführern.
Am 16.12.2019 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage (4 K 6252/19). Die sich bereits mit Widerspruch zur Wehr setzenden sechs weiteren Systemen erhoben ebenfalls Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen.
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Mit Bescheid vom 03.02.2020 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids vom 29.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2019 an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung aus der besonderen Dringlichkeit der Umstellung des Sammelsystems ergebe. Die Ausschreibung beginne in der Regel rund neun Monate vor dem Beginn eines neuen Sammelauftrags und müsse die aktuellen Systemvorgaben enthalten. Um zu verhindern, dass ab dem 01.01.2021 ein nicht abgestimmter Zustand entstehe, müsse das Suspensivinteresse eines Rechtsbehelfs vorliegend zurückstehen. Der Landkreis habe sich bereits ausdrücklich gegen die Ausschreibung des vormals abgestimmten Systems für den Zeitraum von 2019 bis 2021 ausgesprochen und in den Verhandlungen, welche bereits seit dem 02.05.2018 andauern, seine Vorstellungen bezüglich eines neuen Systems geäußert. Nichtsdestotrotz sei eine Ausschreibung erfolgt. Die Gefahr, dass sich dieses Vorgehen wiederhole, sei daher sehr wahrscheinlich.
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Die Antragstellerin hat daraufhin am 11.03.2020 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen das bisher Vorgebrachte und führt ergänzend an, dass die Antragstellerin das Verfahren hinsichtlich der Abstimmungsvereinbarung nicht verzögert und sich gesetzestreu verhalten habe, indem sie den Sammelauftrag für drei Jahre im Frühjahr 2018 ausgeschrieben habe. Ein Widersprechen des Antragsgegners insoweit sei nicht nur unbeachtlich, sondern auch rechtswidrig. In rechtlicher Hinsicht sei anzumerken, dass die Rahmenvorgabe bereits formell rechtswidrig sei, da sie zu unbestimmt sei. Sie enthalte an verschiedenen Stellen Vorgaben, die lediglich „generalisierende“ Beschreibungen darstellten, ohne dass diese in dem erforderlichen Maße bestimmbar seien. Beispielsweise sei nach Anlage I zur Rahmenvorgabe an „circa“ 120.000 Haushaltungen gelbe Säcke zu verteilen, an Wertstoffhöfen gelbe Säcke „nach Bedarf“ zu erfassen und seien Behälter auf Wertstoffhöfen „in ausreichender Anzahl“ aufzustellen. Es sei darauf hinzuweisen, dass nicht die gleichen Vorgaben wie bei einer konsensualen Lösung mittels Abstimmungsvereinbarung gemacht werden könnten. Die Rahmenvorgabe schreibe in Anlage I Ziffer I Nr. 4 und Ziffer II Nr. 3 im Detail vor, wann und wo gelbe Säcke an die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises R. zu verteilen seien. Eine solche Regelung sei offensichtlich nicht von der Regelung des § 22 Abs. 2 VerpackG gedeckt. Die Rahmenvorgabe sei unwirksam, weil sie den Entsorgungsstandard des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers überschreite, § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG. Der Antragsgegner gebe nach seiner Satzung den Einwohnern des Kreises keine Gelegenheit, Abfälle auch in Wertstoffhöfen abgeben zu können. Dem lasse sich nicht entgegenhalten, die Frage der Vergleichbarkeit des Entsorgungsstandards sei allein anhand eines Gesamtkostenvergleichs zu beantworten. Dies ergebe sich weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der herangezogenen Kommentierung. Für die Frage der Vergleichbarkeit des Entsorgungsstandards könne nur auf die Sammlung von gemischten Abfällen abgestellt werden, womit das dafür eingesetzte Entsorgungssystem in Vergleich zu setzen sei. Dieses Überschreiten durch die fehlende Möglichkeit, Abfälle auch in Wertstoffhöfen abzugeben, reiche allein aus, ohne dass es auf einen Kostenvergleich ankomme; diesem komme ohnehin nur eine Indizfunktion zu. Die Ungeeignetheit der Rahmenvorgabe zeige sich auch darin, dass zu erwarten sei, dass später auf den Einsatz der Gelben Säcke verzichtet werde und die Verpackungen lose in die Tonne eingeworfen würden. Unabhängig von der Rechtswidrigkeit überwögen auch die Interessen an der Suspendierung diejenigen an der sofortigen Vollziehung. Die Ausschreibung nach § 23 VerpackG in einem streng formalisierten Verfahren unter Beachtung der Vergabeanforderungen sei zeitlich problematisch. Zudem ende die Beauftragung des derzeitigen Sammlers erst am 31.12.2021. Ob von dem vereinbarten Kündigungsrecht zum 31.12.2020 Gebrauch gemacht werden könne, sei nicht sicher. Es lägen auch keine Gründe vor, weswegen nicht bis zu einer Hauptsacheentscheidung zugewartet werden könne. Der sofortige Vollzug der Rahmenvorgabe nehme die Entscheidung in der Hauptsache faktisch vorweg. Die Umstellung des Erfassungssystems wie vorliegend angeordnet sei nicht mehr revisibel. Es dauere mehrere Jahre, bis ein Gewöhnungseffekt in der Bevölkerung in Bezug auf die Sammellogistik eintrete. Auch die gesetzliche Wertung, dass Rechtsbehelfen gegen die Rahmenvorgabe aufschiebende Wirkung zukomme, spreche für das Überwiegen des Suspensivinteresses. Dass nicht alle Adressaten der Rahmenvorgabe um Rechtsschutz nachgesucht hätten, sei ohne Belang, da die Rahmenvorgabe als Allgemeinverfügung zu qualifizieren sei, gegen die jeder Adressat unabhängig von anderen vorgehen könne. Dies ergebe sich aus dem in § 22 Abs. 7 Satz 2 VerpackG verankerten Rechtsgedanken und anderen Regelungen im VerpackG.