Urteil vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 4 K 1827/21

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig den Zutritt zu dem Schulgebäude der V. Schule in U. ohne medizinische Maske oder Atemschutz zu gewähren.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihre Schule ohne Maske betreten zu dürfen.
Sie ist Schülerin der zwölften Klasse des beruflichen Gymnasiums der V. Schule U.. Die Antragstellerin legte unter dem 23. August 2020 einen „Informationsbrief" (BAS 3 bis 33) vor, der von einer „Gruppe zahlreicher betroffener Eltern“ verfasst wurde und in dem eine kritische und im Ergebnis ablehnende Auseinandersetzung mit der Maskentragung/-pflicht sowie eine allgemeine Auseinandersetzung mit der Coronapandemie erfolgt.
Am 4. November 2020 legte die Antragstellerin ein ärztliches Attest der Praxis S., W. und F., P., vom 28. Juli 2020 vor. Mit E-Mail vom 7. November 2020 bat der Schulleiter die Eltern um Vorlage eines aktuellen und qualifizierten ärztlichen Attests und teilte mit, dass die Antragstellerin bis zur Vorlage eines entsprechenden Attests einen geeigneten Mund-Nasen-Schutz gemäß der Verordnung des Kultusministeriums über den Schulbetrieb unter Pandemiebedingungen (CoronaVO Schule) zu tragen habe. Dieses Ansinnen wiesen die Eltern der Antragstellerin zurück.
Der Schulleiter wandte sich mit E-Mail vom 26. November 2020 auf Empfehlung des Regierungspräsidiums Tübingen wegen Zweifeln an der Glaubhaftigkeit des vorgelegten Attests an den Ärztlichen Kreisverband M.. Mit E-Mail vom 27. November 2020 teilte der Erste Vorsitzende Dr. C. mit, dass die Rechtsabteilung der Bayerischen Landesärztekammer fordere, dass aus dem konkreten Attest anhand konkreter Angaben nachvollziehbar sein müsse, weshalb und aus welchen Gründen sowie für welchen Zeitraum das Tragen einer Maske nicht zugemutet werden könne. Diese Anforderungen seien nicht erfüllt. Zudem könne ein Attest vom 28. Juli 2020 keine Aussage über die Situation am 3. November 2020 treffen. Mit E-Mail vom 30. November an den Vater der Antragstellerin hielt der Schulleiter aufgrund der Auskunft des Ärztlichen Kreisverbands M. an seiner Auffassung vom 7. November 2020 fest.
Am 2. Dezember wurde ein erneutes, wortgleiches Attest, ebenfalls datierend auf den 28. Juli 2020 (BAS 43) vorgelegt, das nunmehr um Diagnosen ergänzt wurde. Mit E-Mail vom 2. Dezember 2020 forderte der Schulleiter zur Vorlage eines Originals auf und wies daraufhin, dass aus dem Attest der Zeitraum der Unzumutbarkeit des Tragens einer Maske nicht hervorgehe. Außerdem sei das Attest veraltet. Auf eine erneute Anfrage des Schulleiters teilte Dr. C. mit, dass das nunmehr vorgelegte Attest ebenfalls nicht ausreichend sei.
Mit E-Mail vom 9. Mai 2021 teilte die Mutter der Antragstellerin unter Vorlage eines Antikörpertests dem Klassenlehrer mit, dass ihre Tochter zukünftig wieder am Präsenzunterricht teilnehmen werde. Der Klassenlehrer wies mit E-Mail vom 10. Mai 2021 daraufhin, dass ein Antikörpertest nicht ausreichend sei.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2021 forderte die Antragstellerin, nachdem sie am selben Tag der Schule verwiesen wurde, nochmals dazu auf, das vorgelegte Attest zu akzeptieren. Am 11. Juni wurde ein dem Attest vom 28. Juli 2020 in seiner ergänzten Form gleichendes Attest, datierend auf den 10. Juni 2021 (BAS 66) vorgelegt. Auf nochmalige Bitte des Schulleiters teilte Dr. C. mit E-Mail vom 15. Juni 2021 mit, dass das Attest den Anforderungen nicht entspreche, da weder ein Beschwerdebild noch der Zeitraum der Unzumutbarkeit angegeben würden.
