Beschluss vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - PL 11 K 2615/20

Tenor

Es wird festgestellt,

dass der weitere Beteiligte durch die Teilschließung und Wiedereröffnung der Betriebskantinen O. E. und M. sowie die Schließung und Wiedereröffnung des Casinos W., ohne dass der Antragsteller beteiligt wurde, dessen Mitbestimmungsrecht gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG verletzt hat.

Gründe

 
I.
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, dass der weitere Beteiligte durch die vollständige bzw. teilweise Schließung und Wiedereröffnung von Betriebskantinen im Kontext von Covid-19 das Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt hat.
Das Universitätsklinikum U. unterhält an den Standorten O. E. und M. je eine Casino genannte Betriebskantine, die von der Dienstleistungsgesellschaft Universitätsklinikum U. (...) betrieben wird; bei dieser Dienstleistungsgesellschaft handelt es sich um ein Tochterunternehmen des Klinikums, das 100 Prozent des Stammkapitals der Dienstleistungsgesellschaft hält. Daneben betreibt die ... auch an der im U.er Stadtteil W. gelegenen Akademie für Gesundheitsberufe ein Casino. Am 16.03.2020 gab der weitere Beteiligte auf seinem Internetauftritt bekannt, dass ab diesem Tag im Hinblick auf die Corona-Pandemie neue Verfahrensweisen bei der Essensausgabe in den Casinos O. E. und M. gelten sollen. Der reguläre Casinobetrieb wurde hinsichtlich des Angebots eingeschränkt und auf take-away-Angebote umgestellt; es bestand nicht mehr die Möglichkeit, den Sitzbereich der Kantinen zu nutzen. Ab diesem Zeitpunkt bestand nur noch die Wahl zwischen einem vegetarischen und einem nichtvegetarischen Menü zum Mitnehmen; ebenso wurden belegte Brötchen, abgepackte Desserts und Backwaren zum Mitnehmen angeboten. Die Selbstbedienung beim Frühstücksbuffet in der Cafeteria O. E. und dem Casino M. wurde eingestellt, das Frühstück stattdessen von den Bediensteten der ... zusammengestellt und ausgegeben. Die Betriebskantine an dem Unterrichtsstandort W. wurde am 16.03.2020 vollständig geschlossen und am 01.09.2020 wiedereröffnet.
Am 19.05.2020 wies der weitere Beteiligte in seinem Internetauftritt darauf hin, dass ab dem 20.05.2020 die Casinos O. E. und M. wieder eingeschränkt geöffnet und pandemiebedingt besondere Hygieneregeln eingeführt würden, wie etwa Händedesinfektion beim Betreten des Casinos, Einlass in den Verzehrbereich nur wenn freie Tische vorhanden sind sowie Speisenverzehr an Einzeltischen im Innenraum und an Stehtischen im Außenbereich mit einem einzuhaltenden Mindestabstand von 1,5 Metern. Hierauf wandte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 19.05.2020 an den weiteren Beteiligten und beanstandete, dass es sich bei der Wiedereröffnung der Betriebskantinen um einen mitbestimmungspflichtigen Vorgang im Sinne des § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG handele und die Maßnahme ohne Beteiligung des Personalrates rechtswidrig sei, auch wenn die Dienststelle bei der Schließung genauso verfahren sei. Der weitere Beteiligte antwortete unter dem 27.05.2020, dass die Casinos nicht vorübergehend geschlossen gewesen seien. Man habe durchgehend während der üblichen regulären Öffnungszeiten weiterhin warme Speisen, Belegte Brötchen, Desserts und Backwaren zum Mitnehmen angeboten, so dass keine Auflösung oder wesentliche Änderung der Sozialeinrichtung Casino bzw. der Verwaltung dieser Einrichtung angenommen werden könne. Im Übrigen sei dem Universitätsklinikum bzw. der Tochtergesellschaft ... angesichts der zunehmenden Ausbreitung des Corona-Virus Mitte März 2020 keine andere Wahl geblieben, als vorübergehend auf die Mitnahme von Speisen umzustellen, zumal die Landesregierung kurz darauf ohnehin angeordnet habe, dass Restaurants und derartige Betriebe schließen müssten und Speisen nur noch zum Mitnehmen anbieten dürften. Vor diesem Hintergrund liege auch keine Wiedereröffnung der Sozialeinrichtungen vor; letztendlich sei die Dienststelle mit der Möglichkeit, in den Casinos wieder Speisen zu verzehren, lediglich zum Status Quo vor Ausbruch der Pandemie zurückgekehrt.