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landkreises R. vom 29.07.2019 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 27.11.2019 wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung bringt er unter Wiederholung der Ausführungen in seinen Bescheiden im Wesentlichen ergänzend vor, der Erlass der Rahmenvorgabe sei notwendig gewesen, da es seit 01.01.2019 kein abgestimmtes System zur Erfassung der LVP mehr gebe. Grund hierfür sei auch das Verzögerungsverhalten der Antragstellerin und der übrigen Systeme. Die vorgebrachten Argumente, insbesondere, dass man nicht als gemeinsamer Vertreter gemäß § 22 Abs. 7 VerpackG habe auftreten können, da dieses Gesetz erst zum 01.01.2019 in Kraft getreten sei, verfange nicht, da auch nach § 6 Abs. 4 VerpackV eine entsprechende Kooperationspflicht bestanden habe. Der Antrag sei abzulehnen, da keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestünden. Die Klage sei bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Da das System R. S. GmbH die Rahmenvorgabe nicht angegriffen habe, sei Bestandskraft eingetreten, so dass dieses System diese beachten müsse. Ein System könne für ein Erfassungsgebiet aber nur einheitlich umgesetzt werden, so dass der Klage im Hauptsacheverfahren die Bestandskraft der Rahmenvorgabe gegenüber R. S. GmbH entgegenstehe. Die Rahmenvorgabe sei hinreichend bestimmt. Denn es werde ausreichend deutlich, was gewollt sei. Die angeführten Beispiele führten nicht zur Unbestimmtheit, da dies Werte seien, die einerseits nicht vorgegeben werden dürften, da das System hierfür verantwortlich sei. Andererseits fehle es dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auch an Erfahrungswerten, um dies exakt zu bestimmen. Darüber hinaus sei die Rahmenvorgabe auch materiell rechtmäßig. Mit der Rahmenvorgabe sei dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ein Instrument an die Hand gegeben worden, das es ihm ermögliche, einseitig hoheitliche Vorgaben zu machen und damit die Sicherstellung seiner Belange zu gewährleisten. Die Vorgabe der Nutzung von Säcken sei ebenso zulässig wie die Mitbenutzungsmöglichkeit der PPK-Tonne. Es handle sich um eine innovative Lösung, die der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung habe zulassen wollen. Zudem handle es sich um eine Kombination zweier Standardbehältnisse. Eine Leerung der Tonne sei ohne weiteres möglich. Die Vorgabe eines bestimmten Abfuhrtages sei von der Ermächtigungsgrundlage ausdrücklich gedeckt. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 3 VerpackG könne die Häufigkeit und der Zeitraum der Behälterleerung vorgeben werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung könne sogar vorgeben werden, „an welchen Wochentagen die Leerung der Sammelbehälter erfolgen“ solle. Das Gleiche gelte für die vorgegebene Zeitspanne von zwei Tagen nach Leerung der PPK-Tonne. Wenn sogar ein bestimmter Tag vorgegeben werden könne, dann erst recht ein Zeitraum von zwei Tagen. Eine Vorgabe hinsichtlich der Einteilung des Sammelgebiets werde durch die Rahmenvorgabe nicht gemacht. Die Einteilung eines Entsorgungsgebiets in verschiedene, durch die jeweiligen Müllwerker zu befahrenden Gebiete sei zwangsläufig abhängig vom Sammelsystem und müsse unter Beachtung der jeweiligen Sammelart erfolgen. Die Verteilung der Gelben Säcke sei zwingender Bestandteil eines Sammelsystems, welches Säcke zur Sammlung nutze und müsse erfolgen, damit diese für die Abfuhr befüllt werden könnten. Die getroffene Regelung sei üblich. Die Voraussetzung der Geeignetheit erfordere lediglich, dass eines der beiden Ziele, Effektivität oder Umweltverträglichkeit, gefördert werde, solange es nicht zu Lasten des anderen Ziels gehe. Dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger stehe ein Ermessensspielraum zu. Das vorgegebene System habe sich im benachbarten Landkreis B. – welcher aufgrund der ähnlichen Strukturen mit dem des Landkreises R. vergleichbar sei – bewährt. Die Umweltverträglichkeit ergebe sich daraus, dass die Fahrten zum Wertstoffhof und den derzeit 67 mobilen Wertstoffkisten entfielen. Umweltverschmutzungen durch Beschädigungen der Säcke würden durch die Mitnutzung der Tonne vermieden. Auch durch die Vorgabe, in bestimmten Gebieten „nicht montags“ zu sammeln, werde einer Beschädigung der Gelben Säcke durch Passanten und damit einer Verunreinigung in stark frequentierten Innenstädten vorgebeugt. Die einfachere Handhabung des Holsystems steigere die Effektivität. Es sei erwiesen, dass Bequemlichkeit ein wesentlicher Faktor für die Akzeptanz eines Systems sei. Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit sei vorliegend nicht gegeben. Die Antragstellerin sei bereits ihrer Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Allein eine Kostensteigerung reiche nicht aus; hier biete sich eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 3 KrwG an. Im Vergleich zur möglichen Anordnung einer Abholung allein durch Tonnen sei das gewählte System zudem kostengünstiger. Außerdem gehe die Rahmenvorgabe nicht über den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsstandard hinaus. Es sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese offenbare vorliegend, dass eine zweiwöchentliche Sammlung in Tonnen für den Restmüll erfolge, für LVP jedoch lediglich eine vierwöchige in kostengünstigeren Säcken verlangt werde. Damit lägen die Kosten für das System der LVP unter denen für den Restmüll. Das Vollzugsinteresse überwiege aber unabhängig hiervon. Denn es sei Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, den Ausfall des Sammelsystems gegebenenfalls aufzufangen. Die noch durch die Systeme durchzuführende Ausschreibung habe ebenfalls zu einem Handeln gezwungen – auch auf Wunsch der Antragstellerin. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liege nicht vor, da die Umstellung keine derart hohe Investition erfordere, insbesondere da keine neuen Tonnen angeschafft werden müssten. Das Sammelverhalten und der Lerneffekt der Bevölkerung seien nicht irreversibel. Ein Anspruch auf die Durchführung des aktuell praktizierten Systems bestehe ebenfalls nicht, da dies gegen den ausdrücklichen Willen des Landkreises ausgeschrieben worden sei. Es handle sich mithin um eine rechtswidrig erreichte bzw. jedenfalls angemaßte Rechtsposition, die nicht schützenswert sei.