Am 9. Juni 2021 hat die Antragstellerin den vorliegenden Eilantrag erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Maske nicht möglich sei. Der Verweis auf die Vorlage eines qualifizierten Attests gehe ins Leere, da die Verweisung von der Schule einen Verwaltungsakt darstelle, welcher nichtig sei, da er nicht schriftlich erfolgt sei. Das Schreiben vom 17. Mai 2021 stelle einen Widerspruch dar. Mangels Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ihr also der Besuch der Schule aufgrund des Attests ohne Maske zu gestatten. Eilbedürftigkeit sei gegeben, da sie die zwölfte Klasse besuche und kurz vor ihrem Abitur stehe. Der Bildungsauftrag sei gefährdet.
Die Antragstellerin beantragt – sachdienlich gefasst,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig zu gestatten, in der Schule am Präsenzunterricht ohne Maskentragung teilzunehmen, das Schulgelände ohne Maske zu begehen und zu verlassen und sich auf dem Pausengelände ohne Maske zu bewegen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Befreiung vom gesetzlichen Teilnahme- und Zutrittsverbot nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO Schule sei nicht glaubhaft gemacht worden, § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO. Die Mängel der ärztlichen Atteste nach Form und Inhalt, aber auch die allgemeine Skepsis der Antragstellerin und ihrer Eltern bezüglich aller Maßnahmen betreffend Corona führten dazu, dass keine individuell besonderen gesundheitlichen Defizite dargelegt seien, die das Tragen einer Maske unzumutbar machten. Ergänzend sei auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. Juni 2021 (4 K 1729/21) hingewiesen, mit dem ein Antrag auf einstweilige Teilnahme am Schulunterricht bei mangelhaftem Attest erfolglos geblieben sei. Ergänzend werde anzuführen, dass die Mutter der Antragstellerin am 14. Juni 2021 versucht habe, der Antragstellerin den Zugang zum Schulbetrieb mit einem Polizeieinsatz zu erzwingen, was jedoch vor Ort mangels Mitwirkungsbereitschaft des Polizeivollzugsdienstes nicht erfolgreich gewesen sei. Durch den Erlass des Kultusministeriums vom 16. Juni 2021, wonach aufgrund der niedrigen Inzidenz im Unterricht die Maskenpflicht entfalle, ergebe sich im Übrigen keine relevante Änderung, nachdem die Maskenpflicht im Schulgebäude außerhalb der Unterrichtsräume weiterhin unverändert fortbestehe.
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Dem Gericht liegt die Schulakte vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird hierauf sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.
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1. Der statthafte Antrag ist zulässig, insbesondere hat sich das Begehren durch die Neufassung der CoronaVO Schule mit Wirkung ab 21. Juni 2021 nicht erledigt.
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a. Vorliegend ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO als Regelungsanordnung bei sachdienlicher Auslegung des Begehrens statthaft, § 88 VwGO.
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Rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch der Antragstellerin, ohne Maske zum Schulbetrieb zugelassen zu werden, ist § 1a Abs. 1 Satz 3 CoronaVO Schule vom 4. Juni 2021 in der ab 21. Juni 2021 geltenden Fassung und § 3 Abs. 3 Nr. 2 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 vom 13. Mai 2021 in der ab 21. Juni 2021 geltenden Fassung (CoronaVO). § 3 Abs. 2 Nr. 16 CoronaVO sowie der nahezu inhaltsgleiche § 1a Abs. 1 CoronaVO Schule sehen grundsätzlich vor, dass in den Schulen eine medizinische Maske oder ein Atemschutz getragen werden muss. In § 1a Abs. 1 Satz 3 CoronaVO Schule i.V.m. § 3 Abs. 3 CoronaVO sind Ausnahmen hiervon geregelt. § 1a Abs. 2 und 3 CoronaVO Schule regelt darüber hinaus weitere Ausnahmen, bei deren Vorliegen eine medizinische Maske oder ein Atemschutz nicht getragen werden muss. Für Personen, die in der Schule entgegen der Maskenpflicht keine medizinische Maske oder einen Atemschutz tragen, besteht kraft der Verordnung ein Zutritts- und Betretungsverbot (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO Schule).