Am 07.08.2020 hat der Antragsteller die Personalvertretungskammer angerufen. Er macht geltend, dass der weitere Beteiligte durch die (Teil-) Schließung und Wiedereröffnung der Betriebskantinen das Mitbestimmungsrecht des Personalrats gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG verletzt habe. Die von der Dienststelle einseitig verfügte Verringerung des Leistungsangebots in den Kantinen unterfalle dem Begriff der Verwaltung einer Sozialeinrichtung und sei mitbestimmungspflichtig. Die Bezugnahme des weiteren Beteiligten auf eine zeitlich nachfolgende Verordnung der Landesregierung hinsichtlich der Schließung von Gaststätten sei verfehlt. Im Übrigen habe die einschlägige Corona-Verordnung des Landes in der maßgeblichen Fassung vom 22.03.2020 zwar den Betrieb von Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen, nicht jedoch von Kantinen für Betriebsangehörige oder Angehörige öffentlicher Einrichtungen verboten. Vor diesem Hintergrund gehe der Hinweis auf die Corona-Verordnung an der Sache vorbei.
Der Antragsteller beantragt zuletzt,
durch Anerkenntnisurteil festzustellen, dass der weitere Beteiligte durch die Teilschließung und Wiedereröffnung der Casinos O. E. und M. sowie durch die Schließung und Wiedereröffnung des Casinos W. ohne die Beteiligung des Antragstellers gegen dessen Mitbestimmungsrecht gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG verstoßen hat.
Der weitere Beteiligte erkennt das Begehren inzwischen vollinhaltlich an.
Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
1. Die Kammer hat von Amts wegen zu beachten, dass das Universitätsklinikum U., das von dem Antragsteller ursprünglich als weiterer Beteiligter zu 1) in Anspruch genommen wurde, zu Unrecht am personalrechtlichen Beschlussverfahren beteiligt worden ist. Die Beteiligtenfähigkeit in einem solchen Verfahren hat nur, wer durch die beantragte Entscheidung des Gerichts unmittelbar in der ihm vom Personalvertretungsrecht eingeräumten Rechtsposition betroffen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.1986 – 6 P 4.83 – BVerwGE 74, 273). In einer solchen Rechtsposition kann das Universitätsklinikum durch die vom Antragsteller begehrte Entscheidung nicht betroffen sein, denn Leiter der Dienststelle im Sinne des Landespersonalvertretungsgesetzes ist gemäß § 10 Abs. 3 UKG der Leitende Ärztliche Direktor; dementsprechend macht auch der Antragsteller der Sache nach personalvertretungsrechtliche Rechte nur im Verhältnis zu dem Leitenden Ärztlichen Direktor, nicht aber gegenüber dem Universitätsklinikum geltend. Die Kammer trägt dieser Rechtslage Rechnung und sieht nach Anhörung von einer weiteren Beteiligung des Universitätsklinikums am Verfahren ab; das Rubrum war, worauf die Beteiligten hingewiesen worden sind, entsprechend zu ändern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.09.2015 – 5 P 12.14 – ZfPR 2016, 2).