17 
Das Gericht hat mit Beschluss vom 10.06.2020 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, welcher zwar von der Antragstellerin, nicht hingegen von dem Antragsgegner angenommen worden ist. Mit Beschluss vom 21.07.2020 hat das Gericht die übrigen Systeme beigeladen.
18 
Dem Gericht liegen die Behördenakten und die Akte des Klageverfahrens (4 K 6252/19) vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens Bezug genommen.
II.
19 
Der nach § 80 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässige Antrag ist begründet.
20 
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist mit Bescheid vom 03.02.2020 ausdrücklich erfolgt und auch ausreichend gesondert begründet.
21 
Das Gericht trifft seine Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwägung. Die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wird regelmäßig dann wiederhergestellt, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sein wird. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung scheidet regelmäßig dann aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse besteht. Im Übrigen ist die Begründetheit des Antrags unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache danach zu beurteilen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung des Vollzugs überwiegt. Ist der Verfahrensausgang offen, etwa, weil der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt weiterer Aufklärung bedarf, so ist eine reine Interessenabwägung erforderlich.
22 
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs überwiegt aus Sicht der Kammer derzeit das Suspensivinteresse. Die unter dem Az. 4 K 6252/19 erhobene Klage dürfte voraussichtlich Erfolg haben, denn der Bescheid vom 29.07.2019 dürfte rechtswidrig sein. Die Anordnung der Leerung innerhalb von zwei Tagen nach Entleerung der PPK-Tonne und die Mitbenutzungspflicht der Wertstoffhöfe dürfte ebenso nicht von der Rechtsgrundlage gedeckt sein wie die Bestimmung, dass jeweils im Dezember eine Grundverteilung von Gelben Säcken zu erfolgen hat. Ein besonderes Vollzuginteresse ist ebenfalls nicht ersichtlich. Im Übrigen kann offen bleiben, ob die Rahmenvorgabe zu beanstanden ist.
23 
1. Der Klage (und damit zugleich auch dem vorliegenden Antrag) mangelt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Die Rahmenvorgabe nach § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG stellt eine Allgemeinverfügung dar, welche zwar grundsätzlich nur inter partes wirkt, allerdings ihre Wirkung bei Unteilbarkeit gegenüber allen – auch bei Bestehen eines bestandskräftigen Verwaltungsakts – verliert, sobald sie erfolgreich von nur einer Person angefochten wurde (vgl. von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 272; Kyrill-Alexander Schwarz, in: Nomos HK-VerwR, § 35 VwVfG Rn. 115). Dem liegt zugrunde, dass die Rahmenvorgabe als solche unteilbar ist, da deren Regelung nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn sie gegenüber allen Systemen einheitlich ergeht. Dies sieht auch der Antragsgegner so. Dass es sich bei der Rahmenvorgabe um eine Allgemeinverfügung handelt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG, wonach „durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber den Systemen“ durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger festgelegt werden kann, wie die Sammlung auszugestalten ist. Hierbei wird einerseits der Singular des Worts „Verwaltungsakt“ verwendet und andererseits auf alle Systeme abgestellt, woraus sich eindeutig ergibt, dass nicht mehrere einzelne Verwaltungsakte gegenüber dem einzelnen System erlassen werden sollen, sondern gerade nur einer – als Allgemeinverfügung – gegenüber den Systemen in ihrer Gesamtheit. Denn die (personenbezogene) Allgemeinverfügung ist ein einzelner Verwaltungsakt und von einem Bündel von Einzelverfügungen zu unterscheiden (von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 259). Diese Annahme steht auch mit der Gesetzesbegründung in Einklang, nach der „ein schriftlicher Verwaltungsakt [...] gegenüber allen [...] beteiligten Systemen zu erlassen ist“ (BT-Drs. 18/11274, S. 111, Hervorhebungen nicht im Original). Auch kann nur eine Allgemeinverfügung das mit der Regelung des § 22 VerpackG verfolgte Ziel, eine einzige Abstimmungsvereinbarung (§ 22 Abs. 1 VerpackG) mit einem gemeinsamen Vertreter (§ 22 Abs. 7 VerpackG) abzuschließen und nur mit diesem etwaige Änderungen zu verhandeln, erreicht werden (vgl. hierzu auch Oexle, in: Schmehl/Klement, Gemeinschaftskommentar zum Kreislaufwirtschaftsgesetz [GK-KrWG], 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 15 f., 30). In diese abzuschließende Abstimmungsvereinbarung ist eine Rahmenvorgabe einzubeziehen, da deren Regelungsinhalt zwingend zu beachten ist (§ 22 Abs. 1 Satz 4 VerpackG). Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner davon ausging, mehrere Verwaltungsakte zu erlassen, die er individuell bekanntgab. Denn allein die individuelle Bekanntgabe rechtfertigt bei unverändertem Inhalt nicht die Annahme, es handle sich um individualisierte Verwaltungsakte. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als dass in den scheinbaren Einzelverwaltungsakten keinerlei individueller Inhalt vorhanden ist (vgl. von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35 Rn. 260; Kyrill-Alexander Schwarz, in: Nomos HK-VerwR, § 35 VwVfG Rn. 118).