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Die Antragstellerin begehrt unter Inanspruchnahme einer Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen den umfassenden Zugang zum Präsenzunterricht und den Einrichtungen der V. Schule in U., ohne eine Maske tragen zu müssen. Sie wendet sich dabei nicht gegen einen Verwaltungsakt. Weder hat die Schule mit Verwaltungsakt von der Maskentragungspflicht befreit, noch wurde eine solche Befreiungsentscheidung mit Verwaltungsakt zurückgenommen. Die Antragstellerin wurde nach den vorgelegten Unterlagen auch nicht mit Verwaltungsakt vom Unterricht ausgeschlossen, sondern unter Hinweis auf die sich aus der Verordnung ergebende Verpflichtung, eine Maske tragen zu müssen, zur Teilnahme am Fernunterricht angehalten. Damit ist der Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Schulbetrieb ohne Maskentragung mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verfolgen.
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b. Der Antragstellerin fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
21 
Die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske oder eines Atemschutzes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 16 CoronaVO BW, § 1a Abs. 1 CoronaVO Schule ist derzeit geltendes Recht und nach summarischer Prüfung voraussichtlich mit höherrangigem Recht vereinbar (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 2020 - 1 S 1357/20 -; Beschluss vom 22. Oktober 2020 - 1 S 3201/20 -; Beschluss vom 20. April 2021 - 1 S 1121/21 -, alle bei juris). Die dem Infektionsschutz dienende Maskenpflicht ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung auch noch nicht offensichtlich unnötig und unangemessen. Bei einer 7-Tages-Inzidenz von unter 35 im Land- oder Stadtkreis – wie hier im Stadtkreis U. – ist die Verpflichtung zum Tragen einer Maske zwar gelockert und besteht nicht mehr im Freien auf dem Schulgelände und in den Unterrichtsräumen sowie den für Betreuungsangebote genutzten Räumen, § 1a Abs. 3 CoronaVO Schule. Die insoweit noch bestehende Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske oder eines Atemschutzes im Gebäude außerhalb der o.g. Räume verfolgt in verhältnismäßiger Art und Weise den nach wie vor legitimen Zweck, an den Orten, an denen der Mindestabstand voraussichtlich kaum eingehalten wird, eine ausreichende Belüftung nur schwer zu gewährleisten ist und die jeweiligen Klassen nur schwer zu trennen sind, das Infektionsrisiko des Einzelnen und die Weitergabe des Coronavirus an andere, zu unterbinden und so das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen.
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Ausgehend hiervon hat sich das Begehren auch nach Änderung der CoronaVO Schule mit Wirkung ab dem 21. Juni 2021 und den damit einhergehenden Lockerungen auf dem Schulgelände und in den Unterrichtsräumen (siehe oben) nicht erledigt, da die Antragstellerin außerhalb hiervon weiterhin zum Tragen einer Maske angehalten wird. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Schule von der Einhaltung dieser Regelung absieht oder das zuletzt vorgelegte Attest akzeptiert.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies setzt voraus, dass sowohl ein sicherungsfähiger Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) vorliegt. Die tatsächlichen Voraussetzungen für diese beiden Voraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO.
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Ein Anordnungsgrund besteht, wenn Eilbedürftigkeit besteht und eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf ein etwaiges Hauptsacheverfahren unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. Februar 2015 - 10 S 2471/14 -, juris Rn. 22).
26 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es der Antragstellerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gelungen, einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
27 
a. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Antragstellerin ist § 76 Abs. 1 Satz 1 SchG i.V.m. § 1a Abs. 1 Satz 3 CoronaVO Schule, § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO. Danach ist die schulpflichtige Antragstellerin zum Schulbesuch berechtigt und verpflichtet. Das seuchenpolizeiliche Verbot, die Schule ohne Maske zu betreten, drängt dieses schulrechtliche Recht auf Teilnahme am Präsenzunterricht und Schulbetrieb ohne Maske nur zurück und beseitigt es temporär, wenn die Antragstellerin der Maskentragungspflicht nach CoronaVO Schule und CoronaVO unterliegt. Eine Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske oder eines Atemschutzes besteht nicht für Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer medizinischen Maske oder eines Atemschutzes aus gesundheitlichen oder sonstigen zwingenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe hat in der Regel durch eine ärztliche Bescheinigung zu erfolgen.