10 
2. Der Antrag hat Erfolg.
11 
Voraussetzung für einen Anerkenntnisbeschluss im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren auf der Grundlage von § 307 ZPO ist, dass die Beteiligten über den streitigen Gegenstand im Sinne von § 83a Abs. 1 ArbGG verfügen können (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2012 – 6 P 3.11 – juris RdNr. 34). Dies ist für den konkreten streitigen Mitbestimmungsfall zu bejahen, in Bezug auf Mitbestimmungsrechte in künftigen Fällen im Allgemeinen zu verneinen. Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Mitbestimmung bei einer Maßnahme fehlt es am Dispositionsrecht der Beteiligten. Die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen sind gesetzlich abschließend geregelt. Eine außergesetzliche Erweiterung der Beteiligungsrechte ist ebenso wenig möglich wie ihre Einschränkung. Es gibt auch keine über das Gesetz hinausgehende Selbstbindung der Verwaltung, die in beteiligungsfreien Angelegenheiten zu einem irgendwie gearteten förmlichen Beteiligungsverfahren führen könnte. Auch eine entsprechende Dienstvereinbarung wäre unzulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.12.1991 – 6 P 5.91 – PersR 1992, 104, 107). Ein verwaltungsgerichtlicher Beschluss, der die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Maßnahme allein auf Grund des Anerkenntnisses des Dienststellenleiters feststellt, würde, wenn dem kein gesetzliches Mitbestimmungsrecht des Antragstellers zugrunde liegt, die Zuständigkeit für die Mitbestimmung der Disposition der Verfahrensbeteiligten überlassen. Dies ist mit dem im öffentlichen Interesse durchgeführten objektiven Beschlussverfahren nicht vereinbar (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14.12.2010 – 8 Bf 130/10.PVL – juris RdNr. 24).
12 
Das vom weiteren Beteiligten anerkannte Begehren des Antragstellers bezieht sich nicht lediglich auf einen konkreten Mitbestimmungsfall, nachdem die in Rede stehenden Maßnahmen des Dienststellenleiters zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses zumindest teilweise bereits außer Kraft gesetzt waren und das Begehren des Antragstellers insoweit als abstrakter Feststellungsantrag aufzufassen ist. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer ungeachtet des Anerkenntnisses des weiteren Beteiligten die Rechtmäßigkeit der beanstandeten Maßnahmen zu prüfen. Der ursprünglich zur Entscheidung des Gerichts gestellte Antrag ist zulässig (2.1) und begründet (2.2).
13 
2.1 Der Antrag ist zulässig. Nach § 92 Abs.1 Nr. 3 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg in der Fassung der Neubekanntmachung vom 12.03.2015 (GBl. S. 221) – LPVG – entscheiden die Verwaltungsgerichte unter anderem über die Zuständigkeit der Personalvertretungen. Dazu gehört auch die vorliegend streitige Frage des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts des Antragstellers nach § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG.
14 
2.1.1 Das hinsichtlich der pandemiebedingten Änderung des Kantinenbetriebs streitige Begehren des Antragstellers ist als abstrakter Feststellungsantrag zulässig.
15 
Hat sich ein konkretes Feststellungsbegehren – wie hier zumindest zum Teil – erledigt, kann der Antragsteller einen vom konkreten Fall losgelösten abstrakten Feststellungsantrag zu den Rechtsfragen stellen, die hinter dem anlassgebenden Vorgang stehen, dem konkreten Vorgang zugrunde liegen oder durch den konkreten Anlass als entscheidungserheblich aufgeworfen werden. Der abstrakte Feststellungsantrag muss sich auf künftige Sachverhalte beziehen, die in ihren Grundzügen dem Sachverhalt des anlassgebenden konkreten Vorgangs entsprechen und im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen aufwerfen. Es können nur solche Rechtsfragen einer Klärung zugeführt werden, die sich an dem konkreten Vorgang ausrichten, durch ihn ausgelöst und auch begrenzt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.2016 – 5 P 9.15 – BVerwGE 157, 117). Die Rechtsfrage muss sich auch auf künftige vergleichbare oder gleichartige Sachverhalte beziehen; das ist nur der Fall, wenn sie zukünftige Sachverhalte betrifft, die in ihren Grundzügen dem Sachverhalt des anlassgebenden konkreten Vorgangs entsprechen und im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen aufwerfen. Diesen Voraussetzungen genügt der von dem Antragsteller in der öffentlichen Anhörung am 15.02.2021 gestellte Antrag. Er ist hinreichend abstrakt und unabhängig von dem zugrundeliegenden Streitfall formuliert und zielt darauf, die aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf den Kantinenbetrieb in allgemeingültiger Weise auch für künftige Fälle klären zu lassen.