24 
Damit hat auch der Einwand des Antragsgegners keinen Erfolg, der Rahmenvorgabeverwaltungsakt sei gegenüber einem System bestandskräftig geworden und daher von allen Systemen zu befolgen. Dies trifft nach den obigen Ausführungen nicht zu. Die gegenüber einem System möglicherweise eingetretene Bestandskraft steht der Zulässigkeit der gegen die Rahmenvorgabe von anderen Systemen erhobenen Klagen und des vorliegenden Eilantrags nicht entgegen.
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2. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG kann ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber den Systemen festlegen, wie die nach § 14 Abs. VerpackG durchzuführende Sammlung der restentleerten Kunststoff-, Metall- und Verbundverpackungen bei privaten Haushaltungen hinsichtlich
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1. der Art des Sammelsystems, entweder Holsystem, Bringsystem oder Kombination aus beiden Sammelsystemen,
2. der Art und Größe der Sammelbehälter, sofern es sich um Standard-Sammelbehälter handelt, sowie
3. der Häufigkeit und des Zeitraums der Behälterleerungen
27 
auszugestalten ist, soweit eine solche Vorgabe geeignet ist, um eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle aus privaten Haushaltungen sicherzustellen, und soweit deren Befolgung den Systemen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz nicht technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist (Rahmenvorgabe). Nach Satz 2 des § 22 Abs.2 VerpackG darf die Rahmenvorgabe nicht über den Entsorgungsstandard hinausgehen, welchen der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger der in seiner Verantwortung durchzuführenden Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushaltungen zugrunde legt.
28 
Ausgehend von dem dem Umweltrecht innewohnenden Kooperationsgebot und dessen Verankerung in § 22 Abs. 1 VerpackG (vgl. auch Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 1, 4 f.), nachdem die zur Sammlung verpflichtenden Systeme und der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine Abstimmungsvereinbarung zu treffen haben, stellt sich die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rahmenvorgabe als Ausnahme zu dieser Modellvorstellung der Kooperation dar; die durch das Kooperationsgebot und § 22 Abs. 1 VerpackG konstituierte Gleichordnung der Systeme und des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers wird durchbrochen. Dies zeigt auch die Historie: Bis zur Einführung des Verpackungsgesetzes mit Wirkung zum 01.01.2019 beinhaltete die Verpackungsverordnung keine entsprechende einseitige Ermächtigungsgrundlage für die Behörde (hierzu Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 6 ff.). Aufgrund dieses Ausnahmecharakters gilt es, die Regelung eng auszulegen, um der gesetzlichen Vorstellung der Kooperation hinreichend Rechnung zu tragen. Weil die Rahmenvorgabe in die Grundrechte der Systeme eingreift und ihre unternehmerische Freiheit erheblich beschränkt (Art. 12, 14 GG), sind die mit ihrem Erlass einhergehenden Wirkungen verhältnismäßig auszugestalten.
29 
Diesen Anforderungen wird die hier erlassene Rahmenvorgabe nicht gerecht.