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b. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass der Ausnahmetatbestand im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfüllt ist. Sie hat zur Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO ein ärztliches Attest vom 10. Juni 2021 vorgelegt. Dieses Attest genügt den gesetzlichen Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO.
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aa. CoronaVO und CoronaVO Schule enthalten keine ausdrückliche Definition des Begriffs der ärztlichen Bescheinigung oder qualitative Vorgaben hierzu. Nach der Vorstellung der Verordnungsgeber ist damit kein qualifiziertes ärztliches Attest gemeint, welches Angaben zur Diagnose, den Befundtatsachen und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung enthält. Vielmehr reicht es aus, dass die ärztliche Bescheinigung den Namen, die Anschrift und die Fachrichtung des ausstellenden Arztes erkennen lässt und von diesem unterschrieben ist. Die Nennung konkreter medizinischer Befunde ist grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. Fragen und Antworten zur Maskenpflicht, Punkt „Wie muss eine ärztliche Bescheinigung aussehen, damit ich von der Maskenpflicht befreit bin?“ unter https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/aktuelle-infos-zu-corona/faq-corona-verordnung; ähnlich auch Handreichung des Kultusministeriums zur Maskenpflicht an Schulen, dort S. 4, aufrufbar unter: https://km-bw.de/site/pbs-bw-km-root/get/documents_E605062670/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/KM-Homepage/Artikelseiten%20KP-KM/1_FAQ_Corona/2021%2003%2025%20Anlage%20Handreichung%20Maskenpflicht.pdf; zuletzt abgerufen am 22. Juni 2021).
30 
Dies entspricht auch der allgemeinen Auffassung des Rechtsverkehrs, welcher ärztlichen Attesten eine gehobene Beweiswirkung zuspricht, was auf dem Umstand beruht, dass dem ausstellenden Arzt neben seiner fachlichen Expertise eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt, was unter anderem auf seiner Neutralität und Unabhängigkeit und seiner beruflichen Distanz beruht (Eibenstein/Schlereth/Lang, Das ärztliche Attest in der COVID-19-Pandemie, COVuR 2021, 148, 151 m.w.N.).
31 
Auf der anderen Seite steht die verpflichtende Angabe von Gesundheitsdaten gegenüber Dritten – so wie es der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO vorsieht – in einem Spannungsverhältnis mit dem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG geschützten informationellen Selbstbestimmungsrecht. Angaben zu besonders sensiblen persönlichen Umständen stellen für den Betroffenen in der Regel erhebliche Eingriffe dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2021 - OVG 11 S 132/20 -, juris Rn. 24 f.; ausführlich hierzu Ebert/Rinnert, Offenbarungspflichten bei medizinischen Masken-Attesten, ARP 2021, 124, 125 ff.). Das gilt auch bei Berücksichtigung der zum Datenschutz verpflichteten Schulen (vgl. § 115 Abs. 4 SchG). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass zur Schulakte genommene Atteste weit über das Ende der COVID-19-Pandemie hinausreichende Auswirkungen haben (vgl. zum Fall einer Vorlage von ärztlichen Bescheinigungen für Beamte der Finanzverwaltung VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 10. März 2021 - 3 K 477/21 -, juris Rn. 24).