16 
2.1.2 Der Antragsteller hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die Frage, ob dem Personalrat bei der Einschränkung des Leistungsangebots der Kantine und den sonstigen Modifikationen des Betriebsregimes ein Mitbestimmungsrecht zusteht, steht zwischen den Verfahrensbeteiligten in der zur Klärung gestellten abstrakten Form nicht außer Streit und wird sich auch künftig mit einiger, mehr als nur geringfügiger Wahrscheinlichkeit zwischen ihnen stellen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Pandemieentwicklung ist nicht auszuschließen, dass der weitere Beteiligte Modifikationen im Kantinenbetrieb vornimmt und etwa wieder zu einer take-away-Ausgabe zurückkehrt, und sich damit die aufgeworfenen Rechtsfragen erneut stellen werden. Im Übrigen haben die Beteiligten in der öffentlichen Anhörung übereinstimmend vorgetragen, dass auch derzeit die Kantinen lediglich mit pandemiebedingten Einschränkungen betrieben werden. Auch dies erhellt, dass sich die dem Verfahren zugrundeliegenden Rechtsfragen jederzeit erneut stellen können.
17 
2.2 Der Antrag ist auch begründet. Die am Universitätsklinikum U. bestehenden Kantinen sind eine Sozialeinrichtung im Sinne von § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG (2.2.1), und die vorgenommenen Einschränkungen des Leistungsumfangs bzw. der Modalitäten der Essensausgabe stellen eine Maßnahme der Verwaltung einer Sozialeinrichtung dar (2.2.2). Schließlich ist das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht durch den Gesetzes- und Tarifvorrang gemäß § 74 Abs. 2 1. Halbsatz LPVG ausgeschlossen (2.2.3).
18 
2.2.1 Gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG bestimmt der Personalrat, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, mit über Errichtung, Verwaltung, wesentliche Änderung und Auflösung von Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Betriebskantinen sind typische Sozialeinrichtungen im Sinne des vorgenannten Mitbestimmungstatbestandes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.04.1992 – 6 P 33.90 – juris RdNr. 19). Es handelt sich um auf Dauer berechnete, von der Dienststelle freiwillig geschaffene Einrichtungen, die dazu dienen, den Beschäftigten Vorteile zukommen zu lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.06.2000 – 6 P 1.00 – juris Rdnr. 26 m.w.N.). Der soziale Zweck der Kantine, d.h. der Vorteil für die Beschäftigten, liegt zum einen in der betriebsnahen Versorgung mit warmen Mahlzeiten; zum anderen kann eine Betriebskantine, die keinen Gewinn erwirtschaften muss, die Speisen preisgünstig anbieten. Dadurch wird den Beschäftigten über das unmittelbare Arbeitsentgelt für die Arbeitsleistung hinaus ein weiterer Vorteil gewährt. Der Einstufung der hier in Rede stehenden Betriebskantinen steht nicht entgegen, dass diese nicht von dem weiteren Beteiligten bzw. dem Universitätsklinikum U. als Körperschaft des öffentlichen Rechts, sondern von der Dienstleistungstochter ... GmbH betrieben werden. Bereits nach dem Wortlaut von § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG besteht das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretungen im Hinblick auf Sozialeinrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Für eine Sozialeinrichtung, die nach dem Gesetzeswortlaut fähig sein muss, errichtet, verwaltet und aufgelöst zu werden, genügt ein dem sozialen Zweck dienender Bestand an Wirtschaftsgütern, wie Räume, Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenstände sowie gegebenenfalls an Personal und ein Mindestmaß an eigenständiger Organisation. In welcher Art und Weise die Dienststelle die Einrichtung unterhält, ob sie also (vermögensrechtlich) ausgegliedert ist und sich selbst unterhält oder ob sie zum Betriebsvermögen der Dienststelle gehört und aus dem Topf der allgemeinen Mittel unterhalten wird, ist für den Begriff der Sozialeinrichtung ebenso unerheblich wie die Frage, ob die Einrichtung sich überwiegend selbst verwaltet oder überwiegend durch die Dienststelle verwaltet wird. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass die Dienststelle auf den Bestand und die Aufgabenerfüllung der Einrichtung einen rechtlich fassbaren Einfluss hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.07.1984 – 6 P 14.83 – juris RdNr. 19).