30 
a. Die Anordnung eines Abfuhrtages wie vorliegend, welche den den Systemen nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei Erlass des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VerpackG zustehenden Umsetzungsspielraum derart einschränkt, dürfte nicht zu rechtfertigen sein. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VerpackG können durch die Rahmenvorgabe die Häufigkeit und der Zeitraum der Behälterleerungen festgelegt werden. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung, in der ausgeführt wird, dass einerseits Zeitabstände (wöchentlich, zweiwöchentlich, monatlich etc.), andererseits sogar konkrete Wochentage vorgegeben werden können (BT-Drs. 18/11274, S. 110), dürfte es nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VerpackG nicht möglich sein, einen konkreten Tag zu bestimmen. Dem Wortlaut der Regelung nach muss ein Zeitraum festgelegt werden, so dass eine Regelung wöchentlich montags zwar auf den ersten Blick unter Heranziehung der Gesetzesbegründung diesem Erfordernis gerecht werden dürfte, jedoch stellt die Benennung eines konkreten Tages keinen Zeitraum in diesem Sinne dar. Diese Auslegung dürfte auch den grundrechtlich geschützten Interessen der Systeme, sich in gewissen Grenzen wirtschaftlich entfalten und entwickeln zu können (Art. 12, 14 GG), ausreichend Rechnung tragen. Denn letztlich sind die Systeme diejenigen, denen die Verpflichtung zur Sammlung auferlegt worden ist. Sie sind damit Adressat dieser wahrzunehmenden Aufgabe, Art. 14 VerpackG. Dabei dürfte davon auszugehen sein, dass eine wöchentliche Leerung unter Benennung eines konkreten Wochentags rechtswidrig sein dürfte, weil dies die den Systemen zustehende unternehmerische Freiheit in unzulässiger Weise einschränkte. Diese Überlegungen können auf den vorliegenden Fall der Bindung der Leerung an die Entleerung der PPK-Tonne übertragen werden. Zwar handelt es sich dabei um einen Zeitraum, allerdings bliebe den Systemen bei der Anknüpfung an einen bereits festgelegten und von ihnen unbeeinflussbaren Entleerungsrhythmus (aufgrund der Anknüpfung an die Leerung der PPK-Tonne) kein unternehmerischer Gestaltungsspielraum, so dass dies zu einer nicht hinnehmbaren Beeinträchtigung führen dürfte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Erlass der Rahmenvorgabe um eine Ausnahme zur gesetzlichen Modellvorstellung der umfassenden Abstimmungsvereinbarung (umweltrechtliches Kooperationsgebot) handelt, weswegen diese eng auszulegen ist.
31 
b. Unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters und der damit zusammenhängenden engen Auslegung der Norm des § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG dürfte die Anordnung eines Bringsystems, das eine Annahme über die bestehenden Wertstoffhöfe des Landkreises festlegt, nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG gedeckt sein. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG ermächtigt den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nur dazu, die Art des Systems – Hol- oder Bringsystem bzw. eine Kombination von beidem – festzulegen, nicht jedoch die genauen Modalitäten eines etwaigen Bringsystems. Vorliegend wurde zwar in zulässiger Weise eine Kombination der beiden Systeme festgelegt, allerdings wurde zugleich vorgeschrieben, dass eine Annahme über die bestehenden Wertstoffhöfe erfolgen soll. Dies ist vom Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VerpackG nicht umfasst (so auch Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 40 f., 64). Zwar dürfte die Gesetzesbegründung davon ausgehen, dass eine Anordnung eines „bestimmten Bringsystem[s], zum Beispiel [...] über Wertstoffhöfe“ (BT-Drs. 18/11274, S. 110) auch die Mitbenutzung der vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger betriebenen Wertstoffhöfe zum Gegenstand haben kann, allerdings ist eine solche Möglichkeit dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Als für die Sammlung verantwortliche Akteure obliegt die Ausgestaltung der Sammlung grundsätzlich den Systemen, die nur in engen Ausnahmefällen, § 22 Abs. 2 VerpackG, Vorgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu befolgen haben (Art. 12, 14 GG). Dementsprechend muss sich aus der Ausnahmevorschrift eindeutig ergeben, dass eine entsprechende Anordnung getroffen werden kann; dies ist hier jedoch gerade nicht geschehen.
32 
c. Ersichtlich nicht von der Rahmenvorgabe gedeckt ist die (verpflichtende) Anordnung der Grundausstattung der Haushalte mit Gelben Säcken im Dezember eines jeden Jahres bzw. die zwingende Vorgabe der Bereitstellung der Gelben Säcke. Zwar mag es sich dabei um eine Selbstverständlichkeit handeln, dass ohne einen entsprechenden Zugang zu Gelben Säcken eine Abholung der LVP in diesen Behältnissen nicht erfolgen kann. Nichtsdestotrotz fällt eine solche Anordnung nicht in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 Satz 1 VerpackG. Denn die Verteilung der Gelben Säcke ist eine Folge der (zulässigen) Entscheidung für eine Art (und Größe) der Sammelbehälter – und mithin unter § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerpackG zu fassen –, ohne dass allerdings der weitere Verteilungsmechanismus dieser Regelung unterfällt. Beispielsweise wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass sich die jeweiligen Haushalte die Gelben Säcke selbst beschafften.
33 
Dahingestellt bleiben kann hier die Frage, ob diese rechtswidrige Anordnung im Zuge der Rahmenvorgabe allein zum Erfolg des Antrags führen kann, da dieser Teil vom Rest der Rahmenvorgabe abtrennbar sein könnte. Denn die (rechtswidrigen) Anordnungen, die Leerung innerhalb von zwei Tagen nach Entleerung der PPK-Tonne vorzunehmen und eine Abgabepflicht über die Wertstoffhöfe des Landkreises durchzuführen, sind Kern der gestalterischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners, welche ihm im Zuge des Erlasses einer Rahmenvorgabe zusteht, und als solche nicht von der Ausgestaltung abtrennbar ist, so dass jedenfalls aufgrund deren Rechtswidrigkeit die aufschiebende Wirkung in vollem Umfang wiederherzustellen ist. Dies hat der Antragsgegner in der Ablehnung des Vergleichsvorschlags auch nochmals so bestätigt.