32 
Danach kann für die Glaubhaftmachung gesundheitlicher Gründe im Sinne des § 3 Abs. 3 Nr. 2 CoronaVO BW grundsätzlich nicht die Vorlage eines qualifizierten ärztlichen Attests verlangt werden. Soweit in der Rechtsprechung eine solch weitreichende Obliegenheit vertreten wird (siehe etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2020 - 13 B 1368/20 -, juris Rn. 11 m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26. April 2021 - 20 CE 21.1141 -, juris Rn. 19 m.w.N.), ist dem jedenfalls in dieser Pauschalität nicht für die Rechtslage in Baden-Württemberg zu folgen. Entsprechende Vorgaben lassen sich – anders als in den jeweils betreffenden Bundesländern – den Tatbeständen der baden-württembergischen Verordnungen nicht entnehmen. Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart teilt wohl diese Auffassung (VG Stuttgart, Pressemitteilung zum Beschluss vom 30. November 2020 - 12 K 5502/20 -, juris), ist allerdings der Auffassung, dass es keiner Rechtsgrundlage für die Vorlage eines „qualifizierten“ Attests bedürfe, da es auf der Hand liege, dass eine Überprüfung auf Plausibilität – auch ohne Nennung einer Diagnose – möglich sein müsse. Neben dem Umstand, dass sich diese Anforderungen dem Willen der Verordnungsgeber nicht entnehmen lassen, überspannt diese Auslegung die Anforderungen, die an den ein Sonderopfer bringenden Schüler (polizeilicher Nichtstörer) gestellt werden. Diese Auffassung übersieht auch den den ärztlichen Attesten zukommenden Beweiswert.
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bb. Gemessen an diesen Maßstäben ist jedenfalls das zuletzt vorgelegte Attest von der Ärztin W. vom 10. Juni 2021 (BAS 66) ausreichend, um eine Ausnahme von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründe glaubhaft zu machen.
34 
Zweifel an der Richtigkeit und damit der Beweiskraft des Attests bestehen nicht. Die vom Schulleiter in seiner E-Mail vom 26. November 2020 dargestellten Zweifel greifen nicht durch. Die Entfernung der Arztpraxis zum Wohnort von 20 km lässt nicht erkennen, dass die Glaubwürdigkeit der Ärztin erschüttert ist. Gleiches gilt hinsichtlich des Umstands, dass das neuerlich auf den 28. Juli 2020 datierende Attest (BAS 43) erst am 2. Dezember 2020 vorgelegt wurde. Die wohl fehlerhafte Datierung des Attests dürfte auf die Aufforderung des Schulleiters, ein um Diagnosen ergänztes Attest vorzulegen, zurückzuführen und ein Versehen gewesen sein. Für das Gericht ist auch nicht erkennbar, wie sich die Maskenskepsis der Eltern der Antragstellerin auf die Glaubwürdigkeit der Ärztin auszuwirken vermag. Ebenfalls nicht durchgreifend ist der Einwand, das Attest sei allgemein gehalten. Eine entsprechende Konkretisierung und Substantiierung sehen die Verordnungen nicht vor. Insofern ist es auch unerheblich, dass der Erste Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands M. unter Hinweis auf die Rechtsabteilung der Bayerischen Landesärztekammer der Ansicht ist, dass weitergehende Anforderungen an ein Attest zu stellen sind. Solche Vorgaben lassen sich – wie bereits dargestellt – den geltenden Verordnungen nicht entnehmen.
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Darüber hinaus ist auch sonst (derzeit) nichts ersichtlich, das die Glaubwürdigkeit der das Attest ausstellenden Ärztin in Zweifel ziehen kann. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom Antragsgegner in Bezug genommenen Verfahren 4 K 1729/21, in dem die Glaubwürdigkeit des Arztes erschüttert worden war.
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c. Ein Anordnungsgrund liegt vor. Durch die Verwehrung der Verweisung der Antragstellerin auf den Fernunterricht ist der ihr zustehende Anspruch auf Bildung (Art. 11 Abs. 1 LV i.V.m. § 1 Abs. 1 SchG) und Teilhabe an den tatsächlich vorhandenen Bildungseinrichtungen (hier Präsenzunterricht, siehe hierzu VG Sigmaringen, Beschluss vom 18. Juni 2020 - 4 K 2131 -, n.v.) erheblich eingeschränkt, was sich auch auf ihren beruflichen Fortgang negativ auszuwirken droht (Art. 12 Abs. 1 GG).
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3. Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und ist entsprechend von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs halbiert.

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