19 
Indes muss der rechtlich gesicherte Einfluss der Dienststelle auf die Sozialeinrichtung und ihr Recht, an deren Verwaltung mitzuwirken, so stark sein, dass von der Sozialeinrichtung als einer „Veranstaltung der Verwaltung“ gesprochen werden kann. Das setzt voraus, dass die Dienststelle an der Führung der Geschäfte der Sozialeinrichtung in einem ins Gewicht fallenden sachlichen Einfluss beteiligt, vor allem aber rechtlich in der Lage ist, richtungsweisenden Einfluss auf die Verwirklichung der Zwecke dieser Einrichtung zu nehmen, d.h. auf die Art und Weise, in der die Einrichtung die ihr gesteckten Aufgaben erfüllen soll, und auf die Arbeit der Einrichtung einzuwirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.06.2000 – 6 P 1.00 – juris RdNr. 32). Gemessen an diesen Grundsätzen behält eine von einem Dienstleister in privater Rechtsform betriebene Kantine ihren Charakter als betriebliche Sozialeinrichtung, wenn der bestimmende und lenkende Einfluss der Dienststelle auf ihre Geschäftstätigkeit mit Mitteln des Schuldrechts oder des Gesellschaftsrechts sichergestellt ist. Geschieht dies auf eine Weise, welche die Dienststelle jederzeit in die Lage versetzt, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die zur Erhaltung der sozialen Vorteile für ihre Beschäftigten erforderlich sind, so behält die Einrichtung auch nach ihrer formellen Privatisierung den Charakter als Sozialeinrichtung der Dienststelle. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Universitätsklinikum U. als Dienststelle hat bereits aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion umfangreiche Durchgriffsrechte auf den privaten Dienstleister, um die Erhaltung der sozialen Natur der Einrichtung sicherstellen zu können. Nach dem Sachvortrag des weiteren Beteiligten handelt es sich bei der ... um eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums. Der Alleingesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist regelmäßig bereits aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen umfangreichen Einwirkungsmöglichkeiten in der Lage, maßgeblichen Einfluss auf Zielsetzung und die Geschäftsführung dieser Gesellschaft zu nehmen. Hierfür spricht im Übrigen auch der konkrete Auftritt der ... gegenüber den Beschäftigten und ihre mit den Zielen der Dienststelle abgestimmte Handlungsweise. So werden etwa auf dem Internetauftritt des Universitätsklinikums U. die Betriebsweise und die aktuellen Angebote der Kantinen dargestellt, ohne auf die Einschaltung des Dienstleisters ... gesondert hinzuweisen. Die Vorgehensweise des weiteren Beteiligten im Zusammenhang mit den Einschränkungen im Betriebsregime der Kantinen zeigt, dass diese in die übergeordnete Verwaltung des Universitätsklinikums einbezogen sind und etwa hinsichtlich der Hygienemaßnahmen koordiniert vorgehen. Schließlich hat auch der weitere Beteiligte in der öffentlichen Anhörung eingeräumt, maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und die Zielsetzung der ... zu haben. Keiner Klärung bedarf daher, ob zwischen dem Universitätsklinikum und dem eingeschalteten privatrechtlichen Dienstleister als Tochtergesellschaft auch entsprechende schuldrechtliche Beziehungen bestehen, die noch zusätzliche, über die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen hinausgehende Einwirkungsmöglichkeiten eröffnen.