34 
e. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte dürfte auch die Mitbenutzungspflicht der PPK-Tonne zu beanstanden sein. Ausweislich des § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerpackG kann die Art und Größe der Sammelbehälter vorgegeben werden, sofern es sich um Standard-Sammelbehälter handelt. Durch die Verpflichtung der Mitbenutzung der PPK-Tonne wird zwar die Art, nämlich die Nutzung einer Tonne, sowie die Größe, nämlich die der PPK-Tonne, festgelegt. Bei dieser Tonne dürfte es sich auch ohne weiteres um einen Standardbehälter handeln. Gleiches gilt für die grundsätzliche Nutzung der Gelben Säcke. Allein die Kombination der Nutzung der beiden Behältnisse führt nicht dazu, dass es sich bei beiden nicht mehr um Standard-Sammelbehälter handelt. Hinzu kommt, dass ausweislich der Gesetzesbegründung innovative Behältersysteme nicht ausgeschlossen werden sollten, soweit es sich bei diesen um in der Praxis erprobte und standardisierte Behälter handelt (BT-Drs. 18/11274, S. 110).
35 
Die Kombination zweier Standard-Sammelbehältnisse dürfte diese Vorgaben erfüllen. Allerdings obliegt die konkrete Ausgestaltung der Zurverfügungstellung der Behältnisse den Systemen, so dass zwar Vorgaben zu Art und Größe gemacht werden können und auch die Benutzung eines Behältnisses, das der PPK-Tonne gleicht, angeordnet werden kann. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerpackG ermöglicht es jedoch nicht, die Benutzung der durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Verfügung gestellten PPK-Tonne als Bestandteil einer nicht von den Systemen selbst betriebenen Sammelstruktur vorzuschreiben. Dies gilt selbst dann, wenn diese Vorgabe die Systeme davon entlastet, eigene Behälter mit Kostenaufwand zur Verfügung zu stellen. Eine Effizienzeinbuße durch die im Ergebnis kleineren Öffnungen des Sammelfahrzeugs, durch die sowohl die Tonne entleert als auch der Sack geworfen werden müsste, dürfte indes hinzunehmen sein.
36 
e. Unabhängig von den bisher gemachten Ausführungen fehlt es an einem besonderen Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Allein der Umstand, dass ein bis dato unabgestimmter Zustand besteht, rechtfertigt nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Gleiches gilt für ein etwaiges Verschulden der Antragstellerin im Zuge der bisherigen Abstimmungsbemühungen und der nicht im Einvernehmen mit dem Antragsgegner durchgeführten Ausschreibung für den Zeitraum ab 01.01.2019.
37 
Die sofortige Vollziehung darf nur angeordnet werden, wenn daran ein besonderes Interesse besteht. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO enthält zwei Alternativen: die hier allein in Betracht kommende sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse und die sofortige Vollziehung im überwiegenden Interesse eines Beteiligten. Dieses besondere öffentliche Interesse ist nicht gleichzusetzen mit dem Interesse am Erlass des zugrundeliegenden Verwaltungsakts; es geht vielmehr über dieses hinaus. Es bezieht sich gerade auf den Sofortvollzug und muss so gewichtig sein, dass es gerechtfertigt erscheint, aufgrund dieses Interesses den durch die aufschiebende Wirkung ansonsten eintretenden Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurückzustellen. Die sofortige Vollziehung ist also nur dann gerechtfertigt, wenn ein das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse besteht. Bei gleichermaßen gewichtigen Interessen auf beiden Seiten darf die aufschiebende Wirkung nicht ausgeschlossen werden. Die Behörde ermittelt das besondere Vollzugsinteresse durch eine Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles. In die Abwägung einzustellen sind alle Gesichtspunkte, die für die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen, sowie alle, die für eine Aufrechterhaltung des in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehenen Rechtsschutzes des Betroffenen sprechen. Dieser Rechtsschutzanspruch des Betroffenen hat hierbei ein umso höheres Gewicht gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, je schwerwiegender die durch den Verwaltungsakt auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken. In einem Fall, in dem die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts für den Betroffenen schwere und nicht rückgängig zu machende Folgen hätte, muss das öffentliche Interesse am Sofortvollzug von besonderem Gewicht sein (vgl. BVerfG [2. Kammer des Zweiten Senats], Beschluss vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -, NVwZ 2007, 946 f.; Beschluss vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, NVwZ 1985, 409; siehe auch Adelheid Puttler, in: NomosKommentar VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 VwGO Rn. 83 ff.).
38 
Solche besonderen Umstände, die ein besonderes Interesse begründeten, sind hier indes nicht gegeben. Das Vorliegen eines nicht abgestimmten Zustands ab dem 01.01.2021 rechtfertigt nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dabei ist zunächst in den Blick zu nehmen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung den gesetzlichen Ausnahmefall darstellt und daher zurückhaltend von ihr Gebrauch gemacht werden sollte. Eine besondere Dringlichkeit, welche sich hieraus ergibt, dass ein unabgestimmter Zustand vorliegt, ist nicht erkennbar. So liegt bereits seit 01.01.2019 ein unabgestimmter Zustand vor, der auf der alten Systemvereinbarung die Jahre 2016 bis 2018 betreffend von der Antragstellerin ausgeschrieben wurde, ohne dass dies die Funktionsfähigkeit des Erfassungssystems der LVP beeinträchtigte. Es ist zu erwarten, dass – und dies ist den Schriftsätzen beider Beteiligter zu entnehmen – eine erneute Ausschreibung auf Basis des alten Systems erfolgen wird und folglich eine Sammlung der LVP gesichert ist. Dass dies nicht dem Willen des Antragsgegners entspricht, ändert – wie bereits bisher – nichts an dem Umstand, dass keine Beeinträchtigung der Erfassung zu erwarten ist. Gegen das Vorliegen eines besonderen Interesses spricht auch der Umstand, dass die Umstellung des Erfassungssystems zu umfassenden Änderungen für die Antragstellerin und die übrigen Systeme führen würde. Wegen der zu tätigenden Investitionen und des anzunehmenden Gewöhnungseffekts in der Bevölkerung wären die geschaffenen Zustände nur unter erschwerten Bedingungen rückabzuwickeln. Etwaige Verschuldensgesichtspunkte gebieten keine andere rechtliche Bewertung. Des Weiteren ersetzt der Erlass einer Rahmenvorgabe nicht die nach § 22 Abs. 1 VerpackG erforderliche Abstimmungsvereinbarung, so dass allein durch den Erlass der Rahmenvorgabe noch kein funktionierendes und abgestimmtes System geschaffen wurde.
39 
f. Ob der kommunale Entsorgungsstandard überschritten worden ist, kann mithin offen bleiben, § 22 Abs. 2 Satz 2 VerpackG. Allerdings bestehen für die Kammer nach derzeitigem Sachstand Zweifel daran, dass eine Überschreitung vorliegen dürfte. Indiziell kann zur Beurteilung des Überschreitens des kommunalen Entsorgungsstandards ein Kostenvergleich der beiden Systeme erfolgen, wobei letztlich die Feststellungslast die Systeme trifft (Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 48; BT-Drs. 18/11274, S. 110). Vorliegend führt der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Sammlung der gemischten Siedlungsabfälle aus privaten Haushalten zweiwöchentlich unter Nutzung einer Tonne durch; eine Abgabe der Abfälle an Wertstoffhöfen ist nicht vorgesehen. In der Rahmenvorgabe wird für LVP unter Beibehaltung der Abgabemöglichkeit an Wertstoffhöfen die Leerung vierwöchentlich festgelegt. Führt man eine Gesamtbetrachtung durch, so dürfte die doppelt so häufige Entleerung der gemischten Siedlungsabfälle mindestens dem entsprechen, was durch eine vierwöchentliche Leerung der LVP und zusätzlicher Abgabemöglichkeit bei den Wertstoffhöfen von den Systemen verlangt wird. Ohne dass die genauen Kosten derzeit beziffert worden sind, dürfte davon auszugehen sein, dass die Vorhaltung der Container bei den Wertstoffhöfen inklusive der Entleerungsverpflichtung nicht zu höheren Kosten führt als die von dem kommunalen Entsorgungsträger durchgeführte zweiwöchentliche Leerung der gemischten Siedlungsabfälle. Insbesondere kann dies deshalb angenommen werden, da bei Verwendung von Behältern, die über mehr als 7 m³ Fassungsvermögen verfügen, eine Leerung nur bei Bedarf erfolgen muss. Sollte man auch die Gesichtspunkte Qualität, Effizienz sowie Umfang und Dauer der Leerung berücksichtigen (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 4 KrWG – so auch Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 48), so ergibt sich kein anderes Bild. Dies fußt im Wesentlichen darauf, dass zu den angeführten Kriterien keine belastbaren Angaben bzw. Daten vorliegen und folglich der Vortrag der Antragstellerin insofern derzeit (noch) nicht hinreichend substantiiert ist.
40 
Die Formulierung „bei Bedarf“ dürfte – ebenso wie die von der Antragstellerin gerügten weiteren Formulierungen – nicht zu unbestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot erfordert u.a., dass für die Beteiligten – insbesondere für den Adressaten – der konkrete Regelungsgehalt nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar sein muss, um so den Adressaten überhaupt in die Lage zu versetzen, seine Rechte und Pflichten zu erkennen. Mithin müssen der entscheidungserhebliche Sachverhalt und die angeordnete Rechtsfolge erkennbar sein, wobei auch unbestimmte und generalisierende Rechtsbegriffe verwendet werden dürfen, wenn sie in concreto die Bestimmbarkeit nicht ausschließen (vgl. Kyrill-Alexander Schwarz, in: Nomos HK-VerwR, § 37 VwVfG Rn. 17, 18). Vorliegend ist es dem Antragsgegner nicht genau möglich, abzuschätzen, wie viel LVP über die Wertstoffhöfe erfasst werden, so dass der Erlass einer detaillierteren Regelung von ihm nicht verlangt werden kann. Im Gegenzug ist es der Antragstellerin jedoch möglich, zu erkennen, dass eine Leerung der auf dem Wertstoffhof vorgehaltenen Behälter erfolgen muss, wenn diese nicht mehr LVP aufnehmen können, so dass durch die Leerung diese ihr zustehende Verpflichtung der Vorhaltung einer Abgabemöglichkeit wieder erfüllt wird. Dass – wie oben ausgeführt – nicht abschätzbar ist, wie viel LVP anfällt, lässt diese Verpflichtung jedoch an sich unberührt; es wird lediglich nicht exakt der Zeitpunkt festgelegt, zu dem die Entleerung zu erfolgen hat. Hinzu kommt, dass es der Antragstellerin auch unbenommen bleibt, durch die Vorhaltung entsprechend großer Sammelbehälter selbst Einfluss auf den Leerungsrhythmus zu nehmen und diesen auch gegebenenfalls anzupassen. Der Antragstellerin ist es mithin ohne weiteres möglich, ihr Verhalten an der getroffenen Reglung auszurichten.
41 
Allerdings dürfte die entsprechende Regelung der Vorhaltung der Container auf den Wertstoffhöfen nach den obigen Ausführungen bereits rechtswidrig sein, so dass es hierauf im Ergebnis nicht mehr ankommen dürfte.
42 
g. Nach derzeitigem Sachstand und dem bisherigen Vorbringen dürfte die Rahmenvorgabe auch nicht unverhältnismäßig sein (zur uneingeschränkten Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Oexle, in: GK-KrWG, 2. Aufl. 2019, § 22 VerpackG Rn. 54 f.), was letztlich jedoch dahingestellt bleiben kann. Es ist nicht auszuschließen, dass zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit, zur Umweltverträglichkeit und zur Effektivität der Sammlung noch weitere Ermittlungen notwendig sind.
43 
Die von der Antragstellerin vorgetragene wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist derzeit nicht ersichtlich. Allein die Steigerung von Kosten im Vergleich zu der bisherigen Praxis führt per se nicht dazu, dass dies für die Systeme unzumutbar ist. Auswirkungen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite der jeweiligen Systeme wurden bislang nicht offengelegt. Auch dürfte die vorhandene Sonderkündigungsmöglichkeit gegenüber dem durchführenden Entsorgungsbetrieb dazu führen, dass es nicht zu frustrierten Aufwendungen kommt. Dass die Umstellung der bisherigen Praxis zu einem neuen System entsprechend der Rahmenvorgabe zu außer Verhältnis stehenden, hohen Kosten führte, ist derzeit nicht erkenntlich. Auch ist zu erwarten, dass die Masse der LVP über die Sammlung bei den Haushalten erfolgen wird. Wie sich aus einer durchgeführten Analyse im Auftrag des Bundesumweltamts ergeben hat, liegen die Sammelmengen der Bringsysteme deutlich unter denen der Holsysteme (Analyse der Effizienz und Vorschläge zur Optimierung von Sammelsystemen der haushaltsnahen Erfassung von Leichtverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen auf der Grundlage vorhandener Daten [Analyse des Umweltbundesamts], Mai 2018, S. 149). Mithin ist es für die Systeme – so das Vorbringen der Antragstellerin – nicht erforderlich, doppelt so hohe Kapazitäten wie bisher nur deshalb vorzuhalten, weil neben dem Holsystem zugleich die Möglichkeit der Abgabe über den Wertstoffhof besteht, da davon auszugehen ist, dass die Masse der LVP bereits über die Säcke eingesammelt werden wird.
44 
Die in der Rahmenvorgabe angeordnete Umstellung des Systems von dem bisherigen Bringsystem inklusive der mobilen Wertstoffkisten zu einem führenden Holsystem dürfte auch geeignet sein, eine möglichst effektive und umweltverträgliche Erfassung der Abfälle sicherzustellen. Dabei knüpft das Gesetz daran an, dass auch der Erlass einer Rahmenvorgabe einen positiven Beitrag zur effektiven und umweltverträglichen Erfassung leisten soll. Aus der Genese des Gesetzes lässt sich einerseits entnehmen, dass die Anforderung hieran nicht zu hoch sein dürfen, da aus der ursprünglichen Entwurfsfassung das zunächst verwendete Wort „erforderlich“ durch das Wort „geeignet“ ersetzt worden ist (vgl. hierzu den Vorschlag des Bundesrats, BT-Drs. 18/11274, S. 148). Andererseits wird in der Gesetzesbegründung weiter ausgeführt, dass die Förderung eines der beiden genannten Ziele ausreichend ist, wenn dies nicht zulasten des anderen geht (BT-Drs. 18/11274, S. 10).
45 
Zwar wird vorliegend die Systemumstellung möglicherweise zu einer Reduzierung der Erfassungsqualität führen. Der Analyse des Umweltbundesamts lässt sich entnehmen, dass die Holsysteme den höchsten Anteil an der Fraktion „Reste bzw. ungeeignetes Zusatzmaterial im LVP“ enthalten (S. 149). Zugleich wird aber auch deutlich, dass die Sammelmenge statistisch deutlich höher liegt als bei einem Bringsystem, so dass bei einer Gesamtbetrachtung die Ziele erfüllt werden könnten. So wird in der Analyse des Bundesumweltamts ausgeführt, dass „Holsysteme [...] bei der Erfassung grundsätzlich zu bevorzugen [sind], da sie sowohl ökologischer als auch ökonomisch (hier zumindest im Vergleich zum System ‚Wertstoffhof‘) deutliche Vorteile aufweisen“ (Analyse des Umweltbundesamts, S. 156). Die bestehenden Nachteile des Holsystems könnten durch zentrale Sammelzentren reduziert werden (Analyse des Umweltbundesamts, S. 156). Durch die Verwendung des Wortes „geeignet“ anstatt „erforderlich“ dürfte auch zum Ausdruck kommen, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger hier ein gewisser Gestaltungsspielraum zur Verfügung stehen soll, den er vorliegend ausgenutzt haben dürfte. Ein milderes Mittel, das gleich geeignet sein würde, ist zudem – auch mangels belastbarer Daten – nicht ersichtlich. Mithin dürften auch die Bedenken der fehlenden Umweltverträglichkeit der Antragstellerin ausgeräumt sein.
46 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Dabei hält die Kammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin auch ohne konkrete Angaben von Umsatz, Gewinn etc. einen Betrag von jedenfalls 50.000 Euro für das vorliegende Eilverfahren für angemessen.

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