20 
2.2.2 Bei den von dem weiteren Beteiligten veranlassten Einschränkungen im Angebot der Kantinen und den Änderungen im Betriebsregime handelt es sich um Maßnahmen der Verwaltung dieser Sozialeinrichtung. Die Mitbestimmung bei der Verwaltung erfasst die Maßnahmen der inneren Organisation der Sozialeinrichtung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24.04.1992 – 6 P 33.90 – juris RdNr. 27). Sie betrifft ihre Geschäftsführung und die Gestaltung in ihren inneren Angelegenheiten. Der Wortlaut, die Binnensystematik sowie Sinn und Zweck der Mitbestimmungsregelung („Errichtung, Verwaltung, Auflösung“) machen deutlich, dass das Gesetz ein lückenloses Beteiligungsrecht der Personalvertretung bei Neuerrichtungsmaßnahmen, aber auch bei allen wichtigen Veränderungen der Einrichtung und bei Verwaltungsmaßnahmen vorsieht. Zur Verwaltung einer Sozialeinrichtung gehören daher alle auf den laufenden Betrieb und die Unterhaltung dieser Einrichtung bezogenen Maßnahmen, darunter auch solche, welche Leistungen an die Beschäftigten betreffen (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 11.06.2001 – 8 Bf 424/00.PVL – juris RdNr. 23). Maßnahmen, die – wie hier in Bezug auf den Umfang des Essensangebots einer Kantine – eine Änderung, nämlich eine Erhörung oder Verringerung des Leistungsangebots der betreffenden Sozialeinrichtung zum Gegenstand haben, stellen sich – Bagatellfälle gegebenenfalls ausgenommen – problemlos als Maßnahmen der Organisation und Führung der Geschäfte im Rahmen des laufenden Betriebs einer solchen Einrichtung dar. Für die Beschäftigten, denen die Sozialeinrichtung zu Gute kommen soll, sind bei Kantinen der Angebotsumfang und die Modalitäten der Essensausgabe grundsätzlich ein bedeutsamer Umstand (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.02.2002 – 1 A 144/00.PVL – juris RdNr. 36 ff.).
21 
Gemessen hieran stellen die von dem weiteren Beteiligten unter dem 16.03.2020 bekannt gemachten Neuregelungen bei der Essensausgabe in den Kantinen Maßnahmen der inneren Organisation und damit der Verwaltung der Kantinen dar, die eine Bagatellschwelle überschreiten. Durch diese Neuregelung im Kontext der Corona-Pandemie wurde der Leistungsumfang der Kantinen nicht unerheblich eingeschränkt. Wie die Dienststelle in ihrem Internetauftritt selbst darauf hinwies, war der reguläre Casinobetrieb ab dem 16.03.2020 hinsichtlich des Angebots eingeschränkt; insbesondere bestand nicht mehr die Möglichkeit, den Sitzbereich der Casinos zu nutzen, sondern Speisen wurden lediglich in take-away-Boxen ausgegeben. Ab diesem Zeitpunkt bestand auch nur noch die Wahl zwischen einem vegetarischen und einem nichtvegetarischen Menü; erweiterte Speisenangebote und Zusatzleistungen wie etwa die sog. Gourmettheke wurden nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten nicht mehr vorgehalten. Auch das Frühstücksangebot war insoweit eingeschränkt, als kein Buffet mehr angeboten wurde, sondern lediglich eine Ausgabe von vorab zusammengestellten Frühstücken erfolgte. Bei einer Gesamtschau dieser Maßnahmen erfolgte pandemiebedingt eine nicht unerhebliche Einschränkung des Leistungsangebots der Kantine, die für die sozialen Belange der betroffenen Mitarbeiter von Bedeutung ist. Es liegt auf der Hand, dass für die Besucher einer Kantine insbesondere von erheblicher Relevanz ist, ob Speisen im Sitzen eingenommen werden können oder lediglich in take-away-Boxen zur Mitnahme ausgegeben werden.
22 
Schließlich stellt sich auch die Öffnung der Casinos ab dem 20.05.2020 unter dem auf dem Internetauftritt der Dienststelle bekannt gegebenen Betriebsregime als Verwaltungsmaßnahme dar. Zwar war ab diesem Zeitpunkt der Sitzbereich der Casinos wiedereröffnet und es bestand die Möglichkeit, Speisen in der Kantine zu verzehren. Aufgrund der eingeführten Hygieneregelungen handelt es sich bei dieser Maßnahme jedoch nicht um eine bloße Rückkehr zum vor der Corona-Pandemie bestehenden Status Quo. Unabhängig hiervon unterfällt auch eine reine Wiedereröffnung einer Sozialeinrichtung nach einer zwischenzeitlichen Schließung dem Mitbestimmungsrecht des Personalrats unter dem Gesichtspunkt der Verwaltung. Denn auch in diesem Fall werden zahlreiche sozialen Belange der Beschäftigten tangiert, die von dem Dienststellenleiter im Rahmen der Verwaltung der Sozialeinrichtung in den Blick genommen werden müssen und ein Regelungsbedürfnis für die Dienststellenpartner begründen. Ein derartiges Regelungsbedürfnis bestand auch im hier in Rede stehenden Fall. Im Ausgangspunkt zutreffend dürfte der weitere Beteiligte darauf hinweisen, dass das von ihm ab dem 20.05.2020 vorgegebene Betriebsregime der Kantinen den üblichen Hygienemaßnahmen entsprach und zwingend zu ergreifen war. Dies steht indes einer Mitbestimmung des Antragstellers hinsichtlich der Einzelheiten der Betriebsweise vor allem auch im Hinblick auf etwa zusätzlich zu ergreifende Hygienemaßnahmen nicht entgegen. Der weitere Beteiligte verengt den Begriff der Verwaltung einer Sozialeinrichtung im Sinne von § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG, wenn er hierunter nur Maßnahmen verstanden wissen will, die den Zweck der Sozialeinrichtung aufheben oder wesentlich einschränken. Wie oben bereits dargestellt, will das baden-württembergische Landespersonalvertretungsgesetz ein umfassendes und lückenloses Beteiligungsrecht der Personalvertretung nicht nur bei Neuerrichtungs- und Auflösungsmaßnahmen, sondern bei allen wichtigen Veränderungen einer Sozialeinrichtung gewährleisten. Diesem Gesichtspunkt kommt auch Bedeutung für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Verwaltung“ zu; eine zu enge Auslegung wird diesem Normzweck nicht gerecht. Im Übrigen bleibt bei der vom weiteren Beteiligten vorgeschlagenen Auslegung kaum Raum für eine Mitbestimmung der Personalvertretung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltung einer Sozialeinrichtung, weil die von ihm erwähnten Maßnahmen bereits unter der Tatbestandsalternative einer wesentlichen Änderung und Auflösung mitbestimmungspflichtig sind.
23 
2.2.3 Der Gesetzes- oder Tarifvorrang steht hier der Mitbestimmung des Antragstellers nicht entgegen. Gemäß § 74 Abs. 2 1. Halbsatz LPVG ist das in den nachfolgenden Ziffern statuierte grundsätzliche Mitbestimmungsrecht des Personalrats ausgeschlossen, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Eine die Mitbestimmung des Personalrats ausschließende gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht dann, wenn darin ein Sachvorhalt unmittelbar geregelt ist, es also zum Vollzug keines Ausführungsaktes mehr bedarf. Eine solche Regelung besitzt Ausschließlichkeitscharakter, weil sie vollständig, umfassend und erschöpfend ist. Wenn jedoch aufgrund einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung die Ausgestaltung der Einzelmaßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen Entscheidung – auch bei rein normvollziehenden Maßnahmen ohne eigenen Ermessensspielraum – der Richtigkeitskontrolle des Personalrats im Wege der Mitbestimmung (vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 18.05.2004 – 6 PB 13.03 – BVerwGE 121, 38 und vom 01.06.2007 – 6 PB 4.07 – PersR 2007, 356). Der personalvertretungsrechtliche Gesetzes- und Tarifvorrang findet seine Rechtfertigung darin, dass bei der gesetzlichen und tariflichen Regelung bereits ein für die Beschäftigten billiger Interessenausgleich herbeigeführt ist, der nicht zur Disposition im Mitbestimmungsverfahren stehen soll. Unter „gesetzlicher Regelung“ im Sinne des personalvertretungsrechtlichen Gesetzesvorrangs ist jedes materielle Gesetz zu verstehen und sind mithin auch Rechtsverordnungen erfasst, die auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.04.2008 – 6 PB 1.08 – NVwZ 2008, 801).
24 
Nach diesen Grundsätzen war hier die Mitbestimmungskompetenz des Antragstellers bei der Reduzierung des Kantinenangebots mit Erlass vom 16.03.2020 nicht aufgrund des Gesetzesvorrangs ausgeschlossen. Im Ausgangspunkt zutreffend weist der weitere Beteiligte freilich darauf hin, dass gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 10 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 (Corona-Verordnung – Corona-VO) vom 17.03.2020 in der Fassung vom 22.03.2020 der Betrieb von Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen bis zum 19.04.2020 untersagt wurde. Indes nahm § 4 Abs. 3 Nr. 4a dieser Verordnung von der Untersagung nach Absatz 1 ausdrücklich Kantinen für Betriebsangehörige oder Angehörige öffentlicher Einrichtungen aus. Vor diesem Hintergrund war der weitere Beteiligte nicht aufgrund von zwingenden Rechtsnormen zur Schließung des Sitzbereichs der Kantinen und zur Umstellung auf take-away-Betrieb verpflichtet. Hieran ändert auch der von dem weiteren Beteiligten herangezogene Umstand nichts, dass das Regelungsziel der Corona-Verordnung, nämlich eine Reduzierung des Kontakts von Menschen in engen Räumen, im Einzelfall eine Schließung des Sitzbereichs zwingend geboten hätte. Die maßgebliche Corona-Verordnungsbestimmung stellt insoweit keine sich selbst vollziehende Regelung dar, sondern ist vielmehr auf die Umsetzung durch den Dienststellenleiter im Rahmen seines Direktionsrechts angelegt.
25 
Schließlich stand der Gesetzesvorrang einem Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei Wiedereröffnung des Sitzbereichs ab dem 20.05.2020 nicht entgegen. Zwar war die Einschränkung, wonach der Speisenverzehr nur an Einzeltischen im Innenbereich und an Stehtischen im Außenbereich mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern eröffnet wurde, durch § 4 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 1 Abs. 4 der Corona-Verordnung der Landesregierung vom 09.05.2020 in der Fassung vom 18.05.2020 vorgegeben. Indes blieben die konkreten Regelungen des Betriebsregimes bei Wiedereröffnung wie etwa auch zusätzlich zu ergreifender Hygienemaßnahmen dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters überantwortet und damit einer Mitbestimmung der Dienststellenpartner zugänglich. Hieran ändert auch der von dem weiteren Beteiligten herausgestellte Umstand nichts, dass das Ergreifen der Maßnahmen angesichts der bestehenden Pandemiesituation „alternativlos“ gewesen sei. Im vorliegenden Verfahren, dessen Gegenstand das Mitbestimmungsrecht dem Grunde nach ist, ist nicht darüber zu entscheiden, welchen Bindungen der Antragsteller seinerseits bei der Ausübung dieses Mitbestimmungsrechts unterliegt. Das von dem weiteren Beteiligten als Dienststellenleiter wahrgenommene öffentliche Interesse an einer Beherrschung der Pandemiesituation innerhalb des Universitätsklinikums und die möglicherweise konfligierenden Belange der Belegschaft sind im Rahmen des von § 74 Abs. 2 Nr. 6 LPVG eröffneten Mitbestimmungsrechts bei der Verwaltung der Sozialeinrichtung einer Interessenabwägung zuzuführen. Diese Abwägung kann dazu führen, dass sich die von dem Dienststellenleiter ergriffenen Maßnahmen als zwingend geboten darstellen. Das zu entscheiden ist Aufgabe der Dienststellenpartner und notfalls der Einigungsstelle. Ein solch mögliches Ergebnis schließt aber ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nicht von vornherein aus.
26 
Nach alldem hat der Antrag Erfolg.
27 
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. §§ 2 Abs. 2 GKG, 2a Abs. 1 ArbGG, 92 Abs. 2 LPVG). Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen